1092 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (1077 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenver­sicherungsgesetz 1977 geändert werden

Am 30. April 2011 läuft für die am 1. Mai 2004 der Europäischen Union beigetretenen neuen Mitgliedstaaten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn (EU-8-Mitgliedstaaten) die siebenjährige Übergangsfrist für die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit (in bestimmten geschützten Wirtschaftssektoren) aus. Bürger dieser Mitgliedstaaten haben ab 1. Mai 2011 volle Arbeitnehmerfreizügigkeit und unterliegen dann nicht mehr dem Regime des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG). Die Übergangsbestimmungen des AuslBG (§ 32a) sind daher so zu gestalten, dass sie nur mehr für die am 1. Jänner 2007 beigetretenen Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien weitergelten.

In Umsetzung des Regierungsprogramms (Kapitel „Arbeit“ und „Migration und Integration“) ist ein neues kriteriengeleitetes Zuwanderungsmodell einzuführen, das besonders Hochqualifizierten, Fach­kräften in Mangelberufen und sonstigen Schlüsselkräften aus Drittstaaten bei Erfüllung personen­bezogener und nach Punkten bewerteter Kriterien und klar definierter arbeitsmarktpolitischer Voraussetzungen eine qualifizierte Beschäftigung und einen dauerhaften Arbeitsmarktzugang in Österreich ermöglicht. Darüber hinaus wird auch den im Nationalen Aktionsplan für Integration (NAP) im Kapitel „Handlungsfeld Arbeit und Beruf“ festgelegten Zielen Rechnung getragen und der Arbeits­marktzugang für nachgezogene Familienangehörige, für ausländische Absolventen österreichischer Hochschulen und für ausländische Schüler und Studierende erleichtert.

Die jährlich mit Verordnung festgesetzten Ausländer-Landeshöchstzahlen haben seit der Einführung eines strengen Quotenregimes in den Fremdengesetzen zunehmend ihre Funktion als quantitatives Steuerungsinstrument verloren. Nach der Arbeitsmarktöffnung können auch die freizügigkeits­berechtigten EU-8-Arbeitskräfte nicht mehr angerechnet werden. Daher sind ein von Ausländer-Landeshöchstzahlen unabhängiges Zulassungsverfahren, klare Regelungen für die Anrechnung von Ausländern auf die Bundeshöchstzahl und – entsprechend einem Vorschlag der Sozialpartner – ein neues System für die befristete Zulassung ausländischer Saisoniers zu schaffen.

Darüber hinaus sollen zwei EU-Richtlinien umgesetzt werden:

Die Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindest­standards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen, kurz „Sanktionenrichtlinie“, richtet sich gegen die rechtswidrige Einwanderung und sieht gemeinsame Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber vor, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (CELEX Nr. 32009L0052).

Die Richtlinie 2009/50/EG des Rates vom 25. Mai 2009 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung, kurz „Blue-Card-Richtlinie“, regelt die Zulassung hochqualifizierter Drittstaatsangehöriger und ihrer Familien­angehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung in einem Mitgliedstaat (CELEX Nr. 32009L0050).

Der Anspruch auf eine Alterspension schließt den Anspruch auf Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit aus. Nur der Anspruch auf eine Korridorpension steht dem Leistungsbezug im Falle von bestimmten, dem Dienstnehmer nicht vorwerfbaren Beendigungsgründen für die Dauer von bis zu einem Jahr nicht entgegen. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, G 74/10-7, im Bundesgesetzblatt II Nr. 2/2011 kundgemacht am 20. Jänner 2011, mit Ablauf des 30. Juni 2011 die im § 22 Abs. 1 AlVG festgelegte Einschränkung auf die im Gesetz bestimmten Beendigungsgründe als verfassungswidrig aufgehoben, weil diese Regelung keinen Spielraum zur gebotenen Berücksichtigung anderer nicht vorwerfbarer Beendigungsgründe lässt.

Mit der vorliegenden Neuregelung im AlVG sollen die bereits bisher gesetzlich vorgesehenen Beendigungsgründe (Kündigung durch den Dienstgeber, berechtigter vorzeitiger Austritt, Lösung während der Probezeit und Fristablauf, wenn dem befristeten Dienstverhältnis kein unbefristetes Dienst­verhältnis mit demselben Dienstgeber voranging) um den Beendigungsgrund der ungerechtfertigten oder sonstigen unverschuldeten Entlassung und bestimmte Fälle der einvernehmlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ergänzt werden.

Der Entwurf enthält im Einzelnen folgende Maßnahmen:

‑       Einschränkung der Übergangsbestimmungen zur EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit auf die Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien;

‑       Neuregelung des Arbeitsmarktzuganges von besonders Hochqualifizierten, von Fachkräften in Mangelberufen und von sonstigen Schlüsselkräften aus Drittstaaten nach einem kriteriengeleiteten Punktesystem; Entfall der Quotenpflicht;

‑       Regelungen für die Arbeitsmarktzulassung von ausländischen Absolventen österreichischer Hochschulen und von Anwärtern auf eine „Blaue Karte EU“;

‑       Unbeschränkter Arbeitsmarktzugang für nachgezogene Familienangehörige;

‑       Schaffung eines von Ausländer-Landeshöchstzahlen unabhängigen Bewilligungverfahrens und klarer Regelungen für die Anrechnung von Ausländern auf die Bundeshöchstzahl;

‑       Beschäftigungsbewilligungen ohne Arbeitsmarktprüfung für Schüler und Studenten sowie für Personen mit besonderem Schutz;

‑       Anpassung der Regelungen für die Zulassung ausländischer Saisoniers an die Arbeitsmarktöffnung; Umsetzung der Sozialpartnereinigung über ein Saisoniermodell - neu;

‑       Anpassung der Ausnahmeregelungen für drittstaatsangehörige Familienangehörige von EWR-Bürgern und Österreichern an die Judikatur der Höchstgerichte;

‑       Aufhebung der Ermächtigung der Bundesregierung zum Abschluss von Schlüsselkräfte- und Pendler­abkommen mit EU-Nachbarländern;

‑       Entfall der diskriminierenden Bewilligungsauflage betreffend die vorrangige Kündigung von Ausländern bei Verringerung von Arbeitsplätzen oder bei Einführung von Kurzarbeit;

‑       Erweiterung des Anhörungsrechts des Ausländerausschusses des AMS-Verwaltungsrates;

‑       Aufnahme zwingend gebotener zusätzlicher Lösungstatbestände, die den befristeten Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung trotz Korridorpensionsanspruchs ermöglichen.

Umsetzung der Sanktionenrichtlinie:

‑       Systematische Information unrechtmäßig beschäftigter Ausländer über ihre Arbeitnehmerrechte vor Vollstreckung aufenthaltsbeendender Maßnahmen;

‑       Meldepflicht für die Beschäftigung von Ausländern ohne Daueraufenthaltsrecht;

‑       Widerlegbare gesetzliche Vermutung, dass die illegale Beschäftigung drei Monate gedauert hat;

‑       Haftung des Auftraggebers für nicht bezahlte Löhne und für Verstöße seines unmittelbaren Auftragnehmers bei Nichteinhaltung von Sorgfaltspflichten; Haftung für nicht bezahlte Löhne und für Verstöße aller weiterer Subauftragnehmer bei wissentlicher Duldung;

‑       Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen einschließlich EU-Förderungen und Rückzahlung gewährter Förderungen bei wiederholten Verstößen gegen das AuslBG;

‑       Schaffung von gerichtlichen Straftatbeständen für schwere Formen der illegalen Ausländerbeschäftigung.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützen sich die Änderungen auf Art. 10 Abs. 1 Z 3 und 11 B-VG („Ein- und Auswanderungswesen“ und „Arbeitsrecht und Sozialversicherungswesen“).

Finanzielle Erläuterungen zu den Änderungen im Ausländerbeschäftigungsgesetz:

Mit der Arbeitsmarktöffnung für die EU-8-Mitgliedsaaten und der Neugestaltung der Zuwanderung wird dem österreichischen Arbeitsmarkt ein zusätzliches Angebot an qualifizierten Arbeitskräften eröffnet. Der Arbeitsmarktzugang von Schlüssel- und Fachkräften erzeugt keine Verdrängungseffekte, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten sind komplementär zu den in Österreich vorhandenen, sodass ihre Beschäftigung zusätzliche Arbeitsplätze und Wachstumsimpulse schaffen kann. Qualifizierte Arbeitskräfte tragen zu einem höheren Beschäftigungsniveau mit entsprechend höheren Sozialversicherungsbeiträgen und Steuereinnahmen bei. Da jedoch das Ausmaß der Neuzuwanderung sehr stark von der schwer prognostizierbaren Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes und nicht zuletzt vom Wanderungsverhalten der Arbeitskräfte abhängt, können die zusätzlichen Einnahmen nur vorsichtig geschätzt werden.

Unter der Annahme, dass jährlich rund 8.000 qualifizierte Arbeitskräfte im Rahmen des neuen kriterien­geleiteten Zuwanderungsmodells eine Beschäftigung aufnehmen, würden die zusätzlich lukrierten Abgaben in Summe rund 143 Mio. Euro betragen (s. Tabelle).

Der Verwaltungsaufwand des Arbeitsmarktservice für die Vollziehung der neuen Zuwanderungsregeln und die mit dem Entfall der Bewilligungspflicht für Arbeitskräfte aus den EU-8-Mitgliedstaaten verbundenen Einsparungen werden sich die Waage halten, sodass der vorliegende Gesetzentwurf beim Arbeitsmarktservice keine zusätzlichen Verwaltungskosten verursachen wird.

Der zusätzliche Verwaltungsaufwand der österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland (Botschaften, Konsulate) im Zusammenhang mit der Erteilung von Arbeitssuchevisa für Hochqualifizierte kann mangels Vorhersehbarkeit der zu erwartenden Antragszahlen, die von der Zahl der jährlich zu einer Beschäftigung in Österreich zugelassenen Hochqualifizierten (geschätzte 800 Personen) stark abweichen können, nicht seriös prognostiziert werden.

 

 

Jahres- bestand

Einkommen (brutto)

DN-Abgaben

DG-Abgaben

Abgaben/ Gruppe

Abgaben jährlich

Hochqualifizierte

800

2.857

1.209

1.004

1.770.400

24.785.600

Fachkräfte in Mangelberufen

2.500

1.786

488

558

2.615.000

36.610.000

Sonstige Schlüsselkräfte

3.000

2.055

617

642

3.777.000

52.878.000

Studien-absolventen

1.700

2.000

591

625

2.067.200

28.940.800

Summe

8.000

 

 

 

 

143.214.400

 

Finanzielle Erläuterungen zu den Änderungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977:

Ausgangsbasis

Nach einer Auswertung aus dem Datenbestand des AMS (Stichtagsauswertung) beziehen monatlich durchschnittlich 1.360 Personen in der für eine Korridorpension relevanten Altersgruppe (62 bis 63,5 Jahre) eine für eine Beurteilung nach § 22 Abs. 1 AlVG in Betracht kommende Geldleistung.

Eine durch das AMS vorgenommene Stichprobenerhebung ergab, dass in der genannten Altersgruppe rund 25 Prozent der Leistungsbezieher die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Korridorpension erfüllen. Von den 1.360 Leistungsbeziehern in der Altersgruppe erhalten somit rund 340 Personen die Geldleistung nur, weil ihr Dienstverhältnis einen der in § 22 Abs. 1 AlVG angeführten Beendigungs­gründe aufweist.

Der Aufwand für die derzeit noch geltende Regelung beträgt in der Arbeitslosenversicherung rund 6 Mio. Euro jährlich und setzt sich wie folgt zusammen:

Durchschnittliche Leistungshöhe in der Altersgruppe rund 32 Euro täglich.

32 Euro x 365 Tage x 340 Personen = rd. 4 Mio. Euro + 50 % SV-Anteil (KV-Beiträge, Krankengeld­ersatz an KV-Träger, PV-Beitrag) = rd. 6 Mio. Euro

Die im § 22 Abs. 1 AlVG angeführten Beendigungsgründe (einschließlich der in der Verwaltungspraxis aufgrund der dazu ergangenen Durchführungsweisung bereits berücksichtigten ungerechtfertigten Entlassung) treffen auf rund 39 % aller Beschäftigungsbeendigungen zu (Auswertung aus den elektronischen Dienstgeberabmeldungen – ELDA).

Aufwandschätzung

Die Neuregelung umfasst im Wesentlichen zusätzlich nur jene Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis einvernehmlich gelöst wurde und in denen dem Arbeitnehmer eine Abstandnahme von der einvernehmlichen Lösung (und damit ein weiterer Verbleib im Betrieb) nach Maßgabe der vorliegenden Umstände nachweislich nicht zumutbar wäre.

Einvernehmliche Lösungen liegen nach der vorstehend erwähnten Auswertung der Abmeldegründe rund 36 % aller Beschäftigungsbeendigungen zu Grunde. Unter der Annahme, dass nur bei jeder zwanzigsten einvernehmlich erfolgten Beschäftigungsauflösung (= 5 %) dem Arbeitnehmer ein Weiterverbleib im Betrieb tatsächlich nachweislich nicht zumutbar wäre, würde dies den Personenkreis um rund 16 Personen (= 340 Personen / 39 * 36 /20) und damit um 4,7 % jährlich erhöhen.

Der Mehraufwand in der AlV würde daher 4,7 %, d.s. rund 280.000 Euro jährlich betragen.

Ohne Neuregelung können ab 1.7.2011 alle Personen bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen auf eine Korridorpension unabhängig von der Art der Beendigung bis zu einem Jahr länger eine AlV-Leistung beziehen. Dies würde bedeuten, dass die Zahl der davon begünstigten Leistungsbezieher von 340 auf rund 870 (= 340 / 39 * 100) ansteigt. Dies wäre eine Erhöhung um 530 Personen und damit um rund 155 %. Der jährliche Mehraufwand ohne Neuregelung würde in der AlV demnach rund 9,3 Mio. Euro jährlich betragen.

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 15. März 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dr. Martin Bartenstein die Abgeordneten Mag. Alev Korun, Sigisbert Dolinschek, Dr. Walter Rosenkranz und Johann Hechtl sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S,V dagegen: F,G,B ) angenommen.

Ein von den Abgeordneten Mag. Alev Korun eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Umsetzung des EuGH-Urteils Gerardo Ruiz Zambrano gegen Office national de l’emploi (ONEm) fand keine Mehrheit (für den Antrag: G dagegen: S,V,F,B ).

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1077 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2011 03 15

                          Dr. Martin Bartenstein                                                          Renate Csörgits

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau