Vorblatt

Problem:

Die Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen von Verfahren auf Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes) bzw. auf Ausstellung eines Behindertenpasses (§ 40ff des Bundesbehindertengesetzes) soll künftig unter Zugrundelegung der vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz neu zu erlassenden Einschätzungsverordnung erfolgen.

Ziele der Gesetzesinitiative:

Schaffung notwendiger gesetzlicher Anordnungen im Zusammenhang mit der neuen Einschätzungsverordnung in den Bereichen des Behinderteneinstellungsgesetzes, des Bundesbehindertengesetzes, des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 und des Einkommensteuergesetzes 1988.

Inhalt:

Behinderteneinstellungsgesetz (Art. 1)

-       Festlegung des Zeitpunkts der Anwendbarkeit der Einschätzungsverordnung auf Verfahren nach dem BEinstG

-       Übergangsbestimmungen für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren

Bundesbehindertengesetz (Art. 2)

-       Festlegung des Zeitpunkts der Anwendbarkeit der Einschätzungsverordnung auf Verfahren nach dem BBG

-       Übergangsbestimmungen für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren

Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (Art. 3)

-       Festlegung der Anwendbarkeit der Einschätzungsverordnung auch auf Verfahren gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967

Einkommensteuergesetz 1988 (Art. 4)

-       Festlegung der Anerkennung der auf Grund der Einschätzungsverordnung vorgenommenen Einschätzung des Grades der Behinderung bei der Berücksichtigung von Steuerfreibeträgen

Alternativen:

Keine.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich, Standardkosten­modell-Richtlinien:

Keine Verwaltungslasten für Unternehmen.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Harmonie mit den Rechtsvorschriften der Europäischen Union ist gegeben.

Finanzielle Auswirkungen:

Keine Auswirkungen.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


E r l ä u t e r u n g e n

Allgemeiner Teil

Nach der geltenden Rechtslage erfolgt die Einschätzung des Grades der Behinderung sowohl im Bereich des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) als auch des Bundesbehindertengesetzes (BBG) durch ärztliche Sachverständige unter Zugrundelegung der gemäß §§ 7 und 9 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 erlassenen Richtsatzverordnung, BGBl. Nr. 150/1965.

Zweck der Richtsatzverordnung ist die Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von Kriegsopfern, wobei im Gegensatz zur Einschätzung des Grades der Behinderung nach dem BEinstG bzw. BBG nur jene Gesundheitsschädigungen, die im ursächlichen Zusammenhang mit der Wehrdienstleistung (Dienstbeschädigung) stehen, zu berücksichtigen sind. Hinzu kommt, dass die Richtsatzverordnung schon vor mehr als 40 Jahren in Kraft getreten ist und bei Weitem nicht mehr dem Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht bzw. die Anforderungen des heutigen Arbeitsmarktes nicht mehr adäquat abbildet.

Gemäß § 14 Abs. 3 BEinstG ist der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates gemäß § 8 BBG durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung festzulegen; der Bundesminister macht nunmehr von dieser Ermächtigung Gebrauch.

Ein entsprechender Verordnungsentwurf liegt vor; wie gesetzlich normiert, wurde der Bundesbehindertenbeirat dazu gehört. Die Einschätzungsverordnung soll – wie auch die vorliegenden Gesetzesänderungen – mit 1. September 2010 in Kraft treten.

Mit den gegenständlichen Gesetzesentwürfen soll festgelegt werden, dass bei Anträgen auf Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten bzw. auf Ausstellung von Behindertenpässen gemäß § 40ff des Bundesbehindertengesetzes, die ab dem 1. September 2010 beim Bundessozialamt eingebracht werden, die Einschätzung des Grades der Behinderung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der neuen Einschätzungsverordnung zu erfolgen hat. Um einen reibungslosen Übergang zur neuen Rechtslage zu gewährleisten, soll die Einschätzungsverordnung im Falle eines Antrags auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung in Fällen, in welchen bereits ein Grad der Behinderung rechtskräftig nach dem Behinderteneinstellungs- oder dem Bundesbehindertengesetz festgestellt wurde, innerhalb der ersten 3 Jahre nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (bis 31. August 2013) nicht zur Anwendung kommen. In diesem Zusammenhang ist ein ausgestellter Behindertenpass einem mittels Bescheid rechtskräftig festgestellten Grad der Behinderung gleichzuhalten.

Gleiches soll bei Nachuntersuchungen gelten, sofern keine objektivierte Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten ist. Ein Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung wäre innerhalb dieses Zeitraumes zurückzuweisen. Darüber hinaus werden Regelungen hinsichtlich jener Verfahren getroffen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Einschätzungsverordnung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.

Da es durch die vorliegenden Novellen zu keinem Eingriff in bestehende Rechte kommen soll, sind entsprechende Wahrungsbestimmungen vorgesehen. Ein rechtskräftig festgestellter Grad der Behinderung soll demnach wegen des Inkrafttretens der Einschätzungsverordnung keiner Veränderung unterliegen. Weiters wurden redaktionelle Änderungen vorgenommen, die sich durch die Änderungen des Bundesministeriengesetzes ergeben haben.

Finanzielle Auswirkungen:

Keine.

Kompetenzgrundlage:

Behinderteneinstellungsgesetz (Art.1)

Die Zuständigkeit des Bundes zur Regelung gründet sich hinsichtlich des Behinderteneinstellungsgesetzes auf Art. I Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 27. September 1988, BGBl. Nr. 721, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 67/2008.Bundesbehindertengesetz (Art. 2)

Hinsichtlich des Bundesbehindertengesetzes bilden Art. 10 Abs. 1 Z 6 („Zivilrechtswesen“), Art. 10 Abs. 1 Z 9 („Verkehrswesen“), Art. 10 Abs. 1 Z 11 (Sozialversicherungswesen) sowie Art. 17 B-VG die kompetenzrechtlichen Grundlagen.

Familienlastenausgleichsgesetz (Art.3)

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich die vorliegende Regelung auf Art. 10 Abs. 1 Z 17 B-VG („Bevölkerungspolitik“).

Einkommensteuergesetz 1988 (Art. 4)

Die kompetenzrechtliche Grundlage bildet Art. 10 Abs. 1 Z. 4 B-VG („Bundesfinanzen“).

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Behinderteneinstellungsgesetzes)

Zu Z 1 (§ 13a Abs. 2 und 3):

Die vorliegende Bestimmung dient der Klarstellung, dass die Mitglieder der Berufungskommission gemäß § 13a  BEinstG weiterhin weisungsfrei gestellt  sind.

Zu Z 2 (§ 14 Abs. 2):

Mit dem vorliegenden Entwurf soll festgelegt werden, dass künftig die Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen eines Antrages auf Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten unter Zugrundelegung der Bestimmungen der nach § 14 Abs. 3 erlassenen Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. xxxx/2010, vorzunehmen ist.

Zu Z 4 (§ 26):

Mit diesen Bestimmungen soll im Sinne der Rechtssicherheit den in der Bundesministeriengesetz-Novelle 2009, BGBl. I Nr. 3/2009, vorgenommenen Änderungen Rechnung getragen werden. § 26 lit. b kann entfallen, da die Vollziehung des § 7b Abs. 2 nunmehr dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zukommt.

Zu Z 5 und 6 (§ 27 Abs. 1 und 1a):

Das Übergangsrecht soll gewährleisten, dass durch die neuen Kriterien für die Einschätzung des Grades der Behinderung kein Eingriff in bereits erworbene Rechte erfolgt.

Ein zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits rechtskräftig festgestellter Grad der Behinderung soll demnach vom Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes unberührt bleiben. Dies gilt auch für den Fall einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung. Der bereits festgestellte Grad der Behinderung soll auch in diesen Fällen – bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand – unberührt bleiben.

Stellen Personen, deren Grad der Behinderung bereits entweder nach dem Behinderteneinstellungsgesetz oder nach dem Bundesbehindertengesetz rechtskräftig festgestellt wurde, etwa wegen einer Änderung des Gesundheitszustandes, innerhalb der ersten 3 Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (bis 31. August 2013) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, so wären diese Anträge bei unverändertem Gesundheitszustand zurückzuweisen, ist hingegen eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten, sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung weiterhin die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs.1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden.

Wird ein Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach dem 31. August 2013 gestellt, so hat die Einschätzung des Grades der Behinderung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 zu erfolgen. Gleiches gilt bei Nachuntersuchungen, sofern eine objektivierte Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten ist.

Mit der vorliegenden Regelung wird auch auf den Gleichheitssatz Bedacht genommen. Der Verfassungsgerichtshof untersagt Normen, bei denen es zu einer plötzlichen Änderung der Rechtslage - ohne entsprechende Übergangsbestimmungen - kommt und intensiv in erworbene Rechtspositionen eingegriffen wird.

Mit der  gegenständlichen Regelung, die eine Übergangsfrist von 3 Jahren vorsieht, wird auch im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sichergestellt, dass behinderte Menschen nicht unvorhergesehen in eine für sie unbeeinflussbare Situation gestellt werden.

Im § 27 Abs. 1 soll weiters festgehalten werden, dass Verfahren auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten oder auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, unter Zugrundelegung der bis dahin geltenden Vorschriften zu Ende zu führen sind. Dies soll sowohl für Verfahren in erster Instanz beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen als auch für Verfahren in zweiter Instanz vor der Bundesberufungskommission gelten.

Zu Artikel 2 (Änderung des Bundesbehindertengesetzes)

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 2):

Die gegenständliche Novelle wird zum Anlass genommen, durch Übernahme des Behinderungsbegriffes des Behindertengleichstellungsgesetzes, eine bislang fehlende Legaldefinition des Begriffs „Behinderung“ zu verankern.

Zu Z 2 (§ 41 Abs. 1 zweiter und dritter Satz):

Nach dem vorliegenden Entwurf soll mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes die Einschätzung des Grades der Behinderung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der nach § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes erlassenen Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. xxxx/2010, vorgenommen werden.

Zu Z 4 (§ 55 Abs. 4 und 5):

Das Übergangsrecht soll gewährleisten, dass durch die neuen Kriterien für die Einschätzung des Grades der Behinderung kein Eingriff in bereits erworbene Rechte erfolgt.

Ein zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits rechtskräftig festgestellter Grad der Behinderung soll demnach wegen des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes keiner Veränderung unterliegen. Dies gilt auch für den Fall einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung. Der bereits festgestellte Grad der Behinderung soll – bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand – unberührt bleiben.

Stellen Personen, deren Grad der Behinderung bereits entweder nach dem Bundesbehindertengesetz oder dem Behinderteneinstellungsgesetz rechtskräftig festgestellt ist, etwa wegen einer Änderung des Gesundheitszustandes, innerhalb der ersten 3 Jahre nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (bis 31. August 2013) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, so wären diese Anträge bei unverändertem Gesundheitszustand zurückzuweisen. Im Fall einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung weiterhin die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden.

Wird ein Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach dem 31. August 2013 gestellt, so hat die Einschätzung des Grades der Behinderung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung zu erfolgen.

Im § 55 Abs. 4 soll weiters festgehalten werden, dass Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, unter Zugrundelegung der bis dahin geltenden Vorschriften zu Ende zu führen sind. Dies soll sowohl für Verfahren in erster Instanz beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen als auch für Verfahren in zweiter Instanz vor der Bundesberufungskommission gelten.

Zu Artikel 3 (Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967)

Bislang waren für die Einschätzung des Grades der Behinderung zur Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 die Vorschriften der  §§ 7 und 9 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, anzuwenden.

Nunmehr soll auch für den Bereich der erhöhten Familienbeihilfe die auf Grund des § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes erlassene Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. xxxx/2010, zur Beurteilung von Behinderungen zur Anwendung kommen.

Zu Artikel 4 (Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988)

Nach § 35 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung); in jenen Fällen, in denen keine gesetzliche Vorschriften für eine  Einschätzung bestehen, richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) nach §§ 7 und 9 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957.

Nunmehr soll neben der Einschätzung des Grades der Behinderung nach §§ 7 und 9 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 auch die gemäß § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes erlassene Einschätzungsverordnung für die Bestimmung der Höhe des Einkommenssteuerfreibetrages heran gezogen werden.