790 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Wirtschaft und Industrie

über die Regierungsvorlage (780 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen neue Regelungen hinsichtlich des Betriebs von Gastgärten geschaffen und Anpassungen bezüglich des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes auf Baustellen sowie der Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes vorgenommen werden.

 

Betrieb von Gastgärten

Bezüglich der gegenwärtig in § 112 Abs. 3 GewO 1994 verankerten Gastgartenregelung ist auf Grund der Judikaturentwicklung Unsicherheit über das Verhältnis zwischen Gastgartenregelung und gewerblichem Betriebsanlagenrecht eingetreten. Im Wesentlichen hat dies dazu geführt, dass auch Gastgärten, welche die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 GewO 1994 erfüllen, umfassend im betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungsverfahren hinsichtlich ihrer Auswirkungen zu prüfen sind, und zwar auch hinsichtlich solcher Emissionen, die bereits vom Gesetzgeber erfasst und einer entsprechenden Regelung unterworfen wurden; dies bezieht sich vor allem auf Lärmemissionen. Es konnten daher Fälle eintreten, in denen Gastgärten, welche die Voraussetzungen der „Garantie“ erfüllen, im betriebsanlagenrechtlichen Verfahren mit Auflagen oder auch der Versagung der Genehmigung konfrontiert wurden. Die „Betriebszeitengarantie“ droht damit wirkungslos zu werden. Dazu hat sich eine Rechtsauslegung entwickelt, die dazu geführt hat, dass Gastgärten, welche die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 GewO 1994 erfüllen, nicht einmal in einem individuellen betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungsverfahren eine längere als die jedenfalls vom Gesetzgeber eingeräumte Betriebszeit genehmigt erhalten können. Da Gastgärten, welche die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 GewO 1994 nicht erfüllen, fraglos die Möglichkeit haben, im Genehmigungsverfahren jede Betriebsweise (und damit auch Betriebszeit) zu erhalten, die mit den von § 74 Abs. 2 GewO 1994 geschützten Interessen vereinbar ist, wird mit dieser Auslegung eine Schlechterstellung von Gastgärten, die den Vorgaben des § 112 Abs. 3 GewO 1994 entsprechen, bewirkt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen daher die Voraussetzungen für die Genehmigung von Gastgärten den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden.

Schwerpunkte des Entwurfs sind daher:

-       Überführung der Gastgartenregelung aus den Ausübungsregeln der GewO 1994 in das gewerbliche Betriebsanlagenrecht in der Form einer Ausnahme von einer Genehmigung.

-       Im Vergleich zum aktuellen § 112 Abs. 3 GewO 1994 weitere Vorgaben an die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Ausnahme; Limitierung auf höchstens 75 Verabreichungsplätze sowie das Erfordernis der Erwartung der Vermeidung der Beeinträchtigung geschützter Interessen, wobei Kriterien, die betreffend Lärmschutz und Vermeidung der Beeinträchtigung des Verkehrs zur Erfüllung der Erwartungshaltung führen, ausdrücklich genannt werden.

-       Sofortige Möglichkeit der Betriebsaufnahme nach Anzeige.

-       Behördliche Untersagung bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen.

-       Behördliche Schließung bei wiederholtem Verstoß gegen die Voraussetzungen.

-       Sicherstellung, dass die Erweiterung des Betriebs über die genannten Zeiten hinaus im Individualgenehmigungsverfahren rechtlich möglich ist.

-       Bei Gesundheitsgefährdung nachträgliche behördliche Sanierungsmaßnahmen (Auflagen) für vom Genehmigungserfordernis ausgenommene Gastgärten einschließlich Verkürzung der Betriebszeit.

-       Aufrechterhaltung der Verordnungsermächtigung für die Gemeinden zur Modifizierung der zeitlichen Voraussetzungen, wobei nunmehr im Gesetzestext klargestellt wird, dass sich diese Ermächtigung ausschließlich auf die zeitlichen Voraussetzungen bezieht.

Wesentlich ist, dass durch die Regelung im gewerblichen Betriebsanlagenrecht (und den Entfall des § 112 Abs. 3 GewO 1994) keine Eingriffe in den betriebsanlagenrechtlich genehmigten Bestand bewirkt werden. Ein Betreiben im Rahmen des bestehenden betriebsanlagenrechtlichen Konsenses soll daher ohne Einschränkung durch die Voraussetzungen des § 76a Abs. 1 oder Abs. 2 möglich sein. Andererseits haben Gastgärten, deren betriebsanlagenrechtlicher Konsens im Vergleich zu den Voraussetzungen des § 76a Abs. 1 oder Abs. 2 eingeschränkt war, die Möglichkeit, ohne das Erfordernis einer Genehmigung der Änderung den Rahmen dieser Bestimmung auszuschöpfen.

 

Sicherheits- und Gesundheitsschutz auf Baustellen

Weiters soll mit der vorliegenden GewO-Novelle Art. 10 der Richtlinie 92/57/EWG (8. Einzelrichtlinie der Baustellenrichtlinie) umgesetzt werden. Diese Richtlinienbestimmung dehnt die Anwendung einer Vielzahl von Arbeitnehmerschutzbestimmungen auf Selbständige aus. Auf die bereits für Arbeitnehmer geltenden Bestimmungen wird verwiesen.

 

Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes

In der EU gilt der Grundsatz der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Die europäische Kommission leitete mit Mahnschreiben vom 5.5.2010 ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des Erfordernisses der österreichischen Staatsbürgerschaft für die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes ein. Dieses Erfordernis ist nach Ansicht der europäischen Kommission nicht durch die Ausnahme der Ausübung der öffentlichen Gewalt gem. Art. 51 AEUV gedeckt. Das Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Zugang zum Rauchfangkehrergewerbe ist aus Sicht der Europäischen Integration, aber auch unter Berücksichtigung der Tätigkeiten und Aufgaben des Rauchfangkehrers nicht mehr angemessen. Es kommt daher zu einer vergleichbaren Regelung wie bei den Gewerben Arbeitsvermittlung und Überlassung von Arbeitskräften, es wird nunmehr die Staatsbürgerschaft eines EWR-Vertragsstaates (und damit auch EU-Mitgliedstaates) gefordert.

Für den Zugang zum Rauchfangkehrergewerbe wird nunmehr die Staatsbürgerschaft eines EWR-Vertragsstaates (und damit auch eines EU-Mitgliedstaates) gefordert. Insoweit die landesrechtlichen Vorschriften den Rauchfangkehrern öffentliche Aufgaben im Rahmen der Verwaltungspolizei übertragen, ist weiterhin die Niederlassung in Österreich erforderlich. Bei grenzüberschreitend tätigen Rauchfangkehrern wird in Österreich im Rahmen der vorgeschriebenen Dienstleistungsanzeigen die Qualifikation der Gewerbetreibenden überprüft.

 

Der Ausschuss für Wirtschaft und Industrie hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 22. Juni 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Hannes Weninger die Abgeordneten Ing. Heinz-Peter Hackl, Ridi Maria Steibl, Mag. Christiane Brunner, Dr. Christoph Matznetter, Dr. Ruperta Lichtenecker, Mag. Rainer Widmann und Mag. Katharina Cortolezis-Schlager sowie der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Konrad Steindl und Dr. Christoph Matznetter einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Z 1:

Durch die Anlagenrechtsnovelle 2006, BGBl. I Nr. 84, wurden jene Genehmigungsregelungen und Sanierungsbestimmungen des gewerblichen Betriebsanlagenrechts, die auf das IG-L abstellen, mit den durch die Novelle BGBl. I Nr. 34/2006 bewirkten Änderungen des IG-L abgestimmt.

Mit der nunmehr vorgesehenen weiteren Novelle zum Immissionsschutzgesetz-Luft (siehe die Regierungsvorlage 782 d.B. XXIV. GP) soll durch eine Änderung des § 20 Abs. 3 der Spielraum für die Genehmigung bzw. Änderungsgenehmigung von Anlagen erweitert werden; diese im europäischen Gleichklang gelegene Neuerung soll durch die entsprechende Anpassung des § 77 Abs. 3 GewO 1994 nachvollzogen werden.

Der § 79 Abs. 4 soll an den geänderten § 13a Abs. 1 IG-L angepasst werden (bescheidmäßiger Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzepts nur bei Erforderlichkeit).

Zu Z 2:

Die bisherige Handwerksbezeichnung soll modernisiert werden.

Zu Z 3 und Z 4:

Die erfassten Regelungen sollen an die geänderten Gewerbebezeichnungen angepasst werden.

Zu Z 5:

Um allfällige Zweifel zu zerstreuen, soll eindeutig klargestellt werden, dass im Verordnungsweg festgelegte „abweichende Regelungen“ betreffend Gastgärten als Regelungen im Sinne des neuen § 76a Abs. 9 zu verstehen sind und bis zu einer Änderung oder Aufhebung auf der Grundlage des § 76a Abs. 9 aufrecht bleiben.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Konrad Steindl und Dr. Christoph Matznetter mit Stimmenmehrheit angenommen.

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Hannes Weninger gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Wirtschaft und Industrie somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2010 06 22

                               Hannes Weninger                                                                Konrad Steindl

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann