1284 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft

über den Antrag 1413/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung einer ökologischen Pflanzenzucht

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 4. Februar 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Saatgut ist die Grundlage unserer Ernährung und wer es besitzt bzw. kontrolliert, hat Macht über die Ernährungssicherheit der Menschheit. Seit Jahrtausenden sind es die Bäuerinnen und Bauern, die das Saatgut aufbewahren, weiterentwickeln und züchten. Durch die industrielle Landwirtschaft und die weltweite Konzentration der Saatgutunternehmen kommt es zu einer enormen Reduzierung der Sortenvielfalt und Entfernung der Züchtungstechniken von den bäuerlichen und traditionellen Zuchtmethoden. Das eingeschränkte Saatgutangebot erschwert es den bäuerlichen Betrieben immer mehr, die für ihre Anbauform geeigneten Sorten zu finden.

Vom 25. bis 27. März 2010 versammelten sich in Graz, 160 VertreterInnen europäischer Saatgutnetzwerke, Initiativen zur Erhaltung, Nutzung und Verbreitung der pflanzlichen Vielfalt, zivilgesellschaftliche Organisationen, GärtnerInnen, ZüchterInnen, Bauern und Bäuerinnen aus mehr als 20 Ländern beim 5. Europäischen Saatguttreffen „Let´s liberate diversity!“. Die „Grazer Erklärung“, die in diesem Rahmen verfasst wurde, richtet sich an die Politik und lautet wie folgt:

„Grazer Erklärung: Freiheit für Vielfalt

Jeder Mensch hat das Recht, frei von Hunger zu sein und sich angemessen zu ernähren. Dieses Menschenrecht umfasst auch den Zugang zu produktiven Ressourcen, insbesondere Saatgut.

Ernährungssouveränität ist langfristig nur zu erreichen durch einen kulturell reichen ökologischen Anbau von Nahrungsmitteln basierend auf lokal angepassten Sorten und der gemeinschaftlichen Pflege und Entwicklung dieser Vielfalt.

Seit Jahrtausenden schaffen Menschen auf der ganzen Welt die Vielfalt der Kulturpflanzen und der Nutztiere. In wechselseitigen Prozessen zwischen Mensch und Natur, an vielen Orten, auf Wanderschaft und über lange Zeiten ist diese reiche bio-kulturelle Vielfalt auf unserem Planeten entstanden. Dass Menschen in aller Welt über sie verfügen können, ist grundlegend für unser tägliches Brot und die Ernährungssouveränität der Gemeinschaften. Diese Vielfalt ist ein elementarer Teil des Menschenrechts sich zu ernähren; sie muss Gemeingut sein und allen gehören.

Wir treten für die bäuerlichen Rechte ein, Saatgut aus eigener Ernte zu gewinnen, zu züchten und weiterzugeben.

Die bäuerlichen Rechte sind verletzt und in akuter Gefahr, im Zuge der laufenden Revision der EU­Saatgutgesetzgebung weiter beschnitten zu werden.

Zehn Konzerne kontrollieren bereits 67% des kommerziellen weltweiten Saatgutmarktes. Sie fordern eine Ausweitung ihrer geistigen Eigentumsrechte, um ihren Profit weiter zu vergrößern und ihre Industrie-Sorten der ganzen Welt aufzuzwingen. Nachbaufähige Sorten hingegen werden systematisch vom Markt verdrängt. Aber nicht die Konzerne mit ihren Industrie-Sorten werden die Weltbevölkerung in Zukunft ernähren, sondern es braucht vielfältige bäuerliche Strukturen mit ihren lokal angepassten Sorten. Wir berufen uns darauf, dass noch drei Viertel der Bauern und Bäuerinnnen auf der Welt ihr selbsterzeugtes Saatgut tauschen und verkaufen.

Durch die EU-Gesetzgebung werden alte und regionale Sorten jedoch in ein kontrolliertes Nischen-Dasein abgedrängt.

Wir fordern, dass Patente auf Pflanzen und Tiere, deren Eigenschaften und Gene sowie Patente auf Züchtungsmethoden ausnahmslos verboten werden und die Kontrolle der Konzerne über die Biodiversität eingeschränkt wird. Eine weitere Plünderung der weltweiten Ernährungsgrundlagen muss verhindert werden. Eine wirkliche Veränderung wird es nur geben, wenn Europa eine grundlegende Wende in seinen Ernährungs-, Handels- und Agrarpolitiken vornimmt und eine wirkliche Umsetzung der bäuerlichen Rechte, wie sie im internationalen Saatgutvertrag festgehalten sind, stattfindet.

Wir fordern:

         das Recht, Saatgut aus eigener Ernte zu gewinnen, nachzubauen, weiterzugeben und zu verkaufen;

         die Förderung der Sortenvielfalt in allen Regionen durch Unterstützung der ErhalterInnen und ZüchterInnen biologischer und samenfester Sorten, die nachbaufähig sind;

         das Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft;

         das ausnahmslose Verbot von Patenten auf Pflanzen und Tiere, deren Eigenschaften und Gene sowie von Patenten auf Züchtungsmethoden;

         eine neue Agrarpolitik, die statt einergieintensiver Großbetriebe und Monokulturen vielseitige ökologisch wirtschaftende Bauernhöfe fördert.““

 

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 22. Juni 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligte sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber der Abgeordnete Gerhard Huber.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (dafür: F, G, B; dagegen: S, V).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Ing. Hermann Schultes gewählt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2011 06 22

                          Ing. Hermann Schultes                                                           Fritz Grillitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann