833 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (781 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948 und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Das gesamte Besoldungssystem des Bundes basiert auf einer mit der Vollendung des 18. Lebensjahres beginnenden Vorrückungslaufbahn. Der Zweck dieses Systems liegt darin, allen Bediensteten einer bestimmten Verwendungsgruppe unabhängig von der Art ihrer Ausbildung und ihrer einschlägigen Vortätigkeit eine gleichwertige Gehaltslaufbahn zu gewährleisten. Um dies zu erreichen, werden bestimmte, vor dem Beginn des Dienstverhältnisses liegende Zeiten durch Anrechnung für die Vorrückung so behandelt, als ob sie bereits im Dienstverhältnis zurück gelegt worden wären, sofern sie nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zurück gelegt wurden. Altersunabhängig werden nur Dienst- und Ausbildungszeiten bei einer Gebietskörperschaft für die Vorrückung berücksichtigt.

Der Europäische Gerichtshof hat im Fall HÜTTER (Urteil vom 18. Juni 2009, C 88/08) festgestellt, dass „die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die, um die allgemeine Bildung nicht gegenüber der beruflichen Bildung zu benachteiligen und die Eingliederung jugendlicher Lehrlinge in den Arbeitsmarkt zu fördern, bei der Festlegung der Dienstaltersstufe von Vertragsbediensteten des öffentlichen Dienstes eines Mitgliedstaats die Berücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahrs liegenden Dienstzeiten ausschließt.“

Das Urteil betrifft zwar seinem Wortlaut nach nur die Anrechnung von Dienstzeiten für Vertragsbedienstete, sein Tenor trifft jedoch zweifelsfrei auch auf sonstige Zeiten, die nur ab dem vollendeten 18. Lebensjahr für die Vorrückung berücksichtigt werden – in Betracht kommen neben Dienst- und Ausbildungszeiten insbesondere Schul- sowie Präsenz-, Zivil- und Ausbildungsdienstzeiten ‑, zu. Weiters ist davon auszugehen, dass nicht nur die Regelungen für Vertragsbedienstete, sondern auch die weitgehend wortgleichen Regelungen für Beamtinnen und Beamte nicht mit der „Gleichbehandlungsrichtlinie“ vereinbar sind.

Der Zweck der geplanten Neuregelung besteht daher jedenfalls darin, im Interesse der Rechtssicherheit sämtliche Regelungen zur Anrechnung von Zeiten vor dem Dienstverhältnis für die Vorrückung bzw. zum „Vorrückungsstichtag“ richtlinienkonform zu gestalten. Dabei soll jedoch keine materielle Neuorientierung des gesamten Regelungskomplexes erfolgen, dies soll vielmehr einem noch zu erarbeitenden neuen Entgeltrecht des Bundes vorbehalten bleiben. Der Entwurf intendiert vielmehr, die aus dem geltenden Vorrückungsrecht resultierenden Rechtspositionen (konkret: die an die bisherige(n) Tätigkeit(en) und an das Dienstalter geknüpften Entgeltansprüche) so weit wie irgend möglich unverändert zu belassen. Technisch wird diese Zielsetzung dadurch erreicht, dass der Beginn der tatsächlichen oder gedachten Entgeltkarriere nicht an ein bestimmtes Lebensalter, sondern an einen sachlichen Zeitpunkt geknüpft wird, nämlich an den Tag der Vollendung der allgemeinen Schulpflicht. Die dadurch zusätzlich zu berücksichtigenden Zeiten betragen in einer Durchschnittsbetrachtung drei Jahre. Um zu gewährleisten, dass die für die einzelnen Bediensteten maßgebliche besoldungsrechtliche Stellung nicht verändert wird, werden die für die einzelnen Verwendungsgruppen maßgeblichen Gehaltstabellen um drei Jahre verlängert, indem die Dauer des für die Vorrückung von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe erforderlichen Zeitraums von zwei auf fünf Jahre angehoben wird.

Als „zeitabhängiges Recht“ hat die vorrückungswirksame Dienstzeit mittelbar Auswirkungen auf das Ausmaß des Anspruchs auf Erholungsurlaub: Bei einer Dienstzeit von bis zu 25 Jahren beträgt dieser 200 Stunden, darüber 240 Stunden. Das höhere Urlaubsausmaß fällt unter Zugrundelegung einer mit der Vollendung des 18. Lebensjahrs beginnenden Dienstzeit im Regelfall mit Vollendung des 43. Lebensjahrs an und wird daher in Zukunft direkt daran geknüpft. Für das Urlaubsausmaß gilt im Übrigen ein eigener Stichtag; die Neuregelung vermeidet damit auch die extrem verwaltungsaufwändige Neuberechnung sämtlicher Urlaubsstichtage und macht die Berechnung und Aufzeichnung dieses Stichtags in Zukunft überflüssig. Die Anknüpfung des Urlaubsausmaßes an ein bestimmtes Lebensalter ist sachlich durchaus zu rechtfertigen, da der individuelle Erholungsbedarf etwa ab dem 40. Lebensjahr unabhängig vom Ausmaß der Arbeitsbelastung tendenziell steigt. Die individuelle Arbeitsbelastung manifestiert sich dabei im Ausmaß des Anstiegs des Erholungsbedarfs. Es ist daher nicht zu befürchten, dass die Anknüpfung des höheren Urlaubsanspruchs an ein bestimmtes Lebensalter wiederum nicht mit der Gleichbehandlungsrichtlinie vereinbar ist. Entsprechende Regelungen finden sich auch in den neueren Dienstrechten der Länder und einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten.

Ebenfalls vom Dienstalter und damit von der Anrechnung von Vordienstzeiten abhängig ist der Anfall der Jubiläumszuwendungen für treue Dienste. Zur Vermeidung der finanziellen Belastung, die aus dem früheren Anfall von Jubiläumszuwendungen infolge der zusätzlichen Anrechnung von Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr resultieren würde, werden die sich aus der bisherigen Rechtslage ergebenden Anfallstermine für die bestehenden Bediensteten eingefroren. Für in Zukunft neu aufzunehmende Bedienstete mit anzurechnenden Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr fällt die Jubiläumszuwendung zwar früher an, jedoch in geringerer Höhe als bisher, da sie nach einem ein bis zwei Gehaltsstufen niedrigeren Monatsbezug bzw. –entgelt bemessen wird. Unter Bedachtnahme auf die zusätzlichen Krediterfordernisse bzw. den zusätzlichen Zinsenaufwand ist die Neuregelung insgesamt aufwandsneutral.

Finanzielle Auswirkungen:

Aus der Neuregelung resultieren grundsätzlich keine finanziellen Auswirkungen. Die Besoldungsansprüche der bestehenden Bediensteten bleiben, wie ausgeführt, unberührt, lediglich in Einzelfällen können sich marginale Erhöhungen der vorrückungswirksamen Dienstzeit ergeben (zB bei Ableistung des Präsenz-/Zivil-/Ausbildungsdienstes vor dem vollendeten 18. Lebensjahr). Auch die Änderungen im Urlaubsrecht sind insgesamt aufwandsneutral: Die aus der Vorverlegung des erhöhten Urlaubsanspruchs bei nicht durchgängiger Dienstzeit resultierenden Mehraufwendungen werden durch diejenigen Fallkonstellationen ausgeglichen, in denen der frühere Anfall des höheren Urlaubsanspruchs infolge zusätzlicher Anrechnung von Dienstzeiten durch die Anbindung des Urlaubsausmaßes an das vollendete 43. Lebensjahr verhindert wird.

Ebenfalls vom Dienstalter und damit von der Anrechnung von Vordienstzeiten abhängig ist der Anfall der Jubiläumszuwendungen für treue Dienste. Zur Vermeidung der einmaligen finanziellen Belastung, die aus dem früheren Anfall von Jubiläumszuwendungen infolge der zusätzlichen Anrechnung von Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr im Jahr 2011 resultieren würde, werden die sich aus der bisherigen Rechtslage ergebenden Anfallstermine für die bestehenden Bediensteten eingefroren. Für in Zukunft neu aufzunehmende Bedienstete mit anzurechnenden Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr fällt die Jubiläumszuwendung zwar früher an, jedoch in geringerer Höhe als bisher, da sie nach einem ein bis zwei Gehaltsstufen niedrigeren Monatsbezug bzw. –entgelt bemessen wird. Unter Bedachtnahme auf die zusätzlichen Krediterfordernisse bzw. den zusätzlichen Zinsenaufwand ist die Regelung insgesamt aufwandsneutral.

In Summe ist somit von der Aufwandsneutralität der Neuregelung auszugehen.

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. Juni 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Angela Lueger die Abgeordneten Werner Herbert, Mag. Daniela Musiol, Mag. Ewald Stadler und Gabriele Tamandl sowie die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Gabriele Tamandl und Angela Lueger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu §§ 12 Abs. 1a und 113 Abs. 14 GehG, §§ 26 Abs. 1a und 82 Abs. 14 VBG:

Die neue Vollanrechnung von bis zu drei Jahren an „sonstigen“ Zeiten (das sind an sich nicht anrechenbare Zeiten) soll gewährleisten, dass die Zurücklegung der auf fünf Jahre verlängerten Eingangsgehaltsstufe 1 auch jenen Bediensteten ermöglicht wird, die nach Abschluss der neunten Schulstufe keine einschlägigen Zeiten aufweisen (z.B. Beschäftigung in der Privatwirtschaft, Abschluss einer höheren Schule, ohne dass dies ein Ernennungserfordernis darstellt). Die Deckelung der Schul-, Lehr- und voll anrechenbaren sonstigen Zeiten soll rein aus sonstigen Zeiten resultierende und damit unangemessene Vorrückungsgewinne verhindern. Die in der Regierungsvorlage vorgesehene Deckelung von viereinhalb Jahren, die die weiteren drei Jahre an halb anzurechnenden sonstigen Zeiten mit einbezogen hat, erweist sich aber in dieser Hinsicht als technisch unzureichend und würde insbesondere zu einer nicht gewollten Anrechnung von über die Mindestdauer hinaus gehenden Studienzeiten führen. Der Änderungsvorschlag stellt dies richtig.

Zu § 158 Abs. 3 GehG:

Bereinigung eines legistischen Versehens (für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte fällt die Gehaltsstufe 2 bereits nach sechs und nicht wie in der Regierungsvorlage vorgesehen erst nach acht Dienstjahren an).

Zu § 113 Abs. 11 GehG, § 82 Abs. 11 VBG:

Diese Regelungen enthalten eine Klarstellung, für welche Bediensteten keine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages zu erfolgen hat: Das sind einerseits diejenigen Bediensteten, die keinen korrekten Antrag auf Neufestsetzung unter Verwendung des vorgesehenen Formulars stellen, andererseits diejenigen, für die infolge freier Beförderung oder tabellarischer Überleitung eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages von Vornherein nicht in Betracht kommt.

Zu § 113 Abs. 12 GehG:

Das auch pensionsberechtigte Hinterbliebene von Beamtinnen und Beamten antragsberechtigt sind, wird der in der Regierungsvorlage verwendete Ausdruck „Beamtinnen und Beamte“ durch den Ausdruck „Antragsberechtigte“ ersetzt.

Zu § 175 Abs. 66 GehG, §§ 82 Abs. 13 und 100 Abs. 56 VBG:

Anpassung diverser Zitierungen an die vorliegenden Änderungen.

Zu § 3 Abs. 3 VBG:

§ 3 Abs. 3 VBG schließt Zeiten vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs bis auf bestimmte Ausnahmen (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Ausmaß des Anspruchs auf Erholungsurlaub) von der Berücksichtigung für zeitabhängige Rechte aus. Da es sich auch bei der Vorrückung um ein zeitabhängiges Recht handelt, wird die Aufzählung der Ausnahmen um die entsprechenden Tatbestände erweitert.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Gabriele Tamandl und Angela Lueger mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2010 06 30

                                 Angela Lueger                                                              Dr. Peter Wittmann

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann