1240 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1483/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Umgehung von Anstellungen durch atypische Beschäftigungsformen / Nichteinhaltung von Mindestlöhnen - Einführung einer Mitteilungspflicht gegenüber den Interessenvertretungen sowie Einführung eines Verbandsklagerechts im Arbeits- und Sozialrecht

Die Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 30. März 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Ausbreitung von atypischen und prekären Beschäftigungsverhältnissen wurde und wird einerseits auf legalem Wege durch eine unfaire neoliberale Flexibilisierungspolitik, sowie auf illegalem Wege, durch die Umgehung und den Missbrauch des herrschenden Arbeits- und Sozialrechtes vorangetrieben.

Die neuen atypischen Beschäftigungstitel schufen neben legalen Möglichkeiten für Unternehmen, Arbeitskosten zu reduzieren, auch ein Einfallstor für illegale Praxen. Die GPA-djp geht z.B. davon aus, dass 75% aller Freien Dienstverhältnisse Umgehungsverhältnisse sind. Es gibt Branchen, wo atypische Vertragsformen auffällig häufig angewendet werden und das in Tätigkeitsbereichen, die aufgrund ihrer Natur offensichtlich Anstellungsverhältnissen zur Folge haben müssten.

Für die Betroffenen sind unsichere, befristete Beschäftigungsverhältnisse mit geringerem Einkommen und lückenhaftem Versicherungsschutz die Folge und gleichzeitig oft die einzige Möglichkeit der Erwerbstätigkeit. Einzelne Betroffene erfahren erst im Nachhinein, dass sie falsch beschäftigt wurden bzw. welche Nachteile ihnen aus einem atypischen Arbeitsverhältnis erwachsen. Das Spektrum reicht von fehlender Arbeitlosen-, Pensions- oder Krankenversicherung zu geringem Einkommen.

Auch Arbeitgeber leiden unter Wettbewerbsnachteilen, wenn ihre Mitbewerber durch Umgehung der regulären Anstellung von MitarbeiterInnen bzw. durch Bezahlung zu geringer Arbeitsentgelte billiger anbieten; das Sozialsystem und der Fiskus werden um hunderttausende Euro jährlich geprellt.

Durch das neue LSDB-G wird es zwar zu Verbesserungen kommen, da nun erstmals die Einhaltung von Mindestlöhnen – wo gem. KV vorhanden – direkt kontrolliert werden kann, dennoch sind im gegenwärtigen System aus Arbeitsrecht, Kontrollen und Sanktionen Umgehungen der Sozialabgaben und Steuern sowie Lohndumping noch zu einfach. Kontrollen erfolgen primär stichprobenartig und die Kontrollbehörden sind mit sehr geringen personellen Ressourcen ausgestattet. Sanktionen werden von den Unternehmen daher kaum erwartet; auch sind die Strafen nicht abschreckend genug und bei Unternehmen mit Sitz im Ausland nur schwer geltend zu machen.

Eine Information der gesetzlichen Interessenvertretungen über festgestellte Übertretungen und Umgehungen des ASVG sowie über die Nichteinhaltung von Mindestlöhnen/Unterentlohnung ist im neuen LSDB-G leider nicht vorgesehen. Auch die betroffenen ArbeitnehmerInnen werden nicht darüber in Kenntnis gesetzt; sie erfahren lediglich von z.B. der Unterentlohnung wenn ihr/e ArbeitgeberIn sich, um das im neuen LSDB-G vorgesehene Strafausmaß zu mindern, dazu entschließt, ihnen den Differenzbetrag zwischen Unterentlohnung und vorgesehenem Mindestlohn nachzuzahlen. Da einzelne ArbeitnehmerInnen gegenüber sie (wissentlich) benachteiligenden ArbeitgeberInnen in der schwächeren Position sind, sollten jedenfalls die gesetzlichen Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen über Mißstände informiert werden.

Die Umgehung von Anstellungen durch (wissentlich) falsch angewendete Arbeitsverträge ist sehr schwer nachzuweisen. Betroffene ArbeitnehmerInnen haben, – so Unregelmäßigkeiten ihres Arbeitgebers nicht im Rahmen einer stichprobenartigen Kontrolle, welche durch das neue LSDB-G nun vorgesehen ist, entdeckt werden und so sie sich des Unrechts ihrer Situation bewusst sind – derzeit nur die individuelle Klagemöglichkeit bzw. die Möglichkeit, Anzeige zu erstatten. Eine individuelle Klage wird von vielen nicht eingebracht, aufgrund von Informationsmangel oder Angst, weil sie den Verlust ihrer Beschäftigung oder ihres Aufenthaltstitels fürchten. Aus den selben Gründen wird kaum eine Anzeige eingebracht werden. Auch besteht keine Verpflichtung des Kontrollorgans, einer Anzeige nachzugehen.

Die Schaffung einer Verbandsklagemöglichkeit durch Interessenvertretungen (wie sie noch im Ministerialentwurf zum LSDB-G vorgesehen war) würde das derzeit bestehende Ungleichgewicht beseitigen und ein effektiveres Vorgehen gegen nicht gesetzeskonform handelnde UnternhmerInnen erlauben. Dies würde letztlich sowohl ArbeitnehmerInnen als auch redlichen UnternehmerInnen zugute kommen – auch wenn nun durch das neue LSDB-G bei Vorliegen eines Bescheides die Möglichkeit einer Klage auf Unterlassung nach dem UWG bestehen dürfte.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 8. Juni 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Birgit Schatz die Abgeordneten Werner Neubauer, Sigisbert Dolinschek, Ridi Maria Steibl und Ulrike Königsberger-Ludwig sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (für den Antrag: F,G,B dagegen: S,V ).

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2011 06 08

                    Ulrike Königsberger-Ludwig                                                    Renate Csörgits

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau