1233 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 879/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringend erforderliche Maßnahmen gegen überlange Arbeitszeiten und zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen

Die Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 19. November 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Ein Kurswechsel in der österreichischen Arbeitszeitpolitik ist dringend erforderlich. Österreich befindet sich mit 42,5 Stunden tatsächlich geleisteter Arbeitszeit seit Jahren an der EU-Spitze. Laut der jüngsten IFES-Umfrage leistet in Österreich trotz Wirtschaftskrise jede/r vierte Vollzeitbeschäftigte Überstunden. Im ersten Quartal 2009 waren es bereits 730.000 Personen, die im Durchschnitt 8,5 Überstunden pro Woche erbrachten, ein Viertel davon bleibt in der Regel unbezahlt und unausgeglichen. Zeitguthaben können nur schwer abgegolten werden und verfallen häufig. Diese Problematik ist aber keinesfalls neu, immer wieder haben Studien der letzten Jahre auf einen massiven Anstieg der realen Arbeitszeiten hingewiesen. Die Entwicklung wurde jedoch von Regierungspolitik und Wirtschaft bewusst in Kauf genommen: allein zwischen 2004 und 2007 ist die Zahl jener, die in Österreich regelmäßig Überstunden leisten, um 26,8 % auf 822.000 Personen gestiegen. Da die Verlängerung der Arbeitszeit meist ohne Lohnausgleich erfolgt, kommt sie de facto einer Senkung der Stundenlöhne gleich. Heute sind viele Beschäftigte und Familien aufgrund sinkender oder stagnierender Reallöhne dazu gezwungen, immer länger zu arbeiten, um einen bereits erreichten Lebensstandard überhaupt halten zu können. Das geht auf Kosten ihrer Gesundheit, ihrer Familien, ihres ehrenamtlichen Engagements und ihrer Lebensqualität. Gesundheitliche Probleme, Burn-Out, sozialer Rückzug und die Zementierung geschlechtlicher Rollen und Arbeitsteilung sind die Folge. Wenn Vollzeitarbeit derart zeitlich ausufert, haben vor allem Frauen mit Betreuungspflichten - auch in Anbetracht des mangelnden Angebotes an Betreuungseinrichtungen mit langen Öffnungszeiten - kaum mehr die Möglichkeit, dieser nachzugehen. Sie hängen in der Teilzeitarbeit fest. Viele Männer hingegen, die sich überwiegend in Vollzeitbeschäftigungen befinden, haben immer weniger Zeit, sich den unbezahlten Arbeiten und ihren Familien zu widmen.

Arbeitszeitverlängerung führt dazu, dass Stammbelegschaften immer intensiver beansprucht und keine neuen Jobs im Unternehmen mehr geschaffen werden. Diese Entwicklung wird durch die Wirtschaftskrise verschärft. Sie zeigt auch auf, dass Überstunden nicht nur zum Abdecken von Produktionsspitzen geleistet werden, sondern längst zum strukturellen Problem des österreichischen Arbeitsmarktes geworden sind. So ist die Zahl der Überstunden trotz Krise seit 2008 nur um 6% gesunken, während die Arbeitslosigkeit - im Vergleich zum Vorjahr - um 31,9% gestiegen ist. 2008 wurden 370 Millionen Über­stunden geleistet, das entspricht 180.000 Vollzeit- Arbeitsplätzen. Gegenwärtig gibt es 234.505 Menschen ohne Job, junge Menschen sind von der Arbeitslosigkeit besonders stark betroffen. Während junge ArbeitnehmerInnen derzeit kaum eine Chance haben auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, müssen viele Beschäftigte im Rahmen von Überstunden oft weit über ihre Belastungsgrenzen hinaus zur Verfügung stehen.

Die Politik der Sozialpartner und der Regierung hat die massive Ausweitung der Arbeitszeiten für bestimmte Personengruppen am österreichischen Arbeitsmarkt gefördert. Die letzte große Novelle des Arbeitszeitgesetzes 2007 ermöglichte eine weitere Ausdehnung der maximal zulässigen Höchstarbeits­zeiten, mehr Möglichkeiten der Ausweitung der täglichen Normalarbeitszeit und die Verlagerung der Arbeitszeitvereinbarungen auf Betriebsebene auch ohne Betriebsrat. Im Herbst 2008 stimmten ÖVP und SPÖ einem BZÖ-Antrag zur Ausweitung der steuerlichen Begünstigung der ersten fünf auf die ersten zehn Überstunden zu. Zudem ist die Zahl der Arbeitsverträge, bei denen die Arbeitszeit keine Rolle mehr spielt – wie Freier Dienstverträge oder All-Inclusive-Verträge – seit den 1990er Jahren stark angestiegen. Laut einer von der GPA-djp 2005 in Auftrag gegebenen Studie besitzt bereits ein Viertel der befragten ArbeitnehmerInnen eine All-inclusive-Klausel in ihrem Arbeitsvertrag (bei den unter 30 jährigen sogar ein Drittel). Diese ‚All-inclusive-Verträge‘ erhalten längst nicht mehr – wie nach allgemeiner Vorstellung – nur ‚Top-VerdienerInnen‘: laut der Studie verdient ein Fünftel der Befragten mit All-inclusive Verträgen unter 1000 Euro monatlich und ein Großteil zählt zu den Durchschnitts­verdienerInnen. Eine politische Gegensteuerung seitens der Regierung fehlt weitgehend.

Arbeitszeitverkürzung schafft mehr Beschäftigung, laut einer WIFO Studie zur Arbeitszeitverkürzung würde eine Halbierung der Überstunden zu einem Anstieg der Nachfrage an Beschäftigten um etwa 65 000 (2,0%) führen. Daher ist in Krisenzeiten mit steigender Arbeitslosigkeit Arbeitszeitverkürzung Gebot der Stunde.  Statt regelmäßiger Überlastung Weniger sollten breitere und gesündere Beschäftigungs­möglichkeiten für mehr Menschen geschaffen werden. Die gesetzlichen Rahmen­bedingungen müssen dafür geändert werden, so dass es günstiger wird, neue Beschäftigte einzustellen, statt wenige immer stärker zu belasten.

Lang hat es gedauert, aber nun hat auch Minister Hundstorfer zugegeben, dass es in Österreich ein Problem überlanger Arbeitszeiten gibt und dass über die Eindämmung dieser überlangen Arbeitszeiten neue Beschäftigung geschaffen werden könnte. Leider vermissen wir bis heute dazu notwendige Maßnahmen auf Gesetzesebene.

Da die derzeitige Gesetzeslage die weitere Ausweitung der Spitzenarbeitszeiten fördert und die Problematik damit verstärkt, braucht es dringend notwendige Änderungen auch auf Gesetzesebene.

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 5. Oktober 2010 und am 8. Juni 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Mag. Birgit Schatz die Abgeordneten Dr. Andreas Karlsböck, Sigisbert Dolinschek, August Wöginger, Erwin Spindelberger, Dr. Sabine Oberhauser, MAS, Dr. Martin Bartenstein, Franz Riepl, Johann Hell, Ing. Norbert Hofer und Karl Öllinger sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag unter Berücksichtigung des von der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz eingebrachten Abänderungsantrages keine Mehrheit (für den Antrag: G dagegen: S,V,F,B ).

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser, MAS gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2011 06 08

                    Dr. Sabine Oberhauser, MAS                                                    Renate Csörgits

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau