Vorblatt

Probleme

Das Unterbringungsgesetz ist seit 1. Jänner 1991, also seit über 19 Jahren nahezu unverändert in Kraft. Geänderte Rahmenbedingungen tatsächlicher und rechtlicher Art und die gesammelten Erfahrungen der Anwendungspraxis machen nun eine erste größere Anpassung des Gesetzes erforderlich. In manchen Fällen führt eine allzu frühe Beendigung der Unterbringung zu einem Drehtüreffekt (neuerliche Unterbringung nach kurzer Zeit). Aufgrund der fortschreitenden Dezentralisierung der Psychiatrie und einem Ärztemangel unter den Psychiatern stößt das Erfordernis einer unverzüglichen Aufnahmeuntersuchung durch einen zweiten Facharzt auf erhebliche Schwierigkeiten. Der Rechtsschutz bei Beschränkungen sonstiger Rechte hat sich aufgrund der taxativen Aufzählung der Gerichtskompetenzen als unzureichend erwiesen. Auch die Fortentwicklung der Rechtsprechung und vergangene Novellen anderer Gesetze führen zu einem gewissen Änderungsbedarf, vor allem im Verfahrensrecht.

Im Anwendungsbereich des Heimaufenthaltsgesetzes sind in der Praxis gewisse Probleme mit der Anordnung von Freiheitsbeschränkungen aufgetreten. Daneben besteht wie im UbG insbesondere im Bereich des Verfahrensrechts punktuell Änderungsbedarf.

Ziele

Das UbG und das HeimAufG sind an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Es ist klarzustellen, dass ein „Drehtüreffekt“ nicht der Zielsetzung des UbG entspricht. Die Befugnis zur Anordnung freiheitsbeschränkender Maßnahmen nach dem HeimAufG soll der jeweils kompetenten Berufsgruppe (Ärzte, Pflege, Pädagogik) zugeordnet werden. Formvorschriften, die sich als wenig effektiv im Rechtsschutz erwiesen haben und gleichzeitig die Anwendungspraxis unverhältnismäßig erschweren, sollen abgemildert werden. Rechtsschutzlücken sollen geschlossen werden.

Inhalte

Im UbG

- soll unter Beachtung der verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben, insbesondere des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Gesetz verankert und klargestellt werden, dass bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen ist, ob im Falle einer Aufhebung voraussichtlich in absehbarer Zeit neuerlich Freiheitsbeschränkungen erforderlich würden;

- soll ein zweites ärztliches Aufnahmezeugnis nur mehr auf Verlangen (bis zum Mittag des folgenden Werktags) erstellt werden müssen;

- soll die Vertretung der Patienten durch den örtlich zuständigen Verein erfolgen;

- wird eine Generalklausel zur Kontrolle sonstiger, bisher nicht ausdrücklich im UbG geregelter Rechtsbeschränkungen geschaffen;

- sollen verschiedene terminologische Anpassungen erfolgen.

Im HeimAufG

- soll die Befugnis zur Anordnung von Freiheitsbeschränkungen neu geregelt werden;

- soll ausdrücklich festgehalten sein, dass das Zugangsrecht des Bewohnervertreters nicht von der Meldung einer Freiheitsbeschränkung abhängig ist;

- soll den Gerichten die Möglichkeit eingeräumt werden, die Zulässigerklärung einer Freiheitsbeschränkung an die Erfüllung von Auflagen zu knüpfen.

In beiden Gesetzen ist nun ausdrücklich die Überprüfung einer bereits aufgehobenen Unterbringung bzw. Freiheitsbeschränkung vorgesehen. Weiters werden Anpassungen aufgrund der Reformen des Sachwalterrechts bzw. – im Zusammenhang mit dem UbG – des Außerstreitverfahrens vorgenommen. Schließlich werden punktuell verfahrensrechtliche Bestimmungen abgeändert; aus Gründen der Rechtseinheit wird dabei so weit wie möglich auf einen Gleichklang zwischen UbG und HeimAufG geachtet.

Alternativen

Es bestehen keine Alternativen, mit denen die aufgezeigten Reformziele in gleicher Weise verwirklicht werden könnten.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort

Das Vorhaben wird sich auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort nicht auswirken.

Finanzielle Auswirkungen

Durch das Vorhaben, bei der Anordnung der Unterbringung ein (obligatorisches) fachärztliches Zeugnis genügen zu lassen, während eine zweite Aufnahmeuntersuchung nur auf Verlangen bis zum Mittag des folgenden Werktags zu erstellen sein soll, reduziert sich die Zahl der in psychiatrischen Abteilungen nötigen ärztlichen Nacht- und Wochenenddiensten bzw. -bereitschaften deutlich. Die Länder in ihrer Funktion als Träger von Krankenanstalten werden dadurch finanziell entlastet. Als Trägern von Alten- und Pflegeheimen oder anderen dem HeimAufG unterworfenen Einrichtungen wird ihnen die Neuregelung der Befugnis zur Anordnung freiheitsbeschränkender Maßnahmen entgegenkommen, da diese in Zukunft vielfach eigenen Bediensteten vorbehalten sein wird; zum Nachweis des Vorliegens einer psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung kann auf bereits vorliegende ärztliche Aufzeichnungen zurückgegriffen werden.

Für den Bund sind die vorgeschlagenen Neuerungen in der Summe ihrer Auswirkungen kosten- und aufwandneutral.

Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen

Es sind keine neuen Informationsverpflichtungen für Unternehmen vorgesehen.

Sonstige Auswirkungen

Die vorgeschlagenen Änderungen werden sich auf die Lebensqualität betroffener psychisch kranker Menschen, insbesondere ihre gesellschaftliche Integration, positiv auswirken. Der Entfall der (bisher in jedem Fall zwingend vorgesehenen unverzüglichen) zweiten psychiatrischen Aufnahmeuntersuchung sollte bewirken, dass die psychiatrischen Fachärzte weniger Zeit für Nacht- Wochenend- und Feiertagsbereitschaften aufwenden müssen und daher mehr Zeit haben, sich (untertags an Werktagen) den vielfältigen Aspekten einer umfassenden psychiatrischen Behandlung der Patienten zu widmen. Dies sollte sich auf die Qualität der Behandlung und das Arzt-Patienten-Verhältnis positiv auswirken. Da die Einhaltung des bisher vorgesehenen Aufnahmeverfahrens gerade in kleineren dezentralen psychiatrischen Abteilungen schwierig war, wird durch die Änderung auch die weitere Dezentralisierung der Psychiatrien erleichtert. Solche dezentralen Abteilungen, die meist allgemeinen Krankenanstalten angegliedert sind, ermöglichen eine weniger stigmatisierende Behandlung in der Nähe des Wohnorts und erleichtern damit die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte.

Durch die Klarstellung, dass ein „Drehtüreffekt“ nicht der Zielsetzung des UbG entspricht und eine zeitlich begrenzte Fortführung einer Unterbringung einen geringeren Eingriff in die Freiheitsrechte eines Patienten darstellen kann, als ansonsten zu erwartende neuerliche Unterbringungen, sollte in manchen Fällen eine nachhaltigere Stabilisierung erreicht werden und in der Folge seltener schlimme Akutphasen auftreten. Da solche Krankheitsschübe oft krisenhafte Entwicklungen der sozialen Beziehungen der psychisch Kranken nach sich ziehen, trägt deren Verringerung im Allgemeinen zu einer Verbesserung der Lebensqualität psychisch Kranker und zur Verringerung ihrer Stigmatisierung in der Gesellschaft bei.

Durch die Neuregelung der Anordnungsbefugnis im HeimAufG sollen freiheitsbeschränkende Maßnahmen von Angehörigen jener Berufsgruppen verantwortet werden, deren Kompetenz angesprochen ist; ärztliche Maßnahmen sind von Ärzten, pflegerische Maßnahmen sind von Angehörigen des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege und Maßnahmen „betreuerischer“ Natur sind von der pädagogischen Leitung der Einrichtung anzuordnen. Es ist zu erwarten, dass diese Klarstellung eine Entlastung im Verhältnis Arzt und Pflege bzw. Heilpädagogik mit sich bringt, von der letztlich auch die Bewohner profitieren.

Aspekte der Deregulierung

Aspekte der De­re­gu­lie­rung, wie sie Art. 1 § 1 Abs. 1 des Deregulierungsgesetzes 2001 anspricht, stehen dem Vorhaben nicht entgegen.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Der Entwurf unterliegt keinen besonderen Beschlusserfordernissen im Nationalrat und im Bundesrat. Der Konsultationsmechanismus kann nicht ausgelöst werden, weil das Vorhaben keine Mehrkosten für die Länder und die Gemeinden nach sich ziehen wird. Der Entwurf muss auch nicht nach dem Notifi­ka­tions­gesetz 1999 notifiziert werden.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Die Regeln über die Zulässigkeit von Freiheitsentziehungen in psychiatrischen Krankenanstalten und Abteilungen, in Alten- und Pflege­heimen und in anderen vergleichbaren Einrichtungen betreffen Bereiche, die im Gemein­schafts­recht nicht geregelt sind.

Kompetenz

Die Kompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG (Gesundheitswesen). Wie der Verfassungs­gerichts­hof in seinem Erkenntnis vom 28.6.2003, G 208/02, VfSlg 16.929/2003, klargestellt hat, ist die Regelung freiheits­beschränkender Maß­nahmen zur Abwehr krankheitsbedingter Gefahren diesem Kompetenztatbestand zuzuordnen und daher in Gesetzgebung und Voll­ziehung Bundes­sache.


Allgemeiner Teil

1. Einleitung

Das österreichische Recht kennt schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts Vorschriften über freiheitsentziehende Maßnahmen an psychisch Kranken, die im Laufe der Zeit einem starken Wandel hin zu einem generell höheren Schutzniveau unterworfen waren. Das im Jahr 1990 erlassene, am 1. Jänner 1991 in Kraft getretene Unterbringungsgesetz fasste die zuvor zersplitterten Rechtsvorschriften in einem Gesetz zusammen und schuf in Entsprechung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des PersFrG 1988 für die Anordnung, den Vollzug und die gerichtliche Überprüfung der Unterbringung psychisch Kranker ein Regelwerk, das in der Literatur im allgemeinen durchwegs als gelungen bezeichnet wird und den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht (vgl. etwa Kopetzki, Unterbringungsrecht I, 22 ff; Pommer, Unterbringung im Rechtsvergleich [2003]; Strickmann, Heimaufenthaltsrecht [2008] 25 ff).

Mit dem in vielen Formulierungen an das UbG angelehnten Heimaufenthaltsgesetz, das am 1. Juli 2005 in Kraft getreten ist, wurde der Rechtsschutz gegenüber Freiheitsbeschränkungen über den Kreis der psychiatrischen Einrichtungen im Sinne des § 2 UbG hinaus auch in Alten- und Pflegeheimen, Behinderteneinrichtungen und ähnlichen Einrichtungen etabliert und damit eine zuvor bestehende Lücke geschlossen.

2. Problemstellungen und Entstehung des Entwurfs

Aus Anlass des 15-jährigen Bestehens des UbG hat am 29.11.2006 im Bundesministerium für Justiz die Veranstaltung „15 Jahre Unterbringungsgesetz – kritische Würdigung, politische Perspektiven“ stattgefunden. Vertreter der Wissenschaft, der Ärzteschaft, der Patientenanwaltschaft, der Angehörigen und der Richterschaft sowie ein Psychiatrieerfahrener haben über Erfahrungen der Anwendungspraxis und Reformerfordernisse referiert und diskutiert. Die Fachtagung ist auf sehr großes Interesse gestoßen; mehrere Beiträge wurden in der „Interdisziplinären Zeitschrift für Familienrecht“ (iFamZ) publiziert (Kopetzki, 15 Jahre Unterbringungsgesetz - Eine kritische Würdigung, iFamZ 2007, 22; Gross, 1991-2006, Neue Entwicklungen der Psychiatrie bewirken neue UbG-Perspektiven – Ein psychiatrischer Erfahrungsbericht, iFamZ 2007, 25; Geretsegger, Problemfelder im UbG aus psychiatrischer Sicht – Diskussion und Lösungsansätze, iFamZ 2007, 28; Beermann, UbG: Praktische Perspektiven der Patientenanwaltschaft – Eine Bilanz zu 15 Jahren Unterbringungsgesetz, iFamZ 2007, 31; Kovar, Praktische Perspektiven aus Sicht eines Exekutivbeamten, iFamZ 2007, 32; Engel, Anpassungserfordernisse im Unterbringungsrecht – Eine Bestandsaufnahme aus Sicht eines Unterbringungsrichters, iFamZ 2007, 33; Ladinser, Das UbG aus Sicht der Angehörigen, iFamZ 2007, 35; Forster/Kinzl, 15 Jahre Unterbringungsgesetz - Eine kritische Würdigung aus sozialwissenschaftlicher Sicht, iFamZ 2007, 294). Ganz überwiegend wurde die Auffassung vertreten, dass sich das UbG in der Praxis sehr gut bewährt habe, in einigen Details aber durchaus bereits Anpassungsbedarf bestehe. So wurde die Sinnhaftigkeit der zweiten obligatorischen Aufnahmeuntersuchung in Frage gestellt und im Hinblick auf die Dezentralisierung der Psychiatrien problematisiert. Auch die bisher unterbliebene Angleichung des Gesetzes an die Reformen des Sachwalterrechts und des Außerstreitverfahrens sowie bestimmte Aspekte des Rechtsmittelverfahrens wurden kritisiert. Aufgezeigt wurde außerdem, dass die taxative Aufzählung der Gerichtskompetenzen im Bereich sonstiger – im Gesetz bisher nicht erwähnter – Rechtsbeschränkungen zu Rechtsschutzlücken führt.

In der Folge hat das Bundesministerium für Justiz Vertreter der beteiligten Kreise zur Teilnahme an einer Arbeitsgruppe eingeladen, in welcher ein – im Verlauf der Sitzungen zunehmend ausgebauter – Diskussionsentwurf des Bundesministeriums für Justiz für eine Novelle des Unterbringungsgesetzes erörtert wurde. Im Mai 2009 hat sich ein Arbeitskreis des österreichischen Familienrichtertags den Reformerfordernissen im Unterbringungsrecht gewidmet.

Parallel dazu hat sich eine eigene Arbeitsgruppe im Bundesministerium für Justiz mit den Anpassungserfordernissen im Heimaufenthaltsgesetz befasst.

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse beider Arbeitsgruppen wurde ein Ministerialentwurf ausgearbeitet und im Sommer 2009 zur allgemeinen Begutachtung versendet (BMJ-B4.907/0013-I 1/2009). Die im Begutachtungsverfahren erstatteten Stellungnahmen waren zahlreich, im Kern überwiegend positiv, in Einzelfragen aber auch vielfach kritisch. Im Herbst 2009 wurden die das UbG betreffenden Teile des Entwurfs bei der von der Gesundheit Österreich GmbH und der NÖ Landskliniken-Holding veranstalteten Fachtagung „UbG aktuell“ vorgestellt und erörtert. Außerdem fanden im Bundesministerium für Justiz neuerlich Besprechungen in erweiterten Arbeitsgruppen statt. Auf Grundlage der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens und dieser Expertengespräche wurde schließlich der vorliegende Entwurf ausgearbeitet.

3. Inhaltliche Schwerpunkte des Reformvorhabens

a) Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des UbG fanden die Unterbringungen größtenteils in größeren Sonderkrankenanstalten für Psychiatrie statt, in denen schon aufgrund der Anzahl der dort betreuten Patienten auch während der Nacht und an Wochenenden zumindest zwei Fachärzte für Psychiatrie anwesend waren. Seither besteht jedoch ein ständig fortschreitender Prozess der Dezentralisierung der Psychiatrien; es werden laufend kleinere, dezentrale psychiatrische Abteilungen eröffnet, die oft allgemeinen Krankenanstalten angeschlossen sind. Diese Dezentralisierung ist aus mehreren Gründen begrüßenswert: Die Patienten können dadurch in größerer Nähe zu ihrem gewöhnlichen Wohnort behandelt werden, sodass es leichter möglich ist, die Kontakte zu ihrem sozialen Umfeld (etwa durch Besuche von Angehörigen) aufrechtzuerhalten. Der Aufenthalt in einer psychiatrischen Abteilung eines allgemeinen Krankenhauses wirkt überdies wesentlich weniger stigmatisierend als der Aufenthalt in einer Sonderkrankenanstalt für Psychiatrie, was häufig die Bereitschaft der Patienten, sich freiwillig in stationäre Behandlung zu begeben, erhöht. Dies kann zur Verringerung der Zahl und Dauer der Unterbringungen beitragen.

In diesen kleineren psychiatrischen Abteilungen stößt die Einhaltung der in § 10 UbG normierten verpflichtenden unverzüglichen zweiten Aufnahmeuntersuchung jedoch auf Schwierigkeiten. Eine ständige Anwesenheit zweier Fachärzte (auch während der Nacht, an Wochenenden und Feiertagen) in Abteilungen, in denen oft nur wenige Unterbringungen pro Jahr erfolgen (weil die überwiegende Zahl der dort aufgenommenen Patienten auf freiwilliger Basis behandelt wird), wäre ein unverhältnismäßiger Aufwand und wegen des herrschenden Mangels an psychiatrischen Fachärzten kaum zu bewerkstelligen. Wird das nach geltendem Recht obligatorische zweite Aufnahmezeugnis allerdings erst am nächsten Werktag erstellt, ist trotz der relativ flexiblen Auslegung in der Rechtsprechung überaus fraglich, ob dies noch als „unverzüglich“ im Sinne des (geltenden) § 10 UbG angesehen werden kann.

Überdies wird die Mehrzahl der Untersuchungen, die ein Patient im Vorfeld einer Unterbringung über sich ergehen lassen muss (den beiden Aufnahmeuntersuchungen gehen oft schon Untersuchungen durch den Hausarzt oder einen niedergelassenen Facharzt und einen im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt (§ 8 UbG) voran), von vielen Patienten auch als Belastung erlebt.

Demgegenüber hat die Praxis gezeigt, dass der aus der zweiten Aufnahmeuntersuchung resultierende Gewinn an Rechtsschutz sehr bescheiden ausfällt. Fälle, in denen das erste Zeugnis positiv, das zweite aber negativ ausfällt und es daher zu keiner Unterbringung kommt, sind sehr selten. Dennoch kann die zweite Untersuchung in manchen Fällen sinnvoll sein; ist der Widerstand des Patienten gegen die Entscheidung des ersten Facharztes besonders groß oder handelt es sich um einen schwer zu beurteilenden Grenzfall, kann die Einholung einer zweiten fachärztlichen Meinung das Arzt-Patienten-Verhältnis und den Erstuntersucher durchaus entlasten.

Vorgeschlagen wird daher, dass eine zweite Aufnahmeuntersuchung samt Erstellung eines zweiten fachärztlichen Zeugnisses künftig nur mehr auf Verlangen des Kranken, seines Vertreters oder des Erstuntersuchers vorgenommen werden muss, und zwar spätestens am Vormittag des jeweils nächstfolgenden Werktags. Dadurch erübrigt sich in kleineren Einrichtungen das Erfordernis der (zumindest) Erreichbarkeit eines zweiten Facharztes in der Nacht, an Wochenenden und an Feiertagen. Gleichzeitig bleibt aber das „Vier-Augen-Prinzip“ in jenen Fällen, in denen ein Bedarf besteht, erhalten. Möglicherweise erfährt die Zweituntersuchung dadurch sogar eine gewisse Aufwertung, weil es sich nicht mehr um einen in jedem Fall erforderlichen „Routinevorgang“ handelt. Jenen Patienten, für die die Zweituntersuchung vor allem eine Belastung darstellt und die daher keine solche wünschen, bleibt sie erspart.

b) Die Vertretung der Patienten durch Patientenanwälte war eine wesentliche Errungenschaft des Unterbringungsgesetzes und hat sich in der Praxis bestens bewährt. Sie soll daher natürlich beibehalten werden. Während allerdings im UbG diese Vertretung bisher unmittelbar durch einen individualisierten Patientenanwalt erfolgte, wurde in jüngeren Gesetzen in verwandten Rechtsgebieten, namentlich im Heimaufenthaltsgesetz und im Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006, das flexiblere Modell der Vertretung durch einen Verein eingeführt. Dieses System soll nun – wegen der größeren Flexibilität und im Interesse der Einheit der Rechtsordnung – auch auf das UbG erstreckt werden: Künftig werden die Patienten also unmittelbar durch den örtlich zuständigen Verein für Patientenanwaltschaft vertreten, der diese Vertretung wiederum durch Patientenanwälte ausübt. An der Praxis der Vertretung der Patienten wird sich daran voraussichtlich kaum etwas ändern, da es schon bisher zulässig und auch üblich war, dass ein Patientenanwalt im Falle einer Verhinderung (etwa wegen Krankheit oder Urlaub) durch einen anderen vertreten wurde.

c) Vor allem von Ärzten und Angehörigen psychisch Erkrankter wird häufig kritisiert, dass begonnene Unterbringungen zu frühzeitig wieder aufgehoben werden müssten, weil nach Eintritt erster Behandlungserfolge die akute Gefährdung zurücktrete und damit die gesetzlichen Unterbringungsvoraussetzungen nicht mehr kumulativ vorlägen. Oft sei der Patient zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht stabilisiert und setze verordnete Medikamente bald nach der Entlassung wieder ab, sodass neuerliche akute Verschlimmerungen der Krankheit und damit einhergehende Gefährdungen fast vorprogrammiert seien. Wenn dieser Fall eintrete, müsse der Patient neuerlich untergebracht werden. In diesem Zusammenhang ist oft von einer – angeblich durch das Unterbringungsgesetz bedingten – „Drehtürpsychiatrie“ die Rede. Beklagt wird auch, dass die Einführung des Unterbringungsgesetzes und die dadurch bedingte Verringerung der Dauer von Unterbringungen in psychiatrischen Krankenanstalten psychisch Kranke unnötigerweise in den Bereich des strafrechtlichen Maßnahmenvollzugs verlagert habe: wegen der strengen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Psychiatrie komme es häufiger dazu, dass psychisch Kranke (im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit) Straftaten begingen und letztlich im strafrechtlichen Maßnahmenvollzug angehalten werden müssten.

Wenngleich die Vorgaben des UbG sicher nicht die einzige Ursache für derartige Phänomene sind, soll doch versucht werden, unter Beachtung der verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben, insbesondere des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen einer allzu rigiden Auslegung des UbG durch eine behutsame Gesetzesänderung vorzubeugen: Vorgeschlagen wird, in einem neuen § 32a das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu positivieren und dabei klarzustellen, dass ein – auch aus Sicht der Freiheitsrechte psychisch erkrankter Menschen unerwünschter – „Drehtüreffekt“ vermieden werden soll. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit soll berücksichtigt werden, ob durch eine zeitlich begrenzte Fortführung der Unterbringung, insbesondere durch einen zu erwartenden und nur im Rahmen der Unterbringung erreichbaren Behandlungsfortschritt, die Wahrscheinlichkeit wesentlich verringert werden kann, dass der Kranke in absehbarer Zeit nach der Aufhebung der Unterbringung neuerlich in seiner Freiheit beschränkt werden muss. Die Fortsetzung der Unterbringung soll nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn sie einen geringeren Eingriff in die Freiheitsrechte des Patienten darstellt als die ansonsten zu erwartenden Folgeunterbringungen (oder sonstigen Freiheitsbeschränkungen). Ungeachtet dessen ist die Unterbringung selbstverständlich weiterhin stets sofort aufzuheben, wenn die Voraussetzungen des § 3 nicht mehr gegeben sind, also wenn keine psychische Krankheit mehr vorliegt, wenn auf absehbare Zeit keine ernstliche und erhebliche krankheitsbedingte Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens eines Menschen mehr besteht oder wenn es eine ausreichende Alternative zur Unterbringung gibt.

d) Neben den materiellen und formellen Voraussetzungen für eine Unterbringung und deren gerichtliche Überprüfung hat das Unterbringungsgesetz schon bisher verschiedene in Freiheitsrechte eingreifende Maßnahmen im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung geregelt, etwa medizinische Behandlungen (§§ 35 ff), weitergehende Beschränkungen der Bewegungsfreiheit (§ 33) und Einschränkungen des Besuchs- und Telefonverkehrs (§ 34). Gleichzeitig wurden diese Maßnahmen der – meist antragsgebundenen – Kontrolle durch das Unterbringungsgericht unterstellt. Andere als diese ausdrücklich aufgezählten, in Rechte des Patienten eingreifende Maßnahmen während der Unterbringung (etwa eine Abnahme persönlicher Gegenstände) bewegen sich allerdings bisher im Raum weitgehender Rechtsunsicherheit: Einerseits ist nicht klar, unter welchen Voraussetzungen solche Eingriffe durchgeführt werden dürfen, andererseits gibt es faktisch kaum eine Möglichkeit, ein rechtsförmiges Verfahren zur Überprüfung tatsächlich stattfindender Eingriffe herbeizuführen. Die Gerichte vertreten die Auffassung, ihre Kompetenzen seien im UbG taxativ aufgezählt, aber auch die unabhängigen Verwaltungssenate lehnen die Einleitung eines derartigen Verfahrens meist ab.

Vorgeschlagen wird daher eine Generalklausel, die die Voraussetzungen für sonstige Rechtsbeschränkungen regelt und gleichzeitig ein – antragsgebundenes – gerichtliches Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit vorsieht (§ 34a). Als Beispiele für solche „sonstige Rechtsbeschränkungen“ werden Eingriffe in die Rechte auf Tragen von Privatkleidung, Gebrauch persönlicher Gegenstände und Ausgang ins Freie demonstrativ aufgezählt.

e) Im Bereich des HeimAufG soll die Befugnis der Ärzte zur Anordnung von Freiheitsbeschränkungen auf jene Bereiche beschränkt werden, die Ärzten gesetzlich vorbehalten sind. Ansonsten wird die Anordnungsbefugnis je nachdem, ob die Maßnahme pflegerischer oder heilpädagogischer Natur ist, der Pflegedienstleitung oder einem von der Einrichtung betrauten Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege bzw. der pädagogischen Leitung zugeordnet; das Vorliegen einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung des Bewohners muss dabei ärztlich dokumentiert sein.

f) Bisweilen unterschiedlich beurteilt wird, ob es ein „Zugangsrecht“ des Bewohnervertreters in Bezug auf Einrichtungen gibt, die keine freiheitsbeschränkenden Maßnahmen an dort lebenden Bewohnern gemeldet haben. Im Hinblick auf die große Bedeutung des Zugangsrechts des Vertreters des Bewohners für einen funktionierenden Rechtsschutz im HeimAufG wird nun festgehalten, dass der Bewohnervertreter eine Einrichtung auch dann besuchen darf, wenn ihm dort keine Freiheitsbeschränkung gemeldet worden ist.

g) Den Gerichten wird nun ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, die Zulässigerklärung einer Freiheitsbeschränkung im Sinn des HeimAufG an die Erfüllung von Auflagen zu knüpfen.

h) Die Novelle soll außerdem zum Anlass genommen werden, verschiedene terminologische Anpassungen und Änderungen im Verfahrensrecht vorzunehmen, die zum Teil wegen der Reformen des Sachwalterrechts und des Außerstreitverfahrens geboten sind. So ist dem neuen Institut der Vorsorgevollmacht bei den Regeln über die Vertretung des Patienten (etwa im Rahmen medizinischer Behandlungen) bzw. des Bewohners (keine Einschränkung mehr auf nahe Angehörige, Rechtsanwälte oder Notare) Rechnung zu tragen. Außerdem soll im Rechtsmittelverfahren insofern „Waffengleichheit“ hergestellt werden, als Rechtmittel des Abteilungs- bzw. Einrichtungsleiters auch nach Beendigung der Unterbringung oder Freiheitsbeschränkung zulässig sein sollen. Schließlich sollen Verfahren zur nachträglichen (rückschauenden) Überprüfung der Zulässigkeit der Unterbringung (Beschränkungs­maßnahmen) oder von Freiheits­beschränkungen einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden.

4. Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung der Gerichte

In den beiden Jahrzehnten seit dem Inkrafttreten des Unterbringungsgesetzes ist die Zahl der jährlich erfolgenden Unterbringungen kontinuierlich von anfänglich unter 10.000 auf mittlerweile über 20.000 jährlich angestiegen. Dieser Trend ist auch in den letzten Jahren ungebrochen (2006: 20.018, 2007: 20.858, 2008: 21.397). Natürlich ist damit auch eine ständige Steigerung der Arbeitsbelastung der Gerichte und Patientenanwaltschaften verbunden. Die Novelle kann dazu beitragen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Die durch die Reform des Aufnahmeverfahrens erleichterte Dezentralisierung der Psychiatrien kann die Bereitschaft der Patienten, sich freiwillig behandeln zu lassen, erhöhen und damit zur Reduktion der Zahl und Dauer der Unterbringungen beitragen (siehe oben 3.a)). Außerdem ist zu erwarten, dass die Klarstellung in § 32a UbG (siehe oben 3.c)) dazu beiträgt, dass es seltener zu Folgeunterbringungen kommt, die ein neues gerichtliches Überprüfungsverfahren erforderlich machen. Es ist daher zu erwarten, dass die Novelle zumindest zu einer Reduktion der (ansonsten zu erwartenden) jährlichen Anfallssteigerung führt.

Einen gewissen, allerdings sehr geringfügigen Mehraufwand bei den Gerichten wird die vorgeschlagene Generalklausel zur Überprüfung sonstiger Beschränkungen (§ 34a UbG des Entwurfs) bewirken. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen (etwa mit der Praxis bei Beschränkungen und Behandlungen nach §§ 33 ff. UbG oder auch im Bereich des HeimAufG), dass antragsgebundene Überprüfungsverfahren nur vergleichsweise selten eingeleitet werden (bundesweit jährlich ca. 100 Verfahren nach den §§ 33 bis 38 UbG und 200 Verfahren nach HeimAufG), wird jedoch davon ausgegangen, dass dieser Mehraufwand nicht einmal das Ausmaß einer einzigen vollen Richterkapazität erreicht. Dem gegenüber steht eine geringfügige Aufwandersparnis (und Kostenersparnis für den Bund) durch den Entfall des zweiten obligatorischen Sachverständigengutachtens bei längerfristigen Unterbringungen (§ 30 Abs. 2a UbG des Entwurfs).

Für die ebenfalls aus Bundesmitteln finanzierten Vereine für Patientenanwaltschaft ist als neue Aufgabe vorgesehen, die Erstellung eines zweiten Aufnahmezeugnisses zu verlangen, wenn sie dies im Interesse des Patienten für geboten erachten (§ 10 UbG des Entwurfs). Auch wenn ein solches Verlangen voraussichtlich nur selten  und – schon aufgrund der Kürze der dafür zur Verfügung stehenden Zeit – regelmäßig ohne vorangehende zusätzliche Aktivitäten zu stellen sein wird, ist damit ein geringfügiger Mehraufwand für die Patientenanwaltschaften verbunden.

Diese zusätzlichen Aufgaben für die Gerichte und Patientenanwaltschaften werden aber zum einen im Verhältnis zur Gesamtbelastung kaum ins Gewicht fallen und durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen (weitgehend) ausgeglichen werden können. Zum anderen werden sie durch die zu erwartende Verringerung (des Anstiegs) der Anzahl der jährlichen Unterbringungen zumindest aufgewogen werden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Novelle in der Summe ihrer Auswirkungen zumindest zu keiner Mehrbelastung der Gerichte und Patientenanwaltschaften und damit auch zu keinen Mehrkosten für den Bund führt. Das Bundesministerium für Justiz wird die Anfallsentwicklung beobachten und erforderlichenfalls darauf reagieren.


Besonderer Teil

Zu Art I (Änderung des UbG)

Zu Z 1 (§ 2)

Der im allgemeinen Sprachverständnis eher negativ besetzte Begriff „Anstalt“ soll (im gesamten Unterbringungsgesetz) durch den neutraleren Begriff „psychiatrische Abteilung“ ersetzt werden. Dabei handelt es sich um eine rein terminologische Änderung. Da die Wortfolge vor dem Klammerausdruck in § 2 unverändert bleibt, ist das Unterbringungsgesetz weiterhin auf „Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie“ anzuwenden. Diese werden im Unterbringungsgesetz künftig nicht mehr als „Anstalten“ bezeichnet, sondern mit dem Sammelbegriff „psychiatrische Abteilung“ angesprochen. Das trägt auch dem Umstand Rechnung, dass infolge der fortschreitenden Dezentralisierung der Psychiatrien eigene Sonderkrankenanstalten für Psychiatrie seltener und – in eine andere Krankenanstalt eingebundene – einzelne psychiatrische Abteilungen häufiger werden.

Zu Z 2 (§ 3)

Zur terminologischen Änderung im Einleitungssatz und in der Z 2 siehe die Erläuterungen zu § 2.

Der im Ministerialentwurf enthaltene Vorschlag eines neuen Abs. 2 des § 3 wurde neu formuliert und befindet sich nun in § 32a. Dazu sei auf die Erläuterungen zu § 32a verwiesen.

Zu Z 3 (§ 4 Abs. 2)

Wie bereits im Allgemeinen Teil dargelegt wurde (Punkt 3. a)), hat sich das Erfordernis der Mitwirkung zweier Fachärzte am Aufnahmevorgang (§§ 4 Abs. 2 und 10 Abs. 1 UbG) wegen des herrschenden Mangels an Psychiatern und der fortschreitenden Dezentralisierung der Psychiatrie als problematisch erwiesen. Die damit verbundene Zahl an fachärztlichen Nacht- und Wochenenddiensten stellt vor allem kleinere Einrichtungen vor große organisatorische Schwierigkeiten und verursacht Kosten, die in keinem angemessenen Verhältnis zu dem damit erzielten Gewinn an Rechtsschutz für die Patienten mehr stehen. Gerade bei der Unterbringung auf Verlangen nach den §§ 4 ff. UbG ist der aus der Anwesenheit eines zweiten Facharztes für den Patienten resultierende Nutzen kaum zu erkennen. Es reicht auch aus Sicht der Beweissicherung (vgl. Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts2 Rz 240) aus, dass das schriftliche Verlangen auf Unterbringung in Gegenwart des Abteilungsleiters geschieht. Das im bisherigen Gesetzestext enthaltene zusätzliche Erfordernis, dass auch ein weiterer Facharzt anwesend ist, wenn die Person schriftlich ihr Verlangen auf Unterbringung äußert, ist demnach entbehrlich. Damit wird zudem erreicht, dass eine Unterbringung auf Verlangen nicht bloß daran scheitert, dass gerade kein weiterer Facharzt zur Verfügung steht.

Für den weiterhin in § 4 Abs. 2 definierten Begriff „Abteilungsleiter“ ergibt sich trotz Entfalls der Wendung, dass ein „weiterer Facharzt“ das Unterbringungsverlangen bezeugen muss, keine inhaltliche Änderung, da als Abteilungsleiter ohnehin nur ein einschlägiger Facharzt in Betracht kommt. Auch die terminologische Änderung in § 2 (siehe die Erläuterungen zu dieser Bestimmung) ändert am Begriff des Abteilungsleiters nichts. Gemeint ist selbstverständlich weiterhin der Leiter der Abteilung und nicht etwa der Leiter der Krankenanstalt, es sei denn, die Krankenanstalt wäre nicht in Abteilungen untergliedert.

Die bisher in § 4 Abs. 2 enthaltene Definition des Begriffes „Facharzt“ findet sich nunmehr in § 10 – angepasst an die zwischenzeitlich ergangenen ärztlichen Ausbildungsordnungen, zuletzt die Ärztinnen-/Ärzte-Ausbildungsordnung 2006 (ÄAO 2006, BGBl II Nr. 286/2006).

Zu Z 4 (§ 5)

Siehe die Erläuterungen zu § 2.

Zu Z 5 (§ 6)

Zur Problematik der obligatorischen Mitwirkung zweier Fachärzte am Aufnahmevorgang ist auf die Ausführungen im Allgemeinen Teil (Punkt 3.a)) sowie die Erläuterungen zu § 4 Abs. 2 und zu § 10 zu verweisen. Im Lichte der Einschränkung auf ein einziges fachärztliches Zeugnis (samt vorangegangener Untersuchung) bei Unterbringungen ohne Verlangen (§ 10) kann – und muss zur Erreichung des Reformziels - auch bei Unterbringungen auf Verlangen auf das zweite fachärztliche Zeugnis verzichtet werden (§ 6 Abs. 1 und 2).

Entsprechend der ärzterechtlichen Terminologie (§ 51 ÄrzteG 1998) soll im gesamten Unterbringungsgesetz hinsichtlich der Krankengeschichte nicht mehr von „beurkunden“, sondern von „dokumentieren“ gesprochen werden, so also auch in § 6 Abs. 2.

Die Hinweispflicht des Abteilungsleiters nach § 6 Abs. 3 hat im Hinblick auf den neuen Inhalt des § 15 Abs. 2 nun zusätzlich zu erfassen, dass der Patient sich an den Patientenanwalt wenden kann, um Auskünfte einzuholen.

Der Begriff „Patientenanwalt“ wird allerdings aus systematischen Gründen erst im Rahmen der Bestimmungen über die „Vertretung des Kranken“ definiert (§ 13 Abs. 3).

Zu Z 6 und 7 (§§ 8 und 9)

Siehe die Erläuterungen zu § 2.

Zu Z 8 (§ 10)

Insbesondere in kleineren Krankenanstalten steht – verursacht durch einen Ärztemangel im Bereich der Psychiater (im weiteren Sinn) – oft am Wochenende sowie während der Nacht nur ein einziger Facharzt zur Verfügung (vgl. Geretsegger, Problemfelder im UbG aus psychiatrischer Sicht – Diskussion und Lösungsansätze, iFamZ 2007, 28 [30]). Deshalb stößt eine „unverzügliche“ Untersuchung des Patienten durch einen zweiten Facharzt in der Praxis auf Schwierigkeiten (4 Ob 192/98h RdM 1999/14 [Kopetzki]; 6 Ob 48/06m EF-Z 2006/80 [Höllwerth]). Zudem kann die nach geltendem Recht obligatorische zweite Untersuchung den Patienten durchaus belasten. Er wurde oft schon von einem Polizeiarzt oder einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt im Sinn des § 8 UbG sowie jedenfalls vom Abteilungsleiter oder dessen Stellvertreter untersucht und versteht daher manchmal nicht, warum er sich innerhalb kürzester Zeit noch einer weiteren für ihn anstrengenden und aufwühlenden psychiatrischen Exploration unterziehen muss.

Dieser Gesamtproblematik soll Abhilfe geschaffen werden, ohne jedoch den wegen der Einschränkung des Grundrechts auf persönliche Freiheit erforderlichen Rechtsschutz auszuhöhlen.

Der Entwurf hält am „Vier-Augen-Prinzip“ als Möglichkeit fest, überlässt es aber dem Patienten und dessen Vertreter oder auch dem Abteilungsleiter (der die erste Untersuchung durchgeführt hat), ob sie vor der Erstanhörung noch eine zweite fachärztliche Untersuchung verlangen. Auf dieses Recht hat der Abteilungsleiter den Patienten hinzuweisen. Die Aufklärung hat selbstverständlich in einer Art und Weise zu erfolgen, die der Verständnisfähigkeit des Patienten angepasst ist. Für das Verlangen des Patienten selbst ist nicht erforderlich, dass ihm eine wie immer geartete Geschäftsfähigkeit zukommt; es genügt die Äußerung eines natürlichen Willens, von einem zweiten Facharzt untersucht zu werden.

Durch die Vorgabe, dass die Untersuchung und die Erstellung des zweiten Zeugnisses spätestens am Vormittag des nächsten Werktages zu erfolgen haben, ist ein rasches Tätigwerden des zweiten Facharztes gewährleistet; gleichzeitig wird aber vermieden, dass selbst während der Nacht und am Wochenende stets zwei Fachärzte verfügbar sein müssen. Da die Frage, ob Samstage als Werktage anzusehen sind, im österreichischen Recht nicht eindeutig geregelt ist, wird im letzten Satz des Abs. 4 klargestellt, dass dies für den Anwendungsbereich des § 10 nicht der Fall ist.

Ist bereits die Erstanhörung des Patienten nach § 19 UbG erfolgt, so müssen keine zweite Untersuchung durchgeführt und kein zweites Zeugnis mehr erstellt werden. Durch die gerichtliche Prüfung und Entscheidung (§§ 19 und 20 UbG) ist der Rechtsschutz für den Patienten ausreichend gewährleistet. Ebenso wenig bedarf es der Untersuchung durch einen zweiten Facharzt, wenn die Unterbringung schon vor dem oder am Vormittag des auf das Verlangen folgenden Werktages aufgehoben wird (§ 32 UbG).

Bisher durfte ein Patient nur aufgenommen (also untergebracht) werden, wenn nach beiden zu erstellenden fachärztlichen Zeugnissen die Voraussetzungen der Unterbringung vorlagen. Da die Unterbringung nun schon aufgrund eines solchen Zeugnisses erfolgen kann, wird im letzten Satz des Abs. 3 zur Klarstellung ausdrücklich angeordnet, dass die Unterbringung sogleich aufzuheben ist, wenn das zweite fachärztliche Zeugnis negativ ausfällt.

Mit der Aufnahme – künftig also bereits unmittelbar nach Erstellung des Zeugnisses des Abteilungsleiters – wird der für die Namhaftmachung von Patientenanwälten zuständige Verein kraft Gesetzes Vertreter des Patienten (siehe bei den §§ 13 und 14). Vor allem dann, wenn der Patient selbst (unter dem Einfluss seiner psychischen Krankheit) nicht in der Lage ist, einen Willen darüber zu bilden oder zu äußern, ob er eine zweite fachärztliche Untersuchung verlangen soll, wird es dem Patientenanwalt obliegen, eine Entscheidung darüber zu treffen. Es ist dem wohlerwogenen Ermessen des Patientenanwalts überlassen, im Rahmen seiner Arbeitskapazitäten bei der Vertretung einer Vielzahl von Patienten und der Auskunftserteilung nach § 15 Abs. 2 Prioritäten zu setzen. Dies ist aus Sicht des Rechtsschutzes für die Patienten noch immer günstiger, als auf eine zweite fachärztliche Untersuchung in allen Fällen gänzlich zu verzichten. Dass die Verständigung des Patientenanwalts für diesen auch informativ verwertbar ist, wird dadurch sichergestellt, dass der Verständigung eine „maschinschriftliche“ Ausfertigung des Aufnahmezeugnisses anzuschließen ist. Damit ist ein gut lesbarer, maschinell (also nicht handschriftlich) hergestellter Text zu verstehen, etwa ein mit einem Textverarbeitungsprogramm erstellter Computerausdruck.

Die Neuregelung des Aufnahmeverfahrens soll – wie die gesamte Novelle – mit 1. Juli 2010 in Kraft treten. Im Übergangsrecht (§ 42 Abs. 3 des Entwurfs) ist vorgesehen, die Bestimmung auf Aufnahmeverfahren anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2010 begonnen haben. Ist der Patient also noch im Juni 2010 in der psychiatrischen Abteilung eingetroffen, so sind zwingend zwei fachärztliche Zeugnisse zu erstellen, auch wenn etwa bei einem kurz vor 24.00 Uhr des 30. Juni eingetroffenen Patienten die zweite Untersuchung erst am 1. Juli stattfindet. Bei Patienten, die sich bereits auf freiwilliger Basis in der psychiatrischen Abteilung in Behandlung befinden, ist der Beginn eines „Aufnahmeverfahrens“ mit dem Beginn der ersten fachärztlichen Untersuchung zur Einleitung einer Unterbringung anzusetzen.

Wegen der Änderung in § 4 Abs. 2 ist die Definition des Begriffs „Facharzt“ nun in § 10 Abs. 4 vorzunehmen. Den zur Ausübung einer Facharzttätigkeit im Sinne des Unterbringungsgesetzes berechtigenden Fachrichtungen „Psychiatrie und Neurologie“ und „Neurologie und Psychiatrie“ werden die Fachrichtung „Psychiatrie“ (nach der Ausbildungsordnung 1994; vgl. Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts2 Rz 69 f) und – vgl. die ÄAO 2006 (BGBl II Nr. 286/2006) – die speziellen psychiatrischen Sonderfächer „Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin“ sowie, bei Minderjährigkeit des Patienten im Sinne des § 21 ABGB, alternativ auch die betreffenden speziellen Fachrichtungen (vgl. die ÄAO 1994; Geretsegger, Problemfelder im UbG aus psychiatrischer Sicht – Diskussion und Lösungsansätze, iFamZ 2007, 28 [30]) gleichgestellt. Mit der „ergänzenden speziellen Ausbildung“ in Kinder- und Jugendpsychiatrie ist eine Additivfachausbildung im Sinne der §§ 8 Abs. 1 letzter Satz und 11 ÄrzteG und §§ 15 ff. ÄAO 2006 gemeint.

Wie in § 6 Abs. 2 und anderen Bestimmungen ist auch in § 10 das Wort „beurkunden“ durch das Wort „dokumentieren“ zu ersetzen, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden wäre.

Zu Z 9 und 10 (§§ 11 und 12)

Siehe die Erläuterungen zu § 2.

Zu Z 11 (§ 13)

Fortan soll dem jeweils nach der Lage der Anstalt zuständigen Verein im Verständnis des § 1 Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetz – VSPBG nach Maßgabe der Vorschriften des Unterbringungsgesetzes ex lege die Vertretung des Patienten zukommen. Die von einem Verein ausgebildeten und speziell für die Tätigkeit in Unterbringungssachen geschulten Personen sind zur Ausübung der Vertretungsbefugnisse des Vereins berufen; sie führen die Bezeichnung „Patientenanwalt“ (siehe Abs. 3). Die Patientenanwälte treten daher – außer es handelt sich um solche nach § 43 – nicht mehr als Rechtsträger auf, sondern vertreten lediglich „ihren“ Verein (und dieser vertritt die Patienten). Die Übertragung der Vertretungsbefugnis – mit Ausnahme der Fälle des § 43 UbG – auf den Verein erfolgt grundsätzlich im Sinn der Einheit der Rechtsordnung in Anlehnung an die Regelungssystematik im Bereich des HeimAufG (siehe dort § 8) sowie des neuen Sachwalterrechts (siehe § 3 Abs. 2 VSPBG in der Fassung des SWRÄG 2006).

Konstitutive Voraussetzung, um einen Mitarbeiter eines Vereins als Patientenanwalt ansehen zu können, ist seine Namhaftmachung sowohl gegenüber dem ärztlichen Leiter der Anstalt als auch gegenüber dem Vorsteher des zuständigen Bezirksgerichts. Grund hierfür ist, dass die Gerichte und die Krankenanstalten sichergehen müssen, dass der einschreitenden Person Vertretungspouvoir zukommt. Der Kundmachung in der Ediktsdatei nach § 13 Abs. 2 kommt hingegen keine konstitutive Wirkung zu, sie hat lediglich informativen Charakter (vgl. 3 Ob 246/06g). Die Namhaftmachung des Patientenanwalts durch den Verein hat aus Beweisgründen schriftlich (§ 886 ABGB) zu geschehen. Zur Unterfertigung namens des Vereins berechtigt sind die nach den allgemeinen Vorschriften zu dessen Vertretung berufenen Personen.

Auch bei Kranken, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle bereits untergebracht sind, soll mit 0.00 Uhr des 1. Juli 2010 der Verein als Vertreter an die Stelle des bisher zuständigen Patientenanwalts treten (siehe die Übergangsbestimmung in § 42 Abs. 3). Damit wird in aller Regel keine Veränderung in der Kontaktperson des Patienten eintreten, da der Verein den bisher zuständigen Patientenanwalt wohl auch mit der weiteren Vertretung – nun namens des Vereins – betrauen wird.

Wie bereits bei § 2 erläutert, soll der eher negativ besetzte Begriff „Anstalt“ aus dem Unterbringungsgesetz entfernt werden. Abzustellen ist daher nach der neuen Terminologie auf den nach der Lage der „psychiatrischen Abteilung“ örtlich zuständigen Verein. Die schriftliche Meldung der Patientenanwälte hat jedoch weiterhin an den „ärztlichen Leiter der Krankenanstalt“ (bisher „Leiter der Anstalt“) zu ergehen, da damit nicht etwa der Abteilungsleiter, sondern der ärztliche Leiter gemäß § 7 Abs. 1 KAKuG („Ärztlicher Direktor“) gemeint ist (vgl. Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz § 13 Anm 12).

In Abs. 4 findet sich die Klarstellung, dass Zustellungen, Mitteilungen und Verständigungen an den Verein an die Büroadresse der am jeweiligen Ort tätigen Patientenanwälte (und nicht etwa an die Zentrale der Vereinsleitung) zu erfolgen haben. Diese Büroadresse ist gemäß Abs. 2 in der Ediktsdatei kundzumachen.

Zu Z 12 (§ 14)

Die Änderungen in § 14 sind rechtstechnischer Natur und in der Umstellung der Vertretungsbefugnis vom Patientenanwalt auf den Verein begründet; dazu sei auf die Erläuterungen zu § 13 verwiesen.

Zu Z 13 (§ 15 Abs. 2)

Der bisherige Abs. 2 des § 15 statuiert eine Verschwiegenheitspflicht des Patientenanwalts, die jedoch angesichts der speziellen Vorschrift für Patientenanwälte in § 6 VSPBG weitgehend überflüssig ist (siehe Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts2 Rz 493). Die Bestimmung kann daher entfallen. Für jene Patientenanwälte, die nicht dem Regelungsregime des VSPBG unterliegen, wird fortan in § 43 die Bestimmung des § 6 VSPBG für entsprechend anwendbar erklärt.

Den Patientenanwälten kommt nicht nur eine vertretende, sondern auch eine beratende Aufgabe zu. Dem trägt der neue Regelungsinhalt des § 15 Abs. 2 Rechnung: Sofern ein Patient, sein gesetzlicher oder gewillkürter (§ 16 Abs. 2) Vertreter oder auch ein (im weiten Sinn zu verstehen) Angehöriger es wünscht, haben die Patientenanwälte die nötigen allgemeinen Auskünfte zu erteilen. Dadurch sollen der betreffenden Person die wesentlichen Charakteristika einer Unterbringung bzw. des Aufenthalts in einer psychiatrischen Abteilung vermittelt werden. Dies ist auch schon vor einer Unterbringung möglich, sofern sich der Patient bereits in einer psychiatrischen Abteilung (§ 2) befindet. Bei den den Angehörigen zu erteilenden Auskünften handelt sich um allgemeine Informationen, keineswegs aber um konkrete Auskünfte über den betreffenden Patienten, welche der Verschwiegenheitspflicht nach § 6 VSPBG unterliegen.

Der Normierung eines Zugangsrechts für Patientenanwälte bedarf es angesichts des § 38c Abs. 2 erster Satz KAKuG nicht.

Zu Z 14 (§ 16)

Die Änderungen sind rechtstechnischer Natur und in der Umstellung der Vertretungsbefugnis vom Patientenanwalt auf den Verein begründet; dazu sei auf die Erläuterungen zu § 13 verwiesen.

Zu Z 15 (§ 17)

Aufgrund der Änderung in § 10 muss künftig nur das eine für die Aufnahme erforderliche ärztliche Zeugnis dem Gericht mit der Verständigung über die Unterbringung ohne Verlangen übermittelt werden. Wird auf Verlangen des Patienten oder seines Vertreters ein zweites Zeugnis erstellt, ist dieses ebenfalls unverzüglich dem Gericht zu übermitteln; dies gilt unabhängig davon, ob das zweite Zeugnis positiv oder negativ ausfällt.

Damit die Zeugnisse für das Gericht sicher lesbar sind, müssen sie in maschinschriftlicher Form vorgelegt werden. Damit ist ein gut lesbarer, maschinell (also nicht handschriftlich) hergestellter Text zu verstehen, etwa ein mit einem Textverarbeitungsprogramm erstellter Computerausdruck.

Zu Z 16 (§ 19)

Wie im gesamten Unterbringungsgesetz soll auch in § 19 Abs. 1 der eher negativ besetzte Begriff „Anstalt“ durch den neutraleren Begriff „psychiatrische Abteilung“ ersetzt werden. Siehe dazu bereits die Erläuterungen zu § 2. In Abs. 3 soll aber doch jeder in derselben Krankenanstalt tätige Facharzt von der Funktion als Sachverständiger ausgeschlossen werden. Auch ein Facharzt, der einer anderen (nicht psychiatrischen) Abteilung im selben Krankenhaus angehört – etwa ein in einer neurologischen Abteilung tätiger Facharzt für Neurologie und Psychiatrie – wird oft in einem kollegialen Freundschaftsverhältnis zum Leiter der psychiatrischen Abteilung stehen, sodass seine Unbefangenheit zumindest dem äußeren Anschein nach zweifelhaft wäre. Insofern ist daher auf die jeweilige Krankenanstalt als Ganzes abzustellen.

Zu Z 17 (§ 20 Abs. 2)

Erklärt das Gericht die Unterbringung für unzulässig und erkennt es dem in der Tagsatzung angemeldeten Rekurs des Abteilungsleiters keine aufschiebende Wirkung zu, so ist die Unterbringung sofort aufzuheben. In diesen Fällen verneint die ständige Judikatur das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses („Beschwer“) des Abteilungsleiters und weist seinen Rekurs als unzulässig zurück (RIS-Justiz RS0076104). Dies wurde in der Fachliteratur kritisiert (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts2 Rz 352 mwN; derselbe, 15 Jahre Unterbringungsgesetz, iFamZ 2007, 22 [24]; Geretsegger, Problemfelder im UbG aus psychiatrischer Sicht – Diskussion und Lösungsansätze, iFamZ 2007, 28 [30]; Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz § 28 Anm 8a).

Eine Klärung, ob eine Unterbringung zu Recht oder zu Unrecht für unzulässig erklärt wurde, kann angesichts möglicher Folgeunterbringungen durchaus auch im Interesse der betroffenen Person liegen; jedenfalls ist sie zur Abgrenzung des Zulässigkeitsrahmens für künftige Unterbringungen von allgemeinem Interesse. Dazu kommt, dass aus der Unzulässigkeitsentscheidung Haftungsfolgen zu Lasten des Bundes oder des Trägers der Krankenanstalt resultieren könnten, sodass die Beseitigung des in der Entscheidung zum Ausdruck kommenden Rechtswidrigkeitsurteils durchaus im Interesse der Rechtsträger, für die der Abteilungsleiter tätig wird, gelegen ist.

Um dem Abteilungsleiter also die Möglichkeit zu geben, die gerichtliche Entscheidung jedenfalls einer Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht zuzuführen, wird eindeutig festgelegt, dass ihm bei sogleich angemeldetem Rekurs trotz der Verweigerung der aufschiebenden Wirkung das Rekursrecht zukommt.

Aus der neuen Anordnung im Gesetz ergibt sich außerdem ganz allgemein, dass die Rechtsmittellegitimation des Abteilungsleiters nicht vom aktuellen Fortbestand der Unterbringung abhängt. Die „Beschwer“ des Abteilungsleiters fällt also etwa auch dann nicht nachträglich weg, wenn das Erstgericht dem Rekurs zwar aufschiebende Wirkung zuerkannt hat, der Abteilungsleiter die Unterbringung zu einem späteren Zeitpunkt aber noch vor Ergehen der Rekursentscheidung selbständig aufhebt (§ 32 UbG).

Zu Z 18 (§ 21)

Die Verweise in § 21 sind an das neue Außerstreitgesetz (BGBl. I Nr. 111/2003) anzupassen; diese gelten – was keiner besonderen Erwähnung bedarf – naturgemäß „sinngemäß“.

Zur Klarstellung, dass das Pflegschaftsgericht, dem eine Niederschrift des Unterbringungsgerichts über eine Erstanhörung vorliegt, seinerseits keine solche mehr vorzunehmen braucht, wird nunmehr auf die gesamte Gesetzesbestimmung zur Erstanhörung im Sachwalterschaftsverfahren (vormals § 237, nunmehr § 118 AußStrG) verwiesen.

Zu Z 19 (§ 25)

Für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die mündliche Verhandlung öffentlich ist, gibt es im Außerstreitgesetz unterschiedliche Konzepte. Nach der allgemeinen Regel des § 19 AußStrG ist die mündliche Verhandlung grundsätzlich öffentlich; die Öffentlichkeit ist jedoch von Amts wegen auszuschließen, wenn durch sie die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährdet erscheint (§ 19 Abs. 2 Z 1 AußStrG), die begründete Besorgnis besteht, dass sie zur Störung der Verhandlung oder zur Erschwerung der Erhebung des Sachverhalts führen könnte (§ 19 Abs. 2 Z 2 AußStrG) oder wenn dies im Interesse einer pflegebefohlenen Person erforderlich ist (§ 19 Abs. 3 Z 3 AußStrG). Außerdem ist die Öffentlichkeit nach § 19 Abs. 3 AußStrG auf Antrag einer Partei aus berücksichtigungswürdigen Gründen auszuschließen, insbesondere, weil Tatsachen des Familienlebens erörtert werden. § 140 AußStrG erklärt hingegen die mündliche Verhandlung in Ehe- Kindschafts- und Sachwalterschaftsangelegenheiten für grundsätzlich nicht öffentlich, ermöglicht es aber, die Öffentlichkeit herzustellen, wenn sich keine Partei dagegen ausspricht und dies mit dem Wohl des Pflegebefohlenen vereinbar ist. In diesen familienrechtlichen Verfahren überwiegt das Interesse am Schutz der Privatsphäre der Parteien in der Regel das Interesse an einer Kontrolle der Gerichtsbarkeit durch die Öffentlichkeit.

Anders als noch der Ministerialentwurf, der eine Verweisung auf § 140 AußStrG enthielt und somit die mündliche Verhandlung grundsätzlich für nicht öffentlich erklärte, sieht die Regierungsvorlage einen Mittelweg vor: Kraft Verweisung auf § 19 AußStrG soll die Verhandlung grundsätzlich öffentlich sein, da es im Unterbringungsverfahren – im Unterschied zu den vom II. Hauptstück des AußStrG umfassten Verfahren – um Freiheitsbeschränkungen geht, sodass der öffentlichen Kontrolle besondere Bedeutung zukommt. Der Schutz des Kranken vor öffentlicher Stigmatisierung soll dadurch gewährleistet werden, dass die Öffentlichkeit auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters jedenfalls auszuschließen ist und zusätzlich vom Gericht von Amts wegen ausgeschlossen werden kann, wenn es das Interesse des Kranken erfordert.

Zu Z 20 (§ 26 Abs. 3)

Verwiesen sei auf die Erläuterungen zu § 20 Abs. 2. Die Rechtsmittellegitimation des Abteilungsleiters soll selbstverständlich auch dann nicht von der Zuerkennung aufschiebender Wirkung und vom Fortbestand der Unterbringung abhängen, wenn die Unzulässigkeitsentscheidung am Schluss der mündlichen Verhandlung ergangen ist.

Zu Z 21 (§ 27)

Hier erfolgt eine Angleichung an das Heimaufenthaltsgesetz: Während alle anderen verfahrensrechtlichen Fristen im Heimaufenthaltsgesetz entweder länger oder gleich lang sind wie im Unterbringungsgesetz, betragen die Ausfertigungsfrist nach dem geltenden § 27 UbG und die Rekursfrist für den Abteilungsleiter nach § 28 Abs. 2 UbG acht Tage, nach § 15 Abs. 4 bzw. § 16 Abs. 2 HeimAufG aber jeweils nur sieben Tage. Das ist insofern sachlich bedenklich, als die mit einer Unterbringung einhergehenden Eingriffe in Selbstbestimmungsrechte typischerweise noch wesentlich schwerwiegender sind als jene bei Freiheitsbeschränkungen in Heimen im Sinn des HeimAufG. Hier besteht daher ein noch größeres Bedürfnis nach Raschheit des Rechtsschutzverfahrens. Die Fristen sollen daher auch im Unterbringungsgesetz auf sieben Tage verkürzt werden. Gleichzeitig ist in § 27 die – im HeimAufG bereits normierte – Einschränkung aufzunehmen, dass diese Frist nur gilt, wenn die Unterbringung noch aufrecht ist; wurde sie nämlich bereits beendet, besteht kein gesteigertes Bedürfnis nach einem besonders raschen Verfahren mehr.

Zu Z 22 (§ 28)

Zu Abs. 2 sei auf die Erläuterungen zu § 20 Abs. 2, § 26 und § 27 verwiesen. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung soll nicht mehr Voraussetzung dafür sein, dass dem Abteilungsleiter ein Rekursrecht zukommt. Die entsprechende Wortgruppe im ersten Satz des Abs. 2 entfällt daher, der zweite Satz des Abs. 2 erhält eine entsprechend modifizierte Einleitung. Die Rekursfrist für den Abteilungsleiter wird von acht auf sieben Tage reduziert, um den systematisch wünschenswerten Gleichklang mit dem Heimaufenthaltsgesetz herzustellen.

Im zweiten Satz des Abs. 2 wird das Wort „entscheiden“ durch das Wort „prüfen“ ersetzt. Nach Einlangen des Rekurses des Abteilungsleiters muss das Gericht erster Instanz nach geltendem Recht jedenfalls beschlussförmig darüber entscheiden, ob dem Rekurs weiter aufschiebende Wirkung zukommt. Die Ausfertigung und die Zustellung dieses Beschlusses stellen einen gewissen Aufwand dar und können unter Umständen die Vorlage des Aktes an das Rechtsmittelgericht geringfügig verzögern. Wenn das Gericht erster Instanz der Auffassung ist, dass dem Rekurs weiterhin aufschiebende Wirkung zukommen soll, ist dieser Aufwand unnötig. Aus diesem Grund soll künftig ein Beschluss nur mehr dann ergehen, wenn das Gericht erster Instanz dem Rekurs die aufschiebende Wirkung aberkennt und die Unterbringung aufgehoben werden muss. Im gegenteiligen Fall soll die aufschiebende Wirkung aufrecht bleiben, ohne dass dies mit Beschluss ausgesprochen werden müsste. Dies wird im Gesetzestext durch das Wort „prüfen“ zum Ausdruck gebracht.

Der bisherige Abs. 3 erklärte gegen den Beschluss das Rechtsmittel der Vorstellung für unzulässig. Das neue Außerstreitgesetz kennt dieses Rechtsmittel nicht mehr (siehe ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 13), weshalb die Bestimmung entfallen kann.

Mit dem neuen Regelungsinhalt des Abs. 3 sollen das Rekurs- und (kraft Verweisung in § 29a) das Revisionsrekursverfahren bei Rechtsmitteln des Kranken oder seines Vertreters (sowie allenfalls eines Angehörigen im Sinn des Abs. 1) – wie vor dem Inkrafttreten des neuen Außerstreitgesetzes – wieder einseitig ausgestaltet werden. Im Hinblick darauf, dass die in der Praxis festgelegten Unterbringungsfristen im Durchschnitt nur wenige Wochen betragen, kann ein solches Rechtsmittel nur effektiv sein, also im Falle der Stattgebung tatsächlich zur vorzeitigen Beendigung der Unterbringung führen, wenn die Entscheidung darüber so schnell wie möglich ergeht. Ein vierzehntägiges Zuwarten bis zum allfälligen Einlangen einer Rechtsmittelbeantwortung ist mit diesem Raschheitserfordernis nicht vereinbar (vgl. Engel, Anpassungserfordernisse im Unterbringungsrecht – Eine Bestandsaufnahme aus Sicht eines Unterbringungsrichters, iFamZ 2007, 33 [34]). Daher wird eine dem § 16 Abs. 3 HeimAufG entsprechende Bestimmung in das Unterbringungsgesetz aufgenommen.

Zu Z 23 (§ 29 Abs. 3)

Beschließt das Rechtsmittelgericht, die Unterbringung für unzulässig zu erklären, so kann derzeit in der Praxis durchaus ein Zeitraum von einigen Tagen vergehen, bis dieser Beschluss der Krankenanstalt wirksam zugestellt, damit ihr gegenüber wirksam und dementsprechend die Unterbringung aufgehoben wird. Während dieses Zeitraums bleibt der Patient in seiner Freiheit beschränkt, obwohl schon feststeht, dass das Rekursgericht das für rechtswidrig erachtet.

Mit dem neuen Abs. 3 wird daher normiert, dass die Abteilung in einem solchen Fall sofort nach der Beschlussfassung im Rechtsmittelsenat von der Entscheidung zu verständigen ist. Es versteht sich von selbst, dass der Rechtsmittelsenat spätestens ab der Verständigung der Abteilung an seine eigene Entscheidung gebunden ist. Insofern stellt § 29 Abs. 3 eine lex specialis zu § 40 AußStrG dar.

Zu Z 24 (§ 29a)

Hier wird die sinngemäße Anwendung der neuen §§ 28 Abs. 3 und 29 Abs. 3 im Revisionsrekursverfahren angeordnet. Dazu sei auf die Erläuterungen zu § 28 und § 29 verwiesen.

Zu Z 25 (§ 30 Abs. 2a)

Fälle, in denen die psychische Krankheit eines Patienten und die daraus resultierende Gefährdung so schwerwiegend und dauerhaft sind, dass die weitere Unterbringung über ein Jahr hinaus für zulässig erklärt werden muss, sind – auch dank der fortschreitenden Verbesserung der Methoden zur Behandlung psychischer Krankheiten – mittlerweile sehr selten. Die in § 30 Abs. 2 normierten besonders strengen gesetzlichen Voraussetzungen für eine derartig lange Unterbringung sollen im Kern auch unangetastet bleiben. Wurde eine Unterbringung allerdings schon einmal über ein Jahr hinaus für zulässig erklärt, weil jeweils zwei Sachverständige dies aus besonderen medizinischen Gründen für erforderlich gehalten haben, so besteht beim Patienten in aller Regel bereits ein kaum mehr zu verändernder chronischer Krankheitszustand. In solchen Fällen jedes Jahr wieder zwingend zwei Sachverständigengutachten einholen zu müssen, erscheint aufgrund der damit verbundenen Kosten für den Bund und der Arbeitsbelastung für die Gerichte als unverhältnismäßiger Aufwand. Hier soll daher künftig im Regelfall ein Sachverständigengutachten ausreichen. Das Recht des Kranken und seines Vertreters, nach § 22 Abs. 1 die Bestellung eines zweiten Sachverständigen zu verlangen, bleibt ohnehin unberührt.

Zu Z 26 (§ 32)

Der Abteilungsleiter hat – schon nach geltendem Recht – die Unterbringung jederzeit aufzuheben, wenn deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Dies bedeutet implizit eine Verpflichtung des Abteilungsleiters zur regelmäßigen Überprüfung des Fortbestands der Unterbringungsvoraussetzungen (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts2 Rz 789 f). Die nunmehr statuierte Verpflichtung zur Dokumentation des Fortbestands der Unterbringungsvoraussetzungen intendiert eine Überprüfbarkeit, ob der Abteilungsleiter seiner Überprüfungspflicht nachkommt, und damit gleichzeitig eine bewusstere Auseinandersetzung mit dieser Verpflichtung. Die Dokumentation hat zumindest wöchentlich zu erfolgen. Wenn die Unterbringung bereits über sechs Monate aufrecht ist, reicht eine monatliche Dokumentation aus, da in solchen Fällen wesentliche Änderungen die Ausnahme darstellen.

Zu Z 27 (§ 32a)

Eine der wichtigsten Zielsetzungen der Schaffung des Unterbringungsgesetz war es, gegenüber dem früher geltenden Recht die Gefährdungsvoraussetzungen zu verengen und dadurch eine Unterbringung wegen bloßer Behandlungsbedürftigkeit oder als Maßnahme der „Fürsorge“ auszuschließen (vgl JAB 1202 BlgNR 17. GP). In der Folge wurde aber bisweilen kritisiert, dass das Gesetz hier zu weit gegangen sei oder zumindest zu streng ausgelegt werde: Oft trete durch eine mit der Unterbringung begonnene medikamentöse Behandlung relativ rasch eine deutliche Besserung des Krankheitsbildes ein. Häufig werde dann die Auffassung vertreten, es bestehe keine ausreichende Gefährdung mehr und die Unterbringung müsse beendet werden. Dies wäre jedoch nicht im Interesse des Patienten, wenn sein psychischer Zustand zu diesem Zeitpunkt noch instabil sei. Nach Wiederaufflammen und neuerlicher Verschlimmerung der psychischen Krankheit trete nämlich wenig später neuerlich eine akute Gefährdung auf, die wieder eine Unterbringung erforderlich mache. Das Unterbringungsgesetz führe also (zumindest in Einzelfällen) zu einer „Drehtürpsychiatrie“ und letztlich dazu, dass manche psychisch Kranke im strafrechtlichen Maßnahmenvollzug angehalten werden, weil sich die immer wieder in Akutphasen der Krankheit auftretende Gefährdung früher oder später in Form der Verwirklichung eines objektiven Straftatbestands realisiere.

Der Ministerialentwurf enthielt daher den Vorschlag eines neuen Abs. 2 des § 3, der durch eine „Dynamisierung“ des Gefährdungsbegriffs und die Berücksichtigung des noch zu erwartenden Behandlungserfolgs dazu beitragen sollte, das beklagte Phänomen der „Drehtürpsychiatrie“ einzudämmen. Er hatte folgenden Wortlaut:

„(2) Die Fortführung einer Unterbringung wird nicht allein dadurch unzulässig, dass infolge einer eingetretenen Besserung eine ernste und erhebliche Gefährdung im Sinne des Abs. 1 nicht mehr unmittelbar bevorsteht. Bei der Prüfung, ob die Unterbringung fortzusetzen oder aufzuheben ist, ist abzuwägen, ob die Dauer und Intensität der Freiheitsbeschränkung im Verhältnis zu dem noch zu erwartenden Behandlungserfolg und der Gefahrenabwehr angemessen sind.“

Der Grundgedanke dieses Vorschlags bestand darin, dass eine Unterbringung nicht frühzeitig beendet werden soll, wenn absehbar ist, dass kurze Zeit später ein Rückfall und damit eine neuerliche Unterbringung bevorsteht. Dies ist nämlich – auch aus Sicht der Freiheitsrechte psychisch Kranker – vor allem dann nicht sinnvoll, wenn durch eine zeitlich begrenzte Fortführung der Behandlung im Rahmen der Unterbringung eine Stabilisierung erreicht werden kann, die künftige Rückfälle – und damit neuerliche Freiheitsbeschränkungen – wesentlich weniger wahrscheinlich macht. Zieht man in Betracht, dass gerade der Einweisungsvorgang von psychisch Kranken oft traumatisch erlebt wird und jeder akute Krankheitsschub und jede Unterbringung eine Gefahr einer Stigmatisierung des Patienten und einer Beeinträchtigung seiner sozialen Beziehungen mit sich bringen, so lässt sich doch sagen, dass eine etwas länger dauernde Unterbringung ein geringerer Eingriff in seine Rechte und Interessen ist, als mehrere in kurzen Zeitabständen aufeinander folgende Unterbringungen, die zwar jeweils für sich weniger lang, in Summe aber genauso lang oder noch länger dauern. Es sollte mit dem Vorschlag des Ministerialentwurfs also nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Unterbringung oder deren Fortführung auch ohne Vorliegen einer krankheitsbedingten Gefährdung zulässig sei, sondern vielmehr, dass bei der Prüfung, ob eine ernstliche und erhebliche Gefährdung (weiterhin) vorliegt und ob die Unterbringung (noch) verhältnismäßig ist, nicht nur auf die unmittelbar bevorstehenden Tage abgestellt werden soll, sondern eine etwas weiterreichende Zukunftsprognose anzustellen ist.

An der Bestimmung des Ministerialentwurfs wurde jedoch im Begutachtungsverfahren – neben vielfach geäußerter Zustimmung – teilweise sehr heftige Kritik geübt. Dabei wurde sie von manchen in einer Weise interpretiert, die nicht der intendierten Zielsetzung entsprach: Sie ermögliche – so die Sichtweise vieler kritischer Stellungnahmen – eine Fortführung einer Unterbringung selbst dann, wenn gar keine Gefährdung mehr bestehe.

Es wurde aber auch angemerkt, dass die Bestimmung teilweise Selbstverständliches ausdrücke und dabei Missverständnisse hervorrufen könnte: Eine „unmittelbare“ Gefährdung sei auch nach geltendem Recht nicht Voraussetzung für eine Unterbringung. Wenn für die Prüfung der Fortführung der Unterbringung gesetzlich ausdrücklich angeordnet werde, dass keine unmittelbar bevorstehende Gefährdung erforderlich sei, stelle sich die Frage, ob nicht im Umkehrschluss künftig für den Beginn einer Unterbringung eine solche „Unmittelbarkeit“ der Gefährdung gegeben sein müsste.

Die Regierungsvorlage trägt dieser Kritik Rechnung, ohne die eigentliche Zielsetzung der Entwurfsbestimmung aus den Augen zu verlieren:

Im Jahr 2008 wurden im Tätigkeitsbereich des Vereins Vertretungsnetz – also im gesamten Bundesgebiet mit Ausnahme von Vorarlberg – insgesamt 15.481 Personen untergebracht. Davon wurden 1.106 Personen innerhalb dieses Kalenderjahres dreimal oder öfter untergebracht, 279 Personen fünfmal oder öfter. Der prozentuale Anteil der Mehrfachunterbringungen an der Gesamtzahl der Unterbringung ist also relativ gering; 12.370 Personen oder rund 80 % waren im Jahr 2008 nur einmal untergebracht. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass zumindest ein Teil der – in absoluten Zahlen noch immer relativ vielen – Mehrfachunterbringungen durch eine günstigere Wahl des Entlassungszeitpunkts hätte vermieden werden können.

Es geht also keineswegs darum, dass Unterbringungen ganz allgemein „länger dauern“ sollen. Es soll aber deutlich gemacht werden, dass das Unterbringungsgesetz keine „Drehtürpsychiatrie“ bezweckt. Diese Intention soll auch durch die – gegenüber dem Ministerialentwurf veränderte – Positionierung der Regelung im Gesetz (bei den Bestimmungen über die Aufhebung der Unterbringung statt in § 3) zum Ausdruck kommen: Beabsichtigt ist kein Paradigmenwechsel bei den Unterbringungsvoraussetzungen sondern nur eine relativ geringfügige Änderung der Anwendungspraxis bei der Findung des richtigen Zeitpunkts zur Aufhebung der Unterbringung.

Zunächst ist daher – hier in den Erläuterungen – klarzustellen, dass die in § 3 normierte Unterbringungsvoraussetzung der „ernstlichen und erheblichen Gefährdung“ schon nach geltendem Recht nicht erfordert, dass ein Schadenseintritt „unmittelbar“ bevorsteht, und zwar weder in zeitlicher noch in kausaler Hinsicht: Schon das Wort „Gefährdung“ bringt zum Ausdruck, dass ein Schaden noch nicht eingetreten, sondern nur mit gewisser Wahrscheinlichkeit in der Zukunft zu befürchten sein muss. Dass die Gefährdung ernstlich sein muss, bedeutet zwar, dass eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit eines (erheblichen) Schadenseintritts innerhalb eines relativ eng begrenzten Zeitraums bestehen muss; auch daraus ist aber nicht abzuleiten, dass die Schädigung (der Gesundheit oder des Lebens eines Menschen) unmittelbar bevorstehen muss. Schließlich sieht § 9 Abs. 2 eine qualifizierte Sonderregelung für Gefahr im Verzug vor, sodass ein vergleichbar intensiver zeitlicher Zusammenhang kein allgemeines Merkmal des Gefährdungsbegriffs sein kann. Ebenso wenig muss der zu befürchtende erhebliche Schaden durch ein Einzelereignis verursacht sein. Er kann auch das Ergebnis einer kontinuierlichen Aufeinanderfolge von Teilursachen sein (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts2, Rz 124).

Schon nach geltendem Recht ist also eine Unterbringung – und damit auch die Fortführung einer Unterbringung – nicht allein deshalb unzulässig, weil ein Schadenseintritt nicht unmittelbar bevorsteht. Auch wenn sich zum Beispiel eine Akutphase einer psychischen Erkrankung durch eine im Rahmen der Unterbringung durchgeführte Behandlung gebessert hat und nicht unmittelbar nach einer Entlassung mit einer erheblichen Schädigung der Gesundheit oder des Lebens des Patienten oder eines anderen Menschen zu rechnen ist, ist die Fortführung der Unterbringung – sofern die übrigen Voraussetzungen (weiter) vorliegen – zulässig, wenn davon ausgegangen werden muss, dass ein Patient innerhalb eines absehbaren Zeitraums (von einigen Wochen bis wenigen Monaten) die ihm verordneten Medikamente absetzen und nach dem Abklingen ihrer Wirkung neuerlich eine Verschlimmerung seiner Erkrankung mit damit einhergehender ernstlicher und erheblicher Gefährdung im Sinn des § 3 erleiden wird. Das bedeutet nicht, dass eine Unterbringung ohne Gefährdung zulässig wäre, sondern vielmehr, dass die Beurteilung der Gefährdung eine Zukunftsprognose erfordert, in die mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Schäden auch einzubeziehen sind, wenn sie als Ergebnis einer Aufeinanderfolge mehrerer Ereignisse innerhalb absehbarer Zeit (und in diesem Sinne mittelbar) konkret zu befürchten sind.

Zusätzlich soll das Verhältnismäßigkeitsprinzip (auch auf einfachgesetzlicher Ebene) positiviert werden: Dass die Unterbringung unzulässig wird, wenn die mit ihr verbundene Freiheitsbeschränkung nicht mehr im angemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten Ziel der Gefahrenabwehr steht, entsprach schon bisher der Lehre und Rechtsprechung zum Unterbringungsgesetz und der verfassungsrechtlichen Vorgabe in Art. 1 Abs. 3 PersFrG (vgl. etwa Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts2, Rz 128 ff; Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz § 3 Anm 9). Gleichzeitig wird aber klargestellt, dass bei dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist, ob durch eine Fortführung der Unterbringung, insbesondere durch einen zu erwartenden Behandlungsfortschritt, die Wahrscheinlichkeit wesentlich verringert werden kann, dass der Kranke in absehbarer Zeit nach der Aufhebung der Unterbringung neuerlich in seiner Freiheit beschränkt werden muss. Ist dies der Fall, so ist die Unterbringung verhältnismäßig und darf fortgesetzt werden – und zwar für einen im Sinne der Zielsetzung der Norm begrenzten Zeitraum: Die Fortsetzung der Unterbringung muss einen geringeren Eingriff in die Freiheitsrechte des Patienten darstellen als die ansonsten zu erwartenden Folgeunterbringungen (oder sonstigen Freiheitsbeschränkungen). Ungeachtet dessen ist die Unterbringung selbstverständlich weiterhin stets sofort aufzuheben, wenn die Voraussetzungen des § 3 nicht mehr gegeben sind, also wenn keine psychische Krankheit mehr vorliegt, wenn (im Sinne der hier dargelegten Beurteilungsmaßstäbe) keine ernstliche und erhebliche krankheitsbedingte Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens eines Menschen mehr besteht oder wenn es eine ausreichende Alternative zur Unterbringung gibt.

Zu Z 28 (§ 33 Abs. 3)

Entsprechend der ärzterechtlichen Terminologie (§ 51 ÄrzteG 1998) soll im gesamten Unterbringungsgesetz hinsichtlich der Krankengeschichte nicht mehr von „beurkunden“, sondern von „dokumentieren“ gesprochen werden.

Zu Z 29 (§ 34 Abs. 2)

Nach geltendem Recht sind Beschränkungen des Besuchs- und Telefonverkehrs nur zulässig, wenn sie zum Wohl des Kranken unerlässlich sind. Nach herrschender Auffassung (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts2, Rz 568 f; Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz, § 34 Anm 8) ist darunter nur das gesundheitliche Wohl des Patienten zu verstehen, sodass als Rechtfertigungsgrund für Eingriffe in die Freiheit des Besuchs- und Telefonverkehrs nur Gefahren für die eigene Gesundheit des Patienten, nicht aber auch der Schutz von Interessen Dritter Personen oder der Ordnung in der Anstalt in Betracht kämen. Die Krankenanstalt ist aber ganz besonders im Bereich der Unterbringung allen ihren Patienten gegenüber zum Schutz und zur Fürsorge verpflichtet. Daher sollte doch möglich sein, etwa einem in einem Mehrbettzimmer untergebrachten Patienten das Telefonieren mit dem Handy während der Nachtzeit zu untersagen, um die Nachtruhe der Mitpatienten zu schützen. Gleichermaßen sollte es erlaubt sein, einem Patienten sein Handy abzunehmen, der damit die Intimsphäre anderer Patienten verletzende Photos anfertigt (und es ihm nur mehr bei Bedarf zum Telefonieren unter Aufsicht auszufolgen). Um dies klarzustellen, wird der „Schutz der Rechte anderer Personen in der psychiatrischen Abteilung“ nun ausdrücklich als Rechtfertigungsgrund genannt. Die Beschränkung auf andere Personen „in der psychiatrischen Abteilung“ (also Mitpatienten, Ärzte, Pflegepersonal und Besucher) entspricht dem Art. 1 Abs. 4 PersFrG („…am Ort ihrer Anhaltung…“). Anstelle des bisherigen Rechtfertigungsgrunds der Erforderlichkeit „für das Wohl des Kranken“ soll aber der konkretere und strengere Begriff der Abwehr einer Gefährdung im Sinn des § 3, also einer ernsten und erheblichen Gefahr für die Gesundheit oder das Leben eines Menschen, treten. Zum Schutz des Patienten selbst soll der Eingriff also nur erlaubt sein, wenn ansonsten eine erhebliche Schädigung seiner Gesundheit (oder gar der Verlust seines Lebens) droht, zum Schutz der Rechte anderer Personen in der Abteilung aber schon dann, wenn diese in einer Interessenabwägung überwiegen und nicht auf andere Weise geschützt werden können. Gleichzeitig wird das – etwa in § 33 Abs. 1 bereits enthaltene – Verhältnismäßigkeitsgebot in den Gesetzestext aufgenommen. Damit ist auch die Kongruenz mit dem neuen § 34a hergestellt.

Entsprechend der ärzterechtlichen Terminologie (§ 51 ÄrzteG 1998) soll im zweiten Satz – wie überhaupt im gesamten Unterbringungsgesetz – nicht mehr von „beurkunden“, sondern von „dokumentieren“ gesprochen werden.

Zu Z 30 (§ 34a)

Zunächst darf auf die Ausführungen unter Punkt 3. d) im Allgemeinen Teil verwiesen werden. Unter welchen Voraussetzungen die Anstaltsleitung bzw. das ihr zuzurechnende Personal in sonstige Rechte von Untergebrachten eingreifen dürfen, etwa in das Recht auf Tragen von Privatkleidung, ist derzeit auf einfachgesetzlicher Ebene nicht geregelt. Nach dem im Verfassungsrang stehenden Art. 1 Abs. 4 PersFrG sind nur solche Beschränkungen zulässig, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort der Anhaltung notwendig sind. Durch diesen verfassungsrechtlichen Rahmen ist aber noch keine konkrete Eingriffsermächtigung gegeben und auch kein effizientes Rechtsschutzverfahren gegen behauptete unzulässige Eingriffe geschaffen. Wird im Zuge einer Unterbringung in andere als die in §§ 33 bis 38 genannten Rechte eines Patienten eingegriffen, so unterliegt dies nach der herrschenden Rechtsprechung weder der Kontrollbefugnis des Unterbringungsgerichts (z. B. OGH 6 Ob 578/94 EFSlg 97.423) noch jener des Unabhängigen Verwaltungssenats (z. B. VwGH 99/11/0345). Diese Rechtsschutzlücke wurde unter Hinweis auf Art. 13 MRK kritisiert (Kopetzki, Entscheidungsbesprechung, RdM 2001/3; derselbe, Grundriss des Unterbringungsrechts2 Rz 766).

Vorgeschlagen wird daher eine Generalklausel, nach der das Gericht auch über die Zulässigkeit der Beschränkung anderer Rechte des Kranken während der Unterbringung zu entscheiden hat. Gleichzeitig mit der Eröffnung dieser Überprüfungsmöglichkeit wird mit § 34a aber auch eine Rechtsgrundlage geschaffen, die diese Eingriffe unter bestimmten Voraussetzungen rechtfertigt, nämlich dann, wenn sie zur Abwehr einer Gefahr im Sinn des § 3 Z 1 oder zum Schutz der Rechte anderer Personen in der Krankenanstalt unerlässlich sind und zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis stehen (siehe dazu schon die Erläuterungen zu § 34; zum bisherigen Fehlen einer solchen Rechtsgrundlage vgl. Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts2 Rz 540).

Als „sonstige Rechte“ im Sinn der vorgeschlagenen Bestimmung werden die Rechte auf Tragen von Privatkleidung, Gebrauch persönlicher Gegenstände und regelmäßigen Ausgang ins Freie demonstrativ im Gesetz aufgezählt. Es ist aber unmöglich, alle erdenklichen solchen Rechte im Gesetz aufzuzählen, weshalb es einer Generalklausel als „Auffangtatbestand“ für die nicht schon in den §§ 33, 34 und 35 ff geregelten Rechte bedarf.

Unter persönlichen Gegenständen sind vor allem jene Sachen zu verstehen, die einen Bezug zur Persönlichkeit des Kranken haben, wie ein Tagebuch, ein Ehering oder ein religiöser Kultgegenstand. Das Recht auf Ausgang ins Freie bedeutet, dass Patienten in der Regel zumindest täglich für die Dauer etwa einer Stunde die Möglichkeit haben müssen, sich im Freien aufzuhalten.

Keine Beschränkung eines sonstigen Rechts liegt vor, wenn etwas nur die Konsequenz der mit jeder Unterbringung verbundenen Freiheitsbeschränkung ist, wie z.B. der Umstand, dass der Patient den in seiner Privatwohnung befindlichen Computer nicht benutzen kann.

Die Ausgestaltung als Generalklausel bringt es mit sich, dass verschiedenste Maßnahmen eine Beschränkung eines sonstigen Rechts darstellen können. Eine ärztliche Pflicht, die Maßnahme zu dokumentieren, ist (anders als in § 33 Abs. 2 und § 34 Abs. 2) hier nicht vorgesehen; ansonsten müsste sicherheitshalber alles dokumentiert werden, was vielleicht als Rechtsbeschränkung im Sinn des § 34a angesehen werden könnte. In einem Überprüfungsantrag des Kranken oder seines Vertreters ist daher die als unzulässig erachtete Rechtsbeschränkung möglichst genau zu bezeichnen.

§ 34a ist subsidiär zu besonderen Rechtsvorschriften, in welchen festgelegt ist, ob und unter welchen Voraussetzungen in ein spezielles Recht des Patienten eingegriffen werden darf. Solche Vorschriften finden sich zum Teil im Unterbringungsgesetz selbst, z. B. in Bezug auf das Recht auf Einsicht in die Krankengeschichte in § 39, sie können aber auch in anderen Gesetzen oder in Verordnungen enthalten sein. So darf beispielsweise in das demokratische Wahlrecht nur wegen einer gerichtlichen Verurteilung, nicht aber auf Grundlage des neuen § 34a UbG eingegriffen werden (Art. 26 Abs. 5 und 95 Abs. 2 B-VG, deren Vorrang gegenüber § 34a sich freilich schon aus ihrem Verfassungsrang ergibt; § 4 Bundespräsidentenwahlgesetz). Für Strafgefangene, die gemäß § 71 Abs. 3 StVG in eine forensisch-psychiatrische Abteilung überstellt und dort untergebracht werden, gelten die vom Strafvollzugsgesetz im Rahmen des Strafvollzugs vorgesehenen Einschränkungen weiter; sie gehen § 34a als „besondere Rechtsvorschriften“ vor.

Zu Z 31 (§ 35)

Mit dem Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 wurde die Vorsorgevollmacht im ABGB geregelt (§§ 284f ff. ABGB). Zum Wirkungskreis eines nach diesen Bestimmungen „Vorsorgebevollmächtigten“ kann – auf Grundlage einer „qualifizierten“ Vorsorgevollmacht im Sinn des § 284f Abs. 3 ABGB – auch  die Einwilligung in medizinische Behandlungen gehören. Auch bei der Behandlung im Rahmen einer Unterbringung soll daher der Vorsorgebevollmächtigte (mit entsprechendem Wirkungskreis) – in gleicher Weise wie ein Sachwalter oder ein gesetzlicher Vertreter eines Minderjährigen – informiert werden und Entscheidungen treffen können.

Zu Z 32 (§ 36)

§ 36 soll terminologisch an das ABGB in der Fassung des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001 und des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes 2006 angepasst werden. Vor allem soll klar gestellt werden, dass der im Unterbringungsgesetz verwendete Begriff der „besonderen Heilbehandlung“ deckungsgleich ist mit dem im ABGB verwendeten Terminus der „medizinischen Behandlung, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist“. Deshalb wird in Abs. 1 nun die längere und aussagekräftigere Formulierung des ABGB verwendet, ihr aber sogleich die im Unterbringungsgesetz geläufige, knappere Bezeichnung „besondere Heilbehandlung“ als Klammerausdruck nachgestellt. Im Weiteren kann dann wieder der so definierte Begriff „besondere Heilbehandlung“ verwendet werden.

Außerdem ist der „Vorsorgebevollmächtigte“ als möglicher Vertreter des Patienten zu erwähnen; dazu sei auf die Erläuterungen zu § 35 verwiesen.

Die Änderung wird auch zum Anlass genommen, § 36 etwas übersichtlicher und leichter verständlich zu gestalten. Dazu wird er in drei Absätze untergliedert. Von diesen regelt der erste den Fall des Patienten, der selbst einsichts- und urteilsfähig ist. Der zweite Absatz betrifft Patienten, die selbst nicht einsichts- und urteilsfähig sind, aber einen Vertreter haben, dessen Wirkungskreis Willenserklärungen zu medizinischen Behandlungen umfasst. Dass auch ein Vorsorgebevollmächtigter nur dann als Vertreter in diesem Sinn anzusehen ist, wenn sein Wirkungskreis medizinische Behandlungen umfasst, ergibt sich schon aus der Definition in § 35 Abs. 2. Der dritte Absatz regelt schließlich den Fall von Patienten, die weder selbst einsichts- und urteilsfähig sind noch einen entsprechenden Vertreter haben. Bei diesen soll wie bisher eine besondere Heilbehandlung – abgesehen von den Fällen des § 37 – nur durchgeführt werden dürfen, wenn sie vorab vom Unterbringungsgericht genehmigt wurde. Aufgrund der Aufgliederung des § 36 in drei Absätze kann zur leichteren Zitierbarkeit der Strichpunkt vor der betreffenden Wortfolge in einen Punkt umgewandelt werden. Einfache Heilbehandlungen an Patienten, die weder selbst einsichts- und urteilsfähig sind noch einen dafür kompetenten Vertreter haben, sind auch im Rahmen des neuen § 36 Abs. 3 nach Maßgabe des § 35 ohne vorhergehende gerichtliche Genehmigung zulässig; auf Antrag hat wie bisher das Unterbringungsgericht über die Zulässigkeit zu entscheiden.

Dass die gerichtliche Entscheidungskompetenz nur in Abs. 3 ausdrücklich erwähnt ist, hat zwei Gründe: Zum einen soll die im Fall des Abs. 2 (nicht einsichts- und urteilsfähiger Patient mit kompetentem Vertreter) allenfalls erforderliche pflegschaftsgerichtliche Genehmigung weiterhin dem Pflegschaftsgericht und nicht etwa dem Unterbringungsgericht obliegen. Zum anderen sollte es im Anwendungsbereich der Absätze 1 und 2 nach der gesetzlichen Regel abgesehen von „Notfällen“ im Sinn des § 37 gar keine konsenslosen Behandlungen geben. Wird jedoch – unzulässigerweise – ohne besondere Dringlichkeit und Notwendigkeit im Sinne des § 37 eine konsenslose Behandlung an einem einsichts- und urteilsfähigen Patienten (im Sinn des Abs. 1) oder an einem Patienten mit einem kompetenten Vertreter (im Sinn des Abs. 2) vorgenommen, so soll – ohne dass dies ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden müsste – dem Unterbringungsgericht (wie schon bisher) weiterhin die Kompetenz zukommen, diese Zwangsbehandlung auf Antrag für rechtswidrig zu erklären (vgl. SZ 67/229).

Einer ausdrücklichen Erwähnung von Patientenverfügungen, die unter bestimmten Voraussetzungen auch bei der Behandlung von untergebrachten Kranken verbindlich oder beachtlich sein können (vgl. Engel, Verbindliche Patientenverfügungen und die Behandlung untergebrachter Personen, iFamZ 2008, 18), bedarf es nicht.

Zu Z 33 (§ 37)

Auf die Erläuterungen zu § 35 sei verwiesen.

Zu Z 34 (§ 38)

Die Änderungen sind rechtstechnischer Natur. Zur Reduktion der Ausfertigungsfrist von acht auf sieben Tage siehe die Erläuterungen zu § 27.

Zu Z 35 (§ 38a)

Durch die Unterbringung wird in das Grundrecht des Menschen auf persönliche Freiheit nach Art. 5 EMRK und nach dem PersFrG eingegriffen. Obwohl manche Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes den Anschein erwecken, dass eine gerichtliche Entscheidung nur zu ergehen hat, wenn die Unterbringung im Zeitpunkt der Entscheidung noch aufrecht ist (etwa die Bestimmungen darüber, dass die Unterbringung bei einer Unzulässigkeitsentscheidung sogleich aufzuheben ist: §§ 20 Abs. 2, 26 Abs. 3 und 29 Abs. 3), hat die Rechtsprechung im Lichte dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben das Recht des Patienten bejaht, auch nach Beendigung der Unterbringung noch eine Entscheidung darüber zu begehren, ob die Unterbringung zulässig war (RIS-Justiz RS0071267 und RS0074575). Es fehlen allerdings Regeln darüber, welche Verfahrensvorschriften bei solchen nachträglichen Überprüfungsverfahren einzuhalten sind (vgl. Engel, Anpassungserfordernisse im Unterbringungsrecht – Eine Bestandsaufnahme aus Sicht eines Unterbringungsrichters, iFamZ 2007, 33).

Da ein wirksamer Grundrechtsschutz voraussetzt, dass die Inhaber der Grundrechte von ihren Rechtsansprüchen auf einfache und allgemein zugängliche Weise Kenntnis erlangen können, soll das Antragsrecht nun ausdrücklich im Gesetz festgeschrieben werden. Von einer im Ministerialentwurf noch vorgesehenen Befristung nachträglicher Überprüfungsanträge wird Abstand genommen, um sicherzustellen, dass Bemühungen um eine außergerichtliche Klärung und Aufarbeitung ohne Zeitdruck erfolgen können.

Durch die Schaffung einer speziellen Bestimmung für das Verfahren bei der nachträglichen Überprüfung in Abs. 2 und 3 wird klargestellt, dass die hier nicht erwähnten Verfahrensbestimmungen des Unterbringungsgesetzes nicht anwendbar sind. Es muss also beispielsweise keine Erstanhörung im Sinn des § 19 durchgeführt werden und es gelten – mangels Dringlichkeit nach Beendigung der Unterbringung – auch nicht die Fristen für die Durchführung der mündlichen Verhandlung (§ 20 Abs. 1) oder die Ausfertigung der Entscheidung (§ 27). Es ist auch nicht geboten, vom Abteilungsleiter eine sofortige Anmeldung des Rekurses zu verlangen.

Die besondere Schwierigkeit, im Nachhinein noch festzustellen, ob zum relevanten Zeitpunkt die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vornahme der Beschränkung vorlagen, resultiert vor allem daraus, dass sich der Richter und ein bestellter Sachverständiger keinen eigenen unmittelbaren Eindruck vom Zustand des Patienten zum Zeitpunkt der Anordnung und Dauer der Beschränkung mehr machen können. Daraus resultierende Zweifel müssen letztlich zur Abweisung des auf Unzulässigerklärung abzielenden Antrags führen, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen in der Krankengeschichte ordnungsgemäß dokumentiert ist.

Zu Z 36 (§ 39)

Entsprechend der ärzterechtlichen Terminologie (§ 51 ÄrzteG 1998) soll im gesamten Unterbringungsgesetz hinsichtlich der Krankengeschichte nicht mehr von „beurkunden“, sondern von „dokumentieren“ gesprochen werden.

Zu Z 37 (§ 41)

Siehe die Erläuterungen zu § 2.

Zu Z 38 (§ 42)

Der neue Abs. 3 regelt das Inkrafttreten und den Rechtsübergang der Unterbringungsnovelle 2010.

Zu Z 39 (§ 43)

Zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 6 VSPBG sei auf die Erläuterungen zu § 15 verwiesen.

Zu Z 40 (§ 47)

Die neue Z 7 enthält die Vollzugsklausel für die neu geschaffenen Regeln über die nachträgliche Überprüfung.

Zu Art II (Änderung des Heimaufenthaltsgesetzes)

Zu Z 1 (§ 4)

Sowohl bei Eigen- als auch bei Fremdgefährdung reicht eine Gefährdung entweder des Lebens oder der Gesundheit aus. Dieses auch im Hinblick auf die Erläuterungen (RV 353 BlgNR 22. GP 10) eindeutige Redaktionsversehen (vgl. Strickmann, Heimaufenthaltsrecht, 113 FN 535) soll beseitigt werden.

Zu Z 2 (§ 5 Abs. 1 und 2)

Nach geltendem Recht ist die Befugnis zur Anordnung nicht bloß kurzfristiger freiheitsbeschränkender Maßnahmen generell Ärzten überantwortet (§ 5 Abs. 2). In der Praxis hat dies vielfach Kritik hervorgerufen, da Ärzte (ohne Zusatzausbildung) nicht über die nötigen Kenntnisse verfügten, um die pflegerischen bzw. – im Zusammenhang mit Menschen mit geistiger Behinderung – pädagogischen Implikationen einer Anordnung in ausreichendem Maße zu beurteilen. Dies führt nach einer Studie des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie zur Implementierung des HeimAufG dazu, dass die ärztliche Anordnung in der Praxis oftmals nur „pro forma“ erfolgt und der Arzt de facto bloß die Einschätzung des Pflege- bzw. Betreuungspersonals „sanktioniert“ (siehe Hofinger/Kreissl/Pelikan/Pilgram, Menschenrechte als Organisationsproblem, iFamZ 2008, 78 [79]). Dieses Phänomen hat zudem eine verfassungsrechtliche Dimension, da die – oft zentrale – Frage der pflegerischen bzw. pädagogischen Alternativen zur Freiheitsbeschränkung in die nach Art. 1 Abs. 3 PersFrG gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen ist, was aber bei der anordnungsbefugten Person entsprechende profunde Fachkenntnisse voraussetzt. Die Anordnungsbefugnis soll daher neu geregelt werden.

In § 5 Abs. 1 sind nunmehr – überwiegend unter Anknüpfung an berufsrechtliche Bestimmungen – drei verschiedene Kompetenzbereiche abgebildet, jener der Ärzte (Z 1), jener der Angehörigen des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankheitspflege (Z 2) und jener des in Behinderteneinrichtungen wirkenden pädagogisch ausgebildeten Personals (Z 3). Ärzte sind demnach zur Anordnung der Freiheitsbeschränkung berufen, wenn es sich um medikamentöse oder sonstige dem Arzt vorbehaltene Maßnahmen handelt. Ob eine Freiheitsbeschränkung einem Arzt vorbehalten ist oder (auch) von einem Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege angeordnet werden kann und darf, hängt davon ab, ob es sich um ärztliche Tätigkeit im Sinn des § 2 Ärztegesetz 1998 oder um eine Maßnahme im eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich im Sinn des § 14 GuKG handelt. Neben den medikamentösen Maßnahmen können auch sehr „körpernahe“ Freiheitsbeschränkungen (wie beispielsweise „3-Punkt-Fixierungen“ oder Isolierungen in Einzelzimmern, so genannten „Time-Out-Räumen“) zu den den Ärzten vorbehaltenen Maßnahmen zählen. Dies gilt etwa dann, wenn mit ihnen eine Sedierung des Bewohners einher geht oder auch sonst eine ärztliche Überwachung – etwa bei Fixierungen von Bewohnern mit schlechter körperlicher Konstitution oder bei starker psychischer Belastung – erforderlich ist. Macht eine ärztlich angeordnete Maßnahme – z. B. die Verabreichung von Psychopharmaka – unmittelbar weitere (grundsätzlich nicht Ärzten vorbehaltene) Einschränkungen der Bewegungsfreiheit notwendig, etwa Sitzgurte zum Schutz vor Stürzen bei starker Sedierung, so fällt auch deren Anordnung in die Zuständigkeit des Arztes (§ 5 Abs. 1 Z 1 dritte Variante).

Besteht dagegen beispielsweise bei einem ehemaligen – jetzt schwer dementen – Bergsteiger laut ärztlichem Attest die Gefahr, dass dieser sich in der Einrichtung während des – von ihm geliebten – Stiegensteigens schwer verletzt und kann diese Gefahr nicht (gänzlich) durch eine ärztliche Therapie behoben werden, so obliegt es grundsätzlich der Pflege, Maßnahmen zu treffen, die den Bewohner vor dieser Gefahr schützen. Zu denken ist hier an das geordnete Abarbeiten des Bewegungsdrangs unter Aufsicht oder das Unzugänglichmachen des Stiegenhauses. Ist bei einem anderen Bewohner, der tagsüber dazu neigt, die Einrichtung zu verlassen und der nach ärztlichem Attest dement und orientierungslos ist sowie bei unkontrolliertem Verlassen des Wohnbereichs Gefahr läuft, sich im Freien zu verirren oder von einem Auto erfasst zu werden, im Sinne der Schonung des Bewohners von seiner starken Sedierung abzusehen, so kommt etwa der – von der Pflege anzuordnende – Einsatz einer „Sensormatte“, von Bewegungsmeldern oder von elektronischer Überwachung in Betracht, um sicherzustellen, dass der Bewohner die Einrichtung nicht unbegleitet verlässt.

Vorausgesetzt ist auch im eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich der Pflege, dass vorab im Rahmen der Gesundheitsvorsorge mit einem Arzt abgeklärt wird, ob es einer ärztlichen Maßnahme bedarf, um die Gesundheitsgefährdung abzuwenden. Wäre diese Maßnahme mit einer Freiheitsbeschränkung verbunden, so müssen die Voraussetzungen des § 4 Z 2 und 3 HeimAufG erfüllt sein. Bei dieser Prüfung ist der Arzt seinerseits auf Vorschläge der Pflege zur Anwendung schonenderer Betreuungs- oder Pflegemaßnahmen angewiesen. Schließlich obliegt es der Pflege auch im eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich, bei Veränderungen des Gesundheitsbildes des Bewohners – wie bei plötzlich zunehmender Unruhe – einen Arzt beizuziehen. Das neue Konzept der Anordnungsbefugnis mit seinen eng miteinander verknüpften Zuständigkeiten zeichnet damit (analog zu den §§ 14 und 15 GuKG) das – von der Praxis überwiegend geforderte (vgl. Viol, Pflegepraxis 2009/11, 24) – Bild enger Zusammenarbeit von Pflege und Ärzten.

In § 5 Abs. 1 Z 3 kann nur auf berufsrechtliche Begrifflichkeiten der ärztlichen und pflegerischen Tätigkeit (sozusagen als negative Tatbestandsmerkmale), nicht aber auf ein eigenes gesetzliches Berufsrecht der Sonder- und Heil- bzw. Sozialpädagogik zurückgegriffen werden, weshalb die in § 2 erwähnten Einrichtungen der Behindertenhilfe ergänzend zur Eingrenzung der Anordnungsbefugnis im nicht-ärztlichen und nicht-pflegerischen Bereich heranziehen sind.

Während nach § 5 Abs. 1 Z 1 jeder in einer Einrichtung beschäftigte (diensthabende) oder beigezogene Arzt (mit „ius practicandi“) befugt ist, Freiheitsbeschränkungen anzuordnen, können diese im Bereich der Pflege nach § 5 Abs. 1 Z 2 nur von einem mit der Anordnung derartiger Maßnahmen betrauten und in der Einrichtung beschäftigten Angehörigen des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege angeordnet werden. Dies kann – muss aber nicht – die Pflegedienstleitung oder ihre Vertretung sein. Zu der – auch schlüssig möglichen (§ 863 ABGB) – Betrauung anderer Personen (die wiederum Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege sein müssen) mit derartigen Anordnungen ist die Leitung der Einrichtung berufen. Insbesondere in großen Einrichtungen kann es sinnvoll sein, mehrere Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege mit der Anordnung von Freiheitsbeschränkungen zu betrauen. Nach § 5 Abs. 1 Z 3 können Freiheitsbeschränkungen in Einrichtungen der Behindertenhilfe – wiederum mangels eindeutiger berufsrechtlicher Anknüpfungspunkte – nur von der pädagogischen Leitung oder deren Vertretern – die aber ebenfalls für die pädagogische Leitung der Einrichtung qualifiziert sein müssen – angeordnet werden.

Da eine Freiheitsbeschränkung nur auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung angeordnet werden darf und auch das Krankheitsbild bzw. die konkrete Ausgestaltung der Behinderung bei der Einschätzung der daraus resultierenden Eigen- oder Fremdgefährdung eine Rolle spielt (und aufgrund des in § 4 Z 1 geforderten ursächlichen Zusammenhangs sogar spielen muss), bedarf es nach § 5 Abs. 2 vor jeder – einigermaßen planbaren – Anordnung der Mitwirkung eines Arztes: Ein Arzt muss schriftlich festhalten, an welcher psychischen Beeinträchtigung der Bewohner leidet und ob dieser im Zusammenhang damit sich oder andere an Leben oder Gesundheit ernstlich und erheblich gefährdet. Dies gilt nur dann, wenn die konkret vorgenommene Freiheitsbeschränkung voraussichtlich länger als 48 Stunden andauern soll. Auf diese Weise sollen pflegerische oder betreuerische Maßnahmen im Sinn des § 5 Abs. 1 Z 2 und 3 an Bewohnern, die am Wochenende in der Einrichtung aufgenommen werden, zunächst auch ohne ärztliche Mitwirkung angeordnet werden können. Sind die Maßnahmen auch in weiterer Folge zu setzen, bedürfen diese dann aber einer Anordnung, die den Anforderungen des § 5 Abs. 2 genügt. Ist schon am Wochenende eine Ärzten vorbehaltene Freiheitsbeschränkung im Sinn des § 5 Abs. 1 Z 1 erforderlich, z. B. die Verabreichung eines Sedativums, so muss von Vornherein ein Arzt beigezogen werden.

Das ärztliche Dokument im Sinn des § 5 Abs. 2 muss nicht nur konkret die Diagnose der psychischen Erkrankung und geistigen Behinderung des Bewohners enthalten, sondern auch darlegen, inwieweit dieser dadurch sich oder andere ernstlich und erheblich gefährdet. Die Gefährdungsprognose muss umschreiben, in welchen Lebensbereichen oder Situationen bei dem Bewohner im Zusammenhang mit dessen Erkrankung oder Behinderung eine Gesundheitsgefahr auftritt oder unter bestimmten Voraussetzungen auftreten kann. Zu dem Befund der psychischen Krankheit – z. B. hochgradige Demenz – muss also im ärztlichen Dokument auch ausgeführt werden, worin das aus dieser Erkrankung resultierende Gefahrenpotential liegt. Dieses könnte z. B. darin bestehen, dass der Bewohner aufgrund seiner Demenz die Gefahren des Straßenverkehrs nicht abschätzen kann und nicht mehr alleine nach Hause findet. Das ärztliche Attest muss zudem erkennen lassen, für welche Dauer diese Einschränkung und das damit verbundene Risiko bestehen. Ausdrücklich festgehalten ist, dass die anordnungsbefugte Person eine Freiheitsbeschränkung nur anordnen darf, wenn dieses ärztliche Dokument noch aktuell ist, also in zeitlichem Zusammenhang mit der notwendigen Beschränkung das Vorliegen der psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung festhält. Von einer Festlegung eines allgemeinen „Ablaufdatums“, also einer Befristung der Gültigkeit des Dokuments (z. B. drei Monate), wird abgesehen, weil dies den sehr unterschiedlichen Verläufen der einzelnen psychischen Erkrankungen bzw. Behinderungsformen nicht gerecht werden würde. Die zeitliche Wirksamkeit des Dokuments wird aber jedenfalls auch von dem Umstand abhängen, dass das Gefährdungspotential je nach Belastungssituation unterschiedlich gestaltet sein kann. Da Inhalt und Aktualität des ärztlichen Handelns in § 5 Abs. 2 dergestalt hinreichend determiniert sind, kann dahin gestellt bleiben, ob sich der Arzt der äußeren Form eines Gutachtens oder eines ärztlichen Zeugnisses im Sinn des § 55 Ärztegesetzes 1998 bedient oder sonstige ärztliche Aufzeichnungen nach § 51 Ärztegesetz 1998 vorliegen. Zur gewissenhaften Untersuchung des Bewohners wird der Arzt hier allgemein (und nicht bloß bei Erstellung eines Gutachtens oder Zeugnisses) verpflichtet sein, sodass etwa die bloße Bezugnahme des Arztes auf die Verlaufsdokumentation des Heims nicht ausreicht (vgl. § 49 Abs. 1 Ärztegesetz 1998). Im Sinn des § 6 Abs. 1 wird auch zu fordern sein, dass die ärztliche Aufzeichnung (allenfalls in Kopie) der Pflegedokumentation angeschlossen wird.

Die Anordnung muss sich im Rahmen der Gefährdungsprognose im ärztlichen Attest bewegen, es ist aber durchaus möglich, dass die konkret anordnungsbefugte Person zu dem Schluss kommt, dass aktuell keine Gefährdung gegeben und daher auch keine Freiheitsbeschränkung anzuordnen ist. Während der Arzt – ausgehend von der Diagnose – aus medizinischer Perspektive die konkrete Gefährdung zu beurteilen hat, hat die nach § 5 Abs. 1 Z 2 oder 3 anordnungsbefugte Person etwa die genauen örtlichen Gegebenheiten bzw. die pflegerischen oder betreuerischen Alternativen ins Kalkül zu ziehen. In Krankenanstalten kann es zwar auf Grund des Dienstverhältnisses auch im eigenverantwortlichen Bereich eine Weisungsbindung der Pflegefachkraft gegenüber Vorgesetzten (Ärzten) geben, was etwa bei Auffassungsunterschieden zwischen Ärzten und Pflege über die Notwendigkeit von Freiheitsbeschränkungen bedeutsam sein kann. Dies ändert aber nichts daran, dass die Berufspflicht besteht, ausschließlich Weisungen zu befolgen, die den leges artes entsprechen (siehe Stärker, 10 Jahre GuKG-Tätigkeitsbereiche – eine Reflexion, RdM 2009, 212 [213]). Festzuhalten ist schließlich, dass eine von einem Angehörigen des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege angeordnete Maßnahme nicht einer ärztlichen Anordnung zuwider laufen darf, die durch den Arzt im Rahmen einer therapeutischen Maßnahme erfolgt ist. Erteilt der Arzt etwa die Anordnung, dass ein Patient nach einer Behandlung oder zur Erhaltung seines Gesundheitszustands Bettruhe einzuhalten hat, so dürfen Angehörige der Pflegeberufe keine dieser Anordnung widersprechenden Maßnahmen setzen; dies gebietet bereits § 15 GuKG (mitverantwortlicher Tätigkeitsbereich der Pflege), wird aber auch für Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen gelten.

Eine Freiheitsbeschränkung ist nach § 5 Abs. 4 sofort aufzuheben, wenn deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Zur Aufhebung verpflichtet ist grundsätzlich jene Person, die die jeweilige Maßnahme angeordnet hat (Barth/Engel, Heimrecht § 5 HeimAufG Anm. 13). Dies gilt auch dann, wenn eine andere anordnungsbefugte Person eine – wohl gelindere – Form von Freiheitsbeschränkung anordnet, die die bisher vorgenommene erlässlich macht. Um beurteilen zu können, ob die nunmehr in Betracht gezogene Freiheitsbeschränkung verhältnismäßig und insbesondere im Vergleich zur anderen schonender ist, wird eine enge Absprache mit der Person gefordert sein, die die bisherige Maßnahme angeordnet hat.

Zu Z 3 (§ 7 Abs. 2 und 3)

Der Einrichtungsleiter und dann in weiterer Folge die Vertreter und die Vertrauensperson des Bewohners sind de lege lata nur von der Vornahme einer mit dem Willen des Bewohners vorgenommenen Einschränkung seiner persönlichen Freiheit zu verständigen (kritisch Strickmann, Heimaufenthaltsrecht, 133). Dies führt dazu, dass Bewohnervertreter derzeit nicht oder kaum abschätzen können, welche dieser Maßnahmen noch aufrecht sind, was den planvollen und ökonomischen Einsatz der Ressourcen erschwert. Im Sinne der Qualitätssicherung der Arbeit der Bewohnervertreter ist es daher notwendig, dass diese (und daneben der Einrichtungsleiter sowie eine allfällige Vertrauensperson des Bewohners) auch von der Aufhebung einer mit Einwilligung des Bewohners vorgenommen Freiheitsbeschränkung unverzüglich verständigt werden. Dies ist in § 7 Abs. 2 nun vorgesehen.

In § 7 Abs. 3 wird – im Einklang mit § 14 DSG 2000 – ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei den in den Abs. 1 und 2 vorgesehenen Verständigungen Vorkehrungen zur Wahrung der Datensicherheit zu treffen sind.

Zu Z 4 (§ 8 Abs. 1 und 2)

Nach dem SWRÄG 2006 kann jede Person mit einer Vorsorgevollmacht ausgestattet werden (vgl. § 284f ABGB). Die Vertretung nach § 8 Abs. 1 stellt einen besonderen Fall einer Vorsorgevollmacht dar (vgl. Barth/Engel, Heimrecht § 8 HeimAufG Anm. 1); die seit dem SWRÄG 2006 systemwidrige Einschränkung auf „nahe Angehörige“, die bereits davor als sachlich ungerechtfertigt kritisiert worden war (siehe etwa Zierl, Heimvertragsgesetz und Heimaufenthaltsgesetz, 140), soll vor diesem Hintergrund gestrichen werden. Da somit jede Person Vertreter des Bewohners nach Abs. 1 sein kann, müssen Rechtsanwälte und Notare nicht mehr explizit angeführt werden. § 8 Abs. 1 zweiter Satz sieht zwei Anforderungen vor: Der Bevollmächtigte muss unabhängig von der Einrichtung sein, von der der Bewohner betreut wird (so auch § 284f Abs. 1 ABGB). Die Vollmacht muss aber nicht die Formvorschriften des § 284f Abs. 2 bzw. 3 ABGB erfüllen, damit sie wirksam ist. Schriftlichkeit im Sinn des § 886 ABGB – und damit in der Regel „Unterschriftlichkeit“ – genügt. Diese geringere formale Hürde kann akzeptiert werden, da der Bevollmächtigte nicht zu einer – das HeimAufG umgehenden – ersatzweisen Zustimmung zu Freiheitsbeschränkungen befugt ist, die Bewohnervertretung nach § 8 Abs. 2 jedenfalls eingesetzt bleibt, für die Einleitung eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens sorgen kann und somit ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht.

In § 8 Abs. 2 wird durch Streichung des Wortes „gesetzlichen“ klargestellt, dass die Vertretungsbefugnis bestimmter Vereine nicht nur die Vertretungsbefugnis eines anderen gesetzlichen Vertreters, sondern auch die eines gewillkürten Vertreters (Abs. 1) unberührt lässt. Zusätzlich wird eine terminologische Anpassung an § 3 Abs. 1 VSPBG vorgenommen. Da dort nunmehr ausdrücklich die Namhaftmachung von Bewohnervertretern in den Aufgabenbereich der so genannten Sachwaltervereine gestellt ist, kann daran in § 8 Abs. 2 zur näheren Kennzeichnung der angesprochenen Vereine angeknüpft werden. Festzuhalten ist, dass diese Vereine, deren Eignung vom Bundesministerium für Justiz gemäß § 1 VSPBG festgestellt worden ist, von diesem fachlich zu beaufsichtigen sind (siehe näher § 5 VSPBG); der – von manchen Einrichtungsträgern angeregten – Schaffung einer eigenen „Beschwerdestelle“ gegen Mitarbeiter eines solchen Vereins bedarf es daher nicht.

Zu Z 5 (§ 9 Abs. 1)

In der Praxis hat sich bisweilen die Frage gestellt, ob die in § 9 Abs. 1 genannten Befugnisse dem Vertreter auch dann zustehen, wenn er nicht nach § 7 Abs. 2 von einer Freiheitsbeschränkung verständigt worden ist. Das HeimAufG ordnet den Bewohnervertretern großes Gewicht zu, indem es – im Vergleich zum UbG – die gerichtliche Kontrolle nur auf Antrag vorsieht. Der Gesetzgeber hat daher „prozessuale Sicherungen“ einzubauen, damit der Bewohnervertreter in der Lage ist, diejenigen Personen zu schützen, die nicht mehr völlig eigenständig handeln können, sodass dem in Art. 6 Abs. 1 PersFrG geforderten effektiven und zugänglichen Rechtsschutz Genüge getan ist (vgl. Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art. 6 Rz 34 f und 60). Hält man sich dies vor Augen, dann kann bereits de lege lata eine verfassungskonforme Interpretation des Gesetzes nur dazu führen, dass dem Bewohnervertreter ein Zugangsrecht zu jeder Einrichtung eingeräumt wird, die dem HeimAufG unterliegt, auch wenn sich erst im Rahmen seines Besuchs herausstellt, ob tatsächlich eine Vertretungsbefugnis im Sinn des § 8 Abs. 2 besteht oder nicht besteht. Im Hinblick auf die große Bedeutung des Zugangsrechts des Vertreters des Bewohners für einen funktionierenden Rechtsschutz soll nun im Gesetz ausdrücklich festgehalten werden, dass den für eine Einrichtung – in abstracto – zuständigen Bewohnervertretern (und auch einem bestellten Vertreter) die Befugnisse nach § 9 Abs. 1 zukommen. Dazu muss auch die Einsicht in die Pflegedokumentation, die Krankengeschichte und andere Aufzeichnungen der Bewohner einer Einrichtung gehören, da nur so beurteilt werden kann, ob eine Freiheitsbeschränkung (im Sinn des § 6) ordnungsgemäß dokumentiert und damit eine Voraussetzung ihrer Zulässigkeit erfüllt ist (LG Leoben 3 R 9/06i iFamZ 2006/14; LG Wels 21 R 2/06b iFamZ 2006/15). Bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse – also etwa auch bei Ausübung des Einsichts- und Auskunftsrechts – ist der Vertreter aber auf den zur Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlichen Umfang beschränkt. Auch hat er auf die Erfordernisse des Betriebs der Einrichtung Bedacht zu nehmen; eine allgemeine Heimaufsicht steht ihm natürlich nicht zu.

Zu Z 6 (§ 12 Abs. 1)

Für freiberuflich tätige Ärzte kann die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, unter Umständen aber auch die Anhörung durch das Gericht, mit der Abwicklung ihrer Ordination nur schwer vereinbar sein. Da es nicht in allen Fällen erforderlich sein wird, die Person zu hören bzw. der mündlichen Verhandlung beizuziehen, die das –  ohnedies aussagekräftige – ärztliche Dokument im Sinn des § 5 Abs. 2 erstellt hat, soll deren Anhörung bzw. Ladung dem Ermessen des Gerichtes überlassen bleiben. An der derzeitigen Rechtslage, wonach jedenfalls diejenige Person zu hören bzw. zur mündlichen Verhandlung zu laden ist, die die Anordnung zur Freiheitsbeschränkung erteilt hat, soll sich dagegen nichts ändern.

Zu Z 7 (§ 13 Abs. 2)

Die Einrichtung hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass sie Personen nicht zu Unrecht ihrer Freiheit beraubt. Dem Leiter der Einrichtung kommt die Wahrung der Interessen des Trägers der Einrichtung zu (vgl. Barth/Engel, Heimrecht § 16 HeimAufG Anm. 8). Ihm wird daher – anders als im Bereich des UbG (siehe die Erläuterungen zu § 20 UbG) – von der Rechtsprechung (OGH 2 Ob 198/08v iFamZ 2009/78; LG Salzburg 21 R 36/06z iFamZ 2006/12; LG Eisenstadt 20 R 28/06a iFamZ 2006/38) bereits de lege lata ein Rekursrecht zuerkannt, wenn das Gericht die Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt und der Leiter der Einrichtung in der Verhandlung gegen diesen Beschluss einen Rekurs anmeldet, das Gericht diesem Rekurs aber keine aufschiebende Wirkung zuerkennt. Dieses Rechtsmittelrecht soll nun – im Einklang mit der Änderung des § 20 (bzw. § 26) UbG – im Gesetz ausdrücklich verankert werden.

Zu Z 8 (§ 14)

Zu der in das Ermessen des Gerichts gestellten Ladung der Person zur mündlichen Verhandlung, die ein ärztliches Dokument im Sinn des § 5 Abs. 2 errichtet hat, siehe die Erläuterungen zu § 12.

Für die mündliche Verhandlung gilt § 19 AußStrG. Das bedeutet, dass sie grundsätzlich öffentlich ist, die Öffentlichkeit jedoch von Amts wegen ausgeschlossen werden muss, wenn durch sie die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährdet erscheint, die begründete Besorgnis besteht, dass sie zur Störung der Verhandlung oder zur Erschwerung der Erhebung des Sachverhalts führen könnte, oder dies im Interesse der pflegebefohlenen Person erforderlich ist (§ 19 Abs. 3 Z 1 bis 3 AußStrG). Weiters ist die Öffentlichkeit immer insofern eingeschränkt, als Mitbewohner nach § 14 Abs. 2 zweiter Satz „tunlichst“ an der Anwesenheit bei der Verhandlung gehindert werden sollen. Aber auch andere Personen sind nach § 19 Abs. 3 AußStrG von einer Teilnahme an der Verhandlung auf Antrag einer Partei aus berücksichtigungswürdigen Gründen auszuschließen, insbesondere, weil Tatsachen des Familienlebens erörtert werden. § 14 Abs. 2 vierter und fünfter Satz stellt einerseits (nochmals) klar, dass die Öffentlichkeit vom Gericht von Amts wegen ausgeschlossen werden kann, wenn es das Interesse des Bewohners erfordert, und sieht andererseits zusätzlich vor, dass sie auf Verlangen des Bewohners oder seines Vertreters jedenfalls auszuschließen ist. Zu den Gründen für die Abkehr von dem noch im Ministerialentwurf vorgesehenen grundsätzlichen Ausschluss der Öffentlichkeit (durch Verweis auf § 140 AußStrG) siehe die Erläuterungen zu § 25 UbG.

Zu Z 9 (§ 15 Abs. 2 und 3)

Hält das Gericht eine Freiheitsbeschränkung für zulässig, so hat es hiefür im Beschluss eine bestimmte, sechs Monate nicht übersteigende Frist zu setzen und die näheren Umstände sowie das zulässige Ausmaß der Freiheitsbeschränkung unter möglichster Schonung des Bewohners genau zu bestimmen. Das HeimAufG sieht de lege lata nicht explizit die Möglichkeit vor, freiheitsbeschränkende Maßnahmen so lange für zulässig zu erklären, bis alternative Maßnahmen gesetzt werden können. Wenn aber im Zuge des gerichtlichen Verfahrens Alternativmöglichkeiten aufgezeigt werden, die in der betreffenden Einrichtung derzeit noch nicht zur Verfügung stehen, dann kann die Bereitstellung solcher Maßnahmen ein gewisses Maß an Zeit und organisatorischem Aufwand erfordern. Hier die sofortige Außerkraftsetzung bisher geübter Mittel der Gefahrenabwehr zu fordern, trägt bis zur Beschaffung besserer Ersatzlösungen die Gefahr erheblicher Nachteile für den Bewohner in sich; die Rechtsprechung hat daher – auch ohne explizite Regelung im Gesetz – Einrichtungen die Möglichkeit gegeben, eine freiheitsbeschränkende Maßnahme zeitlich befristet so lange durchzuführen, bis innerhalb angemessener Frist eine die Freiheit weniger einschränkende Sicherungsmaßnahme getroffen werden kann (LG Salzburg 21 R 539/05v; LG St. Pölten 10 R 20/06b iFamZ 2006/56). In § 15 Abs. 2 soll nun den Gerichten ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt werden, die Zulässigerklärung einer Freiheitsbeschränkung an die Erfüllung von Auflagen zu knüpfen. Das Gericht könnte z. B. das Hochziehen von Seitenteilen am Bett des Bewohners unter der Voraussetzung für einen bestimmten Zeitraum für zulässig erklären, dass innerhalb desselben Niedrigpflegebetten angeschafft werden. Im Zusammenhang mit Freiheitsbeschränkungen an geistig behinderten Menschen könnte eine Freiheitsbeschränkung beispielsweise unter der Auflage für zulässig erklärt werden, dass der Bewohner innerhalb der vom Gericht festgesetzten Frist eine bestimmte Therapie oder Förderung erfährt, um so das Gefährdungspotential auf andere Weise „begleitend“ zur Freiheitsbeschränkung abzubauen. Da es auch – bzw. gerade – bei einer vom Gericht unter Auflagen für zulässig erklärten Freiheitsbeschränkung um die „zwangsbewehrte Abwehr spezifisch krankheitsbedingter Gefahren“ und damit um die Ermächtigung zur Setzung von Zwangsakten geht, ist auch insoweit die Kompetenz des Bundes (Art. 10 Abs. 1 Z 12: „Gesundheitswesen“) gegeben (vgl. VfGH G 208/02 RdM 2003/81). Dazu kommt, dass die unter Auflagen (die im Übrigen nicht beliebig gewählt sein dürfen, sondern – nach sachverständiger Auskunft – auf zeitgemäße Pflegestandards aufbauen müssen) für zulässig erklärte Freiheitsbeschränkung in aller Regel einen geringeren Eingriff in den Heimbetrieb darstellt als ihre Untersagung.

Zur Ergänzung des Abs. 3 siehe die Erläuterungen zu § 13 Abs. 2.

Zu Z 10 (§ 16 Abs. 3)

Aus Gründen der Systematik und Übersichtlichkeit des Gesetzes soll dem Revisionsrekursverfahren künftig – wie auch im UbG (dort § 29a) – ein eigener Paragraf gewidmet werden (nämlich § 17a).

Zu Z 11 (§ 17 Abs. 3)

Dazu sei auf die Erläuterungen zu § 29 Abs. 3 UbG verwiesen. Auch im HeimAufG soll bei einer Unzulässigkeitsentscheidung des Rekursgerichts eine rasche Verständigung des Leiters der Einrichtung sowie des Bewohnervertreters – etwa per Fax – vorgesehen werden.

Zu Z 12 (§ 17a)

Hier wird die sinngemäße Anordnung der §§ 16 Abs. 3 und 17 Abs. 3 im Revisionsrekursverfahren angeordnet. Siehe dazu die Erläuterungen zu diesen Bestimmungen.

Zu Z 13 (§ 19 Abs. 1)

Wenn eine Freiheitsbeschränkung voraussichtlich nicht mit dem Ablauf der gerichtlich festgesetzten Frist aufgehoben werden wird, so soll die anordnungsbefugte Person (dies kann – etwa bei Nachbesetzung der entsprechenden Stelle – auch eine andere Person sein als jene, die die Freiheitsbeschränkung erstmals angeordnet hat) auch den Bewohner darüber informieren. § 7 Abs. 1 erster Satz gilt sinngemäß.

Zu Z 14 (§ 19a)

Auf Antrag des Bewohners oder seines Vertreters hat das Gericht nachträglich über die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung zu entscheiden, wenn diese bereits vor der Beantragung eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens im Sinn des § 11 aufgehoben wurde. Das Recht zur nachträglichen Überprüfung einer Freiheitsbeschränkung ist im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben (siehe die Erläuterungen zu § 38a UbG) bereits de lege lata ständige Rechtsprechung (LGZ Wien 44 R 81/06x iFamZ 2006/13; LG Eisenstadt 20 R 80/06y iFamZ 2006/38; LGZ Wien 43 R 747/06f; zum UbG RIS-Justiz RS0071267 und RS0074575). Das Antragsrecht soll nun – ebenso wie in § 38a UbG – ausdrücklich in § 19a Abs. 1 festgeschrieben werden. Von einer im Ministerialentwurf noch vorgesehenen Befristung nachträglicher Überprüfungsanträge wird wie im UbG Abstand genommen, damit Bemühungen um eine außergerichtliche Klärung und Aufarbeitung ohne Zeitdruck erfolgen können.

Durch die Schaffung spezieller Bestimmungen für das Verfahren bei der nachträglichen Überprüfung in § 19a Abs. 2 und 3 wird klargestellt, dass die hier nicht erwähnten Verfahrensbestimmungen des HeimAufG nicht anwendbar sind. Es muss also beispielsweise keine Erstanhörung durchgeführt werden und es gelten auch nicht die strengen Fristen für die Durchführung der mündlichen Verhandlung oder die Ausfertigung der Entscheidung. Der Einrichtungsleiter hat den Rekurs nicht sofort in der mündlichen Verhandlung anzumelden; seine Rekursfrist beträgt – mangels Fortbestandes der Freiheitsbeschränkung – 14 Tage. Die Zulässigkeit einer Rekursbeantwortung ergibt sich aus § 11 Abs. 3 erster Satz HeimAufG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 AußStrG. Siehe im Übrigen die Erläuterungen zu § 38a UbG.

Festzuhalten ist, dass nicht erneut ein Antrag nach § 19a Abs. 1 zu stellen ist, wenn die Freiheitsbeschränkung erst nach der Antragstellung nach § 11, aber vor der (ersten) Entscheidung des Gerichts nach § 13 aufgehoben wurde. Es ist vielmehr das reguläre Überprüfungsverfahren fortzusetzen.

Zu Z 15 (§ 22)

Der neue Abs. 2 regelt das Inkrafttreten und den Rechtsübergang der Novelle des HeimAufG.

Zu Art III (Änderung des StVG)

Zu Z 1 (§ 167a)

Infolge der Schaffung einer Generalklausel für sonstige Rechtsbeschränkungen in § 34a UbG muss die Formulierung in Abs. 2 Z 2 entsprechend ergänzt werden.

Zu Z 2 (§ 181)

Hier befindet sich die Inkrafttretensbestimmung für die Änderung des StVG.