1257 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Anträge 1527/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksab­stimmungs­gesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volks­begehrengesetz 1973, die Strafprozessordnung 1975 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2011),

914/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. Nr. 106/2009, geändert wird und Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971 idF  BGBl. Nr. 28/2007 geändert wird,

1001/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971, geändert wird,

1002/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird,

1098/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl. Nr. 1992/471, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 2010/13, und das Europa-Wählerevidenzgesetz, BGBl. Nr. 118/1996, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 11/2009, geändert werden und

1398/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Briefwahl

Die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen haben den Initiativantrag 1527/A am 29. April 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Mit dem Wahlrechtsänderungsgesetz 2011 sollen – geltend für sämtliche bundesweit stattfindende Wahlereignisse (also für Nationalratswahlen, Bundespräsidentenwahlen, Europawahlen, Volksabstimmungen, Volksbefragungen und Volksbegehren) – einheitlich folgende Neuregelungen vorgenommen werden:

1.      Änderung der Regelungen für die Beantragung einer Wahlkarte bzw. Stimmkarte, mit dem Ziel eine missbräuchliche Beantragung zu verhindern.

2.      Änderung der Frist für das Rücklangen der Wahlkarten oder Stimmkarten, mit dem Ziel, dass eine Stimmabgabe nach Schließen des letzten Wahllokals und somit nach Veröffentlichung der ersten Hochrechnungen in den Massenmedien mit hundertprozentiger Sicherheit verhindert wird.

3.      Änderung der Gründe für einen Ausschluss vom Wahlrecht in Reaktion auf das Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Sache „Frodl gegen Österreich“ (am 4. Oktober 2010 in Rechtskraft erwachsen).

4.      Wegfall des Wahlausschließungsgrundes „Mitglied regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben“ bei Bundespräsidentenwahlen durch Änderung des B‑VG und des Bundespräsidentenwahlgesetzes 1971.

Zu den angeführten Punkten wird im Einzelnen festgehalten:

Zu 1.:

Durch Art. 26 Abs. 6 B-VG ist vorgegeben, dass für die Ausstellung einer Wahlkarte die Glaubhaftmachung der Identität ausreicht. Dennoch soll eine Legitimation des Antragstellers oder der Antragstellerin jedenfalls stattfinden, sei es schon bei der Antragstellung, sei es erst bei der Ausfolgung der Wahlkarte. Hierbei soll für Personen, die sich in Anstaltspflege befinden, eine Ersatzzustellung ausgeschlossen sein, für alle anderen Personen hingegen möglich sein. Mit den präzisierten Regelungen hinsichtlich der Ersatzzustellung und der Anwendung des Zustellgesetzes bei einer Überbringung der Wahlkarte durch Boten soll sichergestellt werden, dass eine missbräuchliche Erlangung der Wahlkarte – und damit des Stimmrechts – unmöglich gemacht wird. Mit der in § 39 Abs. 8 normierten Regelung sollen betroffene Antragsteller, die eine bei einer Postgeschäftsstelle hinterlegte Wahlkarte nicht rechtzeitig vor dem Wahltag beheben konnten, eine „zweite Chance“ erhalten, noch von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen, indem die Wahlkarten zum Zeitpunkt der letzten Schließung der Postgeschäftsstelle vor dem Wahltag von der zuständigen Wahlbehörde abgeholt werden. Die sich bei den Gemeinden ergebenden geringfügigen Mehrkosten, die bei der Versendung der Wahlkarten zu erwarten sind, sollen durch eine Anhebung der Sätze für die Pauschalvergütungen um jeweils etwa 10 Prozent kompensiert werden.

Zu 2.:

Mit der vorliegenden Lösung ist sichergestellt, dass nur Wahlkarten, die am Wahltag um 17.00 Uhr in Gewahrsam einer Wahlbehörde sind, in die Ergebnisermittlung miteinbezogen werden können. Die vorgesehene Wahlkartenlogistik, bei der eine Auswertung der Briefwahlstimmen am Montag nach der Wahl vorgesehen ist, scheint auch in der Praxis für die Bezirkswahlbehörden zumutbar. Ein mögliches missbräuchliches Miteinbeziehen verspätet eingelangter Wahlkarten wird durch Sofortmeldungen über die Zahl der rechtzeitig eingelangten Briefwahlstimmen verhindert.

Zu 3.:

Die Änderungen der Wahlausschlussgründe erfolgen als Reaktion auf das Erkenntnis des EGMR „Frodl gegen Österreich“. In Hinkunft können Personen nur dann vom Wahlrecht ausgeschlossen werden, wenn der Ausschluss als Einzelfallentscheidung durch ein Gericht erfolgt. Hierzu wurde ein Katalog von Straftaten in die Rechtsordnung aufgenommen, bei denen dem Wortlaut des Erkenntnisses entsprechend ein „Zusammenhang zwischen der begangenen Straftat und Fragen die sich auf Wahlen und demokratische Institutionen beziehen“ gegeben ist. Darüber hinaus werden in Hinkunft Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen sein, die wegen einer strafbaren Handlung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden sind.

Die Änderungen der Wahlausschließungsgründe machen aus folgenden Gründen Änderungen des B-VG unumgänglich:

-       Im vorliegenden Entwurf wurde ein Splitting verankert, das die Wahlausschließungsgründe für das aktive und für das passive Wahlrecht unterschiedlich definiert, bezieht sich doch das Erkenntnis "Frodl gegen Österreich" ausschließlich auf das aktive Wahlrecht. Ein solches Splitting lässt sich jedoch ohne Anpassung des B-VG nicht bewerkstelligen.

-       Es scheint dringend geboten, den Hauptwohnsitz-Begriff (im B-VG) für Personen, die sich in Gewahrsam einer Justizanstalt befinden, für Wahlangelegenheiten speziell dahingehend neu zu definieren, dass insbesondere an Standorten von Justizanstalten in kleineren Gemeinden nicht eine große Anzahl an Häftlingen dieser Gemeinde zuzurechnen sind. Ohne diese Maßnahme wäre insbesondere bei Gemeinderatswahlen mit Wahlkämpfen in den Justizanstalten zu rechnen, weil die Insassen einer Anstalt ein beträchtliches Wählerpotential darstellen würden. Dieser Umstand würde noch dadurch verstärkt, dass bei Gemeinderatswahlen nicht nur die österreichischen Staatsbürger(innen), sondern auch die Staatsangehörigen der übrigen EU-Mitgliedstaaten wahlberechtigt sind.

Zu 4.:

Mit dem Wegfall des Wahlausschließungsgrundes „Mitglied regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben“ wird dem Bericht der OSZE Rechnung getragen, der aufgrund der ODIHR-Wahlbeobachtungsmission anlässlich der Bundespräsidentenwahl 2010 ergangen ist. Im Wesentlichen wurden auch den übrigen Kritikpunkten des Berichts Rechnung getragen. Mit der Ergänzung in Art. 151 B-VG wird, neben den Inkrafttretensbestimmungen, klargestellt, dass Österreich weiterhin seine im Art. 10 Z 2 des Wiener Staatsvertrages normierte Verpflichtung beachtet.“

 

Antrag 914/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. Nr. 106/2009, geändert wird und Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971 idF  BGBl. Nr. 28/2007 geändert wird

 

Die Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 11. Dezember 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Bereits das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 sah folgenden Ausschluss vom passiven Wahlrecht für das Bundespräsidentenamt vor: „Ausgeschlossen von der Wählbarkeit sind Mitglieder regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben.“ Dieser Satz, der nunmehr in Art. 60 Abs. 3 B-VG verankert ist, soll nach Ansicht der AntragstellerInnen entfallen.  Ein derartiger Ausschluss aller Mitglieder des seinerzeit in Österreich regierenden Hauses und aller sonst wo ehemals regierenden oder noch regierenden Häuser von der Wählbarkeit war zwei Jahre nach dem Ende der Monarchie wohl sachlich gerechtfertigt. Im 21. Jahrhundert ist ein monarchistischer Umsturz über den Weg des Bundespräsidentenamtes jedoch auszuschließen.  Der Republik Österreich steht es nicht gut zu Gesicht, alle Nachkommen und jedes angeheiratete Mitglied  einer betroffenen Familie wie zB den Habsburg-Lothringen eine solche Umsturzabsicht zu unterstellen und sie damit zu StaatsbürgerInnen zweiter Klasse zu machen.  Vor allem aber impliziert Art. 60 Abs. 3 zweiter Satz B-VG eine Art Sippenhaftung bis ins n-te Glied und widerspricht damit krass den allgemeinen Bürger- und Menschenrechten. Aus diesen Gründen sollte der Verfassungsgesetzgeber handeln. Es würde sich dann auch der diesbezügliche Vorbehalt Österreichs zum Internationalen Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 377/1972, erübrigen.

„Eine Zulassung von Mitgliedern des Hauses Habsburg-Lothringen oder anderer Herrscherhäuser stellt keine Gesamtänderung der Bundesverfassung dar“ (Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht, Bd 1, 1997, Rz 12.003).

Da dieselbe Bestimmung auch im Bundespräsidentenwahlgesetz enthalten ist, ist auch dieses Gesetz zu ändern.“

 

Antrag 1001/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971, geändert wird

 

Die Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 24. Februar 2010 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Allein aufgrund einer Familienzugehörigkeit ist es nicht demokratisch, Personen vom passiven Wahlrecht auszuschließen. Die Monarchie ist vor über neunzig Jahren zu Ende gegangen, eine Wiedererrichtung ist nicht zu befürchten. Daher ist der Absatz 2 „Ausgeschlossen von der Wählbarkeit sind Mitglieder regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben.“ zu streichen.“

 

Antrag 1002/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird

 

Die Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 24. Februar 2010 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Allein aufgrund einer Familienzugehörigkeit ist es nicht demokratisch, Personen vom passiven Wahlrecht auszuschließen. Die Monarchie ist vor über neunzig Jahren zu Ende gegangen, eine Wiedererrichtung ist nicht zu befürchten. Daher ist der zweite Satz des Absatzes 3 „Ausgeschlossen von der Wählbarkeit sind Mitglieder regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben.“ zu streichen.“

 

Antrag 1098/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl. Nr. 1992/471, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 2010/13, und das Europa-Wählerevidenzgesetz, BGBl. Nr. 118/1996, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 11/2009, geändert werden

 

Die Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 22. April 2010 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Grünen sind immer für die Abschaffung  des Wahlausschließungsgrundes der strafgerichtlichen Verurteilung eingetreten. Dieses Anliegen war auch Gegenstand des Initiativantrags der Abg. Voggenhuber, Stoisits, Freunde und Freundinnen zur Wahlrechtsreform 1992, Nr. 151/A, 18. GP.  Dieser führte zumindest dazu, dass in der NRWO 1992 die zeitliche Geltung dieses Wahlausschließungsgrundes maßgeblich reduziert wurde[1].  Vor der NRWO 1992 endete der Wahlausschluss erst fünf Jahre nach Vollstreckung der Strafe, derzeit nach 6 Monaten. Zu einem Verzicht auf den Wahlausschließungsgrund konnten sich die Regierungsfraktionen damals nicht durchringen.

Am 8. 4. 2010 entschied der  Europäische Menschenrechtsgerichtshof in der Rechtssache Frodl vs Österreich (Beschwerde Nr 2001/04), dass § 22 NRWO Art. 3 des 1. Zusatzprotokolls zur MRK verletze. Der Wahlausschluss sei zu weitgehend, er müsse in jedem Einzelfall auf einen richterlichen Entscheid zurückgehen und in Zusammenhang mit der begangenen Tat stehen (EGMR Presseaussendung vom 8. 4. 2010, die Ausfertigung des Urteils ist noch nicht erfolgt). Eine Änderung des § 22 NRWO ist daher unausweichlich. Österreich sollte jedenfalls nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Große Kammer anzurufen.

Der Verlust des Wahlrechts entspringt dem antiquierten Gedanken des Verlusts von bürgerlichen Rechten als Konsequenz einer Straftat. Ein modernes Strafrecht und ein modernes Demokratieverständnis schauen jedoch anders aus. StraftäterInnen sind nach dem Strafgesetzbuch zu bestrafen. Damit ist dem Recht genüge getan, es braucht keine Sekundärstrafen, die weder spezial- noch generalpräventive Wirkung haben. Auch österreichische StaatsbürgerInnen, die Straftaten begangen haben, werden in einer parlamentarischen Demokratie durch das Parlament und andere Organe repräsentiert. Daher sollen sie auch wählen dürfen. Eine Gefahr für die Demokratie kann dadurch nicht entstehen, denn hinsichtlich StraftäterInnen nach dem Verbotsgesetz ist darauf zu verweisen, dass derartige Wahlparteien von den Wahlbehörden gar nicht zugelassen werden dürfen.

Der Wahlausschluss Strafgefangener ist für die Nationalratswahl in § 22 NRWO festgelegt und für die Europawahl in § 3 Europa-WählerevidenzG. Das Bundespräsidentenwahlgesetz  knüpft am Wahlrecht zum Nationalrat an. Auf die NRWO wird auch im Volksabstimmungsgesetz, im Volksbegehrengesetz und im Volksbefragungsgesetz Bezug genommen.

Art. 26 Abs. 5 B-VG stellt die Ermächtigungsnorm für die genannten einfachgesetzlichen Bestimmungen dar und könnte ebenfalls entfallen. Dies wird bei den Ausschussberatungen entsprechend zu berücksichtigen sein.“

 

Antrag 1398/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Briefwahl

 

Die Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 20. Jänner 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Neben der verspäteten, also nach Schließung des Wahllokals vorgenommenen, Briefwahl ist vor allem die organisierte Briefwahl ein Problem. Unter die organisierte Briefwahl sind etwa folgende Fälle einzureihen:

-       Öffentlich     Bedienstete tragen die Wahlkarte bei Hausbesuchen oder Veranstaltungen Wählern und Wählerin­nen an, die Stimmzettel werden in Anwesenheit Dritter ausgefüllt und gleich eingesammelt.

-       Stellvertretende Beantragung der Wahlkarten für Haupt- oder insbesondere Zweit­wohnsitzbesitzer/innen durch Gemeindebedienstete oder Parteifunktionär/inn/e/n.

-       AnstaltsleiterInnen von Pflegeheimen beantragen die Wahlkarte ohne Wissen der Heiminsassen oder deren Angehörige.

-       Wahlwerber/innen organisieren unter Migrant/inn/en Wahlkartenanträge und geben Anleitung beim Ausfüllen des Stimmzettels.

In all diesen Fällen ist eine paternale Vorgangsweise gegeben, die die Grundsätze der freien, persönlichen und geheimen Wahl verletzen bzw. in einem hohen Spannungsverhältnis zu diesen stehen. Grundsätzlich ist festzuhalten: Je hilfloser Wähler/innen in sprachlicher, körperlicher oder geistiger Hinsicht sind, desto mehr besteht die Gefahr der Wahlbeeinflussung durch Amtsorgane oder Dritte. Eindeutig strafrechtswidrig sind jene Fälle, wo Gemeindeorgane die Wahlkartenanträge und/oder die Stimmzettel offenbar gleich selbst ausgefüllt, also gefälscht, haben.

Immer wieder werden auch weitere Unzulänglichkeiten wie

-       bestellte Wahlkarte langt beim/bei der Wähler/in nicht oder verspätet ein,

-       Hinweis auf Wahlkarte am Postkasten lädt zu Missbrauch ein,

-       Postlauf nach und vom Ausland dauert zu lange,

-       „Herumliegen“ der Wahlkarten bis zur Auszählung

genannt.

Der Wahlrechtsgesetzgeber muss auf diese Probleme und Missbräuche reagieren. Die Briefwahl wurde von den Wählern und Wählerinnen gut angenommen. Gerade deshalb sind die zwischenzeitig erkannten Unzulänglichkeiten nicht vernachlässigbar.

Die Grünen haben am 4. November 2010 zu einem Expertenhearing im Palais Epstein geladen. Die wesentlichen Aussagen der Expert/inn/en und der Diskussionsbeiträge sind im online-Magazin Österreich Journal Nr. 91 wiedergegeben (www.oesterreichjournal.at) und zum Teil in diesen Entschließungsantrag eingeflossen. Die Kunst einer Reform besteht darin, die Garantien für die Einhaltung der Wahlgrundsätze zu erhöhen, ohne dass der Wählerkomfort zu sehr darunter leidet. Daher sind auch interne Kontrollen (Aufsicht) der Briefwahlvorgänge vorzusehen, damit Verbesserungen nicht allein zu Lasten des Komforts der Wähler/innen gehen.  Gleichwohl wird die Briefwahl nie mit dem Wählen vor der Wahlbehörde vergleichbar sein. Aus diesem Grunde sollte sie auch die Ausnahme bleiben. Um den Wählern und Wählerinnen weiter entgegenzukommen, sollte eine „vorgezogene Stimmabgabe“ vor der Wahlbehörde ermöglicht werden. Wie etwa in § 70 Stmk. Gemeindewahlordnung und in § 68 Stmk. Landtagswahlordnung festgelegt, sollte die Wahlbehörde verpflichtet werden, am neunten Tag vor dem Wahltag die vorgezogene Stimmabgabe  vor der Wahlbehörde zu ermöglichen. In der Steiermark werden diese Wahllokale am Freitag vor der Wahl und zwar in den Abendstunden geöffnet.

Die Einladung zum taktischen Wählen, die Nachfrist von 8 Tagen, sollte gänzlich gestrichen werden. Alle Wahlfristen (Einlangen der Wahlvorschläge etc.) müssten dementsprechend jedenfalls um 8 Tage vorverlegt werden, um das rechtzeitige Einlangen der Wahlkarten insbesondere auch aus dem Ausland sicherzustellen. So ist eine gemeinsame Auszählung mit den vor der Wahlbehörde abgegebenen Stimmen möglich.

Die Briefwahl sollte wirklich eine Briefwahl sein, gemeint ist damit der von einem Dritten beförderte Brief eines Absenders an den Empfänger. Drei Briefe werden in diesem Sinne im Regelfall gewechselt:

1. Die Beantragung der Wahlkarte durch den/die Wähler/in bei der Wahlbehörde.

2. Die Zusendung der Wahlkarte durch die Wahlbehörde an den/die Wähler/in.

3. Die Zusendung der ausgefüllten Wahlkarte durch den/die Wähler/in an die Wahlbehörde.

Derzeit gibt es hier eine Reihe von Abkürzungen und Alternativen, die es gerade sind, die zu Missbräuchen einladen. Wünschenswert wäre, dass nicht alle drei Schritte – Beantragung der Wahlkarte, Übergabe der Wahlkarte und Rückgabe der ausgefüllten Wahlkarte auf direktem Wege erfolgt, da in dieser Konstellation die Gefahr der Wahlbeeinflussung am größten ist. Trotzdem wird nicht vorgeschlagen, dass zumindest ein Schritt postalisch zu erfolgen hat, weil dies gerade in den kleineren Gemeinden kaum auf Verständnis stoßen würde. Jedenfalls soll aber die Beantragung, Ausfolgung und Rückübermittlung der Wahlkarte nur in den Amtsräumen möglich sein.  Weiters wäre klar zu stellen, dass schriftliche Anträge auf Zustellung der Wahlkarte persönlich zu unterzeichnen sind (bei der eidesstattlichen Erklärung auf der Wahlkarte ist dies ja schon der Fall). Bei Beantragung im Amt ist ein Lichtbildausweis vorzulegen. Betreffend pflegebedürftiger Personen in Anstalten ist insbesondere auf die Möglichkeit der „fliegenden Wahlkommissionen“ zu verweisen. Eine Abgabe der Wahlkarte an Stellvertreter/innen darf nur im Fall des Vorliegens einer schriftlichen Vollmacht erfolgen dürfen. Die postalische Übermittlung wird aber im folgenden Vorschlag nicht weiter formalisiert. Die verpflichtende Übermittlung der beantragten Wahlkarte per RSa[2] oder RSb[3]-Brief würde die Briefwahl äußerst erschweren. In der Zustellzeit ist kaum jemand zu Hause und an den Postämtern (wo man hinterlegte Schriftstücke abzuholen hat) stehen vor den Schaltern die langen Warteschlangen.

Zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Briefwahl sollte eine verpflichtende Abrechnung der Wahlkarten, Auskunftsrechte für die Briefkartenwähler/innen und klare Angaben für die Verwahrung der bei der Behörde eingelangten Wahlkarten bis zum Zeitpunkt der Auszählung vorgesehen werden.

Die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Erklärung wäre als Straftatbestand zu qualifizieren. Wenn auch eine Überführung eines/einer Wähler/in dieser Tat nur in seltenen Fällen möglich ist, so unterstreicht eine solche legistische Maßnahme doch den Ernst der Briefwahl.

Im 18. Abschnitt des Strafgesetzbuches wäre außerdem die organisierte Wahlbeeinflussung, das ist die Verletzung der geheimen, freien und persönlichen Wahl,  als Straftatbestand zu verankern.

Menschen mit Behinderungen und an Demenz erkrankte Menschen brauchen natürlich besondere Unterstützung. Gleichwohl darf diese Unterstützung nicht zur Wahlbeeinflussung ausarten. Hier gibt es besondere Probleme in Zusammenhang mit der Briefwahl aber auch beim Wählen vor der Wahlbehörde bzw der „fliegenden Kommission.“ Art. 29 der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet die Vertragsstaaten, „das Recht von Menschen mit Behinderungen, bei Wahlen und Volksabstimmungen in geheimer Abstimmung ohne Einschüchterung ihre Stimme abzugeben“ zu schützen und „die freie Willensäußerung“ zu garantieren. Zu den bisher in der Praxis aufgetauchten Fragen und Problemen sollte ein interdisziplinärer Meinungsbildungsprozess unter Einbeziehung der Betroffenen-Vertreter/innen in Gang gesetzt werden.“

Der Verfassungsausschuss hat die Anträge 914/A, 1001/A und 1002/A in seiner Sitzung am 9. November 2010 in Verhandlung genommen. Zum Antrag 914/A berichtete der Abgeordnete Dr. Alexander Van der Bellen sowie zu den Anträgen 1001/A und 1002/A der Abgeordnete Dr. Walter Rosenkranz. In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Dr. Josef Cap, Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Walter Rosenkranz, Dr. Günther Kräuter, Mag. Daniela Musiol und der  Ausschussobmann Abgeordneter Dr. Peter Wittmann das Wort. Danach wurden die Beratungen vertagt.

Die Aufnahme der Verhandlungen über den Antrag 1098/A erfolgte in der Sitzung am 30. Juni 2010. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Mag. Daniela Musiol die Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer und Mag. Ewald Stadler sowie der Staatssekretär  im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer. Danach beschloss der Verfassungsausschuss die Vertagung der Beratungen.

Der Verfassungsausschuss hat den Initiativantrag 1527/A erstmals in seiner Sitzung am 29. April 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer die Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Dr. Josef Cap und der Ausschussobmann Abgeordneter Dr. Peter Wittmann. Der Verfassungsausschuss fasste den Beschluss, zum vorliegenden Initiativantrag schriftliche Stellungnahmen des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für Inneres, des Bundesministeriums für Justiz, des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, aller Ämter der Landesregierungen, des Österreichischen Städtebundes, des Österreichischen Gemeindebundes, des Auslandsösterreicher-Weltbundes und von NEUSTART-Bewährungshilfe, Konfliktregelung, Soziale Arbeit einzuholen, danach wurden die Verhandlungen vertagt.

 

Am 1. Juni 2011 wurden die vertagten Beratungen über die in diesem Bericht zusammengefassten Anträge wieder aufgenommen und beschlossen, Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk, Universität Wien, Dr. Eike Lindinger, Rechtsanwalt, Univ.-Prof. DDr. Heinz Mayer, Universität Wien, Prof. Dr. Klaus Poier, Universität Graz und Mag. Robert Stein, Bundesministerium für Inneres, als Experten den Verhandlungen beizuziehen sowie das Expertenhearing im Sinne des § 37 GOG-NR öffentlich durchzuführen. Über den Antrag 1398/A(E) berichtete die Abgeordnete Mag. Daniela Musiol. Nach einleitenden Stellungnahmen der Experten ergriffen die Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Daniela Musiol, Dr. Günther Kräuter, Herbert Scheibner, Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Albert Steinhauser, Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher, Dr. Walter Rosenkranz, Mag. Heribert Donnerbauer und Dr. Martin Bartenstein das Wort. Schließlich wurden die Verhandlungen neuerlich vertagt.

 

Die Wiederaufnahme der Beratungen erfolgte am 14. Juni 2011. In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Josef Cap, Dr. Peter Fichtenbauer und Mag. Ewald Stadler das Wort.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Dr. Reinhold Lopatka und Mag. Ewald Stadler einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu den Intentionen des Initiativantrags Zahl: XXIV.GP.-NR.1527/A vom 29. April 2011, wurde von den zur Begutachtung eingeladenen Stellen breite Zustimmung signalisiert. Dies betrifft insbesondere die Regelungen über die Beantragung von Wahlkarten sowie die geänderten Fristen für die Briefwahl. Die Zielsetzung des vorliegenden Abänderungsantrags ist somit im Wesentlichen eine legistische Präzisierung und Ergänzung des ursprünglichen Antrags. Der Abänderungsantrag bewirkt jedoch keine grundlegenden Änderungen für die beabsichtigte Rechtslage. Insbesondere die Bestimmungen des B-VG wurden aufgrund mehrerer Hinweise nochmals gründlich überarbeitet. Aber auch in anderen Bestimmungen konnten aufgrund von Anmerkungen der begutachtenden Stellen Verbesserungen und Klärungen vorgenommen werden.

Im Einzelnen wird zu folgenden Bestimmungen festgehalten:

Z 4 des Abänderungsantrags (Art. 26 Abs. 5 B-VG):

Vom Wahlalter abgesehen, kann die „Ausschließung vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit“ nach geltender Rechtslage nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein. In diesem Fall erfolgt die Einschränkung des allgemeinen Wahlrechtes (zum Nationalrat) also nicht durch das B-VG selbst, sondern durch die einfachgesetzliche Wahlordnung, die für gerichtliche Verurteilungen die genannte Rechtsfolge vorsehen kann (Holzinger, Art 26 B-VG, in: Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 9. Lfg. [2009], Rz 37 unter Hinweis auf Schick, Allgemeine Bemerkungen zu Art 26 B-VG, in: Neisser/Handstanger/Schick, Bundeswahlrecht² [1994], 72 f). Entsprechendes gilt gemäß Art. 23a Abs. 4 und Art. 60 Abs. 1 letzter Satz B-VG, jeweils in Verbindung mit Art. 26 Abs. 5 B-VG, auch für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments und die Wahl des Bundespräsidenten (der Bundespräsidentin).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage bedürfen die im einfachgesetzlichen Teil des Gesetzentwurfs vorgesehenen Änderungen der Bestimmungen über die Wahlausschließungsgründe keiner Änderung der Art. 23a Abs. 3, Art. 26 Abs. 4 und Art. 60 Abs. 3 erster Satz B- VG. Fraglich könnte lediglich sein, ob die „Ausschließung vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit“ auch jeweils unterschiedlich weit reichen kann (so wie der Gesetzentwurf dies vorsieht). Dies soll mit der vorgeschlagenen Neuformulierung des Art. 26 Abs. 5 B-VG durch die Wortfolge „auch in jeweils unterschiedlichem Umfang“ ausdrücklich klargestellt werden. Aus gegebenem Anlass soll ferner klargestellt werden, dass ein Ausschluss vom Wahlrecht oder von der Wählbarkeit nur die Folge einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung sein kann (in diesem Sinne bereits Schick, Besondere Anmerkungen zu Art 26 B-VG, in: Neisser/Handstanger/Schick, Bundeswahlrecht² [1994], 108, Anm. 25 zu Art. 26 Abs. 5 B-VG).

Zu Z 8 des Abänderungsantrags (§ 22 NRWO) sowie zu Z 47 des Abänderungsantrags (§ 3 EuWEG):

Aufgrund vereinzelter Anmerkungen im Begutachtungsverfahren und im Expertenhearing des Verfassungsausschusses am 1. Juni 2011 wurde die vorgeschlagene Neuregelung der Wahlausschließungsgründe nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte „Frodl gegen Österreich“ geringfügig überarbeitet. Zur Vorbeugung jeglichen Missverständnisses wird sprachlich noch klarer herausgearbeitet, dass ein allfälliger Entzug des Wahlrechts vom Gericht zukünftig in jedem einzelnen Fall auf Basis der Tatbestände im neugefassten § 22 NRWO zu prüfen ist und diesfalls – unter Verweis auf den neu eingefügten § 446a StPO – im Strafurteil ausgesprochen werden muss. In den in Abs. 1 Z 1 bis 4 genannten Fällen soll eine Untergrenze von einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr eingezogen werden, um das auch in der EGMR-Judikatur angesprochene Erfordernis einer besonderen Schwere der Delikte zu unterstreichen.

Zu Z 9 des Abänderungsantrags (§ 39 NRWO):

Aufgrund des Abänderungsantrags wird – anders als beabsichtigt – wieder zwischen „schriftlich“ und „mündlich“ (an Stelle von „persönlich“) gestellten Anträgen unterschieden, dabei wurde in Entsprechung einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes allerdings klargestellt, dass die telefonische Beantragung einer Wahlkarte nicht zulässig ist. Weiters wurde die Wortfolge „digital signiert“ durch die rechtlich korrekte Formulierung „mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen“ ersetzt. Aufgrund des geänderten Wortlauts ist auch die Zulässigkeit einer „Handy-Signatur“ klargestellt. In Hinkunft ist klar gestellt, dass die Nummer eines Reispasses oder eines anderen amtlichen Lichtbildausweises überprüft werden kann und auch darf, gleichgültig ob es sich bei der die Wahlkarte ausstellenden Stelle um eine Statutarstadt handelt oder nicht. Für Personen, die gegebenenfalls die Zusendung einer Wahlkarte „abonniert“ haben (hierbei handelt es sich einerseits um Personen mit besonderen Bedürfnissen, andererseits um Auslandsösterreicherinnen oder Auslandsösterreicher), wurde klargestellt, dass an sie übermittelte Wahlkarten grundsätzlich nicht eingeschrieben versendet werden müssen, es sei denn, es handelt sich bei ihnen um „Pfleglinge“ gemäß § 72 Abs. 1 NRWO. Durch Gesetz soll ausgeschlossen werden, dass ein Bote (eine Botin) eine von ihm (ihr) einem Wähler (einer Wählerin) überbrachte Wahlkarte gleich wieder mitnimmt und an die Bezirkswahlbehörde weiterleitet. Mit diesem „Übereilungsschutz“ soll verhindert werden, dass unter Umständen auf den Wahlberechtigten (die Wahlberechtigte) Druck ausgeübt werden könnte, in Gegenwart des Boten (der Botin) in einer bestimmten Weise zu stimmen.

Der Umstand, dass eine Wahlkarte in bestimmten Fällen eingeschrieben an den Antragsteller übermittelt werden muss, birgt die Gefahr in sich, dass Wahlkarten in Einzelfällen – bei Hinterlegung bei einer Postgeschäftsstelle – nicht mehr rechtzeitig vor dem Wahltag dort behoben werden könnten. In solchen Fällen wäre dem betroffenen Personenkreis die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts genommen, würde der Gesetzgeber nicht für eine Abholung der Wahlkarten – gemeint sind die im Zuständigkeitsbereich einer Gemeinde anfallenden, nicht behobenen Wahlkarten, von wo auch immer sie übermittelt worden sind – von den am Wahltag geschlossenen Postgeschäftsstellen Sorge tragen. Damit die betroffenen Wählerinnen und Wähler noch rechtzeitig verlässliche Informationen darüber erhalten, wo sie die ursprünglich auf der Postgeschäftsstelle hinterlegte Wahlkarte bekommen können, wurde im Gesetzestext präzisiert, dass im Bereich des Bundesministeriums für Inneres als zentrale Anlaufstelle geeignete Vorkehrungen zu treffen sein werden, um Wählerinnen und Wähler über den Ort der Aufbewahrung in Kenntnis setzen zu können.

Zu Z 12 des Abänderungsantrags (§ 60 Abs. 2 NRWO):

In Abstimmung mit dem Bundesministerium für internationale und europäische Angelegenheiten wird aufgrund der Vorverlegung der Frist für das rechtzeitige Einlangen von Wahlkarten zukünftig unterschieden, ob eine Vertretungsbehörde einerseits innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) oder der Schweiz oder andererseits außerhalb dieses Bereichs liegt. Bis zum 9. Tag vor dem Wahltag (innerhalb des EWR und der Schweiz bis zum 6. Tag vor dem Wahltag) sind Vertretungsbehörden verpflichtet, Wahlkarten zur Weiterleitung entgegen zu nehmen. Danach bleibt es ihnen unbenommen, weiterhin eine Wahlkarte weiterzuleiten, wenn entweder eine rechtzeitige Übermittlung an die zuständige Bezirkswahlbehörde zu erwarten ist, oder die betroffenen Wählerinnen und Wähler davor gewarnt worden sind, dass eine rechtzeitige Übermittlung unter Umständen nicht mehr möglich sein könnte.

Zu Z 17 des Abänderungsantrags (§ 111 Abs. 1 NRWO):

Die Bestimmung wurde zur Beseitigung redaktioneller Unschärfen überarbeitet. Einerseits erfolgte eine Entsendung von Mitgliedern des Nationalrates zum Europäischen Parlament nur ein einziges Mal, nämlich vor der ersten Europawahl am 13. Oktober 1996, sodass die Regelung (inklusive des Ausscheidens solcher Personen) seither ihren Sinn verloren hat, andererseits war das B-VG-Zitat anzupassen.

Zu Z 42 und zu Z 44 des Abänderungsantrags (§ 2 Abs. 1 und 2 sowie § 13b des Wählerevidenzgesetzes) sowie zu Z 45 und Z 48 des Abänderungsantrags (§ 2 Abs. 1 und 2 sowie § 18 EuWEG):

In Umsetzung des neuen Artikels 6 Abs. 4 B-VG wird eine Gemeinde am Sitz einer Justizanstalt jene Häftlinge, die ihren Hauptwohnsitz in dieser Gemeinde begründen, in Hinkunft nicht in die Wählerevidenz aufzunehmen haben, selbst dann, wenn ein Wahlausschließungsgrund nicht (mehr) vorliegt. Vielmehr wird die Gemeinde jene Gemeinde des letzten Hauptwohnsitzes vom Erfordernis einer Erfassung in der Wählerevidenz zu verständigen haben. Ziel der überarbeiteten Übergangsbestimmungen ist es, jenen Personenkreis, der bislang vom Wahlrecht ausgeschlossen war, aber nach der Neufassung der Wahlausschließungsgründe im Sinne dieses Antrages wahlberechtigt wäre, in der Wählerevidenz zu erfassen. Zu diesem Zweck werden die Gemeinden ermächtigt, die entsprechenden Überprüfungen anhand des Strafregisters vorzunehmen.“

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf in 1527/A unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Dr. Reinhold Lopatka und Mag. Ewald Stadler mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, B, dagegen: F, G) beschlossen.

 

Ein vom Abgeordneten Mag. Ewald Stadler im Zuge der Debatte gemäß § 27 Abs. 3 GOG-NR eingebrachter selbständiger Antrag auf Beschlussfassung einer Entschließung betreffend Evaluierung der Strafbestimmungen im Wahlrecht fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (dafür: F, B, dagegen: S, V, G).

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Dr. Reinhold Lopatka und Mag. Daniela Musiol einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend frühestmögliche Ausgabe von Wahlkarten eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, G, dagegen: B) beschlossen wurde.

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Mit dem in Rede stehenden Wahlrechtsänderungsgesetz 2011 werden die Fristen für das spätestmögliche Einlangen von Wahlkarten dahingehend geändert, dass diese im Fall der Verwendung zur Briefwahl spätestens am Wahltag um 17.00 Uhr bei der zuständigen Bezirkswahlbehörde oder in einem Wahllokal im Stimmbezirk einlangen müssen.

Verlegt man die Termine und Fristen des bewährten Wahlkalenders – wie es im gegenständlichen Entwurf auch vorgesehen ist – exakt um eine Woche nach vorne, so verkürzt sich der Zeitabstand zwischen dem Beginn der Ausfolgung der Wahlkarten und dem letztmöglichen Einlangen dennoch de facto um drei Tage, weil nach dem Freitag vor dem Wahltag eine Postzustellung an Bezirkswahlbehörden nicht mehr stattfindet. Dies könnte insbesondere für Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher ein Problem darstellen.

Der Zeitpunkt des Beginns der Ausgabe von Wahlkarten ist durch den Gesetzgeber nicht exakt geregelt, vielmehr ergibt er sich aus dem Zeitpunkt, zu dem die zuständigen Behörden (bei Nationalratswahlen die Landeswahlbehörden, bei Europawahlen und Bundespräsidentenwahlen die Bundeswahlbehörde) in der Lage sind, Stimmzettel flächendeckend bereitzustellen. Durch logistische Maßnahmen sollte gewährleistet werden, dass insbesondere Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher gegenüber der früheren Rechtslage de facto nicht schlechter gestellt sind.“

 

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Dr. Reinhold Lopatka und Mag. Daniela Musiol einen selbständigen Entschließungsantrag betreffend Evaluierung der Strafbestimmungen im Wahlrecht eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, dagegen: F, B) beschlossen wurde.

 

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

„Die Wahlrechtsreform 2007 ermöglichte die Briefwahl, von der im nicht vernachlässigbaren Maßstab Gebrauch gemacht wird. Allerdings wurden in Zusammenhang mit der Beantragung und Übermittlung der Wahlkarte als auch Retournierung der ausgefüllten Wahlkarte auch Unregelmäßigkeiten bekannt, die eine Verletzung der Grundsätze der geheimen, freien und persönlichen Wahl darstellen. Beispielsweise wurden Wahlkarten von behördlichen Organen beantragt und ausgefüllt, Wahlkarten wurden bei Hausbesuchen oder bei Veranstaltungen angetragen und „gemeinschaftlich„ ausgefüllt bzw. wurden sogenannte Wahlpartys veranstaltet, die eidesstattliche Erklärung, den Stimmzettel unbeobachtet, persönlich und unbeeinflusst, ausgefüllt zu haben, wurde also trotz Fehlens dieser Umstände abgegeben.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, in welcher Weise diese Vorkommnisse zur Ver­fahrenseinleitung und zur Verurteilung nach dem Strafgesetzbuch führten bzw. ob die Strafrechtstatbestände ausreichen, um Verstöße gegen elementare Wahlgrundsätze und -vorschriften hintanzuhalten oder zumindest angemessen und abschreckend sanktionieren zu können. Ein Bericht der Bundesministerin für Justiz zu diesen Fragen würde auch Behördenorgane und WählerInnen für die Beachtung der Wahlgrundsätze sensibilisieren.“

 

Damit gelten die Anträge 914/A, 1001/A, 1002/A, 1098/A und 1398/A(E) als miterledigt.

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Karl Donabauer gewählt.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung betreffend frühestmögliche Ausgabe von Wahlkarten

         annehmen;

3.      die angeschlossene Entschließung betreffend Evaluierung der Strafbestimmungen im Wahlrecht

         annehmen.

Wien, 2011 06 14

                                 Karl Donabauer                                                              Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann



[1] Sabine Wagner, Felix Ehrnhöfer, Reformüberlegungen zum Wahlrecht aus Sicht der Grünen, in Khol, Ofner, Burkert-Dottolo, Karner (Hrsg), Österreichisches Jahrbuch für Politik 1999 (2000), S 291 f (304 ff).

[2] Ein RSa-Brief (Rückscheinbrief blau) ist ein behördliches Schriftstück, das nur der Empfängerin/dem Empfänger selbst zu eigenen Handen zugestellt werden darf ("eigenhändige Zustellung").

[3] Ein RSb-Brief (Rückscheinbrief weiß) ist ein behördliches Schriftstück, das auch an eine Ersatzempfängerin/einen Ersatzempfänger zugestellt werden kann ("Zustellung auch an Ersatzempfängerin/Ersatzempfänger"). Ersatzempfängerin/Ersatzempfänger ist jede erwachsene Person, die in der gleichen Wohnung wie die Empfängerin/der Empfänger wohnt.