1376 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über den Antrag 1433/A(E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung nationaler Gesundheitsziele unter Einbeziehung von sozialen Determinanten

Die Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 1. März 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Erstellung nationaler Gesundheitsziele, insbesondere für die Bereiche Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs, Demenz, Diabetes, Übergewicht, Bewegung, Ernährung und psychische Gesundheit ist der erste Punkt im Kapitel Gesundheitsförderung und Prävention des aktuellen Regierungsübereinkommens.

Auch die derzeit bestehenden Gesundheitsziele (aus 2006) orientieren sich ausschließlich an Krankheiten und Lebensstilfaktoren (z.B. Zahl der Krebs-Toten um bis zu 7 % senken, Alkoholkonsum deutlich senken, Verbesserung der Zahngesundheit, Zahl der Unfälle um 25 % senken, usw.). Völlig intransparent blieb dabei, wie der Zielfindungsprozess organisiert war und wer daran mitgearbeitet hat. Auch ist unklar, mit welchen Maßnahmen die Ziele erreicht werden sollen.

Aus der WHO Publikation ‚Soziale Determinanten von Gesundheit: Die Fakten‘ stammt folgender Text:

‚Auch wenn die medizinische Versorgung bei einigen schweren Erkrankungen zu verlängerter Lebenserwartung und besserem Krankheitsverlauf führen kann, so sind die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, die die Menschen krank und hilfebedürftig machen, für die Gesundheit der Gesamtbevölkerung weitaus wichtiger. Allgemeiner Zugang zu medizinischer Versorgung ist allerdings selbst eine der sozialen Determinanten von Gesundheit‘

Folgende sozio-ökonomischen Faktoren sind lt. WHO für Gesundheitschancen und Lebenserwartung bedeutend:

das soziale Gefälle, Stress, frühe Kindheit, soziale Ausgrenzung, Arbeit, Arbeitslosigkeit, soziale Unterstützung, Sucht, Lebensmittel, Verkehr.

Es ist also unbedingt notwendig, soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten in der Gesellschaft zu beseitigen, um Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten der Bevölkerung zu verbessern.

Schweden hat in beispielhafter Weise das Gesetz ‚public health objectives‘ verabschiedet, in dem elf Gesundheitszielbereiche verankert sind.

Die über allen elf Zielen stehende Vision lautet: Die sozialen Bedingungen sollen so gestaltet werden, dass es der gesamten Bevölkerung gleichermaßen möglich ist, in guter Gesundheit zu leben. Die Schweden sehen ihre elf Ziele in einem Drei-Stufen-Modell:

- Soziale Strukturen und Lebensbedingungen

- Lebensräume und Umwelten

- Lebensstile und Gesundheitsverhalten

Die ‚sozialen Strukturen und Lebensbedingungen‘ bilden den Sockel. Von dort aus kann die zweite Stufe ‚Lebensräume und Umwelten‘ erreicht werden. Die oberste Stufe ‚Lebensstile und Gesundheitsverhalten‘ soll sinnvollerweise erst erklommen werden, wenn die ersten beiden Stufen bereits angelegt sind.

Insgesamt wurden 31 nationale Politikbereiche bzw. staatliche Agenturen mit der Zielsetzung beschäftigt.

Der Minister of Public Health und ein hochrangig besetztes nationales Steuerungsgremium koordinieren diese 31 Politikbereiche und treiben die Umsetzung von Strategien zur Erreichung der Ziele voran.

Gesundheitspolitik verstärkt an sozialen Determinanten auszurichten, bedeutet, verstärkt mit anderen Sektoren von Politik und Gesellschaft wie etwa den Bereichen Umwelt, Raumplanung, Verkehr, Soziales, Bildung, Arbeitsmarkt, usw. zusammenzuarbeiten. Armutsbekämpfung oder gesunde Arbeitsplätze wären z.B. Maßnahmen um die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern.“

Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 30. Juni 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald die Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Wolfgang Spadiut, Dr. Sabine Oberhauser, MAS, Dr. Erwin Rasinger, Karl Donabauer und Dr. Andreas Karlsböck sowie der Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, MAS und Dr. Erwin Rasinger einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Erstellung nationaler Rahmen-Gesundheitsziele eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Die Notwendigkeit von nationalen Gesundheitszielen ist insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Gesundheitsversorgung und spezifischer Belastungen und Herausforderungen im Zusammenhang mit sozialer Ungleichheit, Leistungsdruck, und der wirtschaftlichen Entwicklung sowie deren Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung zu sehen. Darüber hinaus legt die langfristige Finanzierbarkeit eines qualitativ hochwertigen und patientInnenorientierten Gesundheitswesens die Entwicklung von nationalen Gesundheitszielen als strategischen Rahmen für die Steuerung des Gesundheitswesens nahe.

Eine zukunftsorientierte Gesundheitspolitik muss jene Voraussetzungen schaffen, die helfen die Gesundheit der Menschen zu erhalten und nicht erst mit Maßnahmen auf das Kranksein reagieren. Daher rücken jene Faktoren in den Vordergrund, die Gesundheit entscheidend beeinflussen, also Gesundheitsdeterminanten wie zum Beispiel Bildungsstatus, Umwelteinflüsse, soziale Sicherheit oder Arbeitssituation. Gesundheitsziele bieten eine strategische Orientierung. Sie integrieren unterschiedliche Aspekte – von der Gesundheitsförderung bis hin zu Versorgungsthemen – und beziehen unterschiedliche Politikbereiche mit ein. Bei der Entwicklung von Gesundheitszielen soll daher ein ‚Health in All Policies‘ – Ansatz verfolgt werden. Dies bedeutet, dass alle relevanten Stakeholder der verschiedenen Ebenen sowohl aus Gesundheitsförderung und Krankenversorgung als auch aus anderen relevanten Politikbereichen an der Entwicklung der Gesundheitsziele beteiligt werden müssen. Eine politikbereichs- und sektorenübergreifende Zusammenarbeit bei der Entstehung der Gesundheitsziele bringt zahlreiche Vorteile. Die Entwicklung von Gesundheitszielen soll entsprechend der WHO eine ‚Gesundheit für alle‘- Strategie darstellen, die den Rahmen für Maßnahmen bildet, die aus den Gesundheitszielen abgeleitet werden.

Hohe Qualität, PatientInnensicherheit, Effizienz und Bedarfsgerechtigkeit sind wesentliche Merkmale eines zukunftsorientierten, leistungsfähigen, leistbaren und patientInnenorientierten Gesundheitssystems. Auf Basis der Gesundheitsziele werden in den jeweiligen Verantwortungsbereichen und idealerweise sektorenübergreifend Maßnahmen geplant und implementiert und deren Umsetzung über eine sektorenübergreifende, determinantenorientierte Gesundheitsberichterstattung begleitet.

Breit abgestimmte Gesundheitsziele unterstützen planmäßiges Handeln und fördern sowohl Transparenz als auch die gemeinsame Wahrnehmung und Lösung von Herausforderungen. Zielorientierung leistet des Weiteren einen Beitrag zur Qualitätssicherung, zur Wirkungsorientierung und damit zur Optimierung des wirtschaftlichen Einsatzes von Ressourcen. Die Bestandsaufnahme bereits etablierter Maßnahmen und Bemühungen gewährleistet, dass bereits Vorhandenes einbezogen wird und ermöglicht eine bessere Abstimmung und Koordination für die Zukunft.

Sechs zentrale Themenfelder und Ansatzpunkte wurden im Vorfeld als Rahmen für die Erarbeitung der Gesundheitsziele geortet:

- Gesunde Lebensbedingungen / Gesunde Verhältnisse

- Gesundes Verhalten

- Gesundheitliche Chancengleichheit

- Gestaltung des Versorgungssystems

- Spezielle Zielgruppen

- Volkskrankheiten

Die Bundesgesundheitskonferenz am 20.05.2011 zum Thema Gesundheitsziele war der Auftakt zur Entwicklung von Rahmen-Gesundheitszielen auf Bundesebene. Entsprechend eines umfassenden Gesundheitsbegriffes und im Sinne der Transparenz sind sowohl in die Konferenz als auch in den Entwicklungsprozess relevante Ressorts, Entscheidungsträger und Stakeholder einbezogen. Die konkrete Erarbeitung der Gesundheitsziele erfolgt in einem Plenum aus Vertreterinnen/Vertretern von ca. 30 Organisationen bzw. Gebietskörperschaften. Wichtig für die Zusammensetzung ist ein ausgewogener intersektoraler Querschnitt von Entscheidungsträgerinnen/Entscheidungsträgern und Stakeholdern die in ihrem Wirkungsbereich maßgeblichen Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung und somit auf das Erreichen von Gesundheitszielen haben. Vertreter/innen aus den Bereichen Gesundheitsförderung, Gesundheitsversorgung und aus anderen Politikbereichen mit Einfluss auf die Gesundheit sind im Plenum repräsentiert. Vertreten sind auch die Bundes- und Landesebene, die lokale Ebene, die Sozialversicherung, die Wissenschaft, gesundheitsbezogene Berufs- und Anbieterverbände für Gesundheitsdienstleistungen, Bevölkerungsgruppen mit speziellen Bedürfnissen für den Erhalt von Gesundheit und andere relevante Interessengruppen. Die  Einbeziehung der gesamten Bevölkerung erfolgt mit Hilfe einer internetbasierten Stellungnahmemöglichkeit. Der Prozess der Erarbeitung von Gesundheitszielen soll ein Jahr dauern und daher im Sommer 2012 abgeschlossen sein. Gesundheitsziele auf Bundesebene sollen breit formuliert sein und den wesentlichen Schritt zur österreichischen Gesundheitsstrategie ‚Gesundheit für alle‘ bilden.“

Bei der Abstimmung fand der Entschließungsantrag 1433/A(E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen keine Mehrheit (für den Antrag: F, G, B, dagegen: S, V).

Der von den Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, MAS und Dr. Erwin Rasinger eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Erstellung nationaler Rahmen-Gesundheitsziele wurde einstimmig angenommen.

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Claudia Durchschlag gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrages 1433/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2011 06 30

                            Claudia Durchschlag                                          Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau