646 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Verkehrsausschusses

über den Antrag 523/A(E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellen der dauerhaften Speicherung und Verfügbarkeit gesundheitlich relevanter Mobilfunk-Daten und entsprechender Daten anderer Funksysteme

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 11. März 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Unumstritten urgieren ExpertInnen im Mobilfunkbereich die Notwendigkeit von epidemiologischen Studien.

Eine derartige Studie führte der Umweltmediziner der Salzburger Landessanitätsdirektion und Referenten für Umweltmedizin der Österreichischen Ärztekammer, Dr. Gerd Oberfeld, über elektromagnetische Strahlung und Gesundheitsbelastung im Auftrag des steiermärkischen Gesundheitsressorts durch (Vasoldsberg/Hausmannstätten, 1984-1997, signifikante Krebsrisiko-Häufungen insbes. bei Brustkrebs und Hirntumoren).

Zur Frage des möglichen Zusammenhangs mit Mobilfunk-Sendeanlagen standen hier Aussagen von Informanten, Anrainern und Anwohnern mit den Aussagen der Mobilfunkbetreiber diametral im Widerspruch. Dies wurde im vorliegenden Fall sogar gerichtsanhängig.

Um diese völlig konträren Aussagen und Forschungsvoraussetzungen zu klären und eine unwiderlegbare, unanzweifelbare Beweisführung zu ermöglichen, bedürfte es der Aufzeichnung und Archivierung relevanter Mobilfunkdaten durch die öffentliche Hand, z.B. der Fernmeldebehörde.

Bereits bei den Recherchen zur erwähnten Studie wurde Dr. Oberfeld jedoch vom BMVIT mitgeteilt, dass nach Informationen des Bundesministeriums Daten der Netze, die nicht mehr in Betrieb sind, gelöscht werden und daher für das BMVIT auch nicht verfügbar sind.

In einer Anfragebeantwortung (3883/AB XXIII.GP) zu diesem Problemfeld wies der damalige Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie und nunmehrige Bundeskanzler  auf folgenden Umstand hin, der einer Datenarchivierung aus telekommunikationsrechtlicher Sicht angeblich teilweise widerspräche:

„Aus telekommunikationsrechtlicher Sicht ist es notwendig, über bestimmte Daten der in Betrieb befindliche Sendeanlage zu verfügen, um z.B. bei Störungen einschreiten zu können und um auch die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte kontrollieren zu können. Sobald die Sendeanlage aber außer Betrieb genommen wurde, besteht aus telekommunikationsrechtlicher Sicht – und nur die Vollziehung dieser Rechtsmaterie fällt in meinen Zuständigkeitsbereich – keine Notwendigkeit, die Daten dieser Anlage länger als gesetzlich vorgesehen evident zu halten. Es sind daher zum Teil auch aus Kapazitätsgründen und mangels technischer Relevanz zu Recht Daten aus dem Datenbestand vor Ablauf der Skartierungsfrist genommen worden.“

Da aber diese Daten nicht nur rein technische, sondern auch gesundheitliche Relevanz besitzen und letztere im Hinblick auf Spätfolgen nicht mit der Außerbetriebnahme von Anlagen endet, wäre eine Archivierung dieser Datensätze nötig und zweckmäßig.

In der erwähnten Beantwortung der Parl. Anfrage 3904/J XXIII.GP der Grünen verweist der Verkehrsminister in der Archivierungsfrage auf die alleinige Bedeutung im Hinblick auf das Telekommunikationsgesetz 2003 und stellt fest:

„Ich darf jedoch darauf hinweisen, dass eine allfällige Archivierung nur für jene Daten in Frage kommt, soweit dies auch für die Vollziehung des Telekommunikationsgesetzes 2003 unbedingt erforderlich ist, und auch nur in jener Form, wie sie derzeit bereits von den Fernmeldebehörden benötigt und verwendet werden. Eine darüber hinausgehende, für die Unternehmen und die Verwaltung aufwändige, teure und verpflichtende Datensammlung fällt nach der geltenden Rechtslage nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.“

Im Telekommunikationsgesetz ist aber – gleichwertig und ohne Abstufung zu sonstigen Gesetzesinhalten! - auch die Verpflichtung zum Schutz des Lebens und der Gesundheit verankert. In vielerlei Zusammenhängen bis hin zu gerade seitens des BMVIT gerne zitierten Höchstgerichtsentscheidungen wurde weiters wiederholt unter Bezugnahme auf diese Inhalte des TKG Zuständigkeiten anderer Behörden als des BMVIT im Zusammenhang mit dem Gesundheitsaspekt von (Mobil)Funkanlagen zurückgewiesen und bekämpft.

Die entsprechende Bestimmung des TKG (§ 73 Abs 2 TKG 2003 idgF) lautet:

„Funkanlagen müssen nach § 73 Abs 1 TKG 2003 in ihrem Aufbau und ihrer Funktionsweise den anerkannten Regeln der Technik und den nach den internationalen Vorschriften zu fordernden Voraussetzungen entsprechen, wobei der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen sowie der ungestörte Betrieb anderer Funkanlagen gewährleistet sein muss.“

Diese Bestimmung verlangt geradezu nach einer Verpflichtung zur Archivierung gesundheitlich relevanter Daten, da andernfalls eine Überprüfung der Frage, ob diese Bestimmung des TKG eingehalten wurde, nicht möglich wäre. Das TKG enthält weiters sichtlich keinerlei Formulierung, die die Gewährleistung des Schutzes von Leben und Gesundheit auf die Gegenwart einschränken würde. Der „Schutz von Leben und Gesundheit“ hat ohne Einschränkungen Teil der Vollziehung zu sein, aus dem Gesetz kann weiters auch keinerlei Einschränkung dieser Verpflichtung auf den sozusagen „gewohnheitsadministrativen“ Rahmen einer derzeitige Behördenpraxis entnommen werden, wie er in der Anfragebeantwortung 3883/AB ins Treffen geführt wird.

Es wäre zudem – im Gegensatz zu Aussagen in 3883/AB - auch keinerlei „aufwändige, teure“ Datensammlung erforderlich, da die entsprechenden Daten bei den Betreibern vorliegen und eigentlich – im Sinne einer umfassenden Vollziehbarkeit des TKG – schon bisher auch den Behörden vorliegen bzw. jederzeit zugänglich sein müßten. Die Archivierung dieser Daten erfordert insbesondere laufend nur minimalen Aufwand.

Die Archivierung gesundheitlich relevanter Daten würde zugleich noch der klar deklarierten Willensäußerung des österreichischen Gesetzgebers entsprechen: Schließlich hat der Nationalrat bereits in Entschließungen die Forcierung von Forschung beschlossen, um die gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunk zu klären. Diese Forderung des Nationalrats wird aktiv torpediert, wenn die für diese Forschung nötigen Daten gelöscht werden, zum Teil sogar vorzeitig.

Der vorsorgende Gesundheitsschutz ist zudem in Österreich Verfassungsinhalt.

In vielen anderen Bereichen mit Relevanz für den Schutz des Lebens und der Gesundheit bestehen längst umfangreiche, öffentlich zugängliche Zusammenstellungen zur Datensicherung, verwiesen sei etwa auf das Wasserbuch nach dem Wasserrecht oder auf den Bereich Altlasten.

Eine sachlich nicht rechtfertigbare, grobe Widersprüchlichkeit besteht schließlich darin, dass in der jüngsten Vergangenheit und auch gerade derzeit aus Sicherheitsgründen – Kampf gegen Terrorismus, organisierte Kriminalität u.dgl. – eine massive und umfassende Überwachung und Speicherung von Telekom-Daten erfolgt, die den persönlichen Bereich der ÖsterreicherInnen betreffen. Mit der vor Umsetzung stehenden Vorratsdatenspeicherung soll dies nach dem Bestreben von SPÖ und ÖVP offenkundig nochmals massiv ausgeweitet werden. In diesen Felder scheinen aus Sicht der verantwortlichen Regierungsmitglieder ganz offenkundig keinerlei technische und/oder finanzielle Grenzen und Hemmnisse zu bestehen.

Wenn es hingegen um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zB im Zusammenhang mit Mobilfunkanlagen geht, werden Daten, deren Speicherung keinerlei grundrechtliches Konfliktpotenzial hat und sogar im Interesse der Einzelnen in Übereinstimmung mit grundgesetzlichen und einfachgesetzlichen Aufgaben des Staates wäre, bisher nicht behördlich archiviert (zumindest wird dies behauptet) und es werden technische und finanzielle Argumente als Begründung dafür vorgeschützt – eine unsachliche und daher auch rechtlich inakzeptable Schieflage der Argumentationen“

 

Der Verkehrsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 17. März 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dr. Gabriela Moser die Abgeordneten Christoph Hagen, Ing. Kurt Gartlehner, Mag. Karin Hakl, Ing. Hermann Schultes und Bernhard Vock sowie die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Ing. Hermann Schultes gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verkehrsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2010 03 17

                          Ing. Hermann Schultes                                                             Anton Heinzl

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann