Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner und Dr. Ruperta Lichtenecker

zum Bericht 790 der Beilagen  über das Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

Zentraler Regelungsinhalt des ggst. Novellierungsentwurfs ist die Genehmigungsfreistellung von Gastgärten bis zu 75 Sitzplätzen, wenn diese ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen und diese auf öffentlichem Grund oder an öffentlichen Verkehrsflächen in der Zeit von 8 bis 23 Uhr bzw. auf anderen Grundstücken von 9 bis 22 Uhr betrieben werden. Die Gemeinden werden ermächtigt, diese Zeiten zu verlängern oder auch zu kürzen.

Gastgärten sind eine wunderbare Bereicherung des Stadt- und Landlebens, wie bei allen Dingen geht es aber auch hier um das rechte Maß. Die gewählte Dimensionierung, Situierung und Betriebszeit der genehmigungsfrei gestellten Gastgärten schließt keineswegs Gesundheitsgefährdungen oder unzumutbare Belästigungen der NachbarInnen aus. Trotzdem entfällt das Genehmigungsverfahren und die amtliche (sachverständige) vorbeugende Prüfung der Gefahren sowie die Mitwirkungsmöglichkeit bzw. der Rechtsschutz der NachbarInnen. Die Regelung wird daher wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnt. Die Grünen treten vielmehr für die Beibehaltung eines Genehmigungsverfahrens ein. Je nach Lage des Gastgartens und dem Grundgeräuschpegel können sich, sofern der Gastgarten grundsätzlich zulässig ist,  unterschiedliche Betriebszeiten ergeben. Eine Gesamtbetrachtung aller Gastgärten in einer Gasse oder Straße bzw. auf einem Platz wäre wünschenswert.

 

Im Detail wird ausgeführt:

Gastgärten können je nach Lage, insbesondere aber in Innenhöfen, zu einer Gesundheitsgefährdung der NachbarInnen bzw. einer unzumutbaren Lärmbelastung führen. Das Betriebsanlagenrecht der Gewerbeordnung sieht den Schutz der NachbarInnen vor und es ist nicht einsichtig, warum NachbarInnen von Gastgärten dieses Schutzes verlustig gehen sollten. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung gibt es nicht. Die Praxis zeigt, dass von Gastgärten typischerweise Lärm ausgeht und damit in jedem Fall ein Potential für einen Konflikt zwischen den Interessen des GastgartenbetreiberInnen, den Gästen und den NachbarInnen gegeben ist. Aufgrund der klimatischen Veränderungen und dem Einsatz von Gaststrahlern handelt es sich keineswegs um einen jahreszeitlich vernachlässigbar kurzen Betrieb. Während die Ruhebedürfnisse der BewohnerInnen gegen die Abendstunden hin zunehmen, steigt naturgemäß der Lärmpegel in den Gastgärten. Eine Hinweistafel, dass lautes Sprechen untersagt ist, kann – wie die Erfahrung zeigt - daran nichts Wesentliches ändern. Ein Genehmigungsverfahren zur sachverständigen Prüfung der Gefahren und Unzumutbarkeiten sowie zur allfälligen Befriedung des Konflikts ist daher mehr als angezeigt.

Es steht dem Gesetzgeber nicht frei, sich in diesem Konflikt zur Gänze auf eine Seite zu stellen. Dem Staat ist der Schutz der Gesundheit überantwortet, weiters ist er an das Gleichbehandlungsgebot gebunden. Der Verfassungsgerichtshof hat im Jahre 1996 die Betriebszeitengarantie für Gastgärten der GewO 1994 nur deshalb für verfassungskonform erachtet, weil daneben die Genehmigungspflicht nach § 74 GewO samt nachträglicher Auflagenerteilung bestehen bleibe (VfSlg 14.551/1996). Ganz wesentlich war dem VfGH auch die räumliche Situierung der Gastgärten. Die zu prüfende Regelung sah die Betriebszeitengarantie nämlich nur für „Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen“ vor. Ganzjährig galt die Betriebszeitengarantie nur bis 22.00 Uhr. Demgegenüber sieht der aktuelle Vorschlag eine Genehmigungsfreistellung auch für alle anderen Gastgärten, insbesondere solche auf privaten Flächen, vor. Weiters würde ganzjährig bei Gastgärten auf öffentlichem Grund ein Betrieb von 8.00 bis 23.00 Uhr erlaubt. Der Verwaltungsgerichtshof ging unter Berufung auf den Verfassungsgerichtshof ebenso von einer Genehmigungspflicht von Gastgärten aus. So wurde etwa in der Entscheidung VwGH 2007/04/0111 vom 27. 6. 2007 die Verweigerung der Genehmigung für einen Gastgarten in einem ruhigen Innenhof einer Wohnhausanlage bestätigt.

Die Verfassungskonformität der vorgeschlagenen Regelung ist unseres Erachtens auch nicht durch die vorgesehene nachträgliche Auflagenerteilung gemäß § 79 und 79 a GewO zu retten. Während nämlich bei der Genehmigungspflicht der Betrieb erst aufgenommen werden darf, wenn die Zuträglichkeit der Anlage durch Amtsgutachten erwiesen ist, wird die Anlage im zweiten Fall erst geschlossen, wenn die Gesundheitsgefährdung erwiesen ist. Betroffene NachbarInnen können de facto nur dann eine nachträgliche Auflage beantragen, wenn sie ein entsprechendes selbst finanziertes Gutachten vorlegen können. Eine Einschränkung des Betriebs wegen Unzumutbarkeit wäre gemäß dem Novellierungsentwurf überhaupt ausgeschlossen. Es ist sachlich überhaupt nicht rechtfertigbar, warum die NachbarInnen unzumutbaren Lärm hinnehmen müssen. Wie auch im Fall der angedrohten Schließung bei Nichteinhaltung der Voraussetzungen der Genehmigungsfreiheit ist ebenso in Rechnung zu stellen, dass die Ausstattung der Gewerberechtsbehörden unzureichend ist und schon bisher die Kontrolle von Anlagen völlig vernachlässigt wurde.

Die gesetzlichen Betriebszeiten könnten gemäß dem Novellierungsentwurf, so wie bisher, durch Verordnung der Gemeinde geändert werden. Die bisherige Praxis zeigt, dass derartige Verordnungen zu einer generellen Anhebung der Betriebszeit führen. Entgegen dem geltenden Gesetzestext wurde keineswegs zum Schutz der NachbarInnen in Innenhöfen, engen Gassen oder zum Schutz von Kranken oder Kindern die Betriebszeit herabgesetzt. Nunmehr würde der Gesetzgeber sogar die Gemeinden anleiten, bei touristischem Bedarf die Betriebszeit – für alle Gastgärten – bis 24.00 Uhr anzuheben. Dies ist bei der Beurteilung der vorgeschlagenen Genehmigungsfreiheit mitzubeachten.

Verwiesen wird auch auf die äußerst kritischen Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren. Nicht nur die Bürgerinitiative SPINST aus Graz hat unter Vorlage eines verfassungsrechtlichen Gutachtens die Regelung abgelehnt, auch von amtlichen Stellen kamen massive Einwände:

 

1. Umweltbundesamt

„Aus Sicht des Umweltbundesamt stellen die vorgeschlagenen Änderungen hinsichtlich Gastgärten in der vorliegenden Form somit keinen ausreichenden Lärmschutz sicher.“ (S 3)

http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIV/ME/ME_00159_16/imfname_187475.pdf

 

2. Bundeskanzleramt - Verfassungsdienst

Zur Umschreibung der genehmigungsfreien Gastgärten: „Hier scheint unter Zugrundelegung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs eine unverhältnismäßige Differenzierung von Gastgärten zu anderen Betriebsanlagen(teilen) (bzw. – möglicherweise – ein Widerspruch zum BVG über den umfassenden Umweltschutz) vorzuliegen.“ (S 4)

Kritisch sieht der VD auch, dass die Behörde einen angezeigten und daher rechtmäßig in Betrieb stehenden Gastgarten, wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen, erst binnen 3 Monaten zu untersagen hat:

„Wenngleich nicht verkannt wird, dass die Regelung für Gastgärten nicht bloß auf die Sommermonate abstellt, so erscheint die Frist von drei Monaten im Hinblick darauf, dass Gastgärten überwiegend in den Sommermonaten betrieben werden (siehe dazu auch die Erläuterungen), insb. aus der Sicht eines betroffenen Nachbarn als sehr lang. Schließlich hat der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss zum Erkenntnis VfSlg. 16.103/2001 (im Zusammenhang mit dem vereinfachten Genehmigungsverfahren) ausgesprochen, dass die Möglichkeit, die Verletzung von Schutzinteressen ex post – nach Inbetriebnahme der Anlage – geltend zu machen, mit ihrer ex-ante-Geltendmachung im Bewilligungsverfahren selbst nicht vergleichbar ist ...“ (S 4)

http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIV/ME/ME_00159_17/fname_187478.pdf

 

3. Städtebund

Der Städtebund, der ja sogar eine Neuregelung angeregt hat, erachtet die nun vorgesehenen Betriebszeiten aber als zu hoch:

„Allerdings ist in Bezug auf die nunmehr im Entwurf vorgesehenen Betriebszeiten bis 23 Uhr bzw. 22 Uhr bei gleichzeitiger gesetzlicher Genehmigungsfreistellung (vgl. auch die in der Verordnungsermächtigung im Abs. 9 des neuen § 76a enthaltene Ausdehnungsmöglichkeit bis 24 Uhr) anzumerken, dass im Hinblick auf die Judikatur des VwGH und die Ausführungen in der Lehre eine allfällige Unsachlichkeit dieser Regelungen erblickt werden könnte, sodass insoweit gewisse Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht angebracht erscheinen.“ (S 2)

http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIV/ME/ME_00159_05/imfname_187343.pdf

 

4. Volksanwaltschaft

„Die Volksanwaltschaft hegt allerdings gegen den Entwurf dem Grunde nach erhebliche Bedenken ...“ (S 1)

http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIV/ME/ME_00159_06/imfname_187344.pdf

 

Die einzig relevante Änderung gegenüber dem Ministerialentwurf war die Herabsetzung der genehmigungsfreien Sitzplatzschwelle von 100 auf 75. Dies ist jedoch keine Änderung, die den verfassungsrechtlichen Bedenken ausreichend Rechnung trägt.