734 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1093/A(E) der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Grundlagen für Familienorientierte Rehabilitation

Die Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 21. April 2010 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Bei einigen schweren Krankheitsfällen ist es unumgänglich, dass Patienten eine Rehabilitationsklinik aufsuchen. Neben Krebserkrankungen betrifft dies vor allem schwere chronische Erkrankungen des Herzens oder der Lunge, Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates, psychosomatische Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Hauterkrankungen und Unfallfolgen.

Eine solche Situation ist niemals angenehm, besonders, wenn Kinder von solchen Erkrankungen betroffen sind: Wenn ein Kind über mehrere Wochen eine Rehabilitationsklinik besuchen muss, kommt es nicht selten vor, dass darunter das gesamte Sozialgefüge in der Familie leidet. Durch die besonderen Belastungen der Akuttherapie entstehen beim kranken Kind und in der Familienbeziehung zwischen krankem Kind und Restfamilie schwere psychische Reaktionen und Belastungen. Die zunehmende Verkürzung der stationären Aufenthalte bei gleichzeitig intensiver werdenden Behandlungsformen verlagert dabei einen großen Anteil der Behandlung in die stationäre Rehabilitation. Es ist daher ein absolutes Muss, die gesamte Familie nach Abschluss der Intensivtherapie psychisch und physisch zu stabilisieren und aufzubauen. Die jungen Betroffenen sollen sich mit ihren Eltern und Geschwistern wieder als normale Familie finden und erleben können.

Um diese spezielle Situation für Familien besser zu bewältigen, gibt es in Deutschland bereits mehrere Rehabilitationskliniken, die sich auf Familien und Jugendliche spezialisiert haben. Gesetzlich sind entsprechende Rahmenbedingungen vorgesehen. Dabei haben sich zwei Rehabilitationskonzepte entwickelt: Für Kinder bis zum vollendeten 15. Lebensjahr (bei speziellen Indikationen auch für ältere Kinder) die sogenannte „Familienorientierte Rehabilitation (FOR). Als wesentliche Indikationskriterien für eine familienorientierte Rehabilitation gelten die Lebensbedrohung des erkrankten Kindes sowie die durchgeführte stationäre Krankenhausbehandlung. Die Rehabilitationsbedürftigkeit der Eltern und gegebenenfalls der Geschwisterkinder resultiert aus der auf das kranke Kind bezogenen familiären Belastungssituation.

Für Jugendliche besteht die Möglichkeit einer kleingruppenorientierte Rehabilitation. Das heißt, dass Jugendliche in drei Altersgruppen (15 – 17 Jahre, 18 - 20 Jahre und 21 – ca. 28 Jahre) ohne Begleitung eines Elternteils zur Reha kommen. Gleichzeitig bestehende Belastungen der Familie dieser Patienten müssen hierbei individuell ambulant oder stationär behandelt werden.

Auch viele Patienten aus Österreich reisen nach Deutschland, um diese Zentren zu besuchen, da es in Österreich kein einziges Reha-Zentrum gibt, das sich auf Kinder, Jugendliche und deren Familienangehörigen spezialisiert hat. Es wäre soziologisch gesehen sinnvoller, wenn jugendliche Reha-Patienten mit Gleichaltrigen und ihren Familienmitgliedern gemeinsam eine schwere Krise bewältigen. Das bestätigen schon allein die vielen positiven Reaktionen auf die Familienorientierten Rehabilitationszentren (FOR) in Deutschland.

Es wäre daher ein sinnvoller Beitrag zum Zusammenleben der betroffenen Familien, wenn man auch in Österreich eine Familienorientierte Rehabilitation anbieten würde, die sich an dem erfolgreichen Deutschen Modell orientiert.

Ein Problem dabei ist allerdings die Komplexität der Kostenübernahme-Regelung für die Rehabilitation in Österreich: Bei angeborenen Erkrankungen ist eine finanzielle Unterstützung durch die Bundesländer und bei erworbenen Erkrankungen durch die Sozialversicherungen vorgesehen. Weil verschiedene Erkrankungen nicht eindeutig als „angeboren“ bzw. als „erworben“ zugeordnet werden können, gibt es bisweilen erhebliche Verzögerungen. In Deutschland ist die Kostenübernahme längst geklärt. Die Kliniken bekommen pro betreutem Kind und Jugendlichen einen Tagessatz von 122 Euro inkl. Medikamente und pro mitbetreutem Familienmitglied 75 Euro.

Die rechtlichen Grundlagen für die Familienorientierte Rehabilitation in Deutschland bieten § 40 SGB V und § 31 SGB XI, wobei Krankenkassen und Rentenversicherungen gleichrangig zuständig sind, d.h. wird der Antrag bei einem SV-Träger gestellt, kann dieser ihn nicht an den anderen SV-Träger verweisen, sondern muss über den Antrag selbst entscheiden.

Gemäß § 40 Abs. 2 SGB V kann die Krankenkasse eine stationäre Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer anerkannten Rehabilitationseinrichtung genehmigen, sofern eine ambulante Rehabilitation nicht ausreicht.

Beide Rechtsgrundlagen sind Ermessens-Bestimmungen, wobei dieses Ermessen faktisch nicht die Frage, ob die FOR gewährt wird, sondern nur das „Wie“ der Leistung betrifft. § 40 Abs. 3 S. 1 SGB V enthält diesbezüglich Einzelregelungen zur Ausübung des Ermessens durch die Krankenkasse. Danach bestimmt diese die Einzelheiten der Leistung nach pflichtgemäßem Ermessen. Da insoweit eine nähere Regelung der Frage, ob die Leistung gewährt wird, nicht in § 40 SGB V enthalten ist, wird zur Bestimmung der Ermessensgrenzen auf das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgegriffen. Dort ist das Ermessen im Ergebnis ebenfalls auf das „Wie“ der Leistung beschränkt, also auf Art, Ort, Beginn und Dauer der Reha-Maßnahme (Gestaltungsermessen). Liegen die gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen im Übrigen vor, also z.B. auch medizinische Notwendigkeit und Erfolgsaussicht, so darf eine Reha-Maßnahme allenfalls in Ausnahmefällen versagt werden.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 12. Mai 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Werner Neubauer die Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Sigisbert Dolinschek, Ursula Haubner, Mag. Helene Jarmer, Dietmar Keck, Oswald Klikovits, Herbert Kickl, Mag. Christine Lapp, Dr. Andreas Karlsböck, Erwin Spindelberger, Dr. Sabine Oberhauser, Karl Öllinger, Karl Donabauer sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales  und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

 

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2010 05 12

                          Dr. Sabine Oberhauser                                                          Renate Csörgits

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau