Vorblatt

Problem

Unerwünschte Telefonwerbung („Cold Calling“) ist zwar bereits nach geltendem Recht unzulässig. Dennoch ist es bislang nicht gelungen, diese für Verbraucher äußerst lästige und des öfteren auch mit sehr unangenehmen Konsequenzen verbundene Vertriebsmethode einzudämmen. In der durch den unerwünschten Anruf geschaffenen Überrumpelungssituation schließen die Verbraucher in vielen Fällen Verträge ab, die sie sonst gar nicht geschlossen hätten. Teilweise wird der Verlauf dieser Telefongespräche von den anrufenden Personen auch so gelenkt, dass den Verbrauchern überhaupt nicht bewusst ist, dass sie einen Vertrag abgeschlossen haben, bis sie später (und zwar unter Umständen erst nach Ablauf der verlängerten Rücktrittsfrist nach § 5e Abs. 3 KSchG) eine Rechnung erhalten. Eine ebenfalls immer wieder beobachtete Praktik ist, dass ein Vertragsabschluss zwar tatsächlich nicht stattfindet, aber im Nachhinein – unter Zahlungsaufforderung und Klagsandrohung – vom Unternehmer behauptet wird.

Inhalt und Ziele

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll der Unternehmer verpflichtet werden, einen telefonisch ausgehandelten Vertrag schriftlich oder auf einem für den Verbraucher verfügbaren dauerhaften Datenträger besonders zu bestätigen. Darüber hinaus soll den Verbrauchern bei Verträgen, die während eines unerwünschten Telefonanrufs ausgehandelt worden sind, ein spezielles Rücktrittsrecht eingeräumt werden, das über das bereits bestehende Fernabsatz-Rücktrittsrecht (§§ 5e ff. KSchG) hinausreicht. Letztlich sollen bestimmte Verträge in diesem Zusammenhang für nichtig erklärt werden.

Alternativen

Keine.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens

- Finanzielle Auswirkungen

Keine.

- Wirtschaftspolitische Auswirkungen

-- Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich

Keine.

-- Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen

Die im Entwurf genannten Informationsverpflichtungen des Unternehmers entsprechen grundsätzlich jenen, die ihn bereits nach dem geltenden Fernabsatzrecht treffen. Etwaige Mehrkosten durch die Pflicht zur Belehrung über das Rücktrittsrecht bei Fernabsatzverträgen in denjenigen Fällen, die bisher vom Rücktrittsrecht ausgenommen sind, werden im Hinblick auf das Verbot dieses „Geschäftsmodells“ und im Interesse der Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung hinzunehmen sein.

- Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht

Eindämmung der Vertriebsmethode „Cold Calling“.

- Geschlechtsspezifische Auswirkungen

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Der Entwurf steht in Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs

Die geltende Rechtslage in Zusammenhang mit dem Schutz der Verbraucher vor unerbetenen Werbeanrufen („Cold Calling“) stellt sich wie folgt dar: § 107 Abs. 1 TKG 2003 erklärt Anrufe zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers für unzulässig. Verstöße dagegen sind mit einer Verwaltungsstrafe bis zu 37.000 Euro sanktioniert. Zudem stellen unerbetene Werbeanrufe nach der Judikatur unlautere bzw. aggressive Geschäftspraktiken im Sinne der §§ 1 und 1a UWG dar, sodass (auch durch Verbandsklage zu verfolgende) Unterlassungs- sowie Schadenersatzansprüche in Betracht kommen. Auf Verträge, die im Rahmen eines unerbetenen Werbeanrufs abgeschlossen werden, sind darüber hinaus in aller Regel die Bestimmungen über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz (§§ 5a bis 5i KSchG) anzuwenden, nach denen nicht nur bestimmte Informationspflichten vom Unternehmer zu erfüllen sind, sondern grundsätzlich auch ein Rücktrittsrecht des Verbrauchers (§ 5e KSchG) besteht. Allerdings ist das Rücktrittsrecht gemäß § 5f KSchG bei bestimmten Verträgen – so etwa bei Verträgen über Wett- und Lotteriedienstleistungen, aber auch schlechthin bei Verträgen über Dienstleistungen, mit deren Ausführung dem Verbraucher gegenüber vereinbarungsgemäß innerhalb von sieben Werktagen ab Vertragsschluss begonnen wird – ausgeschlossen.

Dennoch zeigt die Praxis, dass es durch dieses Instrumentarium noch nicht gelungen ist, das Phänomen „Cold Calling“ entscheidend zurückzudrängen. Um dem abzuhelfen und diese von mehreren Seiten als ungenügend empfundene Rechtslage zu verbessern, sieht der Entwurf für Verträge, die während eines unerwünschten Telefonanrufs ausgehandelt worden sind, ein besonderes Regime vor. Zum Ersten soll der Unternehmer zur Bestätigung der wesentlichen Vertragsdaten verhalten werden. Zum Zweiten soll er vor Eintritt der Gültigkeit des Vertrags nicht leisten dürfen. Zum Dritten soll dem Verbraucher nach Zugang der Bestätigung ein besonderes Rücktrittsrecht zukommen. Und zum Vierten sollen bestimmte Verträge, die auf diesem Weg zustande kommen, überhaupt nichtig sein.

Finanzielle Auswirkungen

Keine.

Kompetenzgrundlage

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG.


Besonderer Teil

Zu Z 1 (§ 5e Abs. 4)

Die vorgesehene Regelung  verlangt für die Gültigkeit von Verträgen, dass dem Verbraucher nach Abschluss eines Vertrags während eines gemäß § 107 Abs.  1 TKG 2003 unzulässigen Telefonanrufs eine besondere schriftliche Bestätigung übermittelt wird. Diese Bestimmung gilt für alle im „Cold Calling“ geschlossenen Verträge, auf welche die Fernabsatzregeln des Konsumentenschutzgesetzes Anwendung finden, also auch für jene Verträge, die von den Informationspflichten im Fernabsatz an sich ausgenommen sind (§ 5c Abs. 4 und § 5d Abs. 3 KSchG). Wenn sich ein Unternehmer dieser unzulässigen Vertriebsform bedient, ist es sachlich nicht gerechtfertigt, ihn von den allgemeinen Informations- und Bestätigungspflichten für den Versandhandel freizustellen.

Zur Gültigkeit eines Vertrags, der während eines unerwünschten Telefonanrufs ausgehandelt worden ist, bedarf es einer Bestätigung in Schriftform oder auf einem für den Verbraucher verfügbaren Datenträger durch den Unternehmer. In diesem Zusammenhang soll es jedenfalls ausreichen, wenn die Bestätigung dem Verbraucher  per E-Mail übermittelt wird und der Verbraucher die Bestätigung auf seinem Computer abspeichern und bei sich ausdrucken bzw. laufend darstellen kann (Brenn [Hrsg], ECG, 45). Hier genügt daher die Möglichkeit zum Download und zum Ausdruck. Diese Bestätigung muss binnen einer Woche ab dem Anruf abgesendet werden. Sie muss außer den wesentlichen Vertragsinhalten die in § 5d Abs. 1 und 2 KSchG angeführten Informationen, den Tag des telefonischen Vertragsabschlusses sowie die den Verbraucher treffenden Zahlungspflichten enthalten. Dabei ist der Unternehmer gehalten, alle diese Informationen in klarer und verständlicher Art und Weise darzustellen. Wenn die Bestätigung des Unternehmers nicht alle gesetzlich geforderten Informationen enthält oder wenn sie es an der gesetzlich geforderten Transparenz mangeln lässt, wird der Vertrag nicht „gültig“, er kommt also nicht wirksam zustande. Darauf soll sich freilich nur der Verbraucher berufen können.

Wenn aber der Unternehmer allen seinen Informationspflichten rechtzeitig nachgekommen ist, steht dem Verbraucher ein besonderes Rücktrittsrecht zu. Die Rücktrittsfrist beginnt in einem solchen Fall mit dem Zugang der Information an den Verbraucher, sie beträgt so wie beim „normalen“ Rücktritt vom Fernabsatzgeschäft sieben Werktage, wobei der Samstag wiederum nicht als Werktag gilt (vgl. § 5e Abs. 2 KSchG)

Vor Eintritt der Gültigkeit des Vertrags  darf der Unternehmer weder erfüllen noch Zahlungen verlangen oder annehmen. Der Verbraucher kann sämtliche Leistungen, die er vor der Gültigkeit des Vertrags erbringt, vom Unternehmer zurückfordern. Dabei kann der Unternehmer dem Verbraucher nicht ein Entgelt für die zwischenzeitige Benützung der Sache oder eine Zahlung für deren Wertminderung in Rechnung stellen. Diese Begleitmaßnahmen sind erforderlich, um das Rücktrittsrecht des Verbrauchers in dieser besonders problematischen Vertriebsform effektiv sicherzustellen.

Der letzte Satz der vorgeschlagenen Regelung sieht letztlich vor, dass Verträge im Zusammenhang mit Wett- und Lotteriedienstleistungen, die während eines nach § 107 Abs. 1 TKG unzulässigen Telefonanrufs ausgehandelt worden sind, nichtig sind. Unter diesen Wortlaut fallen Verträge über Wett- und Lotteriedienstleistungen, insbesondere auch Verträge, in denen ein Unternehmer die Weiterleitung von Lottotipps an Lottounternehmen anbietet oder in denen Spielgemeinschaften oder Spielabonnements unternehmerisch organisiert werden. Der gerade in diesem Bereich besonders starke Vertriebsdruck auf die Verbraucher, deren Spielfreude oder -trieb ausgenützt wird, erfordert die Nichtigkeitsfolge. Nichtig sollen darüber hinaus aber auch Verträge im Zusammenhang mit Gewinnzusagen sein. Dazu gehören auch kostenpflichtige Leistungen, die im Rahmen einer Gewinnzusage angeboten werden (z. B. „Einzelzimmerzuschlag“ oder „Saisonzuschlag“ bei gewonnenen Reisen). Dabei muss hier nicht eigens gesagt werden, dass sich der Unternehmer nicht auf die zum Schutz des Verbrauchers geschaffene Nichtigkeitssanktion berufen kann. Die Bestimmung des § 5j KSchG über die Einklagbarkeit von Gewinnzusagen wird durch die neue Regelung nicht berührt.

Die vorgesehenen Regelungen über die Bestätigung und den besonderen Rücktritt von „Cold-Calling-Verträgen“ sollen ganz allgemein nur dann greifen, wenn während des unzulässigen Telefonanrufs überhaupt ein Vertrag zustande gekommen ist. Wenn dem Verbraucher auf Grund der Umstände des unerwünschten und unzulässigen Anrufs nicht bewusst war, dass er mit seinen Erklärungen einen Vertrag schloss, wird ein solcher in aller Regel nicht zustande kommen, zumal der Unternehmer (der gegen eine klare gesetzliche Regelung verstößt und auch noch unbefugt in die Privatsphäre des Verbrauchers eingreift) in seinem Vertrauen auf die Erklärung seines Gegenübers in keiner Weise schutzwürdig ist. Darüber hinaus stehen dem Verbraucher auch sonst alle Einreden aus dem behaupteten Vertrag offen, insbesondere die Einrede der Arglist oder des Irrtums nach den §§ 870 ff. ABGB (vgl. auch § 2 Abs. 1 KSchG).

Die vorgeschlagenen Regelungen weichen von den allgemeinen Bestimmungen über den Vertragsabschluss im Fernabsatz im Interesse der betroffenen Verbraucher ab. Das erklärt sich insbesondere daraus, dass das so genannte „Cold Calling“ nicht nur gegen spezielle Regelungen des Telekommunikationsrechts verstößt, sondern auch ganz erheblich in die Privatsphäre der Verbraucher eingreift. Eine Ausweitung des vorgeschlagenen Regelungsansatzes auf andere Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes erscheint aufgrund dieser besonderen Gegebenheiten ungeeignet. Unionsrechtlich bereiten die vorgesehenen Bestimmungen schon deshalb keine Probleme, weil solche Vertriebspraktiken in der Fernabsatz-Richtlinie 97/7/EG nicht geregelt werden und diese Richtlinie darüber hinaus für den Verbraucher günstigere Regelungen zulässt.

Zu Z 2 (§ 5f Abs. 2)

Diese Gegenausnahme zu den für Fernabsatzverträge geltenden Ausnahmen des § 5f KSchG erscheint notwendig, weil ansonsten der intendierte Schutz gerade in zentralen Bereichen des missbräuchlichen Geschehens nicht greifen würde. Daher steht dem Verbraucher das Rücktrittsrecht auch bei Verträgen über Dienstleistungen, mit deren Ausführung dem Verbraucher gegenüber vereinbarungsgemäß innerhalb von sieben Werktagen ab Vertragsschluss begonnen wird, aber auch bei Verträgen über Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierte sowie bei Verträgen über Hauslieferungen und Freizeit-Dienstleistungen zu.

Zu Z 3 (§ 41a Abs. 24)

Die Neuerungen sollen für Verträge gelten, die im Zuge von nach dem 28. Februar 2011 stattfindenden unerwünschten Telefonanrufen geschlossen werden.