806 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Finanzausschusses

über den Antrag 1196/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (ABl. Nr. L 302 vom 17.11.2009, S. 1) (Ratingagenturenvollzugsgesetz – RAVG) erlassen wird sowie das Finanzmarktaufsichts­behörden­gesetz geändert wird

Die Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 17. Juni 2010 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„I. Allgemeiner Teil

Zu Art. 1 und 2:

Die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (ABl. Nr. L 302 vom 17.11.2009, S. 1; im Folgenden: „EG-Verordnung“) führt in der Gemeinschaft ein neues Aufsichtssystem für Ratingagenturen ein. Der vorliegende Entwurf soll diesbezüglich jene Bestimmungen in das österreichische Recht einfügen, die notwendig sind, damit die EG-Verordnung in Österreich wirksam werden kann. Dementsprechend muss insbesondere eine zuständige Behörde, die an dem in der EG-Verordnung vorgesehenen Aufsichtssystem im Interesse des österreichischen Finanzmarktes mitwirkt, benannt werden. Überdies müssen gesetzliche Vorschriften betreffend Sanktionen für Verstöße gegen die EG-Verordnung und die für einen wirkungsvollen Vollzug notwendigen sonstigen begleitenden Verfahrens- und Aufsichtsvorschriften vorgesehen werden.

Die EG-Verordnung trat mit 7. Dezember 2009 in Kraft. Dementsprechend sind die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufsicht über Ratingagenturen in Österreich unverzüglich zu schaffen. Es wird darauf hingewiesen, dass eine Novelle der EG-Verordnung derzeit in Verhandlung steht, sodass es im Beschlussfalle in der Folge auch zu einer Änderung des RAVG kommen muss.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Ratingagenturenvollzugsgesetz – RAVG)

Zu § 1:

§ 1 definiert den Zweck des RAVG. Durch das RAVG sollen im österreichischen Recht die für das Wirksamwerden der EG-Verordnung erforderlichen Bestimmungen geschaffen werden.

Zu § 2:

Art. 22 der EG-Verordnung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten für die Zwecke der EG-Verordnung eine zuständige Behörde zu benennen haben. Dieser europarechtlichen Verpflichtung wird hier nachgekommen. Die FMA wird als zuständige Behörde für die Aufsicht über Ratingagenturen in Österreich benannt. In Art. 21 der EG-Verordnung ist vorgesehen, dass CESR eine Reihe technischer Leitlinien zu erlassen hat. Der zweite Satz dieser Bestimmung soll gesetzlich klarstellen, dass die FMA angehalten ist, diese Leitlinien bei der Anwendung und Auslegung der Bestimmungen der EG-Verordnung im Sinne eines einheitlichen europäischen Vollzugs zu berücksichtigen.

Zu § 3:

Die in Abs. 1 vorgesehene Bestimmung dient zur Klarstellung, dass die aus anderen Bereichen des österreichischen Aufsichtsrechts (vgl. z.B. § 70 Abs. 4 Z 1 und 2 BWG) bekannten grundlegenden Aufsichtsmittel – der so genannte „Auftrag zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes“ und die „Untersagung der Geschäftsführung“ – im hier abgesteckten Rahmen jedenfalls auch bei Nichteinhaltung der relevanten Aufsichtsnormen der EG-Verordnung von der FMA als „angemessene Maßnahmen“ nach Art. 24 Abs. 1 lit. d der EG-Verordnung getroffen werden können. Die Verordnung sieht überdies weiterführende Aufsichtsmittel und Aufsichtsmaßnahmen – wie insbesondere den Widerruf der Registrierung (vgl. Art. 24 Abs. 1 lit. a der EG-Verordnung) – vor.

Eine enge Kooperation mit ausländischen Behörden im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen nach Art. 34 der EG-Verordnung ist eine wichtige unabdingbare Voraussetzung, damit die Bestimmungen über das Übernehmen von Ratings („Endorsement“) nach Art. 4 Abs. 3 bis 6 der EG-Verordnung und die Zertifizierung auf Grundlage der Gleichwertigkeit in Art. 5 der EG-Verordnung wirksam werden können (vgl. Art. 4 Abs. 3 lit. h und Art. 5 Abs. 1 lit. c und Abs. 7 der EG-Verordnung). Die EG-Verordnung setzt dabei voraus, dass die zuständigen Behörden aus Mitgliedstaaten im hier notwendigen Ausmaß mit zuständigen Behörden aus Drittstaaten kooperieren können. Damit dies auch in Österreich sichergestellt ist, war es notwendig, vorzusehen, dass die FMA mit ausländischen Behörden effektiv kooperieren und alle relevanten Informationen austauschen kann. Dies unter der Voraussetzung, dass die übermittelten Informationen einem dem Art. 32 der EG-Verordnung gleichwertigen Berufsgeheimnis unterliegen und die Weiterleitung der Informationen im Einklang mit Kapitel IV der Richtlinie 95/46/EG steht. Die allgemeinen Verfahrensvorschriften finden auch auf Amtshandlungen Anwendung, die nur für Zwecke der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden von der FMA vorgenommen werden.

Die Verordnung knüpft insbesondere im Zusammenhang mit der Registrierung an den Erlass von behördlichen Entscheidungen verschiedene Fristen. Nach österreichischem Recht gelten Bescheide erst mit deren Zustellung als erlassen. In Art. 17 Abs. 7 der EG-Verordnung ist vorgesehen, dass die zuständige Behörde innerhalb von 15 Werktagen nach dem Eingang der Empfehlung von CESR ihre Registrierungs- bzw. Ablehnungsentscheidung zu erlassen hat. Ohne die hier vorgesehene Bestimmung würde sich die Entscheidungsfrist für die Behörde daher unangemessen – zumindest um den Postweg (dessen Dauer im Vorhinein überdies regelmäßig nicht genau feststeht) – im Vergleich zu anderen europäischen Behörden verkürzen. Dass Bescheide nach österreichischem Recht üblicherweise erst mit deren Zustellung als erlassen gelten, wäre ohne die vorgesehene Bestimmung auch im Zusammenhang mit Art. 20 der EG-Verordnung („Widerruf der Registrierung“) problematisch. Diese Entscheidungen sollen nämlich nach Art. 20 Abs. 4 der EG-Verordnung unmittelbar gemeinschaftsweit in Kraft treten. Überdies fängt die Frist für die weitere Verwendung von Ratings einer Ratingagentur, die von einer solchen Widerrufsentscheidung betroffen ist, erst mit Erlass einer solchen Entscheidung an zu laufen (vgl. Art. 24 Abs. 2 der EG-Verordnung).

Zu § 4:

Die in Art. 19 der EG-Verordnung vorgesehene Möglichkeit, dass die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats einer Ratingagentur eine Registrierungsgebühr in Rechnung stellen kann, wird im Sinne des bereits bisherigen Kostenverrechnungssystems der FMA ausgeübt. Kostenpflichtige sind Ratingagenturen, für die die FMA als Herkunftsmitgliedstaatsbehörde zuständig ist, oder gemäß Art. 5 Abs. 5 der EG-Verordnung als Fazilitator Aufgaben als Behörde des Herkunftsmitgliedstaats wahrnimmt. Dazu wird im Rechnungskreis Wertpapieraufsicht ein eigener Subrechnungskreis eingerichtet.

Zu § 5:

In Abs. 1 wird die Abgabe von Ratings ohne die hierfür notwendige Registrierung nach der EG-Verordnung unter Verwaltungsstrafe gestellt.

Art. 4 Abs. 1 der EG-Verordnung sieht vor, dass die dort genannten Rechtsträger für aufsichtsrechtliche Zwecke nur Ratings von Ratingagenturen verwenden dürfen, die ihren Sitz in der Gemeinschaft haben und gemäß der EG-Verordnung registriert sind. Nach einem Widerruf der Registrierung dürfen Ratings nur in den in Art. 24 Abs. 2 der EG-Verordnung vorgesehenen Übergangsperioden weiter verwendet werden. Ebenso dürfen Ratings, die nach Art. 4 Abs. 3 der EG-Verordnung von registrierten Ratingagenturen übernommen wurden und Ratings von nach Art. 5 der EG-Verordnung zertifizierten Ratingagenturen verwendet werden. Das Verwenden von anderen als diesen Ratings durch die in Art. 4 Abs. 1 der EG-Verordnung genannten Rechtsträger wird hier unter Verwaltungsstrafe gestellt.

Art. 4 Abs. 1 der EG-Verordnung verpflichtet den Emittenten, Anbieter oder die Person, die die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragt, dass der veröffentlichte Prospekt klare und unmissverständliche Informationen darüber enthält, ob verwiesene Ratings von Ratingagenturen mit Sitz in der Gemeinschaft abgegeben wurden, die im Einklang mit der EG-Verordnung registriert wurden. Ein Verstoß gegen diese Informationspflicht wird in Abs. 3 unter Verwaltungsstrafe gestellt.

Abs. 4 sieht vor, dass Verstöße gegen die aufgezählten Bestimmungen der EG-Verordnung unter Verwaltungsstrafe gestellt werden. Dabei handelt es sich um die Bestimmungen betreffend Unabhängigkeit und Vermeidung von Interessenkonflikten (Art. 6), Ratinganalysten, Mitarbeiter und sonstige an der Abgabe von Ratings beteiligte Personen (Art. 7), Methoden, Modelle und grundlegende Annahmen für Ratings (Art. 8), Auslagerungen (Art. 9), Bekanntgabe und Präsentation von Ratings (Art. 10), allgemeine und regelmäßige Bekanntgaben (Art. 11), den Transparenzbericht (Art. 12) und das Verbot für bestimmte Angaben Gebühren in Rechnung zu stellen (Art. 13). Darüber hinaus werden auch Verstöße gegen die in Anhang I der EG-Verordnung vorgesehenen Bestimmungen betreffend Unabhängigkeit und Vermeidung von Interessenkonflikten unter Verwaltungsstrafe gestellt.

Zu § 6:

In Abs. 1 wird die FMA als in erster Instanz für die Verwaltungsstrafverfahren nach RAVG zuständige Behörde benannt.

Abs. 2 sieht im Einklang mit anderen Aufsichtsgesetzen (vgl z.B. § 96 WAG 2007) eine Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 VStG von 6 Monaten auf 18 Monate vor.

In Abs. 4 und 5 wird der FMA die Möglichkeit zur Veröffentlichung der Tatsache, dass eine namentlich genannte Rechtsperson zur Abgabe von Ratings nach der EG-Verordnung nicht berechtigt ist sowie zur Veröffentlichung von Maßnahmen und Sanktionen nach der EG-Verordnung eingeräumt. Insbesondere bei einem Widerruf der Registrierung einer Ratingagentur (Art. 20 in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 lit. a der EG-Verordnung) und bei einer Aussetzung der Verwendung von Ratings einer Ratingagentur für aufsichtliche Zwecke (Art. 24 Abs. 1 lit. c der EG-Verordnung) besteht regelmäßig ein zwingendes überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit von diesen Maßnahmen unmittelbar Kenntnis erlangen zu können. Nach Art. 24 der EG-Verordnung dürfen die Ratings einer Ratingagentur nämlich unter Umständen nur mehr zehn Werktage nach Erlass dieser Maßnahmen weiter von den in Art. 4 Abs. 1 der EG-Verordnung angeführten Rechtsträgern für aufsichtsrechtliche Zwecke verwendet werden. Die hier vorgesehene Veröffentlichung von Sanktionen kommt überdies der Verpflichtung des Art. 36 der EG-Verordnung nach, sicherzustellen, dass die zuständige Behörde solche Sanktionen veröffentlichen kann.

Abs. 6 ergänzt die Veröffentlichungsbestimmungen in Abs. 4 und 5 um spezifische verfahrensrechtliche Vorkehrungen.

Zu Artikel 2 (Änderung des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes – FMABG):

Zu § 2 Abs. 3:

Die Aufgaben und Befugnisse nach dem Ratingagenturenvollzugsgesetz – RAVG und somit gemäß § 2 RAVG weiterführend auch die Befugnisse und Aufgaben einer zuständigen Behörde nach der EG-Verordnung werden der FMA übertragen und wie auch auf europäischer Ebene (vgl. z.B. Art. 21 der EG-Verordnung, der dem Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden CESR eine beratende Funktion beim Vollzug der EG-Verordnung zuweist) dem Bereich Wertpapieraufsicht zugeordnet.

Zu §§ 22b, 22c und 22d:

Durch diese Änderung wird die unerlaubte Abgabe von Ratings in das bestehende Regime zum unerlaubten Geschäftsbetrieb nach BWG, WAG 2007, BörseG, PKG und VAG eingegliedert und parallel geregelt.“

 

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 29. Juni 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Kai Jan Krainer die Abgeordneten Ing. Robert Lugar und Lutz Weinzinger.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Kai Jan Krainer gewählt.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2010 06 29

                                 Kai Jan Krainer                                                     Dkfm. Dr. Günter Stummvoll

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann