Vorblatt

Problem:

Durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. September 2010, G 58/10; G 59/10 besteht Handlungsbedarf.

Ziel:

Anpassung der Rechtslage an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes.

Inhalt /Problemlösung:

Neuregelung der Voraussetzungen für die Anerkennung als gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft, Schaffung eines geordneten Verfahrens bei Aufhebung einer Anerkennung und Ersatz der Kundmachung von Anträgen im Amtsblatt durch eine moderne Methode.

Alternativen:

Keine.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

Finanzielle Auswirkungen:

Geringfügige Einsparungen durch den Entfall der Kundmachungskosten.

Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürger/innen und für Unternehmen:

Es sind keine Informationsverpflichtungen für Bürger/innen oder für Unternehmen vorgesehen.

Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Das Regelungsvorhaben ist nicht klimarelevant.

Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine.

Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine.

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Der vom Verfassungsgerichtshof (G 58/10; G 59/10) und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR Nr. 40825/98) geäußerten Kritik an der Regelung des Erfordernisses des Bestandes durch 20 Jahre, davon 10 Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft, als nicht ausreichend auf die individuelle Situation der Konfessionen eingehend, soll Rechnung getragen werden. Ergänzend soll für den Fall der Aufhebung einer Anerkennung, die derzeit bereits möglich aber nicht geregelt ist, ein Verfahren vorgesehen werden, das auch eine Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts einfach und rasch ermöglicht.

Finanzielle Auswirkungen:

Keine.

Kompetenzrechtliche Grundlage:

Ein dem Entwurf entsprechendes Bundesgesetz gründet sich kompetenzrechtlich auf Art. 10 Abs. 1 Z. 13 B-VG, Angelegenheiten des Kultus.

Besonderer Teil

Zu Z. 1:

Die bisher bestehenden verfahrensrechtlichen Sonderregelungen sollen zurückgeführt werden. Die Praxis hat gezeigt, dass Anträge teilweise großen Nachbesserungsaufwand haben. Um eine Abweisung aus formellen Gründen zu vermeiden, sollen Flexibilisierungen der Fristen vorgesehen werden.

Zu Z. 2 bis 4:

Die bisher vorgesehenen Kundmachungen im Amtsblatt zur Wiener Zeitung sollen durch eine zeitgemäße Form ersetzt werden.

Zu Z. 5:

Die staatskirchenrechtlichen Normen sind unter anderem von den Grundsätzen der Selbsterhaltungsfähigkeit und des gesicherten Bestandes auf Dauer geprägt. Die Regelung soll die bewährte pauschalierte Betrachtungsweise, dass die Zahl der Mitglieder und der Zeitraum des bisherigen Bestandes ausreichend sind um einen gesicherten Bestand anzunehmen, beibehalten. Eine umfangreichere qualitative Prüfung wäre mit erheblichem Aufwand für Anerkennungswerber und Behörde verbunden.

Der EGMR hat in seinem Urteil zu Appl.Nr. 40825/98 vom 31. Juli 2008 unter Pkt. 98 festgehalten: „The court could accept that such a period might be necessary (…).“

Da die bisherige Regelung im genannten Erkenntnis und durch den Verfassungsgerichtshof als nicht ausreichend sachlich differenziert und damit letztendlich als gleichheitswidrig erkannt wurde, weil ungleiche Sachverhalte gleich behandelt wurden, soll die Regelung mehrere alternative Möglichkeiten vorsehen. Ein Kriterium ist dabei die Einbindung in eine größere, international tätige, Gemeinschaft. Zu dieser Einbindung müssen weitere Merkmale treten, die entweder in einem langen Bestand der internationalen Gemeinschaft oder einem längeren Bestand dieser und der Tätigkeit in Österreich durch einige Jahre bestehen können. Es ergeben sich daher drei grundsätzliche Modelle. Das erste, lit. a, geht davon aus, dass in Österreich eine neue Bewegung sich bildet oder tätig wird. Hier sind als Bestandszeit 20 Jahre allgemein und in organisierter Rechtsform 10 Jahre vorgesehen, davon mindestens 5 Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft. Von einer organisierten Form kann ausgegangen werden, wenn die Gemeinschaft zumindest teilweise als juristische Person bestand. Für den Nachweis, dass die Gemeinschaft in der Lage ist mittelfristig in organisierter Form tätig zu sein, sollte dies als ausreichend betrachtet werden. Eine nur teilweise Tätigkeit könnte sich deshalb ergeben, weil nur für einzelne Handlungsfelder der Gemeinschaft eine Rechtsform erforderlich sein kann, beispielsweise ein Verein für mildtätige Zwecke, ein Verlag für religiöse Schriften oder eine Gesellschaft für den Erwerb oder den Bau einer Kultstätte, während die Ausübung des eigentlichen Kultus möglicherweise einer Organisationsform nicht zwingend bedarf. Die Rechtsform als religiöse Bekenntnisgemeinschaft kann durch einen zumindest 100-jährigen Bestand der Konfession allgemein und 10 Jahre Tätigkeit in Österreich in organisierter Form ersetzt werden. Bei einem Bestand durch 100 Jahre kann davon ausgegangen werden, dass zumindest zwei Generationenwechsel der Anhänger und Träger der Gemeinschaft stattgefunden haben und daher ein gewisses Mindestmaß an Bestandswahrscheinlichkeit erreicht wird. Das Kriterium der bisherigen Tätigkeit in Österreich kann durch einen allgemeinen Bestand von zumindest 200 Jahren ersetzt werden, da bei Gemeinschaften, die bereits so lange bestehen zumindest 4 bis 5 Generationenwechsel stattgefunden haben und der Bestand sohin als gesichert bewiesen ist. Gleichzeitig stehen über solche Gemeinschaften ausreichend öffentlich zugängliche Informationen zur Verfügung, die eine Beurteilung der Gemeinschaft ohne vorherige Tätigkeit in Österreich zulassen. Die Einbindung in eine internationale Gemeinschaft wäre im Kontext der religiösen Lehre zu beurteilen. Es sind daher nicht zwingend Organisationsstrukturen und wortidente Lehren erforderlich, wenn die Art der Einbindung für den Zweck der Regelung, ausreichende Information zur Beurteilung des dauerhaften Bestandes und von Lehre und Praxis im Hinblick auf § 11 Z  3 ausreicht.

Von den derzeit anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften wäre bei allen zumindest einer der Tatbestände erfüllt, da sie alle seit zumindest dem 19. Jhd., somit seit mehr als 100 Jahren, bestehen und in unterschiedlicher Form in internationale Glaubensgemeinschaften eingebunden sind. Weiters sind alle seit mehr als 10 Jahren in unterschiedlicher Form in Österreich tätig.

Eine gewisse Anzahl von Mitgliedern ist aus inhaltlichen Gründen geboten. Ein grundrechtsbasierender Rechtsstaat kann und darf keine religiös-philosophischen Ausrichtungen vorgeben, sondern ist gegenüber allen Strömungen zur Neutralität verpflichtet. Den Raum, den der Rechtsstaat für die Erfüllung dieser Bedürfnisse der Menschen schafft, kann und darf er daher nicht mit Inhalten füllen, sondern ist darauf angewiesen, dass andere dies tun. Die Kirchen und Religionsgesellschaften zählen zu den bedeutendsten und wichtigsten Trägern von religiös-ethisch-philosophischen Haltungen und Positionen. Die indirekten staatlichen Unterstützungsleistungen für Kirchen und Religionsgesellschaften werden erbracht, weil diese durch ihr Wirken einen Beitrag für das Wohl der Menschen über die eigene Anhängerschaft hinaus leisten. Diese Leistungen sind einerseits immateriell, in vielen Bereichen aber auch sehr konkret, insbesondere im Bereich der Wohltätigkeit, im Gesundheitswesen und im Bildungsbereich. Die immateriellen Wirkungen können sich aber nur entfalten, wenn die Gruppe eine gewisse Größe aufweist und deren Handeln nicht auf den eigenen unmittelbaren Anhängerkreis beschränkt ist oder nur diesem zu Gute kommt. Es wird angenommen, dass eine über die eigene Gemeinschaft hinausreichende positive Wirkung bei der im Gesetz vorgesehenen Mindestanzahl an Mitgliedern im immateriellen Bereich gegeben ist.

§ 11 BekGG normiert Voraussetzungen für eine Anerkennung als gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft nach dem Anerkennungsgesetz 1874 (AnerkG). Mit dem Erwerb der Stellung als gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft sind Rechte und Pflichten verbunden, wobei die umfassendste Pflicht jene zur Erteilung von Religionsunterricht ist. Bereits § 5 AnerkG spricht vom Erfordernis der ausreichenden Mittel um einen geregelten Religionsunterricht sicher zu stellen und geht daher von der Pflicht zu dessen Erteilung aus. Diese Verpflichtung ergibt sich heute insbesondere aus dem in Art. 14 Abs. 5a B-VG enthaltenen Auftrag an die österreichische Schule die Kinder und Jugendlichen zu befähigen, an religiösen Werten orientiert, Verantwortung für sich selbst, andere, die Umwelt und nachfolgende Generationen zu übernehmen. Die Erteilung von Religionsunterricht ist eine innere Angelegenheit der Kirchen und Religionsgesellschaften und kann daher im Einklang mit Art. 17 StGG 1867 nur durch die Kirchen und Religionsgesellschaften erfolgen. Um ein solches Bildungsangebot auf dem, ebenfalls in Art. 14 Abs. 5a B-VG vorgegebenen, höchsten möglichen Niveau anbieten zu können, ist eine ausreichende Zahl qualifizierter Lehrkräfte erforderlich. Um eine, dazu erforderliche, Aus- und Weiterbildung für Lehrkräfte führen zu können sind nach allgemeiner Erfahrung zumindest 10 bis 20 Studenten je Studienjahr erforderlich, da ansonsten Studiengänge für Ausbildung und Weiterbildungsangebote mittelfristig nicht geführt werden können. Geht man von nur 10 Absolventen pro Studienjahr und, unter Berücksichtigung von anderen beruflichen Aktivitäten und Karenzzeiten, von einem Verbleib von 30 Jahren im Berufsleben aus, so ergeben sich daraus 300 Lehrkräfte. Die Vollbeschäftigung dieser erfordert nach derzeitiger Rechtslage 6000 Unterrichtseinheiten je Woche. Geht man davon aus, dass alle nur eine halbe Lehrverpflichtung anstreben, so ergäben sich 3000 Lehrerwochenstunden als Erfordernis. Selbst bei nur 3 Schülern je Religionsunterrichtsgruppe mit einer Wochenstunde ergeben sich 9000 erforderliche Schüler über alle 12 Schulstufen, sohin 750 Schülerinnen oder Schüler je Schulstufe. Bei durchschnittlicher Lebenserwartung und einer zugunsten eines geringeren Durchschnittsalters als in der allgemeinen Bevölkerung versetzten Alterspyramide ergäben sich rund 30 000 bis 40 000 Anhänger als Erfordernis für einen langfristig gesicherten Religionsunterricht. Der Wert 2 vT liegt daher erheblich unter dem eigentlich Notwendigen und ist nur deshalb vertretbar, da von einer Konzentration der Anhänger kleiner Konfessionen in Ballungsräumen ausgegangen werden kann, so dass eine geringe Streuung auftritt und die Ausbildungseinrichtungen nicht zur Gänze von der Konfession allein geführt werden müssen sondern durch interkonfessionelle Kooperation oder Kooperation mit öffentlichen Einrichtungen Synergieeffekte erreicht werden können.

Eine ähnliche Situation ergibt sich im Privatschulwesen. Um eine Hauptschulklasse zu führen, sind laut Rechnungshof (Reihe Bund 2007/2, Seite 130) 2,5 Lehrkräfte erforderlich. Nach dem Schlüssel für das Lehrpersonal (für je 10 Schüler ein Lehrer) der aufgrund des Finanzausgleichs für Hauptschulen maßgeblich ist, sind daher 25 Schüler je Hauptschulklasse erforderlich. Bei zwei Parallelklassen sind daher 50 Schüler je Schulstufe erforderlich. Da zumeist nicht alle Kinder einer Konfession am gleichen Ort versammelt sind, muss vom fünffachen als Erfordernis für die gesamtösterreichische Größe, somit von 250 je Altersgruppe ausgegangen werden. Bei einer Lebenserwartung von rund 80 Jahren ergäben sich somit rund 20 000 Personen über alle Jahrgänge. Das 5-fache ergibt sich dabei aus der Normalverteilung der Schülerzahlen. Wien hat zB rund 20 % aller Schüler in Österreich, dh. rund 1/5 der österreichischen Schüler besuchen Schulen in Wien, geht man davon aus, dass sich die Kinder der Religionsgesellschaft annähernd ähnlich wie die Bevölkerung auf die Bundesländer verteilen, so ergibt sich das Erfordernis des 5-fachen um mittelfristig eine gesicherte Schülerpopulation zumindest in den Ballungsräumen zu erreichen.

Die bisherige Rechtslage stellt sowohl im Bereich der Bezugsgröße, dh. in der Art, wie die zu erreichende Mitgliederzahl ermittelt wird, als auch bei der Art des Nachweises auf die Volkszählung ab. Durch die vorgesehenen Änderungen, insbesondere den Entfall des Erfordernisses der Rechtspersönlichkeit als Bekenntnisgemeinschaft bzw. die Reduktion auf fünf Jahre, kann der Fall eintreten, dass Daten nicht gesichert verfügbar sind. Für diesen Fall soll die Art des Nachweises geändert werden, so dass die Anhängerzahl gegenüber der Verwaltungsbehörde auf eine andere geeignete Weise nachzuweisen ist. Dies ermöglicht zusätzlich besser als bisher auf individuelle Umstände einzugehen, beispielsweise auf abgestufte Mitgliedschaften oder im Bereich von in ihren Herkunftsländern verfolgten Kirchen oder Religionsgesellschaften, bei welchen die Bereitschaft sich bei Erhebungen zur Kirche zu bekennen nicht immer gegeben ist. Der Nachweis kann dabei durch die Vorlage von nachvollziehbaren überprüfbaren Mitgliederverzeichnissen erfolgen. Es bleibt dabei der Behörde vorbehalten in welcher Weise die Verzeichnisse zur Gänze oder stichprobenartig geprüft werden, wobei auf die Besonderheiten der jeweiligen Konfession einzugehen ist, beispielsweise im Fall verfolgter christlicher Kirchen ist beim Nachweis gegenüber einer staatlichen Einrichtung ein der Situation aufgrund der oftmals durch Behörden in den Herkunftsländern ausgeübten Repression mit der erforderlichen Sensibilität vorzugehen und kann daher beispielsweise zum Schutze von noch im Verfolgerland lebenden Angehörigen von einem strengen Sachbeweis abgesehen werden.

zu Z. 6:

Das Gesetz sieht bisher zwar Anerkennungserfordernisse vor, regelt aber den Fall der Aufhebung der Anerkennung nicht. Eine Verordnung, mit welcher die Anerkennung, dh. die Verordnung, mit welcher die Anerkennung ausgesprochen wurde, aufgehoben wird, ist bereits derzeit möglich. Es ist dafür aber kein Verfahren vorgesehen, so dass kein effektiver Rechtsschutz besteht. Die Regelung soll sicherstellen, dass ein rechtsstaatliches Verfahren zur Verfügung steht. Die Kriterien für eine Aufhebung sind jene für die Anerkennung und die Rechtspersönlichkeit religiöser Bekenntnisgemeinschaften. Bei einer Aufhebung wäre daher zunächst mittels Verordnung jene Verordnung, mit welcher die Anerkennung ausgesprochen wurde, aufzuheben und daran anschließend binnen der gesetzlichen Frist ein Feststellungsbescheid über die Gründe der Aufhebung zu erlassen. Gegen diesen Feststellungsbescheid ist eine Beschwerde möglich. Im Rahmen deren Behandlung haben VfGH oder VwGH die aufhebende Verordnung anzuwenden, was ein Verordnungsprüfungsverfahren ermöglicht. Im Falle einer Aufhebung der aufhebenden Verordnung bestünde sohin die Anerkennung fort.

Für die Berechnung der Frist für den Bestand von handlungsfähigen statutengemäßen vertretungsbefugten Organen sind die in den einzelnen Statuten bzw. Verfassungen oder Satzungen oder ähnliches der jeweiligen Kirche oder Religionsgesellschaft enthaltenen konkreten Fristen zugrunde zu legen. Allgemeine Formulierungen wie „bleiben bis zur Konstituierung des neuen Vorstandes jedenfalls im Amt“ oder ähnliches sind dabei außer Acht zu lassen.

Wird die Anerkennung aufgehoben, so ist die Rechtsstellung beendet. Im Falle, dass die Konfession die Stellung einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft zu erlangen wünscht, wäre ein neuer Antrag zu stellen.