Vorblatt

1. Problem:

Bisher hat das Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (MSÜ; BGBl. Nr. 446/1975) in vielen Verfahren die Grundlage für die Zuständigkeit österreichischer Gerichte und für die Anwendung österreichischen Rechts dargestellt. In der Praxis kam es aber beispielsweise wegen des Zuständigkeitsvorrangs der Heimatbehörden bei Doppelstaatsbürgern zu Schwierigkeiten; außerdem hat sich der Zuständigkeitsvorrang der Heimatbehörden nicht bewährt, da diese oft die Situation und die Interessen des Minderjährigen weniger leicht und zuverlässig beurteilen können, als die Behörden des Aufenthaltsstaates.

2. Ziel:

Die Ratifikation des Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortlichkeit und des Schutzes von Kindern, das Österreich am 1. April 2003 unterzeichnet hat, so dass es im Verhältnis zu den Vertragsstaaten des Übereinkommens das MSÜ ersetzt.

3. Inhalt, Problemlösung:

Das Übereinkommen enthält keine materiell-rechtlichen Regelungen, sondern solche über die Behördenzuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Maßnahmen sowie die Behördenzusammenarbeit für Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens von Kindern bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.

4. Alternativen:

Keine.

5. Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

5.1 Finanzielle Auswirkungen:

Auswirkungen auf den Bundeshaushalt, auf die Planstellen des Bundes und auf andere Gebietskörperschaften: Keine.

Durch die vorgesehenen Änderungen wird kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand verursacht. Aufgrund der im Kapitel V vorgesehenen Kooperationsmöglichkeiten könnten vermehrt Anfragen ausländischer Behörden an österreichische Behörden gestellt werden. Diesem möglichen vermehrten Arbeitsanfall stehen jedoch die Vereinfachung der Rechtslage und die Möglichkeit österreichischer Behörden, vom Kooperationsmechanismus Gebrauch zu machen, gegenüber. Dies wird Verfahren zum Schutz der Person und des Vermögens von Kindern in grenzüberschreitenden Sachverhalten weniger kompliziert machen und beschleunigen. Das Übereinkommen wird auch dazu führen, dass in einer größeren Anzahl von Fällen österreichisches Recht zur Anwendung kommen wird und nicht ausländisches Recht ermittelt werden muss.

5.2 Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

5.2.1 Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

5.2.2 Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürger/innen und für Unternehmen:

Keine. Das Übereinkommen enthält keine Informationspflichten für Unternehmer oder Bürger/innen.

5.3 Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Das Regelungsvorhaben ist nicht klimarelevant.

5.4 Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine.

5.5 Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Die Bestimmungen des vorliegenden Entwurfs werden keine geschlechtsspezifischen Auswirkungen zeitigen.

6. Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen stehen mit dem Recht der Europäischen Union (EU) in Einklang. Es bestehen Überschneidungen mit der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-Verordnung, ABl. Nr. L 338 vom 23.12.2003 S. 1-29). Unbeschadet des Ziels und Zwecks dieses Übereinkommens und seiner uneingeschränkten Anwendung gegenüber anderen Vertragsparteien wenden Vertragsparteien, die Mitglieder der Europäischen Union sind, in ihren Beziehungen untereinander die Vorschriften der Europäischen Union an, soweit es für die betreffende Frage Vorschriften der Europäischen Union gibt und diese auf den konkreten Fall anwendbar sind (Art. 52 Abs. 1 des Übereinkommens; Art. 61 Brüssel IIa VO).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Sonderkundmachung gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern hat gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass ein Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, nicht erforderlich ist. Da durch das Übereinkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder geregelt werden, bedarf es der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Mit Entscheidung des Rates vom 5. Juni 2008 (2008/431/EG, ABl. Nr. L 151 vom 11.6.2008 S. 36) wurden die Mitgliedstaaten ermächtigt, das im Rahmen der Haager Konferenz für internationales Privatrecht geschaffene Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 im Interesse der Gemeinschaft zu ratifizieren oder ihm beizutreten. Die Ratifikationsurkunden der Mitgliedstaaten sollen gleichzeitig beim Ministerium für auswärtige Angelegenheiten des Königreichs der Niederlande hinterlegt werden.

Gemäß dem Beschluss der Bundesregierung vom 11. März 2003 (vgl. Pkt. 24 des Beschl.Prot. Nr. 1) wurde das Übereinkommen von Österreich am 1. April 2003 gemäß Art. 57 des Übereinkommens vorbehaltlich der Ratifikation unterzeichnet.

Das Übereinkommen wurde von Australien, Lettland, Litauen, Marokko, Monaco, der Slowakei, Slowenien, der Schweiz, der Tschechischen Republik und Ungarn ratifiziert und sämtlichen (vor dem 1. Mai 2004 beigetretenen) EU-Mitgliedstaaten sowie von Kroatien und Polen unterzeichnet. Albanien, Armenien, Bulgarien, Estland, Ecuador, Kroatien und die Ukraine sind dem Übereinkommen beigetreten. Es ist am 1. Jänner 2002 in Kraft getreten.

Das Übereinkommen enthält Regelungen über die internationale Behördenzuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Maßnahmen sowie die Behördenzusammenarbeit für Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens von Kindern bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.

Das Übereinkommen sieht für Maßnahmen zum Schutz eines Kindes oder seines Vermögens die Zuständigkeit der Behörden des Staates vor, in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine Sonderzuständigkeit besteht in dringenden Fällen und bei Kindesentführungen. Es besteht auch die Möglichkeit, die Zuständigkeit ganz oder teilweise einer anderen Behörde zu übertragen. Bei der Scheidung der Eltern des Kindes können die Eltern unter bestimmten Voraussetzungen die Zuständigkeit der Gerichte des Staates vereinbaren, in dem das Scheidungsverfahren anhängig ist.

Die Maßnahmen trifft die zuständige Behörde nach ihrem eigenen nationalen Recht (lex fori). Die kraft Gesetzes bestehende elterliche Verantwortung (gesetzliche Vertretung) ist nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zu beurteilen. Bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Staat bleibt die bisherige elterliche Verantwortung aufrecht.

Maßnahmen der zuständigen Behörden werden in den anderen Vertragsstaaten anerkannt und vollstreckt.

In den Vertragsstaaten sollen zentrale Stellen die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden koordinieren und fördern. In Österreich soll dies, wie bereits für die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-Verordnung, ABl. Nr. L 338 vom 23.12.2003 S. 1-29), das Bundesministerium für Justiz sein.

Bisher hat das Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Haager Minderjährigenschutzübereinkommen, BGBl. Nr. 446/1975) in vielen Verfahren die Grundlage für die Zuständigkeit österreichischer Gerichte und für die Anwendung österreichischen Rechts dargestellt. Das Übereinkommen ersetzt zwischen den Vertragsstaaten das Haager Minderjährigenschutzübereinkommen. Bei der Anwendung des Minderjährigenschutzabkommens kam es nämlich beispielsweise im Hinblick auf den Zuständigkeitsvorrang der Heimatbehörden bei Doppelstaatsbürgern zu Problemen; der Zuständigkeitsvorrang der Heimatbehörden hat sich auch im Allgemeinen nicht bewährt, da diese oft die Situation und die Interessen des Minderjährigen weniger leicht und zuverlässig beurteilen können, als die Behörden des Aufenthaltsstaates. Mit dem Übereinkommen soll diesen Problemen abgeholfen und Unschärfen in der Formulierung des Haager Minderjährigenschutzübereinkommen beseitigt werden. Dazu schafft es eine Grundlage für eine erweiterte Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedsstaaten und stellt die Durchsetzung von Schutzmaßnahmen, die in einem Mitgliedstaat getroffen wurden, in anderen Mitgliedsstaaten sicher.

Zwischen Österreich und Vertragsstaaten, die nicht auch dem Übereinkommen angehören (nach Ratifikation durch alle EU-Mitgliedstaaten wird dies nur noch die Türkei und China für die Region Macao sein) bleibt das Haager Minderjährigenschutzübereinkommen grundsätzlich weiter in Geltung (Art. 51).

Das Übereinkommen enthält keine materiell-rechtlichen Regelungen, sondern solche über die Behördenzuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Maßnahmen sowie die Behördenzusammenarbeit für Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens von Kindern bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Es ist in sieben Kapitel gegliedert:

Kapitel I bestimmt die Zielsetzung des Übereinkommens und regelt den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich. Das Übereinkommen ist auf Kinder von der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres anzuwenden. In sachlicher Hinsicht wird der Anwendungsbereich durch eine taxative negative Liste und eine demonstrative positive Liste von Maßnahmen eingegrenzt. Kapitel II regelt die internationale Zuständigkeit. Anders als im Haager Minderjährigenschutzübereinkommen wird nun eine Konkurrenz zwischen den Behörden verschiedener Vertragsstaaten vermieden. Zuständig sind grundsätzlich die Behörden des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auf die Staatsangehörigkeit kommt es grundsätzlich nicht an, eine mehrfache Staatsangehörigkeit des Kindes wird daher keine Zuständigkeitsprobleme entstehen lassen. Spezielle Regeln gelten bei Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts und bei Kindesentführungen. In bestimmten Fällen können die Behörden anderer Staaten tätig werden, jedoch – außer zur Setzung dringender oder vorläufiger territorial begrenzter Maßnahmen – nur im Einvernehmen mit den Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Auch eine Übertragung der Zuständigkeit ist vorgesehen. Bei Scheidung der Kindeseltern erkennt das Übereinkommen unter bestimmten Umständen eine konkurrierende Zuständigkeit des Scheidungsgerichts an.

Kapitel III widmet sich dem Internationalen Privatrecht. Grundsätzlich ist die lex fori, also das Recht des Staates, dessen Behörde einschreitet, anzuwenden. Die kraft Gesetzes bestehende elterliche Verantwortung ist nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zu beurteilen. Besondere Regeln, die eine Kontinuität der Obsorge gewährleisten sollen, gelten für den Fall, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Staat verlegt.

Kapitel IV bestimmt, dass Schutzmaßnahmen, die in einem Vertragsstaat getroffen werden, in anderen Vertragsstaaten anzuerkennen und gegebenenfalls zu vollstrecken sind. Die Maßnahmen sind zwar ohne weitere Formalität (automatisch) anzuerkennen, dennoch ist ein fakultatives Verfahren zur Feststellung der Anerkennung vorgesehen. Die Vollstreckung richtet sich nach dem Recht des Vollstreckungsstaats.

Kapitel V sieht die Bildung von zentralen Stellen in den Vertragsstaaten vor, die die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden koordinieren und fördern sollen.

Kapitel VI behandelt den Datenschutz, das Verhältnis zu anderen Übereinkommen und zu faktisch vereinheitlichtem Recht sowie Vorbehaltserklärungen der Vertragsstaaten bei der Ratifikation.

Kapitel VII enthält die Schlussbestimmungen.

Das Übereinkommen wurde von Österreich am 1. April 2003 gemäß Art. 57 des Übereinkommens vorbehaltlich der Ratifikation unterzeichnet.

Wegen der teilweisen Zuständigkeit der Gemeinschaft können die Mitgliedstaaten das Übereinkommen nur ratifizieren, wenn sie von der Gemeinschaft dazu ermächtigt worden sind. Diese Ermächtigung ist durch den Beschluss des Rates vom 5. Juni 2008 (2008/431/EG, ABl. Nr. L 151 vom 11.6.2008 S. 36) erteilt worden. Die Ratifikation soll durch alle Mitgliedstaaten gemeinsam bis 5. Juni 2010 erfolgen.

Prof. Lagarde, der in der 18. Session der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht zum Berichterstatter gewählt worden war, hat einen erläuternden Bericht verfasst (in der Folge: Lagarde-Bericht), der auf der Homepage der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht abgerufen werden kann (www.hcch.net). Der Bericht ist keine verbindliche Auslegung des Übereinkommens, gibt aber die den Bestimmungen zugrundeliegenden Beratungen und Überlegungen wieder und kann daher als ergänzendes Auslegungsmittel (Art. 32 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, BGBl. Nr. 40/1980) herangezogen werden. Das Übereinkommen war Grundlage für die Verhandlungen zur Brüssel IIa-Verordnung, die dem Übereinkommen weitgehend folgt. Auf Überschneidungen und Unterschiede wird bei den einzelnen Bestimmungen – soweit nötig – jeweils hingewiesen.

Besonderer Teil

Zur Präambel:

Die Präambel nennt die Zwecke des Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (Haager Kinderschutzübereinkommen), hebt die Förderung des Kindeswohls hervor, stellt das Übereinkommen ausdrücklich in die Nachfolge des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Haager Minderjährigenschutzübereinkommen) und erwähnt schließlich das Übereinkommen über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen.

Zu Kapitel I – Anwendungsbereich des Übereinkommens

Zu Art. 1 (Gegenstand des Übereinkommens):

Abs. 1 listet die Ziele des Übereinkommens auf, nämlich die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit für Maßnahmen zum Schutz von Kindern, die Normierung von Kollisionsbestimmungen, insbesondere für den Bereich der elterlichen Verantwortung, die Regelung der Anerkennung und Vollstreckung der Schutzmaßnahmen in den Vertragsstaaten und schließlich die Einrichtung von Institutionen zur internationalen Zusammenarbeit im Bereich des Minderjährigenschutzes.

Abs. 2 definiert die elterliche Verantwortung. Für den österreichischen Rechtskreis ist der Begriff synonym zur Obsorge zu verstehen, die die Bereiche Pflege und Erziehung, Verwaltung des Kindesvermögens und Vertretung des Kindes umfasst. Jedes Sorgeverhältnis nach dem Recht eines anderen Vertragsstaates, das die Rechte und Pflichten der Eltern, eines Vormundes oder eines anderen gesetzlichen Vertreters in Bezug auf die Person oder das Vermögen des Kindes bestimmt, ist unter den Begriff der elterlichen Verantwortung zu subsumieren.

Zu Art. 2 (Persönlicher Anwendungsbereich):

Das Übereinkommen ist auf Kinder ab ihrer Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs anzuwenden. Der Zeitraum von der Empfängnis bis zur Geburt des Kindes wurde bewusst nicht einbezogen. Es bleibt daher den autonomen Regelungen der Vertragsstaaten vorbehalten, gegebenenfalls Ungeborene – oder auch Personen über 18 Jahre – zu schützen.

Mit der Altersgrenze von 18 Jahren vereinheitlicht das Übereinkommen nicht materiell die Volljährigkeitsgrenze, sondern begrenzt nur seinen Anwendungsbereich. Auch wenn nach einer Rechtsordnung ein Kind schon vor Vollendung des 18. Lebensjahres die Volljährigkeit erlangt oder wenn ein Kind für volljährig erklärt wird, bleibt das Übereinkommen anzuwenden. Die zuständige Behörde hat in einem solchen Fall – nach ihrem Recht – zu beurteilen, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen für Schutzmaßnahmen vorliegen.

Der Lagarde-Bericht stellt in Abs. 16 klar, dass die Art. 41 und 42 über den Datenschutz über die Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes hinaus gelten.

Zu Art. 3 (Sachlicher Anwendungsbereich):

Art. 3 zählt Maßnahmen, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, demonstrativ auf. Damit soll künftigen Entwicklungen und der Vielfalt der Rechtsordnungen Rechnung getragen werden.

Nach dem Haager Minderjährigenschutzübereinkommen war bisher unklar, unter welche Bestimmung pflegschaftsgerichtliche Genehmigungen zu subsumieren waren. Sie wurden teilweise als Durchführungsmaßnahmen oder Wirkungen der elterlichen Verantwortung (Art. 4 Abs. 2 und 3, Art. 6 Abs. 1 Haager Minderjährigenschutzübereinkommen; sh. Schwimann, Pflegschaftsgerichtliche Genehmigungen in Fällen mit Auslandsbeziehung, NZ 1978, 97; EFSlg 82.018), teilweise als selbstständige Schutzmaßnahmen (zur Klagegenehmigung: EFSlg 105.395) qualifiziert.

Auch das Übereinkommen regelt diese Frage nicht ausdrücklich. Der Lagarde-Bericht scheint davon auszugehen, dass sie unter Art. 15 Abs. 3 („Bedingungen der Anwendung der Schutzmaßnahme“) und Art. 17 („Ausübung der elterlichen Verantwortung“) fallen (sh. Rz 81, 91, 109; so auch Siehr, Das neue Haager Übereinkommen von 1996 über den Schutz von Kindern, RabelZ 1998, 464 [488]).

Zu Art. 4 (Sachliche Ausnahmen vom Anwendungsbereich):

Die Bestimmung listet Bereiche auf, die von der Anwendung des Übereinkommens ausgeschlossen sind.

Diese Aufzählung ist erschöpfend. Jede Vorschrift oder Maßnahme zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes, die in Art. 4 nicht erwähnt ist, fällt in den Anwendungsbereich des Übereinkommens. Im Zusammenspiel mit der nur beispielhaften Aufzählung in Art. 3 sollen Regelungslücken vermieden werden.

Ob und inwieweit ein Kind unter 18 Jahren geschäftsfähig ist, ist nach dem Recht zu beurteilen, auf das die jeweiligen autonomen kollisionsrechtlichen Regeln verweisen (Lagarde-Bericht Rz 30); diese Fragen fallen ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens, auch wenn der Umfang der Geschäftsfähigkeit im Einzelfall Vorfrage für eine unter das Übereinkommen fallende Maßnahme sein sollte.

Die Abgrenzung zwischen den Bereichen, die Art. 4 ausnimmt, und jenen, auf die das Übereinkommen anzuwenden ist, bedarf einer näheren Prüfung. So ist etwa zu entscheiden, ob die Notwendigkeit und die Voraussetzungen einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung einer Erbantrittserklärung oder eines Vaterschaftsanerkenntnisses wegen der Ausnahme des Art. 4 lit. f (bzw. lit. a) nach dem Erbstatut bzw. dem Abstammungsstatut oder nach dem Recht zu beurteilen sind, das nach dem Kapitel III maßgebend ist. Der Lagarde-Bericht (Rz 32, Rz 27) schließt sich der ersten Auslegung an (so auch Siehr, aaO, 477).

Ist nach diesem Recht die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters vorgeschrieben, so bestimmt wiederum das vom Übereinkommen berufene Recht, wer der gesetzliche Vertreter ist.

Das auf die Unterhaltspflichten anzuwendende Recht und die Anerkennung und Vollstreckung der einschlägigen Entscheidungen werden in Österreich durch das Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (Haager Kinder- Unterhaltsstatutübereinkommen, BGBl. Nr. 293/1961) und das Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern (Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen, BGBl. Nr. 294/1961) bestimmt. Im Verhältnis zu den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gelten die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, ABl. Nr. L 12 vom 16.1.2001 S. 1-23). Das Letzterem nahezu wortgleiche Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen samt Protokollen und Erklärungen sowie Erklärung der Republik Österreich (Lugano-Übereinkommen, BGBl. Nr. 448/1996) gilt im Verhältnis zu Norwegen, Island, und der Schweiz. Ab 18. Juni 2011 wird die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl. Nr. L 7 vom 10.1.2009 S. 1), gelten. Das anzuwendende Recht wird künftig durch das Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltsansprüche anwendbare Recht bestimmt werden.

Im Bereich der Trusts existiert bereits das Haager Übereinkommen über das auf Trusts anwendbare Recht und die Anerkennung von Trusts vom 1. Juli 1985, das Österreich aber nicht ratifiziert hat.

(Räumlicher Anwendungsbereich):

Das Übereinkommen enthält, anders als Art. 13 Haager Minderjährigenschutzübereinkommen, keine allgemeine Bestimmung zu seinem räumlichen Anwendungsbereich. Er ergibt sich jeweils aus den einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens (Lagarde-Bericht, Rz 17; Siehr, aaO, 470). So ist etwa auch das Recht eines Nichtvertragsstaates anzuwenden (Art. 20). Anzuerkennen und zu vollstrecken sind nur Entscheidungen aus Vertragsstaaten (Art. 23). Kapitel V regelt nur die Zusammenarbeit zwischen Vertragsstaaten. Die Zuständigkeitsregeln kommen im Wesentlichen – mit Ausnahmen in den Art. 6, 7, 11, 12 – nur bei gewöhnlichem Aufenthalt des Kindes in einem Vertragsstaat zur Anwendung.

Zu Kapitel II - Zuständigkeit

Vorbemerkung:

Wenn in diesem Kapitel von Zuständigkeit die Rede ist, so ist stets die internationale Zuständigkeit gemeint. Das Übereinkommen beruft die Behörden eines Staates zur Entscheidung über bestimmte Maßnahmen, die dem Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes dienen. Welche der Behörden dieses Staates konkret örtlich und sachlich zuständig ist, bestimmt sich nach dessen autonomen Vorschriften. Nur Art. 10 begründet die individuelle (konkurrierende) Zuständigkeit bestimmter Behörden, nämlich jener, die in Ausübung ihrer Zuständigkeit für Eheverfahren der Eltern Schutzmaßnahmen zugunsten der Kinder treffen können.

Es ist das Zusammenspiel mit anderen Übereinkünften zu beachten. Das Übereinkommen geht anderen internationalen Übereinkünften grundsätzlich nach (Art. 50 bis 52). Aus Sicht der österreichischen Rechtsordnung gehen dem Übereinkommen daher insb. das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte der internationalen Kindesentführung (Haager Kinderentführungsübereinkommen), BGBl. Nr. 512/1988 (Art. 50), das Haager Minderjährigenschutzübereinkommen (Art. 51) und der Rechtshilfevertrag mit Liechtenstein, BGBl. Nr. 213/1956 in der Fassung BGBl. Nr. 99/1968 sowie den Konsularvertrag zwischen Österreich und der Föderativen Republik Jugoslawien, BGBl. Nr. 378/1968 (Art. 52 Abs. 1) vor.

Die Brüssel IIa-Verordnung geht dem Übereinkommen vor (Art. 52 Abs. 2 und 3), wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der EU hat (Art. 61 lit. a Brüssel IIa- Verordnung). Ist das Kind jedoch in diesen Fällen Angehöriger eines Vertragsstaates des MSÜ, der nicht auch Mitgliedstaat der EU oder Vertragsstaat des Übereinkommens ist (dies betrifft im Wesentlichen nur noch die Türkei), oder hat es seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei (oder der Region Macao), so hat das MSÜ wiederum Vorrang gegenüber der Brüssel IIa-Verordnung (Art. 60 lit. a Brüssel IIa-Verordnung) und dem Übereinkommen (Art. 51).

Die internationale Zuständigkeit zur Anordnung von Schutzmaßnahmen für ein in der Türkei gewöhnlich aufhältiges Kind richtet sich ebenso nach dem MSÜ wie jene zur Anordnung von Schutzmaßnahmen für ein türkisches Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich. Hat das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der EU und ist auch nicht das MSÜ oder einer der genannten bilateralen Verträge anzuwenden, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach dem Übereinkommen. Die Art. 5 ff. des Übereinkommens gehen, soweit ihr persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich reicht, wiederum dem § 110 Gesetz vom 1. August 1895, über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm (JN)), RGBl. Nr. 111/1895 idgF, vor, der autonom die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte in Pflegschaftssachen festlegt. § 110 JN ist daher nur noch dann Zuständigkeitsgrundlage, wenn für eine Maßnahme zum Schutz der Person oder des Vermögens eines Kindes weder nach der Brüssel IIa-Verordnung, dem MSÜ, den genannten bilateralen Verträgen noch nach dem Übereinkommen eine Zuständigkeit von Behörden eines Mitgliedstaat der EU bzw. eines Vertragsstaats besteht. Zu einer Zuständigkeit des österreichischen Gerichts gestützt auf § 110 JN könnte es somit dann kommen, wenn das Kind österreichischer Staatsbürger ist, sich in einem Staat gewöhnlich aufhält, der weder dem Übereinkommen noch dem MSÜ angehört und mit dem kein bilateraler Vertrag besteht, wenn keine Behörde eines Vertragsstaats gemäß Art. 7 zuständig ist und keine Zuständigkeit nach der Brüssel IIa-Verordnung besteht.

Zuständige Behörden für die Maßnahmen nach diesem Übereinkommen können sowohl Gerichte als auch Verwaltungsbehörden sein. Da es ganz überwiegend um privatrechtliche Angelegenheiten geht, werden in Österreich vor allem die Gerichte zur Entscheidung berufen sein.

Zu Art. 5 (Gewöhnlicher Aufenthalt):

Art. 5 ist die Grundregel für die Zuständigkeit: für Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes sind die Behörden des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts zuständig.

Daneben gibt es eine Reihe besonderer Zuständigkeiten (Art. 6, 10, 11 und 12).

Abs. 1 setzt voraus, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat. Wenn das nicht der Fall ist, geht Art. 5 ins Leere. Dann können die Vertragsstaaten nicht auf der Grundlage dieser Bestimmung, sondern allenfalls nach den Art. 6, 11 oder 12 oder autonomer verfahrensrechtlicher Regeln tätig werden.

Das Übereinkommen definiert den Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ nicht. Nach dem Lagarde-Bericht (Rz 40) besteht Einigkeit, dass eine temporäre Abwesenheit des Kindes, etwa im Urlaub, für einen Schulbesuch oder für den Besuch eines Elternteils im Rahmen der Ausübung des elterlichen Besuchsrechts, den gewöhnlichen Aufenthalt nicht ändern soll.

Nach Abs. 2 impliziert der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts, dass das Kind seinen bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt verliert und einen neuen solchen in einem anderen Vertragsstaat erwirbt; ab diesem Zeitpunkt sind die Behörden des anderen Staates zuständig. Das MSÜ hat den Wegfall der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen während des Verfahrens und eine allfällige perpetuatio fori nicht geregelt, sondern die Regelung dem nationalen Recht überlassen (sh. die Nachweise im Lagarde-Bericht FN 29; RS0074240; RS0074331; 7 Ob 221/05h zur Rechtslage nach der WGN 1997 für den Rechtshilfevertrag mit Liechtenstein). Die Haager Konferenz hat sich hier, gegen die Anträge einiger Delegationen und anders als Art. 8 Brüssel IIa-Verordnung, gegen eine perpetuatio iurisdictionis entschieden (sh. Texeira de Sousa, Ausgewählte Probleme aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. Nr. L 338 vom 23.12.2003, S. 1ff.) und des Haager Übereinkommens vom 19.10.1996 über den Schutz von Kindern, FamRZ 2005, 1612 [1614]; sh. die Erläuterungen zu Art. 13).

Es ist zu prüfen, ob die Rechtsanhängigkeitsregel des Art. 13, die dem Verfahren vor dem erstangerufenen Gericht Vorrang einräumt, auch dann anzuwenden ist, wenn die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts während des Verfahrens wegfällt, und ob sich somit aus Art. 13 – entgegen Art. 5 Abs. 2 – dennoch der Grundsatz der perpetuatio fori ableiten lässt. Nach dem Lagarde-Bericht (Rz 42, 78) ist Art. 13 auf diesen Fall aber nicht anzuwenden (so auch Siehr, aaO, 486). Art. 13 soll demnach nur die Fälle aktuell noch bestehender konkurrierender Zuständigkeiten regeln, z. B. die nach Art. 5 und 10, und widersprechende Entscheidungen (aktuell) konkurrierend zuständiger Gerichte verhindern.

Die Wirksamkeitsdauer der im ersten Staat getroffenen Maßnahmen ist in Art. 14 geregelt.

Verlegt ein Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen Nicht-Vertragsstaat, so ist ab der Begründung des neuen gewöhnlichen Aufenthalts nicht mehr Art. 5 zuständigkeitsbegründend; der Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthalts kann aber autonom eine perpetuatio fori vorsehen. Für Österreich sieht § 29 JN eine solche vor (RS0119204). Andere Vertragsstaaten sind jedoch nicht verpflichtet, auf Grund einer solchen Regelung getroffene Maßnahmen anzuerkennen (Art. 23 Abs. 2 lit. a).

Zu Art. 6 (Flüchtlinge, unbekannter gewöhnlicher Aufenthalt):

Nach Abs. 1 sind unter Flüchtlingskindern jedenfalls Flüchtlinge im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zu verstehen. Art. 6 gilt aber ausdrücklich auch für Kinder, die wegen Unruhen in ihrem Land (gemeint ist das Land, in dem sie früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten) in ein anderes Land gelangt sind. Eine gezielte Verfolgung der Kinder im Herkunftsstaat ist daher ebenso wenig Anwendungsvoraussetzung wie ein unzureichender staatlicher Schutz. Zwar sind solche Kinder oft ohne Begleitung unterwegs und von ihren Eltern zumindest temporär getrennt, dies ist jedoch nicht Zuständigkeitsvoraussetzung. In diesen Fällen muss nicht wie nach dem MSÜ auf die Eilzuständigkeit zurückgegriffen werden (vgl. OGH 7 Ob 209/05v); es können auch andere als dringende Schutzmaßnahmen getroffen werden.

Die Zuständigkeit zu Schutzmaßnahmen für Kinder jedoch, die aus anderen Gründen in ein anderes Land gelangt sind, etwa weil sie weggelaufen oder ausgesetzt worden sind, kann nicht auf diese Bestimmung gestützt werden. Für diese Fälle trifft das Übereinkommen in anderen Bestimmungen Vorkehrungen (Art. 11, aber auch Art. 31 lit. c).

Neben den Fällen des Abs. 1 begründet nach Abs. 2 der bloße Aufenthalt eine Zuständigkeit, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht festgestellt werden kann. Diese Zuständigkeit endet, sobald sich herausstellt, dass das Kind irgendwo einen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt in einem Vertragsstaat, so kommt diesem Staat von da an die internationale Zuständigkeit zu.

Ansonsten kann sich die Zuständigkeit des Anwesenheitsstaates auf die Art. 11 und 12 sowie die innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften stützen (Lagarde-Bericht Rz 84).

Zu Art. 7 (Entführung):

Die Sonderregelung für die Zuständigkeit in Kindesentführungsfällen ist im Zusammenhang nicht nur mit den anderen – allgemeinen – Zuständigkeitsregeln des Übereinkommens zu sehen, sondern auch mit den Art. 16 ff. des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte der internationalen Kindesentführung (Haager Kinderentführungsübereinkommen), BGBl. Nr. 512/1988, und des Art. 10 der Brüssel IIa-Verordnung.

Wird ein Kind aus einem EU-Mitgliedstaat in einen Vertragsstaat des Übereinkommens, der nicht auch EU-Mitgliedstaat ist, verbracht, so ist das Übereinkommen anwendbar. Wird das Kind hingegen von einem EU-Mitgliedstaat in einen Drittstaat (der weder EU-Mitglied- noch Vertragsstaat ist) verbracht, so ist die Brüssel IIa-Verordnung anzuwenden (sh. dazu Texeira de Sousa, aaO, 1613).

Nach Abs. 1 bleiben die Behörden des Vertragsstaates, in dem das Kind unmittelbar vor der Entführung oder rechtswidrigen Zurückhaltung (sh. die Definition in Abs. 2) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, solange zuständig, bis das Kind in einem anderen Staat einen gewöhnlichen Aufenthalt erworben hat und gewisse weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Damit wird die Regelung dem Grundsatz der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes gerecht und der Forderung entsprochen, dass der Entführer nicht die Rechtslage willkürlich beeinflussen können soll (vgl. die bisherige Rsp zum Haager Minderjährigenschutzübereinkommen: RS0074284).

Diese Regelung ist Art. 16 Haager Kinderentführungsübereinkommen zwar vergleichbar, aber abgesehen davon, dass sie nicht auf Sachentscheidungen über das Sorgerecht beschränkt ist, inhaltlich nicht vollkommen gleich. Art. 50 räumt dem Kinderentführungsübereinkommen den Vorrang ein, daher ist im Einzelfall zu prüfen, ob die beabsichtigte Entscheidung in den Anwendungsbereich des Kinderentführungsübereinkommen fällt und so Art. 16 Kinderentführungsübereinkommen dem Art. 7 dieses Übereinkommens vorgeht. Bei einer Entführung nach Österreich ist dies der Fall, wenn der Ursprungsstaat Vertragsstaat des Haager Kindesentführungsübereinkommens ist und es um eine Sorgerechtentscheidung (Obsorgeentscheidung) geht; in diesem Fall ist über die Obsorge nicht zu entscheiden, solange Art. 16 Kinderentführungsübereinkommen dies verbietet. Das Kinderentführungsübereinkommen schränkt die Anwendung des Kinderschutzübereinkommens aber nicht ein, wenn das Kind aus einem Staat entführt worden ist, der nicht Vertragsstaat des Kinderentführungsübereinkommen ist, weil dieser Fall nach Art. 4 Kinderentführungsübereinkommen nicht in dessen Anwendungsbereich fällt. Ob in diesem Fall aber Art. 7 dieses Übereinkommens zum Tragen kommt, hängt davon ab, ob der Staat, in dem das Kind unmittelbar vor der Entführung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, ein Vertragsstaat dieses Übereinkommens ist, weil diese Bestimmung die Zuständigkeit den Behörden des Ursprungsstaates nur vorbehält, wenn er ein Vertragsstaat ist. Ist das nicht der Fall, hatte das Kind also vor der Entführung seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Vertragsstaat dieses Übereinkommens, so richtet sich die Zuständigkeit nach den Art. 5 ff.

Art. 10 Brüssel IIa-Verordnung ist eine vergleichbare, im Detail jedoch abweichende Regelung. Wie in der Vorbemerkung zu Kapitel II allgemein ausgeführt, geht sie dem Übereinkommen, hier besonders dem Art. 7, vor (Art. 52 Abs. 2 und 3), wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der EU hat (Art. 61 lit. a Brüssel IIa-Verordnung).

Art. 7 Abs. 1 begründet keine Zuständigkeit der Behörden des Staates, in dem das Kind unmittelbar vor der Entführung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sondern sieht nur deren Beibehaltung vor. Fehlte diesem Staat die Zuständigkeit, etwa weil sie von den Behörden des Ursprungsstaates auf Behörden in einem anderen Staat übertragen worden ist, so fällt sie allein durch die Entführung nicht auf den Ursprungsstaat zurück, vielmehr geht Art. 7 Abs. 1 in diesem Fall ins Leere.

Abs. 2 übernimmt die Definition des widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens des Kinderentführungsübereinkommens wörtlich.

Auch wenn die Behörden des Staates, in dem das Kind vor seiner Entführung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, zuständig bleiben, haben doch die Behörden des nunmehrigen Aufenthaltsstaates große Sachnähe. Abs. 3 stellt daher ihre Eilzuständigkeit gemäß Art. 11 ausdrücklich klar; dringende Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Kindes können sie treffen; nicht aber Maßnahmen mit bloß territorial beschränkter Wirkung nach Art. 12.

Zu den Art. 8 und 9 (Zuständigkeitsübertragung):

Um der Vielfältigkeit der in der Praxis vorkommenden Sachverhalte gerecht zu werden und um den Zuständigkeitsregeln die nötige Flexibilität zu verleihen, sehen die Art. 8 und 9 unter bestimmten Voraussetzungen eine dem Art. 15 Brüssel IIa-Verordnung vergleichbare Möglichkeit der Zuständigkeitsübertragung auf die Behörden eines anderen Vertragsstaats (und nicht auf die eines Nichtvertragsstaats – Lagarde-Bericht Rz 53) vor. Damit es zu keinen Kompetenzkonflikten kommt, muss einer solchen Zuständigkeitsübertragung eine Kooperation der in Betracht kommenden Behörden – gegebenenfalls unter Zwischenschaltung eines Antrags der Parteien – vorangehen.

Die beiden Bestimmungen sind komplementär: Art. 8 erlaubt den nach Art. 5 oder 6 zuständigen Behörden, wenn es sachgerecht ist, die Zuständigkeit den Behörden eines anderen Staates (zu dem das Kind einen in Art. 8 Abs. 2 näher definierten engen Bezug hat) mit deren Zustimmung zu übertragen. Art. 9 ermöglicht den (in Art. 8 Abs. 2 näher definierten) Behörden eines Staates, die nach dem Übereinkommen nicht zuständig wären, die Behörden des zuständigen Staates um die Übertragung der Kompetenz zu ersuchen.

Art. 8 und 9 sprechen von einer Übertragung der Zuständigkeit im Einzelfall: Die Zuständigkeit kann daher auch nur für eine Entscheidung oder einen Fragenkomplex geändert werden. Der Umfang der Zuständigkeitsübertragung wird sich danach richten, welche Maßnahmen die Behörden welchen Staates wegen ihrer Sachnähe im Interesse des Kindeswohls besser anordnen können.

Zu Art. 8 (Zuständigkeitsübertragung):

Nach Abs. 1 kommt eine Zuständigkeitsübertragung in Betracht, wenn die nach den Art. 5 oder 6 zuständigen Behörden annehmen, dass die Behörden eines anderen Staates besser in der Lage sind, Entscheidungen zum Wohl des Kindes zu treffen. Als Beispiel nennt der Lagarde-Bericht (Rz 53) den Fall, dass ein Kind und seine Eltern in einem Vertragsstaat ansässig und Angehörige eines anderen Vertragsstaats sind. Werden die Eltern bei einem Verkehrsunfall getötet und leben Verwandte im Staat, dem das Kind angehört, sodass eine Rückkehr des Kindes dorthin wahrscheinlich ist, so kann es zweckmäßig erscheinen, die notwendigen Entscheidungen den Behörden des Heimatstaates zu überantworten. Die Übertragung einer Zuständigkeit nach Art. 7 oder 10 sieht das Übereinkommen jedoch nicht vor.

Das in Art. 8 Abs. 1 genannte „Aussetzen“ des Verfahrens, um die Parteien zur Antragstellung einzuladen, kann als Innehalten nach § 29 Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (AußStrG), BGBl. I Nr. 111/2003, (vgl. Nademleinsky/Neumayr, Forum conveniens und gerichtliche Zusammenarbeit nach Art. 15 EheVO, iFamZ 2007, 320 [322]) oder Unterbrechung (§ 25 AußStrG) qualifiziert werden.

Abs. 2 listet die Staaten auf, deren Behörden um Übernahme der Zuständigkeit ersucht werden können.

Lit. a: Die Behörden des Staates, dem das Kind angehört, waren nach dem MSÜ, zumindest theoretisch, primär zuständig; nunmehr kommt ihnen nur noch subsidiäre Kompetenz zu. Diese subsidiäre Zuständigkeit steht bei Mehrfachstaatsbürgern allen Staaten zu, deren Staatsangehörigkeit das Kind besitzt; auf die effektive Staatsbürgerschaft kommt es – anders als beim MSÜ (sh. Rechtssatznummer (im Folgenden RS) RS0074312) – nicht an (Lagarde-Bericht Rz 55)

Lit. c: Nach Art. 10 kommt dem Scheidungsgericht ohnehin eine konkurrierende Zuständigkeit zu. Die Bestimmung ist dennoch von Bedeutung, zumindest wenn die weiteren Voraussetzungen des Art. 10 nicht erfüllt sind und das Scheidungsgericht als best geeigneter Entscheidungsträger erscheint.

Lit. d ist ein Auffangtatbestand, der größtmögliche Flexibilität erlauben soll.

Abs. 3 und 4: Die Kommunikation zwischen den Behörden kann für die Beurteilung, welche Behörde besser in der Lage ist, die Interessen des Kindes wahrzunehmen, notwendig sein. Der Kooperationsmechanismus des Kapitels V soll auch in diesen Fällen die Anwendung dieser Bestimmung unterstützen. Welche Form der Meinungsaustausch nach Abs. 3 annimmt, ob und welche Aktenteile in welcher Form die übertragende Behörde der übernehmenden Behörde übermittelt, regelt das Übereinkommen (wie auch Art. 15 Brüssel IIa-Verordnung) nicht. Diese Entscheidung bleibt dem Ermessen der beteiligten Behörden überlassen.

Maßstab für die Übernahme der Zuständigkeit durch die ersuchte Behörde ist die bestmögliche Wahrung der Kindesinteressen. Für den Fall, dass die ersuchte Behörde nicht auf die Anfrage der ursprünglich zuständigen Behörde reagiert, trifft das Übereinkommen (anders als etwa Art. 15 Abs. 5 Brüssel IIa-Verordnung) keine Vorsorge. Es wird dann am ehesten dem Kindeswohl entsprechen, dass die ersuchende Behörde ihre Zuständigkeit (weiter) wahrnimmt.

Die Übertragung der Zuständigkeit entspricht nicht einer innerstaatlichen Überweisung an ein anderes österreichisches Gericht, z. B. nach § 111 JN. Vielmehr erklärt sich das ursprünglich zuständige Gericht für unzuständig (Nademleinsky/Neumayr, aaO, 323). Die Übersendung des Aktes ist daher, anders als bei einer innerstaatlichen Überweisung nach § 111 JN, nicht vorgesehen (vgl. § 384 Verordnung des Bundesministeriums für Justiz vom 9. Mai 1951, womit die Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz teilweise geändert und neu verlautbart wird (Geo.), BGBl. Nr. 264/1951 idgF; § 8 RHE Ziv 2004).

Im Übereinkommen nicht geregelte Bereiche, wie etwa die Anfechtbarkeit des Übernahmebeschlusses und die Bestimmung der Parteistellung, richten sich nach nationalem Recht (Nademleinsky/Neumayr, aaO, 323).

Zu Art. 9 (Zuständigkeitsübertragung auf Verlangen):

Die Bestimmung regelt die Zuständigkeitsübertragung auf Ersuchen einer nicht nach dem Übereinkommen zuständigen Behörde und wiederholt weitgehend die Regelung des Art. 8. Wird eine Behörde, die nicht nach den Art. 5 f zuständig ist, von den Parteien angerufen, so hat sie die Sache zurückzuweisen. Eine Behörde der in Art. 8 Abs. 2 genannten Staaten kann jedoch stattdessen, wenn sie meint, dass sie im Einzelfall eher imstande ist, im Interesse des Kindes zu entscheiden, die Initiative ergreifen und die zuständige Behörde um die Übertragung der Zuständigkeit direkt oder unter Einschaltung von deren Zentraler Behörde ersuchen. Parallel zu Art. 8 Abs. 1 kann sie stattdessen die Parteien einladen, einen solchen Antrag an die zuständige Behörde zu stellen.

Art. 9 nennt als Adressaten des Ersuchens lediglich die Behörden des Staates, in denen das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 5), und nicht auch die Behörden, die nach Art. 6 zuständig sind. Es dürfte sich dabei um ein Redaktionsversehen handeln. Der Lagarde-Bericht (Rz 58) schlägt zur Vermeidung von Lücken vor, Art. 8 insoweit analog anzuwenden. Die in Art. 8 Abs. 2 genannten Behörden können ihr Ersuchen daher an die jeweils zuständigen Behörden richten, egal, ob sich die Zuständigkeit letzterer auf Art. 5 oder Art. 6 gründet.

Zu Art. 10 (Zuständigkeit des Scheidungsgerichts):

Art. 10 ähnelt Art. 12 Abs. 1 Brüssel IIa-Verordnung. Die Regelung der Verordnung ist anzuwenden, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat oder Drittstaat hat (Art. 52; Art. 61 lit. a Brüssel IIa-Verordnung), die Regelung des Übereinkommens, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat des Übereinkommens hat, der nicht auch EU-Mitgliedstaat ist (sh. Texeira de Sousa, aaO, 1615).

Die Zuständigkeit nach Abs. 1 ist nicht ausschließlich. Konkurrierende Verfahren soll Art. 13 vermeiden, der generell die Folgen der Rechtsanhängigkeit regelt. Danach darf eine Behörde ihre Zuständigkeit nicht mehr ausüben, sobald bei einer anderen zuständigen Behörde eines Vertragsstaats ein Verfahren über eine bestimmte Schutzmaßnahme anhängig ist. Nach dem Lagarde-Bericht (Rz 62) wird eine Zuständigkeit des Scheidungsgerichts zur Entscheidung über die elterliche Verantwortung nach dem Übereinkommen nur anerkannt, wenn sie nach nationalem Recht besteht. Eine Zuständigkeit des Scheidungsgerichts für Obsorgeentscheidungen kennt das österreichische Recht ebenso wenig wie Zuständigkeitsvereinbarungen in Pflegschaftssachen. Strittig ist, ob Art. 12 Abs. 1 Brüssel IIa VO eine solche Vorschrift sein kann (sh Solomon, „Brüssel IIa“ – Die neuen europäischen Regeln zum internationalen Verfahrensrecht in Fragen der elterlichen Verantwortung, FamRZ 2004, 1409 (1415).

Die Zuständigkeit der Scheidungsbehörde ist an die engen Voraussetzungen nach lit. a und b geknüpft, die kumulativ vorliegen müssen.

Abs. 2, der von der weitergehenden korrespondierenden Bestimmung in Art. 12 Abs. 2 Brüssel IIa- Verordnung abweicht, bestimmt das Ende der Zuständigkeit nach Art. 10 Abs. 1. Wann das Scheidungsverfahren als beendigt anzusehen ist, richtet sich nach dem Prozessrecht, das die Scheidungsbehörde anzuwenden hat.

Zu Art. 11 (Zuständigkeit in dringenden Fällen):

Abs. 1 entspricht Art. 9 Abs. 1 MSÜ und ähnelt Art. 20 Brüssel IIa-Verordnung. Er begründet für dringende Schutzmaßnahmen eine (mit den Zuständigkeiten nach Art. 5 bis 10 konkurrierende) Eilzuständigkeit der Behörden des Vertragsstaates, in dem sich das Kind aufhält (ohne dort auch den gewöhnlichen Aufenthalt zu haben – die Zuständigkeit geht also über Art. 5 bis 10 hinaus) oder sich Vermögen des Kindes befindet. Unter Vermögen ist jedes vermögenswerte Rechtsgut zu verstehen; die Eilzuständigkeit kommt auch in Betracht, wenn die entsprechende Rechtsposition des Kindes nicht unbestritten, sondern Gegenstand eines Rechtsstreits ist.

Wann ausreichende Dringlichkeit anzunehmen ist, sagt das Übereinkommen nicht. Die Zuständigkeit wird jedenfalls dann begründet sein, wenn durch die Einhaltung des Behördenwegs nach den Art. 5 bis 10 ein bedeutender und unwiederbringlicher Schaden für das Kind droht, z. B. wenn sich das Kind unverzüglich einer Krankenbehandlung unterziehen muss und für seine Vertretung zu sorgen ist, oder wenn verderbliche Sachen des Kindes so schnell wie möglich verkauft werden müssen.

Abs. 2: Die Zuständigkeit nach Art. 11 Abs. 1 konkurriert zwar mit den Zuständigkeiten nach den Art. 5 bis 10, ist diesen aber nachgeordnet und auch nicht von der Rechtsanhängigkeitsbestimmung des Art. 13 erfasst. Deshalb treten, sofern das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat, die auf Grund der Eilzuständigkeit getroffenen Maßnahmen außer Kraft, sobald die nach Art. 5 bis 10 zuständigen Behörden in derselben Angelegenheit die notwendigen Maßnahmen getroffen haben. Auf diese Weise wird vermieden, dass divergierende Schutzmaßnahmen aufrecht sind.

Die Bestimmung geht davon aus, dass die auf der Basis der Dringlichkeit getroffenen Maßnahmen nach Art. 23 in den anderen Vertragsstaaten anerkannt werden. Bewusst wurde davon Abstand genommen, den Staat, der sich auf die Eilzuständigkeit beruft, zu verpflichten, dass er die auf Grund der Art. 5 bis 10 zuständigen Behörden verständigt; dadurch sollte eine Überfrachtung der Verfahren vermieden und der mögliche Vorwand abgeschnitten werden, dass eine Maßnahme wegen der Unterlassung einer Verständigung nicht anerkannt werde.

Abs. 3: Auch wenn nach dem Übereinkommen (Art. 5 und 6) keine Zuständigkeit der Behörden eines Vertragsstaats begründet ist, können die Behörden von Vertragsstaaten die Eilzuständigkeit nach Art. 11 Abs. 1 wahrnehmen. Für diesen Fall regelt Abs. 3 das Außerkrafttreten der getroffenen Maßnahmen, sobald und soweit eine der dringlichen Situation angepasste Entscheidung eines Nichtvertragsstaats effektiv geworden ist: Gegenüber jedem Vertragsstaat, der die Entscheidung des Nichtvertragsstaats anerkennt, tritt die auf Grund der Eilzuständigkeit getroffene Maßnahme außer Kraft. Die Anerkennung hängt hier allein jeweils vom autonomen Recht des einzelnen Vertragsstaates ab (Lagarde-Bericht Rz 73).

Zu Art. 12 (Zuständigkeit für provisorische Maßnahmen mit territorialer Wirkung):

Weder das MSÜ noch die Brüssel IIa-Verordnung enthält eine vergleichbare Vorschrift.

Abs. 1: Bei der Schaffung dieser Bestimmung wurde insbesondere an den Fall gedacht, dass ein Kind sich zu Urlaubszwecken oder für einen zeitlich begrenzten Schulaufenthalt im Ausland aufhält und bei einer Gastfamilie untergebracht ist, die mit seiner Betreuung überfordert ist. Ohne dass hier streng genommen Dringlichkeit vorläge, kann es in dieser Situation wünschenswert sein, dass unter Mitwirkung und Aufsicht der lokalen Behörden ein neuer Platz für das Kind gefunden wird. Eine Übertragung der Zuständigkeit nach Art. 9 erschien für eine solche Konstellation zu kompliziert. So räumt Art. 12, unabhängig von der Dringlichkeit des Falles, den Behörden eines Vertragsstaates, in dem sich das Kind oder ihm gehörendes Vermögen befindet, eine konkurrierende Zuständigkeit zur Setzung von provisorischen Schutzmaßnahmen ein.

Art. 12 gilt nicht für die in Art. 6 geregelten Fälle und den Fall des Art. 7, in dem ein Kind widerrechtlich in einen Staat verbracht wurde oder dort zurückgehalten wird; dessen Behörden sind lediglich zur Setzung der notwendigen Maßnahmen in dringenden Fällen ermächtigt (Art. 7 Abs. 3).

Die nach Art. 12 zuständige Behörde kann nur bestimmte Maßnahmen treffen: Sie müssen provisorisch sein, dürfen bloß territorial beschränkte Wirkung haben und dürfen – anders als Maßnahmen nach Art. 11 – nicht mit Maßnahmen der hauptzuständigen Behörden unvereinbar sein. Die Bedeutung dieser Voraussetzung ist unklar, weil im Regelfall jede die elterliche Verantwortung betreffende Maßnahme mit einer vorherigen Maßnahme über die elterliche Verantwortung unvereinbar ist und diese abändert (Siehr, aaO, 485, stellt auf die Änderung der Umstände ab: entscheidend soll sein, ob die nach Art. 5 bis 10 zuständige Behörde den der nach Art. 12 getroffenen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt bereits bei ihrer Entscheidung hätte berücksichtigen können). Sie treten außer Kraft, sobald die hauptzuständigen Behörden eine Entscheidung über die Schutzmaßnahmen getroffen haben. Es bleibt daher dabei, dass sich die lokale Behörde nur in den dringenden Fällen des Art. 11 über die Entscheidungen der im Sinne der Art. 5 bis 10 zuständigen Behörden hinwegsetzen kann.

Abs. 2: Ähnlich wie in Art. 11 Abs. 2 wird hier vorgesorgt, dass die Maßnahmen der lokalen Behörde außer Kraft treten, sobald die hauptzuständigen Behörden die Umstände erwogen und eine angemessene Entscheidung getroffen haben. Die Formulierung des letztes Satzteiles unterscheidet sich geringfügig von der des Art. 11 Abs. 2; hier soll ausgedrückt werden, dass die Entscheidung der nach den Art. 5 bis 10 zuständigen Behörden auch in der Feststellung bestehen kann, dass keine Maßnahme (mehr) notwendig ist. Auch in diesem Fall tritt die Maßnahme der lokalen Behörde außer Kraft.

Abs. 3: Hat ein Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Nichtvertragsstaat, so bedarf es zum Außerkrafttreten der Maßnahmen der lokalen Behörden des Vertragsstaats einer den Umständen Rechnung tragenden Entscheidung eines anderen Staates, die in dem Vertragsstaat anerkannt wird. Die Bestimmung entspricht Art. 11 Abs. 3 mit dem Unterschied, dass kein Bedarf besteht, das Außerkrafttreten auch in den anderen Vertragsstaaten zu regeln, da ohnehin nur von territorial begrenzten Maßnahmen die Rede ist.

Zu Art. 13 (Konkurrierende Zuständigkeit, Streitanhängigkeit):

Abs. 1: Art. 13 soll konkurrierende Verfahren vor Behörden unterschiedlicher Vertragsstaaten verhindern und verbietet die Ausübung einer Zuständigkeit nach den Art. 5 bis 10, wenn vor einer Behörde eines anderen Vertragsstaates, die bei Antragstellung nach Art. 5 bis 10 zuständig war, ein Verfahren anhängig ist. Offen ist, ob die Regelung die Zuständigkeit der anderen Behörde perpetuiert (wenn etwa das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Vertragsstaat verlegt, die des früheren gewöhnlichen Aufenthalts) oder ob Art. 13 auf Fälle beschränkt ist, in denen die (erstangerufene) Behörde auch nach Anrufung der zweiten Behörde nach wie vor zuständig ist. Der Lagarde-Bericht (Rz 42, 78) und die Systematik des Übereinkommens (Siehr, aaO, 486), das der perpetuatio fori ablehnend gegenübersteht, sprechen für die den Art. 13 einschränkende Auslegung (sh. auch die Erläuterungen zu Art. 5 Abs. 2).

Abs. 1 beschränkt vor allem das Anwendungsfeld der konkurrierenden Zuständigkeit nach Art. 10 erheblich: Das Scheidungsgericht kann trotz Vorliegens aller speziellen Voraussetzungen (insbesondere Zustimmung aller Obsorgeberechtigten) nicht über die Obsorge entscheiden, wenn im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts schon ein Obsorgeverfahren anhängig gemacht worden ist. In diesem Fall müsste zuerst dieses Verfahren, zum Beispiel durch Zurückziehung des Antrags oder Zuständigkeitsverzicht durch die Behörden, beendet werden.

Art. 13 bestimmt, welche der Behörden nach den Art. 5 bis 10 zur Entscheidung befugt ist, bezieht sich aber nicht auf die Eilzuständigkeit nach Art. 11. Im Falle der Dringlichkeit kann die nach Art. 11 zuständige Behörde eine beantragte Maßnahme auch dann beschließen, wenn ein Verfahren über einen ähnlichen Antrag in einem anderen Vertragsstaat bereits anhängig ist.

Die Folgen eines allfälligen Verstoßes gegen Art. 13 werden in den Erläuterungen zu Art. 23 Abs. 2 lit. e behandelt.

Abs. 2: Wenn die Behörden, bei denen ein Verfahren über eine Maßnahme anhängig ist, auf ihre Zuständigkeit verzichten, besteht kein Grund mehr, den Behörden eines anderen Vertragsstaats zu verbieten, ihre Zuständigkeit wahrzunehmen. Art. 13 Abs. 2 unterscheidet sich von den Art. 8 und 9 (Zuständigkeitsübertragung) dadurch, dass diese die Übertragung der Zuständigkeit auf ein ansonsten unzuständiges Gericht, Art. 13 aber die Übertragung auf ein ebenfalls nach Art. 5 bis 10 zuständiges Gericht vorsehen. Abs. 2 regelt weder, unter welchen Voraussetzungen das erstangerufene Gericht auf seine Zuständigkeit verzichten soll, noch, ob und wie die befassten Behörden in solchen Fällen kommunizieren sollen. Die Entscheidung der verzichtenden Behörde kann nur im Rahmen gebundenen Ermessens erfolgen, Maßstab muss das dem gesamten Übereinkommen zugrundeliegende Kindeswohl sein. Die Anfechtbarkeit der Entscheidung der auf die Zuständigkeit verzichtenden Behörde ist im Übereinkommen nicht geregelt und richtet sich daher nach nationalem Recht. Das Übereinkommen statuiert keine Pflicht der verzichtenden Behörde, die anderen nach Art. 5 bis 10 zuständigen Behörden zu verständigen; eine solche wäre freilich sinnvoll.

Das Übereinkommen geht nicht weiter darauf ein, wie die zweitangerufene Behörde vorzugehen hat. Sie könnte den Antrag (wegen Rechtsanhängigkeit) zurückweisen, im Verfahren innehalten oder es unterbrechen (vgl. Lagarde-Bericht Rz 79 und die Erläuterungen zu Art. 9), bis geklärt ist, ob die erstangerufene Behörde auf ihre Zuständigkeit verzichtet oder entschieden hat.

Zu Art. 14 (Wechsel der Zuständigkeit, Aufrechtbleiben der Maßnahmen):

Bei einem Zuständigkeitswechsel bleiben bereits getroffene Maßnahmen bis zu einer Verfügung der neuzuständigen Behörde in Kraft. Art. 14 geht davon aus, dass das Verfahren über die getroffenen Maßnahmen schon abgeschlossen ist. Durch die im Wesentlichen Art. 5 Abs. 1 MSÜ entsprechende Bestimmung soll die Kontinuität des Minderjährigenschutzes, aber auch die Rechtssicherheit gewährleistet werden. Hat zum Beispiel die ursprünglich international zuständige Behörde einer bestimmten Person die Obsorge zuerkannt, und kommt nach dem Recht, das nach dem Wechsel der Anknüpfungsmomente maßgeblich ist, ex lege die Obsorge einer anderen Person zu, so bedarf es zu einem tatsächlichen Wechsel in der Person des Obsorgeberechtigten einer Entscheidung der nunmehr zuständigen Behörden, durch die die Obsorge der einen Person entzogen und der anderen zuerkannt wird.

Art. 14 bezieht sich nur auf Maßnahmen, die in Anwendung der Art. 5 bis 10 getroffen worden sind. Das Außerkrafttreten von Maßnahmen, die auf Art. 11 und 12 basieren, ist in deren Abs. 2 und 3 geregelt.

In den Fällen der Art. 5 und 6 liegt die „Änderung der Umstände“ in einer Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Vertragsstaat. Die getroffenen Maßnahmen bleiben dann zwar in Kraft, aber die Bedingungen, unter denen sie angewendet werden, richten sich ab diesem Zeitpunkt gemäß Art. 15 Abs. 3 nach dem Recht des neuen Aufenthaltsstaates.

Nach Art. 14 bleiben die getroffenen Maßnahmen nur „innerhalb ihrer Reichweite“ in Kraft. Diese Formulierung nimmt auf die Möglichkeit Rücksicht, Maßnahmen zu treffen, die nur aufrecht bleiben sollen, solange das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat beibehält. Wurde zum Beispiel ein Kind der Aufsicht einer Jugendschutzbehörde unterstellt, so versteht es sich von selbst, dass diese Aufsicht nur auszuüben ist, solange das Kind sich in dem betreffenden Staat gewöhnlich aufhält, da die Jugendschutzbehörde nur auf dem eigenen Staatsgebiet tätig werden kann.

Das Übereinkommen regelt nicht, ob und unter welchen Bedingungen im neuen Aufenthaltsstaat eine andere Schutzmaßnahme getroffen werden kann. Diese Entscheidung bleibt dem nationalen Recht überlassen.

Zu Kapitel III – Anzuwendendes Recht

Das Übereinkommen enthält keine allgemeine Bestimmung zu seinem räumlichen Anwendungsbereich.

Dieser ist daher jeweils aus den einzelnen Vorschriften des Übereinkommens zu ermitteln. Nach Art. 20 ist dieses Kapitel (von den Behörden der Vertragsstaaten) selbst dann anzuwenden, wenn das verwiesene Recht nicht das eines Vertragsstaats ist. Die Verweisungsnormen sind also auch anzuwenden, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Vertragsstaat hat.

Das Übereinkommen ist aber nur anzuwenden, soweit ihm nicht andere internationale Übereinkünfte bzw. Verpflichtungen (Art. 51, 52) vorgehen. Einschlägige europarechtliche Regelungen bestehen nicht, die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II, ABl. Nr. L 199 vom 21.7.2007 S. 40-49), das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (80/934/EWG) (EVÜ, ABl. Nr. L 266 vom 9.10.1980 S. 1-19) und die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. Nr. L 177 vom 4.7.2008 S. 6-16) nehmen das Familienrecht ausdrücklich aus (sh. jedoch die Erläuterungen zu Art. 19). Unter den bereits in der Einleitung zum Kapitel II dargelegten Voraussetzungen geht das MSÜ diesem Übereinkommen vor. Einschlägige Kollisionsregeln enthalten der Freundschafts- und Niederlassungsvertrag mit dem Iran (BGBl. Nr. 45/1966) und der Rechtshilfevertrag mit Polen (BGBl. Nr. 79/1974). Zu letzterem hat Österreich jedoch eine Erklärung nach Art. 52 Abs.1 abgegeben, wonach das Übereinkommen dem Rechtshilfevertrag vorgeht.

Zu Art. 15 (Auf Schutzmaßnahmen anzuwendendes Recht):

Abs. 1: Es gilt der Grundsatz, dass die Maßnahmen nach der lex fori, dem „eigenen Recht der zuständigen Behörden“, ergriffen werden. Nach Art. 21 umfasst der Begriff „eigenes Recht“ nicht das Kollisionsrecht. Die Verweisung auf die lex fori ist eine Sachnormverweisung. Die Regelung ist nicht nur praktikabel, sondern auch sachgerecht, weil nach den Zuständigkeitsvorschriften ohnehin nur die Behörden eines Staates zur Entscheidung berufen sind, zu dem der Sachverhalt eine Nahebeziehung aufweist.

Die Brüssel IIa-Verordnung geht dem Übereinkommen nur in den von ihr geregelten Bereichen vor. Aufgrund des Vorrangs der Brüssel IIa-Verordnung für Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat bestimmt sich daher die Zuständigkeit in diesem Fall nach der Brüssel IIa-Verordnung und nicht dem Übereinkommen. Die Brüssel IIa-Verordnung enthält jedoch keine Kollisionsnormen, Art. 52 stünde daher der Anwendung des Kapitels III grundsätzlich nicht entgegen. Es stellt sich daher die Frage, ob Art. 15 auch anzuwenden ist, wenn die Zuständigkeit der Behörde nicht auf den Regeln des Kapitels II des Übereinkommens, sondern auf der Brüssel IIa-Verordnung oder auf nationalem Recht beruht, weil der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in einem EU-Mitgliedstaat oder Drittstaat liegt und sich die Zuständigkeit nach der Brüssel IIa-Verordnung oder nationalem Recht bestimmt (sh. die Erläuterungen zu Kapitel II). Dazu wird überwiegend vertreten, dass im Sinn des Art. 15 die lex fori jedenfalls dann maßgebend ist, wenn die Zuständigkeitsbestimmungen, aus denen sich die Zuständigkeit der Behörde ergibt, im Wesentlichen jenen des Übereinkommens entsprechen (vgl. Kropholler, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht ohne europäisches Kollisionsrecht – ein Torso, FS Schlosser (205), 449 [456f]; Andrae, aaO, 87 mwN; anders: Siehr, aaO, 487; zum Problem des zeitlichen Geltungsbereichs in diesem Zusammenhang: Lagarde-Bericht Rz 179). Nationale Zuständigkeitsregeln werden den Zuständigkeitsregeln oft nicht entsprechen, sodass in diesen Fällen weiterhin nationales Kollisionsrecht (§§ 24, 25, 27 Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPRG), BGBl. Nr. 304/1978 idgF) maßgebend wäre. Zu beachten ist, dass nicht Art. 15, sondern Art. 16 bestimmt, nach welchem Recht eine allfällige kraft Gesetzes bestehende elterliche Verantwortung zu beurteilen ist – sie richtet sich also nicht nach der lex fori, sondern gemäß Art. 16 grundsätzlich nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts.

Abs. 2 erlaubt, im Interesse des Kindeswohls ausnahmsweise das Recht eines anderen Staates „anzuwenden oder zu berücksichtigen“, zu dem der Sachverhalt eine enge Beziehung aufweist. Mit dieser Aufweichung der Grundregel soll besonderen Fallgestaltungen Rechnung getragen werden können. Um die mit solcher Flexibilisierung verbundenen Unsicherheiten in der Rechtsanwendung gering zu halten, gilt diese Ausweichklausel nur ausnahmsweise. Die Anwendung oder Berücksichtigung des fremden Rechts soll nur den Ausnahmefall bilden. Eine Verquickung eigenen und fremden Rechts ist aus Gründen der Vollziehbarkeit zu vermeiden. Letztlich ist die Formulierung aber vage, sodass den Behörden ein relativ weiter Auslegungsspielraum eröffnet wird.

Abs. 3: Verlegt das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so sind die „Bedingungen der Anwendung“ der Maßnahmen (sh. Lagarde-Bericht Rz 91; etwa die allfällige Notwendigkeit einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung) nach dem Recht des neuen Aufenthaltsstaates zu beurteilen. Der Wechsel des Kindesaufenthalts führt in aller Regel auch zu einem Wechsel der zuständigen Behörden und, wegen Abs. 1, des anzuwendenden Rechts. Dennoch bleiben wegen Art. 14 die bereits getroffenen Maßnahmen – zumindest zunächst – aufrecht, nur die Bedingungen ihrer Anwendung ändern sich; ab der Wohnsitzverlegung richten sie sich nach dem Recht des Staates des nunmehrigen gewöhnlichen Aufenthalts.

In jedem Fall haben die neuzuständigen Behörden die Möglichkeit, neue Maßnahmen zu treffen, wenn sich die bisherigen wegen des Statutenwechsels als unzureichend erweisen.

Der Statutenwechsel ist nur für Fälle geregelt, in denen das Kind in einen Vertragsstaat wechselt. Das hat den Hintergrund, dass die Bestimmung ohnehin primär vom Staat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden sein wird und Nicht-Vertragsstaaten keine Verpflichtungen überbunden werden können.

Wenn die Anwendungsbedingungen einer Maßnahme für ein Kind, das seinen gewöhnlichem Aufenthalt in einen Nichtvertragsstaat verlegt hat, ausnahmsweise aus der Sicht eines Vertragsstaates zu beurteilen sind, so nach dem Recht, auf das das Kollisionsrecht dieses Vertragsstaates (einschließlich einschlägiger internationaler Instrumente) verweist (in Österreich §§ 24, 25 und 27 IPRG), denn was das Übereinkommen nicht regelt, bleibt der Regelung durch nationales Recht überlassen.

Zu Art. 16 (Elterliche Verantwortung kraft Gesetzes):

Art. 3 MSÜ über die kollisionsrechtliche Beurteilung gesetzlicher Gewaltverhältnisse hat nicht nur Anwendungsschwierigkeiten bereitet, sondern wegen unterschiedlicher Auslegungen auch nicht die angestrebte internationale Einheitlichkeit der Rechtslage erzielt. Die entsprechende Regelung des Übereinkommens sollte – um die Schwächen des MSÜ zu vermeiden - möglichst praktikabel und klar sein. Während unklar geblieben ist, ob Art. 3 MSÜ eine Kollisionsnorm ist (bejahend: OGH 5 Ob 503/90), ist die Frage im Übereinkommen nun eindeutig kollisionsrechtlich geregelt. Da auf den gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt wird und nicht mehr auf die Staatsangehörigkeit, spielt der Statutenwechsel (vgl. die Erläuterungen zu Art. 53 zum Problem des Wechsels des maßgebenden Rechts nach Inkrafttreten des Übereinkommens und der unklaren Übergangsbestimmung) eine große Rolle. Die Regelung versucht einen Ausgleich zwischen zwei Prinzipien: Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt und Stabilität der Obsorge.

Abs. 1 verweist für die „elterliche Verantwortung kraft Gesetzes“ (ex lege-Obsorgeverhältnisse) auf das Recht des Staates des gewöhnlichen Kindesaufenthalts unabhängig davon, ob das Kind seinen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat oder in einem Nichtvertragsstaat. Die Bestimmung verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die §§ 24, 25, 27 IPRG. Sieht man – wie die hL (Stabentheiner in Rummel³, § 211 Rz 1a; Weitzenböck in Schwimann, ABGB³ I, § 211 Rz. 6) - § 211 ABGB als Vorschrift des Privatrechts an, ist sie auf alle Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich unabhängig ihrer Staatsbürgerschaft anzuwenden.

Was unter „elterlicher Verantwortung“ zu verstehen ist, bestimmt Art. 1 Abs. 2. Die Bestimmung erfasst nicht nur die Zuweisung der elterlichen Verantwortung, sondern auch ihr Erlöschen – jeweils kraft Gesetzes.

Die Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn die elterliche Verantwortung auf dem „Einschreiten eines Gerichts oder einer Behörde“, also auf einer Schutzmaßnahme im Sinn des Art. 5 beruht und nicht (unmittelbar) „kraft Gesetzes“ besteht. Wenn eine Behörde eingreift und über die Zuweisung oder die Entziehung der elterlichen Verantwortung entscheidet, hat sie eine Maßnahme getroffen, deren Wirksamkeit und Inhalt grundsätzlich nach der lex fori zu beurteilen sind (Art. 15 Abs. 1). In einigen Rechtsordnungen müssen die Träger der elterlichen Verantwortung, auch wenn sich ihre Stellung aus dem Gesetz ergibt, bestimmten Behörden, zum Beispiel Finanzbehörden, bekannt gegeben oder in ein Register eingetragen werden. Da die Behörde in solchen Fällen keine Entscheidung trifft, kommt Art. 16 Abs. 1 zur Anwendung.

Die Bestimmung legt nicht fest, welcher von mehreren zeitlich aufeinander folgenden gewöhnlichen Aufenthalten maßgebend sein soll. Es entspricht der Intention des Übereinkommens, auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Beurteilungszeitpunkt abzustellen. Nach der Rechtsordnung, die danach berufen ist, wird beurteilt, wem unter Berücksichtigung von vergangenen Ereignissen (Geburt des Kindes, Scheidung der Eltern, Vaterschaftsanerkenntnis etc.) ex lege die Obsorge zukommt. Im Zusammenhang damit ist auch Art. 16 Abs. 3 zu beachten, wonach ein einmal – nach der Rechtsordnung, die damals maßgebend war – gültig begründetes Obsorgeverhältnis nach einem Statutenwechsel fortwirkt.

Abs. 2 erstreckt die Regelung des Abs. 1 auch auf die Fälle, in denen die elterliche Verantwortung durch ein privatrechtliches Rechtsgeschäft wie eine Vereinbarung zwischen den Eltern anlässlich ihrer Scheidung oder eine letztwillige Verfügung, mit der der Erblasser einen Vormund für das Kind nennt, bestimmt wird, ohne dass eine Behörde aktiv mitwirkt. Vorausgesetzt ist, dass durch diesen Akt die elterliche Verantwortung unmittelbar einer Person zugewiesen wird oder bei ihr erlischt. Auch hier schadet es nicht, wenn der privatrechtliche Akt einer Behörde zu melden oder bei ihr zu registrieren ist (Eine solche Meldung oder Registrierung kennt das österreichische Recht nicht).

Muss das Rechtsgeschäft hingegen behördlich genehmigt oder geprüft werden, ist dies als Schutzmaßnahme zu betrachten und Sache der Behörden, für die sich die Zuständigkeit aus den Art. 5 ff. ergibt. In solchen Fällen scheidet eine Subsumtion unter Art. 16 Abs. 2 aus. Nach österreichischem Recht bedarf eine rechtsgeschäftliche Zuordnung der Obsorge stets einer gerichtlichen Entscheidung, so dass Abs. 2 vor dem österreichischen Rechts keinen Anwendungsbereich hat.

Abs. 3 und 4 regeln, welche Folgen ein Statutenwechsel für die Beurteilung des Bestehens und der Zuweisung der elterlichen Verantwortung hat. Die Regelung folgt zwei Grundsätzen: Soweit möglich soll das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts maßgebend sein; zugleich sollen aber Änderungen der Zuweisung der elterlichen Verantwortung möglichst vermieden werden.

Ein einmal begründetes Obsorgeverhältnis besteht nach einem Statutenwechsel fort (Abs. 3). Aus Abs. 4 ergibt sich aber, dass ein neues Obsorgeverhältnis hinzu treten kann, wenn das Gesetz des neuen gewöhnlichen Aufenthalts die elterliche Verantwortung einer anderen oder einer weiteren Person zuweist.

Durch Maßnahmen (nach der lex fori, Art. 15) können Obsorgeverhältnisse im Sinn des Art. 16 oder die Bedingungen ihrer Ausübung abgeändert werden, wenn die gemeinsam betrauten Personen kein Einvernehmen erzielen oder wenn dies aus anderen Gründen im Interesse des Kindes erforderlich ist (Art. 18). Darauf, ob das nach Art. 16 maßgebende Recht einen solchen Eingriff zulässt, kommt es nicht mehr an (vgl. die Rechtsprechung zu Art. 3 MSÜ, RS0074276).

Zu Art. 17 (Ausübung der elterlichen Verantwortung):

Ähnlich wie in Art. 15 Abs. 3 wird die Zuweisung der elterlichen Verantwortung von ihrer Ausübung unterschieden. Sie richtet sich nach dem Recht des aktuellen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Der Begriff Ausübung umfasst die gesamte Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses wie die Befugnisse und Pflichten des Obsorgeträgers und die Reichweite seiner Vertretungsmacht mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts.

Zu Art. 18 (Entziehung und Modifizierung der elterlichen Verantwortung):

Der Umstand, dass die elterliche Verantwortung ex lege, auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder auf Grund einer vorhergehenden behördlichen Entscheidung einer bestimmten Person zukommt, hindert eine behördliche Maßnahme nach diesem Übereinkommen nicht, die dem Obsorgeträger die elterliche Verantwortung entzieht oder die Bedingungen ihrer Ausübung modifiziert. Nach dem MSÜ bestanden in diesem Punkt Unklarheiten, weshalb die Frage hier ausdrücklich geregelt ist. Es besteht somit zwischen dem Eingriff in eine kraft Gesetzes (Art. 18) und eine aufgrund einer behördlichen Schutzmaßnahme (Art. 14) bestehenden elterlichen Verantwortung insoweit kein Unterschied.

Art. 18 ist von praktischer Bedeutung, wenn ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts dazu geführt hat, dass die elterliche Verantwortung auf Grund verschiedener Rechtsordnungen, die nach Art. 16 Abs. 4 kumulativ anzuwenden sind, mehreren Personen gemeinsam zukommt, und diese untereinander kein Einvernehmen erzielen oder wenn aus anderen Gründen im Interesse des Kindes eine Neuregelung der Obsorge notwendig ist.

Zu Art. 19 (Schutz Dritter):

Abs. 1: Da für Dritte die zuverlässige Beurteilung von Obsorgeverhältnissen bei einem Auslandsbezug wegen der oftmals komplizierten Sach- und Rechtslage schwierig ist, wurde in das Übereinkommen nach dem Vorbild des Art. 11 EVÜ eine materiell-rechtliche Regel zum Schutz des Vertrauens in die Vertretungsmacht des (vermeintlichen) gesetzlichen Vertreters des Kindes aufgenommen. Sie schützt den guten Glauben in die gesetzliche Vertretungsmacht der Person, die für das Kind (als Elternteil, Vormund oder sonstiger Obsorgeträger) ein Rechtsgeschäft abschließt, wenn die Person nach dem Recht des Staates, in dem das Rechtsgeschäft abgeschlossen wird, die Befugnis hätte, das Kind zu vertreten. Dabei muss die Unkenntnis der mangelnden Vertretungsmacht unverschuldet sein. Die Sorgfaltsanforderungen an den Dritten, sich der entsprechenden Vertretungsmacht zu versichern, sind dabei umso strenger anzusetzen, je bedeutender das ins Auge gefasste Geschäft ist.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt und fällt dem Dritten keine Fahrlässigkeit zur Last, so hindert die fehlende Vertretungsmacht nicht die Gültigkeit des Geschäfts zwischen dem Kind und dem Dritten, und der Dritte kann von dem durch diesen Vorgang geschädigten Kind auch nicht zum Schadenersatz herangezogen werden.

Abs. 2 schränkt den Gutglaubensschutz des Abs. 1 auf Rechtsgeschäfte ein, die unter Anwesenden im Hoheitsgebiet desselben Staates geschlossen werden. Bei Geschäften unter Abwesenden trägt der Geschäftspartner des Kindes das Risiko für die ausreichende Vertretungsmacht der Person, die für das Kind auftritt.

Zu Art. 20 (Allseitigkeit der Verweisungen):

Das nach dem Übereinkommen berufene Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es sich um das Recht eines Nichtvertragsstaates handelt. Wenn die Kollisionsregeln des Übereinkommens auf das Recht eines Nichtvertragsstaates verweisen, unterbleibt eine – weitere – kollisionsrechtliche Prüfung nach dem nationalen IPR.

Zu Art. 21 (Rückverweisung):

Abs. 1: Bei den Verweisungen des Übereinkommens handelt es sich grundsätzlich um Sachnormverweisungen. Weiterverweisungen nach dem nationalen Recht ist nicht zu folgen.

Abs. 2: Die Ausnahme von der Regel des Abs. 1 für die gesetzliche Zuweisung elterlicher Verantwortung nach Art. 16 soll den Entscheidungseinklang im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten, deren IPR ja durch das Übereinkommen nicht vereinheitlicht ist, nicht verhindern. Wenn aber das Recht des Nichtvertragsstaats, auf das verwiesen wird, selbst weiter verweist und daher ohnehin kein Gleichklang der betroffenen Rechtsordnungen besteht, gilt die Ausnahme nicht, es ist das von Art. 16 bestimmte Sachrecht maßgebend.

Nicht ausdrücklich erfasst ist der Fall, in dem das Recht des Nichtvertragsstaats auf das Recht eines Vertragsstaates verweist. Auch in diesem Fall bleibt es aber bei dem Grundsatz nach Abs. 1, da die Ausnahme nach Abs. 2 erster Satz nur die dort genau umschriebene Konstellation erfasst.

Zu Art. 22 (ordre public):

Die ordre public-Klausel ist in allen Haager Konventionen üblich; im vorliegendem Art. 22 wird aber ergänzend hinzugefügt, dass bei Anwendung der Klausel auf das Wohl des Kindes Bedacht genommen werden soll; die Berücksichtigung des Kindeswohls ist ein Grundpfeiler des Übereinkommens, es ist daher auch in diesem Sinn auszulegen.

Zu IV. Kapitel – Anerkennung und Vollstreckung

Das Kapitel IV kommt nur zur Anwendung soweit nicht nach Art. 52 Abs. 1 vorrangige Verträge oder die Brüssel IIa-Verordnung zur Anwendung kommen. Die allenfalls einschlägigen bilateralen Verträge mit Vertragsstaaten dieses Übereinkommens betreffen EU-Mitgliedstaaten, diesen gegenüber geht jedenfalls die Brüssel IIa-Verordnung (s. deren Art. 59 Abs. 1) vor.

Zu Art. 23 (Anerkennung, Versagungsgründe)

Abs. 1: Maßnahmen – darunter fallen nicht nur Entscheidungen – der Behörden von Vertragsstaaten sind anzuerkennen, außer es ist einer der Versagungsgründe des Abs. 2 gegeben. Die Anerkennung von Maßnahmen der Behörden von Nichtvertragsstaaten, selbst wenn diese nach den Regeln des Übereinkommens zuständig gewesen wären, ist hier nicht geregelt, sie richtet sich nach nationalem Recht (sh. die Erläuterungen zu Abs. 2 lit. e). Die Anerkennungspflicht besteht nur für Maßnahmen im sachlichen, zeitlichen und geografischen Anwendungsbereich des Übereinkommens. Wurde die Maßnahme zum Beispiel in einem Zeitpunkt ergriffen, in dem der Entscheidungsstaat das Übereinkommen noch nicht ratifiziert hatte, so kann die Anerkennung nicht auf Art. 23 gestützt werden (Art. 53 Abs. 2).

Die Anerkennung bedarf grundsätzlich keiner gerichtlichen Feststellung. Die Vollstreckung einer Maßnahme setzt aber ihre Vollstreckbarerklärung voraus. Das Übereinkommen erlaubt eine präventive Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Maßnahme (Art. 24).

Das Übereinkommen regelt nicht, wie die Tatsache festgestellt wird, dass eine Maßnahme getroffen worden ist und welchen Inhalt sie hat, um anerkannt werden zu können, und überlässt dies der Regelung durch nationales Recht – dieses darf natürlich die Anerkennung durch schikanöse Regelungen nicht verhindern. Nach dem Lagarde-Bericht (Rz 120) war die Vermeidung unangebrachten Bürokratismus ein Grund für die Regelungslücke. Es soll - nach Lage des Falles, insbesondere bei Dringlichkeit – eine Amtsbestätigung per Telefax genügen.

Abs. 2 zählt die Gründe auf, aus denen die Anerkennung einer Maßnahme der Behörden eines Vertragsstaats verweigert werden kann. Liegt keiner der Versagungsgründe vor, so ist sie anzuerkennen.

Über die Versagungsgründe hinaus ist eine Nachprüfung der Maßnahme nicht zulässig.

Lit. a: Die Behörde muss ihre internationale Zuständigkeit für eine Maßnahme nicht ausdrücklich auf das Übereinkommen gestützt haben, es genügt, wenn sie danach tatsächlich gegeben war. Die Anerkennung kann aber nicht versagt werden, wenn die Behörde, die die Maßnahme getroffen hat - nach ihrem innerstaatlichen Recht - örtlich oder sachlich unzuständig war. Wenn aber ganz grobe Fehler aufgetreten sind, zum Beispiel anstatt eines Gerichts eine Verwaltungsbehörde entschieden hat, die dazu keinerlei Kompetenz hat, so wird möglicherweise unter Berufung auf den ordre public (hier Nichteinhaltung grundlegender, durch Art. 6 MRK abgesicherter Verfahrensgarantien) eine Verweigerung der Anerkennung nach lit. d in Betracht kommen.

Lit. c: Wird einer Person die elterliche Verantwortung entzogen, ohne dass sie, außer in dringenden Fällen, vorher gehört wurde, so bildet dies einen so wesentlichen Verstoß gegen das Prinzip des rechtlichen Gehörs, dass jedenfalls die Anerkennung der Maßnahme verweigert werden kann, ohne dass vorher – wie zu lit. b – zu fragen ist, ob dadurch gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze des um Anerkennung ersuchten Staates verstoßen wurde.

Lit. d: Der Text nennt den Verstoß gegen die öffentliche Ordnung als Versagungsgrund. Wie schon Art. 22 verlangt das Übereinkommen auch in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung des Kindeswohls.

Lit e: Die Anerkennung kann versagt werden, wenn die Maßnahme mit einer späteren Entscheidung eines Nichtvertragsstaats, in dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, unvereinbar ist und die spätere Entscheidung die für die Anerkennung im ersuchten Staat erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. So soll vermieden werden, dass gleichzeitig widerstreitende Maßnahmen Geltung beanspruchen. Im Konfliktfall geht die spätere Entscheidung des Nichtvertragsstaates, in dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, vor.

Andererseits darf ein Vertragsstaat keine Maßnahme eines Nichtvertragsstaates außer einer solchen des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts anerkennen, die zu einer nach dem Übereinkommen anzuerkennenden Maßnahme eines Vertragsstaates im Widerspruch steht. Eine völkerrechtliche Verpflichtung des Vertragsstaates, eine solche Maßnahme doch anzuerkennen, geht nach Art. 52 Abs. 1 grundsätzlich dem erwähnten Anerkennungsverbot vor.

Lit. f: Hat die zuständige Behörde vor der Entscheidung, das Kind in einer Einrichtung eines anderen Staates unterzubringen, den anderen Staat nicht nach Art. 33 konsultiert, so kann dieser Staat die Anerkennung dieser Entscheidung – und damit auch die Durchführung - verweigern.

Nicht von der Bestimmung erfasst sind Fälle, in denen Behörden von Vertragsstaaten widersprechende Maßnahmen treffen. Für folgende Konstellationen wird die Praxis Lösungen erarbeiten müssen:

Im Scheidungsstaat wird unter Verletzung der Rechtsanhängigkeitsbestimmung des Art. 13 über die Obsorge anders entschieden als im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts. Es wird von keinem der beiden Staaten verlangt werden können, dass er die Entscheidung des jeweils anderen anerkennt. Als Versagungsgrund kommen lit. b (ordre public) oder die sinngemäße Anwendung der lit. a in Betracht. Ist ein dritter Vertragsstaat mit derartig widersprechenden Maßnahmen anderer Vertragsstaaten konfrontiert, wird es dem Sinn des Übereinkommens entsprechen, dass er nur die Entscheidung anerkennt, die mit Art. 13 Abs. 1 in Einklang steht.

Wurde in einem Nichtvertragsstaat eine Maßnahme getroffen, die in dem nach dem Übereinkommen zuständigen Vertragsstaat anerkannt wird, sodass dessen Behörden von einer eigenen Entscheidung absehen, steht ein anderer Vertragsstaat, der die Maßnahme des Nichtvertragsstaates nicht anerkennt, vor der Frage, was nun zu gelten hat. Möglicherweise hat er vom gesetzlichen Gewaltverhältnis oder von einer früheren Entscheidung auszugehen.

Bei Statutenwechsel hat die neuzuständige Behörde die Möglichkeit, eine Maßnahme zu treffen, die eine widersprechende Maßnahme der bisher zuständigen Behörde außer Kraft setzt (Art. 14). In diesem Fall stellt sich die Frage, ob aus Sicht eines dritten Vertragsstaats die frühere Maßnahme auch außer Kraft gesetzt wird, wenn er die spätere aus einem der Gründe des Art. 23 Abs. 2 nicht anerkennt, die frühere aber schon. Unproblematisch ist hingegen der Fall, in dem beide Maßnahmen in dem dritten Vertragsstaat die Anerkennungsvoraussetzungen erfüllen. In diesem Fall muss er den späteren Akt anerkennen, da der frühere nach Art. 14 außer Kraft getreten ist.

Zu Art. 24 (Anerkennungsentscheidung):

Betroffene Personen können eine positive oder negative Anerkennungsfeststellung verlangen. Ein entsprechendes Verfahren ist im jeweiligen nationalen Recht vorzusehen, in Österreich ist das Verfahren in den §§ 112 ff. AußStrG geregelt. Als „Betroffener“ aktiv legitimiert, eine positive oder negative Anerkennungsfeststellung zu beantragen, ist jedenfalls, wer ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung dartun kann.

Eine solche Anerkennungsentscheidung sieht das Übereinkommen nur für Maßnahmen von Behörden der Vertragsstaaten vor, nicht aber für die gesetzliche Zuteilung der elterlichen Verantwortung.

Zu Art. 25 (Bindung an Feststellungen zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt):

Die Bindung an die Feststellungen der die Zuständigkeit begründenden Tatsachen durch die Behörde, die eine Maßnahme getroffen hat, schränkt die Möglichkeit ein, einer Maßnahme wegen Art. 23 Abs. 2 lit. a die Anerkennung zu versagen.

Zu Art. 26 (Vollstreckbarerklärung):

Abs. 1: Um eine in einem Vertragsstaat getroffene Maßnahme in einem anderen Vertragsstaat zwangsweise durchsetzen zu können, also staatliche Vollstreckungshandlungen zu erreichen, ist eine Vollstreckbarerklärung oder – in manchen Rechtssystemen – eine Registrierung der Entscheidung erforderlich (Art. 28). In den meisten Fällen wird es keiner Vollstreckungshandlungen bedürfen; in diesen Fällen genügt die Anerkennung nach Art. 23, damit die Maßnahme in anderen Vertragsstaaten ihre Wirksamkeit entfaltet, zum Beispiel der Vormund dort das Kind vertreten kann.

Die Vollstreckbarerklärung bzw. Registrierung kann jede betroffene Partei in dem um Vollstreckungshandlungen ersuchten Staat verlangen; das Verfahren, in dem die Vollstreckbarerklärung erteilt oder die Registrierung zur Vollstreckung vorgenommen wird, bestimmt der Vollstreckungsstaat.

Abs. 2: Die Vertragsstaaten sollen für die Vollstreckbarerklärung oder die Registrierung zur Vollstreckung ein einfaches und schnelles Verfahren vorsehen. Für Österreich ist die Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen über die Regelung der Obsorge und das Recht auf persönlichen Verkehr in den §§ 112 bis 114 AußStrG geregelt; für die Vollstreckbarerklärung anderer als der ausdrücklich in § 112 AußStrG genannten Maßnahmen werden die Regelungen des AußStrG entsprechend anzuwenden sein.

Abs. 3: Die Vollstreckbarerklärung ist zu erteilen bzw. die Entscheidung zur Vollstreckung zu registrieren, wenn kein Versagungsgrund des Art. 23 Abs. 2 besteht. Nach Abs. 1 sind Maßnahmen für vollstreckbar zu erklären oder zur Vollstreckung zu registrieren, die im Ursprungsstaat vollstreckbar sind. Fehlt diese Voraussetzung, so ist die Vollstreckbarerklärung bzw. die Registrierung abzulehnen, selbst wenn keiner der Versagungsgründe des Art. 23 Abs. 2 vorliegt.

Zu Art. 27 (Ausschluss der revision au fonds):

Eine inhaltliche Nachprüfung („in der Sache selbst“) der Maßnahme ist über die Prüfung der Versagungsgründe des Art. 23 hinaus unzulässig.

Zu Art. 28 (Vollstreckung):

Eine nach Art. 26 für vollstreckbar erklärte oder zur Vollstreckung registrierte Maßnahme wird wie eine eigene Maßnahme vollstreckt. Im Gegensatz dazu wird sie mit den Wirkungen, die die Entscheidung im Ursprungsstaat hat, anerkannt (Siehr, aaO, 495).

Die Vollstreckung selbst richtet sich nach dem Recht des ersuchten Staates, d. h. des Staates, der Zwangsmittel einsetzen soll. Die Durchsetzung von Obsorge- und Besuchsrechtsregelungen ist in Österreich in § 110 AußStrG geregelt. Da die Vollstreckung in mancher Hinsicht, gerade wenn es um Maßnahmen für Kinder geht, nicht allein verfahrensrechtlich gesehen werden kann, ist diese Bestimmung auch materiell-rechtlich von Bedeutung und kann als Kollisionsnorm angesehen werden. Der materiellrechtliche Aspekt äußert sich in der Pflicht, bei der Vollstreckung auf das Kindeswohl Bedacht zu nehmen.

Zu Kapitel V – Zusammenarbeit

Das Übereinkommen übernimmt für die Behördenzusammenarbeit ein Modell, das sich bei mehreren anderen Übereinkommen gut bewährt, es sieht die Einrichtung einer Zentralen Behörde mit Koordinierungsaufgaben in jedem Vertragsstaat vor.

Die Zentralen Behörden sind Koordinationsstellen, die von den Behörden anderer Mitgliedsstaaten kontaktiert werden und Anfragen beantworten können, aber grundsätzlich – mit einer Ausnahme (Art. 33) – nicht verpflichtet sind, die Initiative zu ergreifen, Informationen zu erteilen oder im Voraus Maßnahmen zu koordinieren (Art. 29 bis 32). Das Übereinkommen verlangt nicht, dass die Behörden für den Kontakt untereinander die Zentralen Behörden befassen müssen, sondern geht im Gegenteil von einem direkten Verkehr aus (nur für Informationsersuchen zur Vorbereitung einer Unterbringung können die Vertragsstaaten die Vorlage der Ersuchen an die Zentrale Behörde verlangen, Art. 34 Abs. 2)

Die Vertragsstaaten können auch Vereinbarungen treffen, um die Zusammenarbeit zu erleichtern (Art. 39). Die Zentrale Behörde hat keine Entscheidungsfunktion, mit der Ausnahme des Art. 33, wonach sie zu einer Unterbringungsmaßnahme entweder selbst Stellung nehmen oder das Ansuchen der zuständigen Behörde weiterleiten kann.

Es gelten die allgemeinen Regeln der Rechtshilfe, die durch Übereinkommen und nationales Recht (sh. auch Bajons in Fasching, Rz 31 § 38 JN; Siehr, aaO, 495) sowie im Übereinkommen selbst geregelt ist (insbesondere in den Art. 37 und 41).

Das Kapitel V kommt im Wesentlichen (Ausnahme: Art. 36) nur zwischen Vertragsstaaten zur Anwendung.

Zu den Art. 29, 30 (Zentralstellen, Zusammenarbeit):

Österreichische Zentrale Behörde ist, wie bereits für andere Übereinkommen und die Brüssel IIa- Verordnung, das Bundesministerium für Justiz.

Zu Art. 31 (Mitteilungen, Vermittlung, Ermittlung des Aufenthalts):

Art. 31 ist im Wesentlichen mit Art. 55 lit. c und e Brüssel IIa-Verordnung vergleichbar.

Nach Art. 31 lit. b soll die Zentrale Behörde die geeigneten Vorkehrungen treffen, um durch Vermittlung, Schlichtung oder ähnliche Mittel gütliche Einigungen zu erleichtern. Diese Verpflichtung korrespondiert mit der des Gerichtes nach § 13 Abs. 3 AußStrG, auf eine einvernehmliche Regelung der Parteien hinzuwirken, und mit der Möglichkeit des prätorischen Vergleichs nach § 30 Abs. 3 AußStrG.

Die Pflicht nach Art. 31 lit. c, die Ermittlung des Aufenthalts des Kindes zu unterstützen, besteht ebenso nach Art. 7 lit. a Haager Kinderentführungsübereinkommen; wenn nötig sind zu ihrer Erfüllung auch andere Behörden zu befassen.

Zu Art. 32 (Situationsbericht, Anregung von Maßnahmen):

Dieser Artikel begründet keine Pflichten der Zentralen Behörde, sondern eröffnet Kooperationsmöglichkeiten. Vor der Übermittlung von Informationen ist zu beachten, dass unter Umständen ein berechtigtes Datenschutzinteresse des Kindes oder einer anderen Person entgegensteht (siehe auch Art. 37).

Zu Art. 33 (Verfahren zur Unterbringung auf einer Pflegestelle):

Der Entscheidung der nach den Art. 5 bis 10 zuständigen Behörde, das Kind in einer Familie oder einer Institution in einem anderen Vertragsstaat unterzubringen, muss eine Konsultation der Behörden dieses anderen Vertragsstaaten vorangehen. Nur wenn die Zentrale Behörde oder die zuständige Behörde des anderen Staates zustimmt (in Österreich bedarf nach § 16 JWG die Unterbringung von Kindern unter 16 Jahren auf einem Pflegeplatz der Bewilligung des öffentlichen Jugendwohlfahrtsträgers), ist eine solche Unterbringung zulässig. Beschließt eine Behörde die Unterbringung in einem anderen Staat ohne vorangehende Konsultation, so muss die Entscheidung in anderen Vertragsstaaten nicht anerkannt werden (Art. 23 lit. f).

Zu Art. 34 (Informationsaustausch):

Abs. 1: Die zuständige Behörde ist befugt, die Behörden anderer Vertragsstaaten um „sachdienliche Informationen für den Schutz des Kindes“ zu ersuchen. Dieses Informationsersuchen ist nur zulässig, wenn es das Kindeswohl erfordert; das Ansammeln von Daten aus anderen Gründen ist unerwünscht.

Dem gleichen Gedanken folgt Art. 37, der das Ersuchen oder die Weitergabe von Informationen verbietet, wenn dadurch das Kind oder seine Angehörigen gefährdet würden.

Die ersuchte Behörde ist nicht verpflichtet, die Informationen, um die sie gebeten wurde, weiterzugeben.

Die Informationsweitergabe wird aus österreichischer Sicht in vielen Fällen aus datenschutzrechtlichen Gründen (vgl. auch § 141 AußStrG) unzulässig sein.

Abs. 2: Schon bisher sehen eine Reihe bilateraler Verträge sowie Rechtsakte der EU den unmittelbaren Kontakt zwischen Behörden vor. Gerade im Bereich des Kinderschutzes ist eine rasche Zusammenarbeit der beteiligten Behörden besonders wichtig. Aus diesem Grund soll von der Möglichkeit, für die gegenseitige Information der Behörden nach Abs. 1 die unmittelbarere Zusammenarbeit zwischen den Behörden auszuschließen, nicht Gebrauch gemacht werden. Um den österreichischen Behörden allerdings diese Zusammenarbeit zu erleichtern, wird der nach Art. 54 Abs. 2 zulässige Vorbehalt gegen die subsidiäre Verwendung des Französischen erklärt.

Zu Art. 35 (Unterstützung bei Vollstreckung und Umsetzung von Maßnahmen, Besuchsrecht):

Abs. 1: Die Behörden der Vertragsstaaten sollen bei der Durchführung von Schutzmaßnahmen kooperieren, insbesondere bei der Ausübung des Besuchsrechts und der Aufrechterhaltung regelmäßiger Kontakte des Kindes zu den Eltern.

Soweit es sich bei einem solchen Ersuchen um Akte der klassischen Rechtshilfe (z. B. Einvernahme des Besuchsberechtigten im Rahmen des ausländischen Vollstreckungsverfahrens) handelt, erscheint diese Bestimmung nicht weiter problematisch. Art. 35 Abs. 1 könnte auch so verstanden werden, dass die Behörden eines anderen Vertragsstaats österreichische Behörden um Unterstützung bei der zwangsweise Durchsetzung einer ausländischen Entscheidung ersuchen (Vollstreckungshilfe, sh. Bajons in Fasching, Rz 18 zu § 38 JN). Einem solchen Verständnis scheint aber Art. 26 und 28 entgegenzustehen, wonach die Vollstreckung in einem anderen Vertragsstaat die Vollstreckbarerklärung (auf Parteienantrag, Art. 26) voraussetzt.

Abs. 2 bis 4: Die Bestimmungen regeln detailliert die Zusammenarbeit zur praktischen Durchsetzung eines Besuchsrechts über Staatsgrenzen hinweg. Die Behörden am gewöhnlichen Aufenthalt eines Elternteils können – müssen aber nicht – auf dessen Antrag über seine Eignung, das Besuchsrecht auszuüben, Informationen beschaffen und Feststellungen treffen. Auf diese Weise kann die Behörde, die zwar nicht zuständig ist, aber dem Sachverhalt am nächsten steht, einerseits dem Elternteil seine Eignung für den persönlichen Verkehr mit dem Kind bescheinigen, andererseits erheben, unter welchen Bedingungen das Besuchsrecht ausgeübt werden kann. Die Entscheidungsbehörde hat in diesem Fall die so gewonnenen Informationen und Feststellungen im Verfahren zu berücksichtigen; sie ist also nicht daran gebunden, sondern muss sich mit den Informationen und Feststellungen auseinandersetzen. Das Übereinkommen regelt nicht, nach welchen Kriterien über einen entsprechenden Antrag eines Elternteils zu entscheiden ist, in welchem Umfang ein solcher zulässig ist und in welcher Form die „Feststellung über die Eignung dieses Elternteils“ getroffen werden soll. Dies richtet sich nach nationalem Recht.

Kriterien, nach denen über einen entsprechenden Antrag zu entscheiden ist, sieht § 31 AußStrG („geeignetes Beweismittel“) und § 13 AußStrG vor, dazu sind die Grundsätze des Übereinkommens zu beachten. Danach soll Art. 35 Abs. 2 zu keinem aufwändigen und langen Parallelverfahren führen (vgl. die Wertung des Art. 13). Nach der Intention des Übereinkommens soll die „Feststellung über die Eignung dieses Elternteils“ keine normative Wirkung haben, sondern dem besuchsberechtigten Elternteil die Möglichkeit einer erleichterten Beweisbeschaffung einräumen. Verfahren sollen durch diese Möglichkeit nicht unnötig verzögert werden (Lagarde-Bericht Rz 148). Es ist daher naheliegend, diese nicht als anfechtbaren Beschluss, sondern als bloße Mitteilung ohne Anordnungs- oder Regelungsabsicht zu qualifizieren (sh. Klicka in Rechberger, AußStrG, Rz 5 § 45).

Die nach den Art. 5 bis 10 zuständige Behörde kann das Besuchsrechtsverfahren bis zum Einlangen der Informationen und Feststellungen nach Abs. 3 „aussetzen“, womit die nach den Verfahrensrechten vorgesehenen Möglichkeiten eines Verfahrensstillstands, in Österreich die Unterbrechung oder Innehaltung, angesprochen sind; sie kann das Verfahren aber auch weiterführen und eine Entscheidung treffen. Das bedeutet, dass die Entscheidungsbehörde nur dann nach Abs. 2 verpflichtet ist, die Feststellungen und Informationen zu berücksichtigen, wenn diese vor Beendigung des Besuchsrechtsverfahrens bei ihr eintreffen.

Abs. 4 lässt der für die Entscheidung zuständigen Behörde die Wahl, zunächst provisorische Maßnahmen zu treffen, bis die Ergebnisse des Verfahrens nach Abs. 2 vorliegen.

Zu Art. 36 (Informationsaustausch bei besonderer Gefahr für das Kind):

Die zuständigen Behörden eines Vertragsstaates, die eine Schutzmaßnahme für ein Kind in einer ernsten Gefahr (z. B. Krankheit, die behandelt werden muss, Drogen, Misshandlung) getroffen haben oder zu treffen im Begriff sind und von der Verlegung des (gewöhnlichen oder schlichten) Aufenthalts des Kindes in einen anderen Staat unterrichtet sind, sollen die Behörden des Aufenthaltsstaates über die Gefahr und die getroffenen oder in Betracht gezogenen Maßnahmen benachrichtigen. Diese Vorgehensweise ist natürlich nur möglich, wenn die Behörden des Ursprungsstaates den neuen Aufenthalt des Kindes kennen; sie können zunächst auf der Grundlage von Art. 31 lit. c versuchen, das Kind in einem Vertragsstaat auszuforschen.

Zu Art. 37 (Informationsbeschränkung):

Ersuchen um Informationen und deren Weitergabe können berechtigte Interessen des Kindes oder anderer Personen beeinträchtigen. Wenn durch einen solchen Informationsfluss die Person oder das Vermögen des Kindes oder die Freiheit oder das Leben eines seiner Angehörigen ernsthaft gefährdet wäre, ist nicht nur die Informationsweitergabe, sondern auch das Ersuchen darum unzulässig. Einen weiteren Datenschutz sieht Art. 41 vor, wonach die nach dem Übereinkommen gesammelten oder übermittelten personenbezogenen Daten nur für die Zwecke verwendet werden dürfen, zu denen sie gesammelt oder übermittelt wurden. Österreichische Behörden sind bei einer Informationsweitergabe auch an das Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, sowie an § 141 AußStrG gebunden.

Zu Art. 38 (Kosten):

Die Einhebung von angemessenen Gebühren für Leistungen im Rahmen des Kapitels V ist gestattet und nicht weiter geregelt; die Möglichkeit der Vertragsstaaten, den Kostenersatz selbst zu regeln, wurde nur insoweit beschränkt, als die eigenen Kosten nicht einseitig auf die anderen Vertragsstaaten überwälzt werden dürfen. Gerichtsgebühren und Verfahrenskosten sind von Art. 38 nicht erfasst (Lagarde-Bericht Rz 152).

Nach Art. 52 Abs. 1 bleiben bestehende internationale Übereinkünfte und somit auch die in diesen enthaltenen Bestimmungen über den Kostenersatz in Rechtshilfesachen unberührt. Das ist insbesondere für Sachverständigen-, Dolmetsch- oder Zeugengebühren bei Hilfestellungen der Gerichte nach Art. 35 Abs. 1 von Bedeutung (§ 1 Z 5 lit. c Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG), BGBl. Nr. 288/1962 idgF). Weil das Übereinkommen den Ersatz solcher Kosten nicht regelt, sind mangels sonstiger vertraglicher Regelung, die allgemeinen Regeln über die Rechtshilfe für ausländische Gerichte (§ 250 Abs. 4 Geo,und § 20 Rechtshilfeerlass für Zivilsachen 1997 (RHE Ziv. 1997, JABl.Nr. 40) maßgebend.

Zu Art. 39 (Zusatzvereinbarungen):

Derzeit hat Österreich keine Zusatzvereinbarungen zur Erleichterung der Anwendung des Kapitels V getroffen.

Zu Kapitel VI – Allgemeine Bestimmungen

Zu Art. 40 (Internationale Bestätigung):

Die Bestimmung trägt dem praktischen Bedürfnis nach einer Bescheinigung über die elterliche Verantwortung und die Befugnisse deren Trägers Rechnung, die in allen Vertragsstaaten anerkannt wird. Vertragsstaaten sind aber nicht verpflichtet, derartige Urkunden auszustellen und müssen in ihren Verfahrensrechten nichts Entsprechendes vorsehen. Wenn aber eine Bestätigung erteilt wurde, dann entfaltet sie nach Abs. 2 eine Anscheinswirkung. Eine Anerkennung im technischen Sinn nach Art. 23 Abs. 1 kommt hier nicht in Frage, da es sich nicht um eine Maßnahme zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes handelt. Zuständig für die Ausstellung sind die Behörden, die die ausgewiesene Maßnahme getroffen haben, oder des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Welche Behörden konkret zuständig sind, etwa die Gerichte oder die Notare als Gerichtskommissäre, ist autonom festzulegen (Abs. 3). Für die Praxis führt das zu Schwierigkeiten: Wird eine Bestätigung von einer Behörde ausgestellt, die dazu nach ihrem innerstaatlichen Recht nicht befugt ist, so ist die Urkunde wohl nicht rechtsgültig und kann in den Vertragsstaaten ihre Wirkung nach Abs. 2 nicht entfalten.

Deshalb werden im Einzelfall die Behördenzuständigkeiten nach der betroffenen Rechtsordnung recherchiert werden müssen, was die Praktikabilität der Bestimmung mindert.

Aus der Urkunde muss hervorgehen, wer die elterliche Verantwortung trägt und was seine Befugnisse sind. Zweckmäßig wäre auch festzuhalten, ob die elterliche Verantwortung ihrem Träger ex lege zukommt und nach dem Recht welches Staates (Art. 16), oder ob sie ihm durch eine Maßnahme übertragen worden ist, und welche nach Kapitel II zuständige Behörde diese Maßnahme getroffen hat.

Die Bescheinigung kann auch ausdrücklich auf bestimmte Beschränkungen der Befugnisse des Trägers hinweisen.

In Österreich können gemäß § 186 AußStrG von den Gerichten Amtsbestätigungen über aktenmäßig bekannte Tatsachen ausgestellt werden. Nach § 107 Abs. 1 Z 1 AußStrG können Gerichte Urkunden über die Betrauung mit der Obsorge ausstellen.

Zu Art. 41 (Datenschutz):

Personenbezogene Informationen dürfen nur für die Zwecke verwendet werden, für die sie erteilt wurden.

Wie schon bei Art. 2 erläutert, soll dieser Datenschutz über das 18. Lebensjahr des Kindes hinaus bestehen. Der Datenschutz ist nicht auf das Kind im Sinn des Übereinkommens beschränkt, er erfasst vielmehr auch andere personenbezogene Daten, zum Beispiel die der Eltern oder des Vormundes.

Zu Art. 42 (Vertraulichkeit der Information):

Von den Behörden eines anderen Vertragsstaats mitgeteilte Informationen sind grundsätzlich vertraulich zu behandeln. Der Grad und die Art des Schutzes der Vertraulichkeit bestimmen sich nach dem Recht des Staates, dessen Behörden die Daten empfangen haben.

Zu Art. 43 (Befreiung von Beglaubigungen):

Alle Dokumente, die nach dem Übereinkommen ausgestellt oder vorgelegt werden, sind von der Beglaubigung befreit. Die Regelung nimmt den Behörden der Vertragsstaaten nicht die Möglichkeit, nähere Informationen über die Echtheit einer Urkunde zu verlangen (Lagarde-Bericht Rz 158).

Zu Art. 44 und 45 (Bezeichnung der Behörden, Empfänger der Mitteilungen und Erklärungen):

Jeder Vertragsstaat kann - ist dazu aber nicht verpflichtet - zur Erleichterung der Zusammenarbeit die Behörden bezeichnen und dem Ständigen Büro der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Behörden mitteilen (Art. 45), an die Ersuchen nach Art. 8 und 9 (Übertragung der Zuständigkeit) und 33 (Pflegeunterbringung) gerichtet werden sollen. Da die Bestimmung nur der besseren Kooperation dienen soll, wird es genauso möglich sein, Ersuchen an die Zentralstelle mit dem Ersuchen um Weiterleitung an die zuständige Behörde zu adressieren. Österreich hat von dieser Möglichkeit dahin gehend Gebrauch gemacht, als Ersuchen nach Art. 33 an die Zentrale Behörde zu richten sind.

Zu Art. 46 bis 49 (Bundesstaatenklauseln):

Diese “Bundesstaatenklauseln” sind in Vertragsstaaten relevant, in denen - für bestimmte Gebietseinheiten (Art. 48) oder Personengruppen (Art. 49) - verschiedene Rechtssysteme gelten, nicht also für Österreich.

In Art. 46 wird klargestellt, dass das Übereinkommen auf rein innerstaatliche Sachverhalte nicht angewendet werden muss. Art. 47 bis 49 beziehen sich auf das in solchen “Bundesstaaten” für den jeweiligen Sachverhalt anzuwendende Recht: Zunächst soll dieses auf der Basis des interlokalen Kollisionsrechts ermittelt werden, wenn ein solches fehlt, nach den Regeln des Übereinkommens.

Zu Art. 50 (Vorrang des Haager Kindesentführungsübereinkommens):

Das Haager Kinderentführungsübereinkommen geht zwischen seinen Vertragsstaaten dem Übereinkommen vor. Dennoch kann es im Einzelfall angewendet werden, wenn es der Rückführung des Kindes oder der Durchsetzung des Besuchsrechts dient.

Zu Art. 51 (Verhältnis zum Haager Minderjährigenschutzübereinkommen 1961):

Das Übereinkommen löst zwischen seinen Vertragsstaaten das MSÜ und das am 12. Juni 1902 in Den Haag unterzeichnete Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige ab. Weil dieses Übereinkommen nur auf die Anerkennung nach seinem Inkrafttreten (in den betroffenen Staaten) erlassener Entscheidungen anwendbar ist (Art. 53 Abs. 2), hält der zweite Halbsatz ausdrücklich fest, dass dies auf Maßnahmen, die nach dem MSÜ getroffen wurden, keine Auswirkungen hat, sodass diese weiterhin anerkannt werden können.

Zum Verhältnis des MSÜ zum Übereinkommen wird auch auf die Erläuterungen zu Kapitel II und III verwiesen.

Zu Art. 52 (Entkoppelungsklausel):

Unter bestimmten Umständen stellt die Anwendung der Regeln eines anderen internationalen Instruments keinen Bruch dieses Übereinkommens dar. Die Bestimmung soll insbesondere die Kompatibilität mit dem im Jahr 1996 gerade im Entstehen begriffenen Übereinkommen über die Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (Brüssel II-Verordnung; nunmehr Brüssel IIa- Verordnung) sicherstellen.

Abs. 1: Im Verhältnis zu bereits bestehenden Vereinbarungen sieht Abs. 1 eine weitgehende Entkopplung vor. Diese Verträge sind weiterhin anzuwenden und gehen dem Übereinkommen vor. Die Auswirkung dieser Regelung ist in den allgemeinen Erläuterungen zu den Kapiteln II und III dargestellt.

Abs. 2: Die Vertragsstaaten dürfen Vereinbarungen über Angelegenheiten treffen, die vom Übereinkommen geregelt sind, doch soweit es Kinder betrifft, die auf dem Gebiet eines dieser Staaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (vgl. Art. 61 Brüssel IIa-Verordnung). Die Bestimmung hindert Vertragsstaaten aber nicht, mit Staaten, die dem Übereinkommen nicht angehören, Verträge zu schließen, die auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes keine Rücksicht nehmen und zum Beispiel an seine Nationalität anknüpfen.

Es wird auf die allgemeinen Erläuterungen zu den Kapiteln II und III verwiesen.

Abs. 3 stellt klar, dass sich Vertragsstaaten gegenüber anderen Vertragsstaaten nicht auf Verträge im sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens berufen können, die sie mit anderen Staaten, seien es Vertragsstaaten dieses Übereinkommens oder nicht, abgeschlossen haben.

Das bedeutet z. B., dass Vertragsstaaten, die nicht Parteien der Sondervereinbarung sind, keine Maßnahmen von Behörden anderer Vertragsstaaten anerkennen müssen, wenn diese ihre internationale Zuständigkeit nicht auf dieses Übereinkommen, sondern lediglich auf die Sondervereinbarung gestützt haben (sh. Art. 61 lit. b Brüssel IIa-Verordnung). Umgekehrt müssen Maßnahmen der nach diesem Übereinkommen international zuständigen Behörden eines Vertragsstaats, der nicht Partei eines Sonderabkommens ist, von den anderen Vertragsstaaten anerkannt werden, auch wenn sie mit anderen Vertragsstaaten ein Sonderabkommen getroffen haben, welches den entsprechenden Zuständigkeitstatbestand ausschließt.

Abs. 4 stellt Einheitsrecht, zum Beispiel der Europäischen Gemeinschaft, Übereinkommensrecht gleich.

Zu Art. 53 (Zeitlicher Geltungsbereich):

Art. 53 enthält Übergangsvorschriften für die Zuständigkeitsregeln (Abs. 1), die Anerkennung und Vollstreckung (Abs. 2) und (teilweise) für das Kollisionsrecht (Abs. 1).

Abs. 1: Die Regeln des Übereinkommens (insbesondere zur Zuständigkeit und Art. 15) sind nur auf Maßnahmen anzuwenden, die Behörden eines Vertragsstaates nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens für diesen Vertragsstaat getroffen haben. Maßnahmen, für die sich die Zuständigkeit auf Bestimmungen stützt, die vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens für den betreffenden Staat gegolten haben, berührt das Übereinkommen nicht, auch wenn die handelnden Behörden nach dem Übereinkommen nicht mehr zuständig sind. Sobald das Übereinkommen aber in Kraft getreten ist, müssen sich nunmehr unzuständige Behörden einer Entscheidung enthalten. Die internationale Zuständigkeit kann auch während des Verfahrens wegfallen.

Abs. 2 betrifft nur Kapitel IV; die Regeln über die Anerkennung und Vollstreckung sind nur anzuwenden, wenn das Übereinkommen in dem Zeitpunkt, in dem die Maßnahme getroffen wurde, sowohl im ersuchenden als auch im ersuchten Staat in Kraft gestanden ist.

Die Bestimmung trifft keine Vorkehrung zum zeitlichen Geltungsbereich der international privatrechtlichen Regel des Art. 16, wonach sich die Zuweisung und das Erlöschen der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes bestimmt. Nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens kommt es in Österreich zu einem Wechsel bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung, weil bis dahin die Wirkung des Kindschaftsverhältnisses nach nationalem Recht (§§ 9, 24, 25, 27 IPRG) ebenso wie nach Art. 3 MSÜ im Regelfall (vgl. § 9 Abs. 2 und 3 IPRG) nach dem Heimatrecht des Kindes zu beurteilen ist. Auf diese Weise kann es zu einem Wechsel des Obsorgeberechtigten kommen. Nach dem Lagarde-Bericht (Rz 179) liegt eine Lücke vor, die mit den Mitteln des innerstaatlichen Rechts geschlossen werden müsse. § 7 IPRG regelt den Statutenwechsel und nicht die Änderung der Rechtslage und ist daher nicht einschlägig. § 5 ABGB normiert die grundsätzliche Nichtrückwirkung von Gesetzen. Nach der zu § 50 IPRG vertretenen Auffassung betrifft dies jedoch nicht den Inhalt von Dauerrechtsverhältnissen, somit auch nicht die Frage, wem nach einer Änderung der kollisionsrechtlichen Anknüpfung die elterliche Verantwortung zukommt (vgl. Verschraegen, aaO, § 7 IPRG Rz 5, § 50 IPRG Rz 1f, Vor § 1 IPRG Rz 9). Demnach könnte es mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens zu einem Obsorgewechsel kommen. Der Bericht der Haager Konferenz, Abs. 179, führt dazu aus, es bleibe offen, ob nach der von der neuen Kollisionsregel bezeichneten Rechtsordnung der nunmehrige Träger der elterlichen Verantwortung an die Stelle seines Vorgängers trete, oder ob – in Analogie zur Lösung des Art. 16 für Konflikte, die sich aus dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts ergeben - dieser neue Verantwortungsträger zu seinem Vorgänger hinzutritt, bis der mögliche Konflikt zwischen den beiden durch eine Maßnahme der zuständigen Behörde des Aufenthaltsstaates des Kindes gelöst worden ist. Es könnte - entgegen den zitierten Ausführungen im Lagarde-Bericht - auch davon ausgegangen werden, dass bewusst keine Übergangsbestimmung zu der kraft Gesetzes bestehenden elterlichen Verantwortung aufgenommen wurde. In diesem Fall wäre Art. 16 mit Inkrafttreten des Übereinkommens anwendbar und könnte – durchaus in Übereinstimmung mit der dargestellten nationalen Rechtslage – zu einem Wechsel der elterlichen Verantwortung führen.

Zu Art. 54 (Übersetzung von Mitteilungen an die Zentralstelle):

Abs. 1: Mitteilungen an die Zentralen Behörden anderer Vertragsstaaten müssen von einer Übersetzung in deren Amtssprache begleitet sein, außer eine solche Übersetzung ist schwer erhältlich. In diesem Fall genügt eine Übersetzung in die französische oder englische Sprache.

Abs. 2: Zu Abs. 1 ist ein Vorbehalt insoweit erlaubt, als sich jeder Vertragsstaat gegen die Verwendung entweder des Englischen oder des Französischen verwahren kann. Da Österreich von der Möglichkeit nach Art. 34 Abs. 2, die direkte Zusammenarbeit der Behörden auszuschließen, nicht Gebrauch gemacht hat und Kenntnisse der französischen Sprache weniger weit verbreitet sind als der englischen, hat es gegen die Verwendung des Französischen einen Vorbehalt angebracht.

Zu Art. 55 (Vorbehalte):

Neben dem in Art. 54 Abs. 2 vorgesehenen Vorbehalt sieht diese Bestimmung zwei weitere Vorbehaltsmöglichkeiten vor:

-       Vorbehalt der Zuständigkeit zum Schutz des im Inland gelegenen Vermögens des Kindes und

-       Vorbehalt, die elterliche Verantwortung oder eine Maßnahme nicht anzuerkennen, soweit sie mit dem Schutz dieses Vermögens unvereinbar sind. Der Vorbehalt ist auf die “Trusts” der angloamerikanischen Rechtssysteme zugeschnitten, die allerdings ohnehin von diesem Übereinkommen ausgenommen sind.

Österreich hat von der Möglichkeit dieser Vorbehalte keinen Gebrauch gemacht.

Zu Kapitel VII – Schlussbestimmungen

Die Art. 57 bis 63 enthalten die in Haager Übereinkommen üblichen Schlussbestimmungen.

 

 

 

 

Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anlässlich der Genehmigung des vorliegenden Staatsvertrages zu beschließen, dass die französische Sprachfassung dieses Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen ist, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Justiz aufliegt.

 

Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser Sprachfassung Abstand genommen. Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf. Über­dies ist diese Regierungsvorlage mit allen Sprachfassungen auf der Homepage des Parlaments unter http://www.parlament.gv.at abrufbar.