1351 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über den Antrag 1562/A(E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hüftendoprothesenregister

Die Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 18. Mai 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Ein nationales Endoprothesen-Register ist die strukturierte Erfassung von Operationsdaten bei endoprothetischen Eingriffen. Langjähriges und erfolgreiches Vorbild dafür ist Schweden. Dort ist seit 1979 landesweit ‚The Swedish National Hip Arthroplasty Register‘ (‚Svenska Höftprotesregistret‘)[1] angelegt, was nachweislich zu einer Reduktion der Folgeeingriffe von ca. 70 Prozent geführt hat[2].

Die Vorteile sind eindeutig: Das Daten-Feedback ermöglicht es den orthopädischen und unfallchirurgischen Kliniken, ihre Ergebnisse im Vergleich zu anderen sowie dem nationalen Durchschnitt zu sehen und zu verbessern. Die jährliche nationale Gesamtzahl von Primär- und Revisionsoperationen wird erfasst, alle Folgeoperationen, Risikofaktoren, Operationstechniken sind dokumentiert. Sehr wichtig ist es auch, dass Angaben zu etwaigen Komplikationen, die bei den verschiedenen künstlichen Gelenken auch abhängig von den Herstellern, auftreten, gesammelt werden. Nur so kann die Standzeit von Kunstgelenken ernsthaft dokumentiert werden.

Ein Österreichisches Register für Hüftendoprothetik wurde bereits als gemeinsames Projekt der Fachgesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie sowie des ÖBIG gestartet. Auf Initiative der Fachgesellschaft für Unfallchirugie nehmen seit Februar 2008 auch (einzelne) unfallchirurgische Abteilungen an der Dokumentation teil[3].

Ziel des Hüftendoprothesen-Registers ist es, die Behandlungsqualität im Bereich der Hüftendoprothetik auch in Österreich zu beurteilen und zugleich ein Frühwarnsystem für allfällig fehlerhafte Produkte einzurichten. Nur mithilfe dieses Registers ist es möglich, Verlaufskontrollen bundesweit einheitlich zu erfassen und Daten über Behandlungserfolge bzw. über Unterschiede bei der Verwendung von Implantaten verschiedener Hersteller zu generieren. Um den Datenpool zu vergrößern und so frühzeitig mangelhafte Implantate erkennen zu können, sollen die österreichweiten Daten auch für internationale Vergleiche herangezogen werden.

In Deutschland ist ebenfalls bereits ein Register dieser Art im Entstehen: Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) hat mit dem Deutschen Endoprothesenregister (EPRD) die europaweite größte Datenbank[4] zu künstlichen Hüft- und Kniegelenken gestartet. Von den ca. 400 000 Knie- und Hüftprothesen deutschlandweit sind nahezu 35 000 ein Austausch einer Endoprothese. In Österreich gibt es solche gesammelten Daten noch nicht.

Laut Informationen der ÖBIG sind alle legistischen Maßnahmen getroffen, die Datenschutzkommission hat ihre Genehmigung gegeben, damit die derzeitige dezentrale in eine zentrale Lösung übergeführt werden kann. Einzelne Krankenanstalten haben sich bereits vertraglich verpflichtet, etliche allerdings noch nicht. Es kann und soll aber nicht sein, dass weiterhin keine Übersicht über die notwendigen Daten vorhanden ist, weil nur dann das Verbesserungspotenzial ausgeschöpft werden kann.“

 

Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 30. Juni 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald die Abgeordneten Renate Csörgits, Johann Hechtl, Dr. Andreas Karlsböck, Ursula Haubner, Dr. Sabine Oberhauser, MAS, Dr. Erwin Rasinger, Mag. Gertrude Aubauer und Mag. Johann Maier sowie der Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, MAS, Dr. Erwin Rasinger, Dr. Kurt Grünewald einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend zentrales Implantatregister im Bereich der Hüftendoprothetik eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Mit der Verordnung BGBl. II Nr. 432/2008 auf Basis des Medizinproduktegesetzes (MPG) wurden bereits die rechtlichen Grundlagen für die Führung eines zentralen Implantatregisters im Bereich der Hüftendoprothetik durch die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) geschaffen. Dieses zentrale Register dient einerseits der Datenerfassung zum Zweck der Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung im Zusammenhang mit der Hüftendoprothetik, andererseits der Datenerfassung im Bezug auf die Marktüberwachung bzw. die Medizinproduktevigilanz von Hüftgelenksimplantaten.

Im Zusammenhang mit der Medizinproduktevigilanz stellt sich jedoch die Frage, ob ein zentrales Register im Hinblick auf das EU-weit harmonisierte Medizinproduktevigilanzsystem überhaupt erforderlich ist. Zweck eines Vigilanzsystems ist die Minimierung von Gefährdungen durch die Überwachung der in Verkehr befindlichen Produkte, die Erfassung und Bewertung auftretender Komplikationen sowie die gegenseitige Verständigung der Mitgliedstaaten.

In Österreich ist das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) zentral für die Marktüberwachung bzw. die Medizinproduktevigilanz zuständig. Somit existiert national bereits eine zentrale Stelle, bei der alle Informationen über auftretende Zwischenfälle (Vigilanzmeldungen) gemeldet, erfasst, bewertet, in die europäische Datenbank für Medizinprodukte eingegeben und die erforderlichen Schutzmaßnahmen sowie (europäische) Informationen umgehend eingeleitet werden. Durch die zusätzliche Verpflichtung des § 10 der Medizinprodukte-Betreiber-VO auf Basis des MPG, dass alle Einrichtungen des Gesundheitswesens ein personalisiertes Implantatregister zu führen haben, auf welche das BASG zum Zweck der Vigilanz zugreifen kann, ist in Österreich ein schnelles Rückverfolgen der Implantate und somit die rasche Identifizierung von individuellen PatientInnen gewährleistet. Dies hat sich zuletzt im Zusammenhang mit den aufgetretenen Zwischenfällen bei einem Hüftprothesensystem der Firma DePuy bestätigt. Innerhalb kürzester Zeit organisierte das BASG den Rückruf der Hüftprothesen und identifizierte in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Krankenanstalten die betroffenen PatientInnen. Es hat sich gezeigt, dass der Vigilanzprozess in Österreich gut funktioniert und rasch alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der PatientInnen getroffen werden konnten.

Auf Grund dieser EU-weit harmonisierten Vorgangsweise und des bestehenden gegenseitigen Informationsaustausches zwischen dem BASG und den jeweiligen Krankenanstalten erscheint ein zentrales ‚Vigilanz-Register‘ nicht  zielführend.

Die auf Basis des MPG bestehenden Rechtsvorschriften hinsichtlich der Errichtung zentraler nationaler Implantatregister zum Zweck der Medizinproduktevigilanz bedürfen daher im Hinblick auf allfällige Doppelgleisigkeiten und den Aufbau von Parallelstrukturen einer Überprüfung.

Das Vigilanzsystem, welches dazu dient, einzelne schwerwiegende Komplikationen rasch zu erfassen und auszuwerten, ermöglicht daher nicht die systematische Datenauswertung wie bei Langzeitstudien im Sinne einer Ergebnisqualitätsmessung und ist daher von diesen zu unterscheiden.

Im Hinblick auf die Beurteilung der Langzeitsicherheit und –wirksamkeit von implantierbaren Medizinprodukten (Ergebnisqualität) kann ein derartiges, zentral geführtes, Register durch systematische Datenerhebung und -auswertung jedoch einen wichtigen Beitrag leisten. Damit wird eine Beurteilung der Implantat- und der Versorgungsqualität für die PatientInnen über den gesamten Lebenszyklus des erfassten Implantattypen ermöglicht und es kann Anlass für Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung und zum Schutz der PatientInnen sowohl auf Versorgungs- als auch auf Produktebene geben.

Durch die Möglichkeiten der statistischen Auswertung, des Vergleichs einzelner Produkttypen und der Produkte verschiedener Hersteller, die vergleichende Darstellung von Operationsdaten, Komplikationsraten, der Betreuungsqualität und des Behandlungserfolges wird eine proaktive Qualitätssicherung und ein verbesserter Schutz der PatientInnen ermöglicht.

Um langfristig bundesweit qualitätssichernde Maßnahmen im Bereich der Hüftendoprothetik treffen zu können, sind primär die in den Krankenanstalten bereits dezentral vorhandenen Daten betreffend Eingriffe mit Hüftendoprothesen in eine zentrale Lösung überzuführen. Im Hinblick auf die effiziente Einmeldung und Erfassung der bei den einzelnen Krankenanstalten vorhandenen und für eine flächendeckende Ergebnisqualitätsmessung relevanten Daten sind auch die zugrundeliegenden Rechtsvorschriften im Hinblick auf die erforderlichen Datensätze zu prüfen.

Ein zentrales Register im Bereich der Hüftendoprothetik oder eine anderweitige zentrale Lösung könnte sich auch für andere Endoprothesen als nützlich erweisen. Dies gilt angesichts der Anzahl der entsprechenden Operationen insbesondere für Knieendoprothesen und ist insofern ebenfalls einer Prüfung zu unterziehen.“

Bei der Abstimmung fand der Entschließungsantrag 1562/A(E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen keine Mehrheit (für den Antrag: F, G, B dagegen: S, V).

Der von den Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, MAS, Dr. Erwin Rasinger, Dr. Kurt Grünewald eingebrachte Entschließungsantrag wurde einstimmig angenommen.

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Renate Csörgits gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrages 1562/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2011 06 30

                                 Renate Csörgits                                               Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau



[1] https://www.jru.orthop.gu.se/

 

[2] Siehe Jahresberichte der Svenska Höftprotesregistret auf https://www.jru.orthop.gu.se/

 

[3] http://www.goeg.at/de/Bereich/Hueftendoprothesen-Register.html

 

[4] http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=85208