1413 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Konsumentenschutz

über den Antrag 1635/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von glyphosat-hältigen Pflanzenschutzmitteln in Österreich

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 8. Juli 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Unkrautbekämpfungsmittel. Glyphosat ist ein nicht-selektives Blattherbizid mit systemischer Wirkung, das über grüne Pflanzenteile aufgenommen wird. Es wird gegen einkeim- und zweikeimblättrige Unkräuter im Acker-, Wein- und Obstbau, beim Anbau von Zierpflanzen, auf Wiesen, Weiden und Rasenflächen sowie im Forst verwendet. UmweltschützerInnen warnen seit Jahren vor den Gefahren, die von dem giftigen Präparat ausgehen. Wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf Oberflächen- und Sickerwässer und damit nachfolgend in Bezug auf das Grundwasser legen eine Neubewertung der Glyphosatanwendung nahe.

Im Rahmen des EDISSOC-Projektes wurden 2008 Glyphosatkonzentrationen im Sickwasser gemessen, die bis zum 80fachen über dem Trinkwasser-Grenzwert lagen. Im Bericht wird festgehalten: ,Der Nachweis von Glyphosat im Sickerwasser zeigt jedoch, dass die Substanz prinzipiell von Agrarflächen ins Grundwasser gelangen kann (leaching). Im Hinblick auf die Exposition gegenüber anderen Umweltchemikalien und den weitgehend unerforschten Kombinationswirkungen von Chemikaliengemischen sollte die Exposition auf Basis des „precautionary principle“ so gering wie möglich gehalten werden.‘[1] Die Datenlage legt nahe, dass bei andauernder und großflächiger Anwendung von Glyphosat letztlich die Grundwasserkörper sehr stark Gefahr laufen, über den Trinkwassergrenzwert von 0,1 μg kontaminiert zu werden und somit für die Trinkwasservorsorge verloren zu gehen.

In den letzten Jahren fanden sich zahlreiche Hinweise auf negative Wirkungen von Glyphosat auf trächtige Ratten, die Spermienbildung bei Kaninchen und auf die Nieren von Mäusen (zitiert in Benachour et al. 2007). Dosisabhängig wurden vermehrt DNA-Strangbrüche und Zellkernveränderungen bei Erythrocyten von Goldfischen beobachtet (Cavas & Könen 2007). Marc et al. (2004) beschrieben negative Effekte auf die DNA-Synthese und Zellteilung bei Seeigel-Embryonen durch Roundup3plus. In Zelllinien (rat hepatoma tissue culture) führte niedrigdosierte Glyphosat-Behandlung zu Veränderungen der Lysosomen und der Mitochondrienmembranen sowie zu morphologischen und funktionellen Veränderungen der Zellkerne (Malatesta et al. 2008). Zell- und gentoxische Effekte fanden sich auch in Studien mit menschlichen Zellen, so wurden vermehrt Chromosomen-Aberrationen nachgewiesen (Monroy et al. 2005, Lioi et al. 1998).

Glyphosat, POEA (polyethoxyliertes Tallowamin) und AMPA schädigen menschliche Zellen und führen zu deren raschem Absterben, selbst bei Konzentrationen, wie sie in der agronomischen Praxis auftreten


können; außerdem wurden anti-östrogene und anti-androgene Effekte beschrieben, die zu endokrinen Störungen führen (Benachour et al. 2007, Benachour & Seralini 2009, Gasnier et al. 2009).

DNA-Fragmentierung, Schrumpfung und Fragmentierung der Zellkerne wurden beobachtet. Die Hemmung des Enzyms Aromatase das  Androgene in Östrogene umwandelt und daher eine zentrale Rolle bei der Östrogen-Produktion und damit bei der Keimzellbildung und Fortpflanzung spielt, wird als besonders problematisch gesehen. Unter den getesteten Roundup-Versionen (R450, R400, R360, R7.2) erwiesen sich R400 und POEA (polyethoxyliertes Tallowamin) als besonders toxisch. Glyphosat allein war in der Regel weniger toxisch, was auf eine durch die POEA (bzw. Formulierungsmittel) induzierte zusätzliche Toxizität hinweist, die mit der durch POEA erleichterten Aufnahme von Glyphosat durch die Zellmembranen in Verbindung gebracht wird. Für die Autoren der genannten Arbeiten steht Roundup damit im Verdacht, die menschliche Fortpflanzung und Embryonalentwicklung zu stören, zudem würden toxische Effekte und hormonelle Wirkungen der Formulierungen bislang unterschätzt. Glyphosat steht darüber hinaus im Verdacht, bestimmte Krebserkrankungen wie das Non-Hodgkin-Lymphom (Krebserkrankung des lymphatischen Systems) zu  fördern (Eriksson et al. 2008) und die Entstehung von Hauttumoren zu begünstigen (George et al. 2010). Glyphosat beeinträchtigt selbst bei niedrigen Dosen die Embryonalentwicklung von Fröschen und Küken erheblich. Behandelte Embryos zeigten eine abnorme Entwicklung und Missbildungen insbesondere im Kopfbereich und Nervensystem (Paganelli et al. 2010 und Carrasco et al. 2010).

In der EU gilt für Glyphosat in Sojabohnen ein zulässiger Rückstandswert (maximum residue limit MRL) von 20 mg/kg. Dieser hohe Wert ist in der EU nur für wenige andere Produkte wie Gerste, Hafer und Sorghum zulässig. Für Weizen, Roggen, Raps, Lein- und Baumwollsamen liegt er bei 10 mg/kg, für die meisten anderen Produkte bei 0,1 mg/kg

(http://ec.europa.eu/sanco_pesticides/public/index.cfm?event=substance.resultat&s=1).

Sandermann[ii] betont, dass ein maximal zulässiger Rückstandswert für den Hauptmetaboliten AMPA nicht existiert, obwohl in Bohnen Glyphosatgehalte von mehreren mg/kg, aber AMPA-Gehalte bis zu 25 mg/kg gefunden wurden. Bei einer Ausschöpfung des MRL von 20 mg Glyphosat/kg wäre demnach mit einer deutlich höheren Belastung durch AMPA zu rechnen, die aber nicht erfasst würde.

Forscher an der Universität Sherbrooke im kanadischen Quebec haben das Blut von Menschen, die nachweislich Lebensmittelprodukte aus herbizidresistenten bzw. schädlingsresistenten Gentech-Pflanzen konsumiert haben, untersucht.[iii] Gemessen wurde die Konzentrationen der Herbizide Glyphosat und Glufosinat (und deren hauptsächlichen Metaboliten) sowie das Bt-Toxin, das vom Cry1AB-Gen aus schädlingsresistenten Gentech-Pflanzen stammt, im Blut von 39 nicht-schwangeren und 30 schwangeren Frauen sowie deren Foeten. Besonders brisant am Resultat ist, dass 93 Prozent der untersuchten schwangeren Frauen und 80 Prozent derer Föten (d.h. das Bt-Toxin passiert sogar die Plazenta) sowie 69 Prozent der nicht-schwangeren Frauen das Bt-Toxin Cry1AB im Blut aufwiesen. Die immer wieder gehörte Behauptung, Bt-Toxine würden im menschlichen Verdauungstrakt zersetzt, scheint somit widerlegt. Auch Curwin et al. (2007) fanden Glyphosat im menschlichen Körper. Sie wiesen es im Urin nach (unabhängig davon, ob Landwirte oder Stadtbewohner untersucht wurden). Es stellt sich die Frage, warum bisher die Belastung von KonsumentInnen mit entsprechenden Spritzmittelrückständen nicht umfassend untersucht wurde.

Im Gartenhandel und in Baumärkten werden glyphosat-hältigen Pflanzenschutzmittel angeboten. Das Umweltinstitut München warnt ebenso wie der Naturschutzbund NABU vor der Verwendung gegen so genannte Unkräuter.

,Der Wirkstoff Glyphosat und seine Abbauprodukte sind toxisch für viele Organismen und verseuchen Gewässerökosysteme. Schlimmer noch: Die Bevölkerung in den betroffenen Regionen leidet deutlich vermehrt an Fehlgeburten, Fehlbildungen und Krebserkrankungen‘, resümiert der Naturschutzbund-Präsident Olaf Tschimpke die Ergebnisse einer aktuellen Studie zu Glyphosat.[iv]

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr glyphosate-hältige Herbizide einer neuen Einstufung unterzogen. Das Deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat für alle glyphosat-hältigen Pflanzenschutzmittel, die POE-Tallowamine enthalten die Auflage VV207 (,im Behandlungsjahr anfallendes Erntegut/Mähgut nicht verfüttern.‘) bzw. VV208 (,Im Behandlungsjahr anfallendes Erntegut/Mähgut der ersten Nutzung nach der Behandlung nicht verfüttern.‘) vergeben. Das Bundesamt vertritt folgende Einschätzung: ,Aufgrund fehlender Angaben zum Rückstandsverhalten von POE-Tallowaminen hat das BfR die mit der Nahrung aufgenommenen Rückstandsmengen abgeschätzt. Das BfR geht dabei davon aus, dass in Lebens- und Futtermitteln die Rückstände von POE-Tallowaminen im selben Verhältnis zu Glyphosat stehen wie im Pflanzenschutzmittel. Die Aufnahme der so ermittelten Mengen stellt für den Verbraucher kein akutes oder längerfristiges Risiko dar. Aufgrund fehlender Daten zum Verhalten von POE-Tallowaminen in landwirtschaftlichen Nutztieren können jedoch die Rückstände in Lebensmitteln tierischer Herkunft nicht ausreichend abgeschätzt werden. Bei der angegebenen akuten Referenzdosis von 0,1 mg/kg Körpergewicht (KGW) wären beispielsweise nicht mehr als 0,8 mg/kg Milch für den Verbraucher vertretbar. Die von den Tieren mit dem Futter theoretisch aufnehmbare Rückstandsmenge entspricht jedoch 13 mg/kg KGW ohne dass Informationen zum möglichen Übergang in die Milch vorliegen. Damit ist für Erzeugnisse tierischer Herkunft keine realistische Expositionsabschätzung möglich.‘[v]

Es ist derzeit vollkommen unklar, welche Mengen an Glyphosat, AMPA und POEA (polyethoxyliertes Tallowamin) die österreichischen KonsumentInnen über die unterschiedlichen Pfade aufnehmen. Ein Verbot der Verwendung im Heim- und Gartenbereich scheint aufgrund der Studienlage derzeit geboten.“

 

Der Ausschuss für Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 4. Oktober 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Birgit Schatz die Abgeordneten Johann Höfinger und Mag. Johann Maier sowie der Bundesminister für Gesundheit  Alois Stöger, diplômé.

Bei der Abstimmung fand der Entschließungsantrag 1635/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (dafür: F,G,B, dagegen: S,V).

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Konsumentenschutz somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2011 10 04

                          Mag. Gertrude Aubauer                                                    Ing. Heinz-Peter Hackl

                                 Berichterstatterin                                                            Stellvertretender Obmann



[1] Einfluss unterschiedlicher Bodenbearbeitungssysteme auf Kohlenstoffdynamik, CO 2-Emissionen und das Verhalten von Glyphosat und AMPA im Boden Effects of Different Soil management Systems on Carbon Sequestration, CO 2  Emissions and Behaviour of Glyphosate and AMPA in Soils ,„EDISSOC”, Abschlussbericht, S. 283

[ii] Sandermann H. 2006. Plant biotechnology: ecological case studies on herbicide restitance. Trends in Plant Science 11, 324-328

[iii] Aris & Leblanc 2011, Maternal and fetal exposure to pesticides associated to genetically modified foods in Eastern Townships of Quebec, Canada

[iv] http://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/gentechnik/studien/nabu-glyphosat-agrogentechnik_fin.pdf

[v] http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/05_Fachmeldungen/2010/psm_anwendungsbestimmungen_tallowamin-Mittel.html?nn=1471850