853 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über die Regierungsvorlage (779 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 (14. Ärztegesetz-Novelle), das Zahnärztegesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (72. Novelle zum ASVG), das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das MTD-Gesetz und das MTF-SHD-Gesetz geändert werden (Bundesgesetz zur Stärkung der ambulanten öffentlichen Gesundheitsversorgung)

Wie im Regierungsprogramm für die XXIV. GP festgehalten ist es das Ziel, durch integrierte Versorgungsangebote die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit des österreichischen Gesundheitssystems zu erhöhen. Dabei ist insbesondere der Zugang der PatientInnen zu den Leistungen vor allem im ambulanten Bereich zu verbessern (Erreichbarkeit von Leistungen in sog. „Randzeiten“ in der Nacht und am Wochenende; Hausbesuche). Im ambulanten Bereich sind dafür unter Bedachtnahme auf qualitative und ökonomische Gesichtspunkte bedarfsorientierte, neue Versorgungsangebote zu schaffen (siehe Regierungsprogramm für die XXIV. GP, S 183).

Zugleich ist es aber auch gesundheitspolitisch unstrittig und ebenso im Regierungsprogramm vorgesehen, dass zur Entlastung des Spitalssektors (Ambulanzfrequenzen) eine Stärkung des niedergelassenen Bereichs erfolgt. An dieser Stelle trifft sich der legislative Handlungsbedarf nach der Entscheidung des EuGH in der Causa „Hartlauer“ mit dem Wunsch der Österreichischen Ärztekammer nach Schaffung von „Ärzte-GmbHs“ und dem Ziel des Regierungsprogramms. Dabei sind die verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten.

Durch die neue Gesellschaftsform für Gruppenpraxen können Wirtschaftlichkeitspotentiale (Synergien) lukriert werden, die sowohl den Spitalsträgern durch Entlastung der Ambulanzen als auch der sozialen Krankenversicherung zu Gute kommen werden. Die Absicherung der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung führt zu positiven Effekten für die Beschäftigungslage im Gesundheitssektor und den Wirtschaftsstandort Österreich; es werden rund 10 % des Bruttoinlandproduktes im Bereich der Gesundheitsversorgung erwirtschaftet (Anteil am BIP im Jahr 2008: 10,5 %).

 

Der Gesundheitsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 01. Juli 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Dr. Sabine Oberhauser, die Abgeordneten Dr. Andreas Karlsböck, Dr. Wolfgang Spadiut, Dr. Kurt Grünewald, Dr. Erwin Rasinger, Renate Csörgits, Ursula Haubner, Karl Öllinger sowie der Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, Dr. Erwin Rasinger und Karl Öllinger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Nach Art. 4 in Verbindung mit Art. 10 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen haben die Länder bis längstens 1. September 2010 eine gesetzliche Pflicht zum Besuch von geeigneten institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen im letzten Jahr vor der Schulpflicht im Ausmaß von mindestens 16 bis 20 Stunden vorzusehen. Zum Besuch von institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen sind nach Art. 4 der genannten Art. 15a-Vereinbarung jene Kinder verpflichtet, die vor dem 1. September des jeweiligen Jahres das 5. Lebensjahr vollendet haben und im Folgejahr schulpflichtig werden.

Kinder, die eine Kinderbetreuungseinrichtung besuchen, sind nach der geltenden Rechtslage in der Regel als Angehörige nach § 123 ASVG und die entsprechenden Parallelbestimmungen der Sondergesetze berechtigt, Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch zu nehmen.

Da nunmehr auf landesgesetzlicher Ebene eine Pflicht zum Besuch einer institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung geschaffen wird, soll der Schutz der Unfallversicherung auf Kinder, die aufgrund dieser Verpflichtung eine institutionelle Kinderbetreuungseinrichtung besuchen, ausgedehnt werden. Aus Praktikabilitätsgründen sollen diese Kinder für das gesamte Ausmaß ihres Besuchs der Kinderbetreuungseinrichtung – und nicht nur im Ausmaß der verpflichtenden 16-20 Stunden – der Teilversicherung in der Unfallversicherung unterliegen.

Nach geltender Rechtslage sind nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit. h und i ASVG Schüler/Schülerinnen und Studenten/Studentinnen in der Unfallversicherung teilversichert. Die nunmehrige Einbeziehung von Kindern, die im letzten Jahr vor Schulpflicht eine institutionelle Kinderbetreuungseinrichtung besuchen müssen, erscheint vor diesem Hintergrund als gerechtfertigt.

Entsprechend der Teilversicherung der Schüler/Schülerinnen und Studenten/Studentinnen in der Unfallversicherung soll die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt auch für den neu einzubeziehenden Personenkreis jährlich den Betrag bereitstellen, der zur Deckung des Aufwandes der Unfallversicherung für diese Personen notwendig ist (siehe finanzielle Erläuterungen). Der vom Familienlastenausgleichsfonds nach § 39a Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967, zu leistende Beitrag soll in der Höhe nicht verändert werden.

Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Besuch einer institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung ereignen, sollen – analog zur Regelung für Schüler/innen und Student/innen als Arbeitsunfälle im Sinne von § 175 Abs. 1 ASVG gelten. Durch die entsprechende Anwendung von Abs. 2 Z 1, 2, 5, 6, 7 und 9 leg. cit. unterliegen nunmehr auch Wegunfälle im Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Besuch einer institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung dem Schutz der Unfallversicherung. Institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen sind in diesem Zusammenhang als „Arbeits- oder Ausbildungsstätte“ im Sinne von Abs. 2 Z 1, 2, 7, 8 und 9 leg. cit. anzusehen.

Die Pflichtversicherung von Kindern, die im letzten Jahr vor Schulpflicht eine institutionelle Kinderbetreuungseinrichtung besuchen, beginnt wie bei Schülerinnen/Schülern und Studentinnen/Studenten mit dem Eintritt des Tatbestandes, der den Grund der Versicherung bildet. Nach Art. 3 Z 3 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen entspricht das Kindergartenjahr dem Unterrichtsjahr im Sinne des Schulzeitgesetzes 1985. Somit kann der Beginn der Pflichtversicherung eindeutig abgegrenzt werden.

Nach § 74 Abs. 5 ASVG hat die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) zuzüglich zu dem aus Mitteln des Familienlastenausgleichsfonds zu leistenden Beitrag jährlich den Betrag bereitzustellen, der zur Deckung des Aufwandes der Unfallversicherung für diese Personen, die nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit. h, i und l in der Unfallversicherung teilversichert sind, notwendig ist.

Anzumerken ist, dass nach dem vorgeschlagenen Entwurf die Versehrtenrente bei in der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 lit. l ASVG teilversicherten Kindern – wie auch bisher bei Schülern/Schülerinnen und Studenten/Studentinnen – erst mit dem Zeitpunkt anfällt, in dem der Schulbesuch voraussichtlich abgeschlossen gewesen und der Eintritt in das Erwerbsleben erfolgt wäre (§ 204 Abs. 4 ASVG). Somit werden durch die geplante Ausdehnung der Teilversicherung in der Unfallversicherung auf Kinder, die im letzten Jahr vor Schulpflicht eine institutionelle Kinderbetreuungseinrichtung besuchen, zunächst keine Kosten in Form der Versehrtenrente anfallen, da mit dem Abschluss des Schulbesuchs und dem Eintritt in das Erwerbsleben eines allenfalls betroffenen Kindes frühestens im Jahr 2020 zu rechnen wäre. Weiters gebührt die Versehrtenrente nur, wenn die dadurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus mindestens 50 % beträgt.

In den letzten Jahren verzeichnete die AUVA rund 500 Unfälle von 6jährigen Kindern als Weg- und Schulunfälle. Bei einem durchschnittlichen Kostensatz von 213 Euro im Jahr 2008 bzw.  236 Euro im Jahr 2009, ergibt sich auf der Kostenbasis 2009 ein Kostenvolumen von 500 mal  236 Euro, somit rund 120 000 Euro jährlich.“

Ein von Abgeordnetem Dr. Andreas Karlsböck eingebrachter Abänderungsantrag fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, Dr. Erwin Rasinger und Karl Öllinger teils einstimmig, teils mit Stimmenmehrheit angenommen.

 

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2010 07 01

                          Dr. Sabine Oberhauser                                       Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau