Vorblatt

Problem/Ziel:

Die Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG, ABl. Nr. L 216 vom 20. August 2009, S. 76, sowie eine Bestimmung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge, ABl. Nr. L 120 vom 15.5.2009 S. 5, sind umzusetzen. Ferner ist in das BVergG 2006 ein Umsetzungshinweis betreffend die Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen, ABl. Nr. L 168 vom 30. Juni 2009, S. 24, aufzunehmen.

Eine Expertengruppe bestehend aus dem Rechnungshof, dem WIFO, dem IHS, dem StA und dem KDZ wurde von der am 17. Februar 2009 unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers eingesetzten „Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Konsolidierungsmaßnahmen“ beauftragt, für das Arbeitspaket 7 „Effizienz der Verwaltung“ eine strukturierte Analyse der bestehenden Probleme und der damit verbundenen Folgewirkungen zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang wurde auch das Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) näher geprüft und als ein (vorläufiges) Ergebnis festgehalten, dass im Unterschwellenbereich verstärkt vereinfachte Regelungen eingeführt werden sollen.

Mit Urteil vom 30. September 2010, Rs C-314/09, hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine nationale Regelung, die den Schadenersatzanspruch wegen Verstoßes eines öffentlichen Auftraggebers gegen Vergaberecht von der Schuldhaftigkeit des Verstoßes abhängig macht, unionsrechtswidrig ist.

Inhalt/Problemlösung:

Zur Umsetzung der RL 2009/81/EG soll ein neues Gesetz, das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich (Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 – BVergGVS 2012) erlassen werden, wobei im Bereich des Rechtsschutzes dem bereits bestehenden Bundesvergabeamt (BVA) die Kompetenz eingeräumt wird, auch die Vergabeverfahren gemäß dem neuen Gesetz zu kontrollieren.

Zur Restumsetzung der Richtlinie 2009/33/EG sollen einige Bestimmungen des BVergG 2006 angepasst werden.

Im Unterschwellenbereich werden – im Rahmen des unions- und verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraumes – durch eine Erhöhung des Schwellenwertes für die Inanspruchnahme der Direktvergabe, die Einführung eines neuen, vereinfachten Verfahrens für wertmäßig mittelgroße Aufträge, Vereinfachungen bei der Eignungsprüfung sowie durch weitere punktuelle Änderungen etwa bei der vertieften Angebotsprüfung Erleichterungen sowohl für Auftraggeber als auch Unternehmer geschaffen.

Schadenersatzansprüche gegen den Auftraggeber bestehen in Umsetzung des EuGH Erkenntnisses in der Rs C-314/09 nunmehr unabhängig vom Verschulden der Organe des Auftraggebers bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen.

Alternativen:

Soweit das BVergGVS 2012 bzw. die Novelle zum BVergG 2006 die korrekte Umsetzung von Unionsrecht betrifft, würde die Beibehaltung der bisherigen Rechtslage zur Einleitung eines bzw. zur Fortführung des bereits eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission führen.

Die vorgeschlagenen Regelungen des BVergGVS könnten in das BVergG 2006 aufgenommen werden. Für die Nachprüfung der Vergaben gemäß dem neuen Gesetz könnte eine eigene Nachprüfungsbehörde eingerichtet werden.

Die Beibehaltung der bisherigen Rechtslage im BVergG 2006 hätte zur Folge, dass auch bei verhältnismäßig kleinen Auftragsvergaben formalisierte Verfahren zur Anwendung gelangen müssten. Dies hätte im Hinblick auf potentielle Transparenzgewinne jedoch unverhältnismäßige und vermeidbare Transaktionskosten (für Auftraggeber- und Auftragnehmerseite) zur Folge. Umgekehrt würde eine zu weitgehende Vereinfachung des Unterschwellenbereichs nicht den Vorgaben des Primärrechts, insbesondere dem Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot und dem Verbot der Diskriminierung entsprechen und würde in weiterer Folge zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission führen.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

Finanzielle Auswirkungen:

Auf Grund der neuen Kompetenzen des Bundesvergabeamtes im Bereich des BVergGVS 2012 kann es zu einem Anstieg an Verfahren und damit zu finanziellen Belastungen kommen. Da nicht abgeschätzt werden kann, inwieweit Vergabeverfahren gemäß BVergGVS 2012 in höherem Ausmaß gegenüber dem bisherigen Regime (die vom BVergGVS 2012 erfassten Vergabeverfahren unterlagen grundsätzlich bereits dem Regime des BVergG 2006) angefochten werden, können diese Mehraufwendungen nicht quantifiziert werden. Da die neuen Zuständigkeiten des BVA grundsätzlich bereits bisher (allerdings unter dem Regime des BVergG 2006) in Anspruch genommen werden konnten, ist allerdings davon auszugehen, dass die Verfahrenszahlen jedenfalls nicht übermäßig ansteigen werden. Diesem Ansteigen der Verfahrenszahlen stehen ebenfalls nicht quantifizierbare Mehreinnahmen aufgrund der Pauschalgebühren gegenüber.

Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass der Umgang mit klassifizierten Informationen zu gewissen Mehraufwendungen führt bzw. führen kann. So müssen etwa Dokumente, Akten udglm. ihrem Klassifikationsgrad entsprechend verwahrt werden und dürfen Verhandlungen, in denen klassifizierte Informationen besprochen werden, nur in besonders ausgestatteten bzw. abgesicherten Räumlichkeiten stattfinden. Es ist davon auszugehen, dass das BVA keine eigenen neuen Verhandlungs- oder Archivräume, die den geforderten Sicherheitsstandards entsprechen, errichten oder adaptieren wird, sondern bereits bestehende Räumlichkeiten anderer Institutionen nutzen wird. Für diese Nutzung können Mehraufwendungen entstehen, die derzeit mangels Datenmaterial über die voraussichtlich erforderlichen Flächen und Nutzungszeiten nicht quantifiziert werden können.

Die im Gegensatz zum BVergG 2006 erweiterten Möglichkeiten zur Nutzung von Eigenerklärungen im BVergGVS 2012 können auch auf Auftraggeberseite und damit im Bereich der öffentlichen Haushalte zu Entlastungen führen. Die Vorlage von Eignungsnachweisen zieht einen gewissen Prüfungsaufwand nach sich, der bei der Vorlage einer bloßen Eigenerklärung jedenfalls geringer ausfallen wird. Da derzeit weder Daten noch seriöse Schätzungen darüber vorliegen, welche Belastungen auf Seiten des Auftraggebers derzeit aus der Prüfung der Eignung der Bewerber und Bieter im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich resultieren, können auch die – durch die vorgeschlagene Erleichterung eintretenden – Entlastungen nicht quantifiziert werden.

Durch die erweiterte Möglichkeit der Direktvergabe im BVergGVS 2012, die Nutzung eines vereinfachten Verfahrens im gesamten Unterschwellenbereich und die Möglichkeit der Nutzung der neuen Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung sind Einsparungen bei den Transaktionskosten zu erwarten. Aufgrund mangelnder Daten hinsichtlich der möglichen Verfahren können die Einsparungseffekte nicht quantifiziert werden.

Durch den zu erwartenden höheren Wettbewerbsdruck sind Einsparungseffekte bei Beschaffungen im Anwendungsbereich des BVergGVS 2012 durch verringerte Stückpreise (insbes. bei standardisierten Leistungen wie Munition) zu erwarten. Auch die Möglichkeit zur (grenzüberschreitenden) zentralen Beschaffung lässt Einsparungseffekte erwarten. Aufgrund mangelnden Datenmaterials können die skizzierten Effekte jedoch nicht quantifiziert werden.

Die Vereinfachungen im Unterschwellenbereich im BVergG 2006 werden auf Auftraggeberseite und damit im Bereich der öffentlichen Haushalte zu Entlastungen führen. Auch auf Unternehmerseite werden die vorgeschlagenen Änderungen zu Entlastungen führen. Die Durchführung formalisierter Vergabeverfahren zieht einen gewissen Verwaltungsaufwand auf Auftraggeberseite nach sich, welcher durch die Vereinfachungen der vorliegenden Novelle reduziert wird. Da kein Zahlenmaterial über die Anzahl der betroffenen Verfahren bzw. die Kosten der einzelnen Verfahrensschritte bei der Vergabe von (öffentlichen) Aufträgen vorliegt und in vielen Fällen die potentiellen Einsparungseffekte von (derzeit nicht vorhersehbaren) Festlegungen der Auftraggeber abhängen, können die durch die vorgeschlagenen Erleichterungen insgesamt zu erwartenden Entlastungen nicht quantifiziert werden, insgesamt dürften die Einspareffekte die mit den Regelungen verbundenen Kosten jedoch bei Weitem überwiegen. Die Möglichkeit zur (grenzüberschreitenden) zentralen Beschaffung auch im BVergG 2006 lässt beachtliche Einsparungseffekte erwarten. Aufgrund mangelnden Datenmaterials können die skizzierten Gesamteffekte jedoch nicht quantifiziert werden (im Bereich der Pharmazeutika werden nach Untersuchungen Einsparungen von bis zu 40% für einzelne Medikamente prognostiziert).

Durch die vorgesehene Indexanpassung der Aufwandsentschädigung für sonstige Mitglieder des Bundesvergabeamtes gemäß § 301 BVergG 2006 entstehen Mehrkosten. Die Aufwandsentschädigung betrug 2010 32 900 Euro. Die Mehraufwendungen betragen ca. 1 100 Euro pro Jahr (auf der Basis der derzeitigen Veränderungsraten).

Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Die Reduzierung der Verwaltungslasten für Unternehmer insbesondere durch die Anwendung vereinfachter Verfahren im Unterschwellenbereich (betreffend BVergGVS 2012) sowie die Ausdehnung des Systems der Eigenerklärung im Rahmen der Eignungsprüfung (betreffend BVergGVS 2012 und BVergG 2006) kann sich positiv auf den Wirtschaftsstandort Österreich auswirken.

Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen:

Die vorgeschlagenen Änderungen bei der Vorlage von Eignungsnachweisen sowie der Einsicht in Unterlagen führen im Bereich des BVergGVS 2012 zu einer nicht quantifizierbaren Verminderung der Verwaltungslasten für Unternehmen.

Die vorgesehenen Änderungen bestehender Informationsverpflichtungen führen im Bereich des BVergG 2006 zu einer Verminderung der Verwaltungslasten für Unternehmen um 3.558.863,11 Euro pro Jahr.

Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Die vorgeschlagenen Änderungen im BVergG 2006 tragen zu einer Verringerung von Treibhausgasemissionen in Österreich bei. Auch mit anderen positiven Umweltauswirkungen, insbesondere auf den Energieverbrauch, ist zu rechnen.

Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine.

Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die Neuerlassung des Gesetzes (BVergGVS 2012) dient der korrekten Umsetzung der Richtlinie 2009/81/EG. Die Novelle zum BVergG 2006 dient unter anderem zur Umsetzung der Richtlinien 2009/81/EG, 2009/33/EG und 2009/52/EG.

Der Unterschwellenbereich des BVergG 2006 ist zwar von den Vergaberichtlinien der Union nicht erfasst, unterliegt jedoch einer Vielzahl von primärrechtlichen Vorgaben, welche durch die vorgeschlagenen Änderungen berücksichtigt und umgesetzt werden. Die Novelle dient weiters der Umsetzung der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Gemäß Art. 14b Abs. 4 B‑VG bedarf die Kundmachung des Gesetzes der Zustimmung der Länder.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

1. Hauptgesichtspunkte des Entwurfes (Ausgangslage und Zielsetzung):

Der vorliegende Entwurf umfasst im Wesentlichen die nachstehenden Themenkomplexe:

I.      Zum BVergGVS 2012:

1.1.  Am 13. Juli 2009 wurde die Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG, ABl. Nr. L 216 vom 20. August 2009, S. 76 erlassen (CELEX Nummer: 32009L0081). Diese Richtlinie war bis spätestens 21. August 2011 umzusetzen. Die Umsetzung dieser Richtlinie erfordert die Neuerlassung entsprechender gesetzlicher Bestimmungen (zu den Argumenten betreffend die Regelungstechnik vgl. unten 3.). Im Bereich des Rechtsschutzes wird jedoch der 4. Teil des BVergG 2006 (Rechtsschutz vor dem Bundesvergabeamt) mit geringfügigen Adaptionen für Vergaben nach dem neuen Gesetz für anwendbar erklärt. Die Einrichtung einer gesonderten Vergabenachprüfungsbehörde für den Anwendungsbereich des neuen Gesetzes wurde aus Kostenüberlegungen nicht weiter verfolgt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Rechtsschutzsystem der RL 2009/81/EG - bis auf marginale Abweichungen (vgl. etwa Art. 56 Abs. 1 lit. b und Abs. 10, Art. 60 Abs. 3 4. UA) – mit jenem der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG idF der Richtlinie 2007/66/EG ident ist. Das Bundesvergabeamt hat daher auch im Anwendungsbereich des BVergGVS die Kompetenz, Verträge unter gewissen Voraussetzungen für nichtig zu erklären bzw. allenfalls so genannte alternative Sanktionen über Auftraggeber zu verhängen.

1.2.  Die österreichische Bundesregierung hat am 27. April 2006 beschlossen, die Verwaltungskosten für Unternehmen aus bundes- und EU-rechtlichen Informationsverpflichtungen bis 2010 bzw. 2012 um 25% zu senken. Im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode wurde eine rasche Umsetzung der Initiative vereinbart und deren Fortführung im Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode bestätigt. Am 28. November 2007 fixierte die Bundesregierung die ressortspezifischen Reduktionsziele und am 26. März 2008 beschloss die Bundesregierung eine Maßnahmenliste zur Erreichung des Reduktionszieles. Im Rahmen des österreichischen Erhebungsprojekts Verwaltungskostenreduktion für Unternehmen aus gesetzlichen Informationsverpflichtungen (SKM) wurden einzelne Bestimmungen des BVergG 2006 als (nicht unerhebliche) Kostenfaktoren für Unternehmer identifiziert. Dies betrifft etwa die Vorlage von Nachweisen für Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Eignungsprüfung oder die Antragsbedürftigkeit einzelner Verfahrensschritte. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden durch das aufwändige Nachweissystem belastet. Im Rahmen des BVergGVS wird der Bereich der Eignungsprüfung dahingehend (gegenüber dem derzeit geltenden BVergG 2006) modifiziert, dass die Vorlage der Nachweise nur mehr im Oberschwellenbereich zwingend vorgesehen ist, im Unterschwellenbereich hingegen die Vorlage einer „Eigenerklärung“ nunmehr den Regelfall darstellt. Dadurch werden die Verwaltungslasten der Unternehmer weiter reduziert.

1.3.  Im Unterschwellenbereich werden – im Vergleich zur bisherigen Rechtslage nach BVergG 2006 – für das BVergGVS signifikante Verfahrenserleichterungen durch neue Vergabeverfahren vorgeschlagen: ähnlich wie für die Vergabe nicht prioritärer Dienstleistungen, kann der Auftraggeber im gesamten Unterschwellenbereich ein von ihm selbst gestaltbares Vergabeverfahren anwenden. Ferner wird für Vergaben bis 200 000 € eine Variante der Direktvergabe mit a priori Transparenz vorgeschlagen. Zusammen mit der „klassischen“ Direktvergabe (erweitert bis zum Wert von 75 000 €) stehen nun Verfahrenstypen zur Verfügung, die die Transaktionskosten von Auftraggebern und Unternehmern in ökonomisch vertretbaren Grenzen halten sollen.

II.    Zur BVergG Novelle 2012:

1.4.  Eine Expertengruppe bestehend aus dem Rechnungshof, dem WIFO, dem IHS, dem StA und dem KDZ wurde von der am 17. Februar 2009 unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers eingesetzten „Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Konsolidierungsmaßnahmen“ beauftragt, für das Arbeitspaket 7 „Effizienz der Verwaltung“ eine strukturierte Analyse der bestehenden Probleme und der damit verbundenen Folgewirkungen zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang wurde auch das BVergG 2006 näher geprüft und als ein (vorläufiges) Ergebnis festgehalten, dass im Unterschwellenbereich verstärkt vereinfachte Regelungen eingeführt werden sollen. Das geltende Unterschwellenregime im BVergG 2006 sollte diesbezüglich systematisch durchforstet und gegebenenfalls unter Beachtung der primärrechtlichen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts (vgl. dazu insbesondere die Mitteilung der Europäischen Kommission betreffend Vergaben, die nicht unter die Vergaberichtlinien fallen, ABl. Nr. C 179 vom 1.8.2006, S. 2) neu gestaltet werden.

         Vor diesem Hintergrund leitete das Bundeskanzleramt‑Verfassungsdienst im November 2010 eine offene Konsultation aller betroffenen bzw. interessierten Kreise ein. Die 44 eingelangten Stellungnahmen wurden im Rahmen der Arbeitsgruppe „Vergabe“ analysiert und folgende Hauptpunkte identifiziert: Wunsch nach vereinfachten Verfahren im Unterschwellenbereich, Erhöhung der Schwellenwerte, Zulässigkeit mehrerer Angebote im Bereich der Direktvergabe, kurze Fristen im Unterschwellenbereich, Ausdehnung des Regimes der Eigenerklärung.

         Im Rahmen der Arbeitsgruppe wurden insbesondere folgende Erleichterungen für den Unterschwellenbereich diskutiert:

         1. Bis zu einem geschätzten Auftragswert von 130 000 Euro (bzw. 200 000 Euro) soll ein weitgehend formloses, jedoch mit Transparenzmechanismen ausgestattetes Verfahren (als Ersatz für die gemäß der SchwellenwertVO 2009 erweiterte Möglichkeit der Direktvergabe) zur Verfügung gestellt werden (vgl. die vorgeschlagenen §§ 41a und 201a - Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb).

         2. Der Nachweis der Eignung soll für den Unterschwellenbereich insofern weiter vereinfacht werden, als der Auftraggeber bei Vorliegen einer Eigenerklärung unabhängig vom Wert des Auftrages grundsätzlich nicht verpflichtet ist, vom Zuschlagsempfänger weitere Eignungsnachweise zu verlangen (vgl. dazu etwa die vorgeschlagene Änderung des § 70 Abs. 3).

         3. Bei standardisierten Lieferleistungen soll die Möglichkeit zur Verkürzung der Angebots- und Teilnahmefristen bestehen (vgl. etwa den vorgeschlagenen § 67 erster Satz).

1.5.  Mit Erkenntnis vom 30. September 2010, Rs C-314/09, hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine nationale Regelung, die den Schadenersatzanspruch wegen Verstoßes eines (öffentlichen) Auftraggebers gegen Vergaberecht von der Schuldhaftigkeit des Verstoßes abhängig macht, unionsrechtswidrig ist. In diesem Sinn soll das BVergG angepasst werden.

1.6.  Der Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmungen für zentrale Beschaffungsstellen soll erweitert werden: Auftraggeber sollen nunmehr auch bei Beschaffungen von „ausländischen“ (EU) zentralen Beschaffungsstellen bzw. über „ausländische“ (EU) zentrale Beschaffungsstellen vom Anwendungsbereich des BVergG 2006 ausgenommen werden (vgl. die vorgeschlagenen § 10 Z 19 und 20 und § 175 Z 23 und 24).

1.7.  Für Aufträge im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich gilt mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich ein eigenes Vergaberegime. Diese Aufträge sollen daher vom Anwendungsbereich des BVergG ausgenommen werden ebenso wie jene, die auch vom Anwendungsbereich des neuen Gesetzes ausgenommen sind (vgl. die vorgeschlagenen § 10 Z 18 und § 175 Z 21).

1.8.  Die Novelle soll zum Anlass genommen werden, die Bezeichnungen des Gesetzes an die neue Terminologie nach dem Vertrag von Lissabon anzupassen. Darüber hinaus soll aus Gründen des besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit die Freistellungsentscheidung der Kommission betreffend bestimmte Dienstleistungen im Postsektor (vgl. dazu den Beschluss 2010/142/EU der Kommission) in den Gesetzestext aufgenommen werden.

1.9.  Die Vollumsetzung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge, ABl. Nr. L 120 vom 15.05.2009 S. 5 (CELEX Nummer: 32009L0033), erfordert Änderungen im 2. und 3. Teil des BVergG 2006. Diese Änderungen betreffen die Verpflichtung von Betreibern von öffentlichen Personenverkehrsdiensten im Rahmen eines Dienstleistungsauftrages im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Strasse, ABl. Nr. L 315 vom 03.12.2007 S. 1 (PSO-VO; zum nicht identen Dienstleistungsauftragsbegriff der PSO-VO vgl. bereits 327 BlgNR XXIV. GP, Punkt 1.8.) die Regelungen der Richtlinie 2009/33/EG bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen zu beachten (vgl. Art. 3 lit. b der zit. Richtlinie). Diese Betreiber haben daher – ebenso wie bereits öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber – zwingend bestimmte externe Kosten bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen zu berücksichtigen. Diese Berücksichtigung kann gemäß der Richtlinie entweder durch die Festlegung von technischen Spezifikationen mit einem hohen ökologischen Standard oder durch die Verwendung ökologischer Zuschlagskriterien erfolgen.

1.10.       Darüber hinaus soll die Novellierung zum Anlass genommen werden, einzelne legistische               Bereinigungen vorzunehmen bzw. einen bislang fehlenden Umsetzungshinweis in das           BVergG 2006 aufzunehmen.

2. Abstimmung mit den Ländern:

Im Hinblick darauf, dass aufgrund der verfassungsrechtlichen Lage (vgl. Art. 14b B‑VG und die Erläuterungen in AB 1118 d.B. XXI. GP) eine Mitwirkung der Länder an der Erstellung von Entwürfen zum BVergG in Form der bereits im Jahre 2002 eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe festgeschrieben ist, fanden sowohl bei der Erstellung der Entwürfe für das BVergGVS 2012 und der BVergG Novelle 2012 wie auch für die Auswertung der Begutachtungsverfahren über Einladung des Bundeskanzleramtes mehrfach Gespräche und Konsultationen zwischen Vertretern des Bundes und der Länder statt.

3. Regelungstechnik:

Der vorliegende Entwurf beinhaltet die Neuerlassung eines Gesetzes und fügt im Wege von Einzelnovellierungen neue Regelungen in das bestehende System des BVergG 2006 ein. Von der denkbaren Regelungsalternative – Einbau aller Regelungen der Richtlinie 2009/81/EG in das BVergG 2006 – wurde aus folgenden Gründen Abstand genommen: Die Umsetzung der Regelungen der Richtlinie 2009/81/EG im Rahmen des BVergG 2006 hätte in zwei Varianten stattfinden können; einerseits durch Aufnahme einer Vielzahl von Sondernormen im 2. Teil (in Form von „a“, „b“ usw. Paragraphen) oder durch Einbau eines neuen Teiles in das Gesetz. Der erste Ansatz führt zu einer erheblich Unübersichtlichkeit der Regelungen des 2. Teiles (und damit auch zu potentieller Rechtsunsicherheit bei den Anwendern) und beide Ansätze haben ein signifikantes Anwachsen der Anzahl der Paragraphen des BVergG 2006 zur Folge. Schon bisher wurde jedoch von den Rechtsanwendern moniert, dass der Regelungsumfang des BVergG 2006 zu groß sei (dabei wird freilich vielfach übersehen, dass sich der Regelungsumfang zu einem wesentlichen Teil aus der Regelungstechnik erklären lässt [vgl. dazu bereits 1171 BlgNR XXII. GP, Punkt 3.6. und 3.7.: möglichst „geschlossene“ Regelungen für den Sektorenbereich in einem eigenen Teil des BVergG und Vermeidung von „Verweisketten“]). Um dieser Kritik entgegenzutreten, wurde der vorgeschlagene Ansatz gewählt. Darüber hinaus bietet ein eigenes Gesetz für Beschaffungen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich für den eingeschränkten Adressatenkreis Vorteile durch klarere Strukturen und bessere Lesbarkeit. Dies führt dazu auch zu einer besseren (weil friktionsfreieren) Anwendung der vorgeschlagenen Regelungen. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass die vorgesehenen Vereinfachungen im Bereich des BVergG 2006 (mit marginalen Adaptionen) auch in das BVergGVS 2012 übernommen werden.

4. Finanzielle Auswirkungen und Auswirkungen auf Verwaltungslasten:

Das BVergGVS regelt einen Bereich, der bislang durch das BVergG 2006 erfasst war. Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage ergeben sich hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen durch den vorliegenden Entwurf folgende Änderungen:

4.1.  Im Rahmen des Erhebungsprojekts Verwaltungskostenreduktion für Unternehmen aus gesetzlichen Informationsverpflichtungen (SKM) wurden gemäß einer 2007 durchgeführten Studie von Roland Berger im Auftrag des Bundeskanzleramtes im Bereich des Bundesvergabegesetzes Verwaltungslasten von insgesamt 47.347.869,25 Euro pro Jahr errechnet. Neben den Kosten für die Erstellung der Angebote und Teilnahmeanträge wurde vor allem auch die Vorlage von Eignungsnachweisen als erheblicher Kostenfaktor identifiziert. Diese Verwaltungslasten wurden durch die letzte Novelle des Bundesvergabegesetzes, BGBl. Nr. 15/2010, bereits um etwa 12.607.863,70 Euro pro Jahr reduziert.

         Hinsichtlich jener Auftragsvergaben, die bisher dem BVergG 2006 unterlagen, werden durch das BVergGVS insbesondere im Unterschwellenbereich weitere Vereinfachungen geschaffen. So kann gemäß § 30 ein Auftrag im Unterschwellenbereich in einem weitgehend frei gestaltbaren (den unionsrechtlichen Grundsätzen entsprechenden) Verfahren vergeben werden. Auf ein solches Verfahren sind jedoch die detaillierten Eignungsvorschriften sowie das Nachweissystem der §§ 58 ff nicht anwendbar. Weiters wird durch die – gegenüber dem derzeit geltenden BVergG 2006 – erweiterte Verwendung der Eigenerklärung (vgl. den vorgeschlagenen § 59 Abs. 3) die Eignungsprüfung auch bei nicht offenen Verfahren sowie Verhandlungsverfahren im Unterschwellenbereich stark vereinfacht. So liegt es grundsätzlich im Ermessen des Auftraggebers, ob er im Unterschwellenbereich Eignungsnachweise verlangt oder mit der Eigenerklärung (auch des Bestbieters) das Auslangen findet.

         Mangels Datenmaterials über speziell dem Verteidigungs- und Sicherheitsbereich unterliegenden Vergabeverfahren kann diese Erleichterung bei der Nachweisführung nicht in Zahlen gefasst werden. So liegen insbesondere auch keine Daten darüber vor, welcher Prozentsatz der nunmehr dem BVergGVS unterliegenden Beschaffungen bisher nach dem Regime des BVergG 2006 abzuwickeln war bzw. allenfalls vom Anwendungsbereich des BVergG 2006 ausgenommen war. Basierend auf dem Grundsatz, wonach die Ausnahmebestimmungen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich (wie alle anderen Ausnahmebestimmungen auch) restriktiv auszulegen sind, kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der Großteil der nunmehr dem BVergGVS unterliegenden Auftragsvergaben bisher gemäß den (strengeren) Regelungen des BVergG 2006 auszuschreiben waren. Für den Unterschwellenbereich wird daher eine erhebliche Reduktion der Verwaltungslasten für Unternehmen im Bereich der Eignungsnachweise anzunehmen sein, die jedoch mangels Datenmaterial nicht quantifizierbar ist.

         Darüber hinaus werden durch die Änderungen im Bereich der Eignungsprüfung auch auf Seiten der Auftraggeber Transaktionskosten eingespart. Die Vorlage von Eignungsnachweisen zieht einen gewissen Prüfungsaufwand nach sich, der bei der Vorlage einer bloßen Eigenerklärung jedenfalls geringer ausfällt.

         Abschließend wird darauf hingewiesen, dass auch die Folgenabschätzung der Europäischen Kommission (vgl. dazu den Richtlinienvorschlag KOM (2007) 766 endg. vom 5.12.2007, S. 7) zum Ergebnis kommt, dass „sich die Richtlinie nur sehr beschränkt auf die Verwaltungskosten der öffentlichen Auftraggeber und der Unternehmer auswirken dürfte. Der durch die erstmalige Anwendung der neuen Vorschriften möglicherweise verursachte Kostenanstieg dürfte sich in Grenzen halten, während die Verwaltungskosten der Unternehmen, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen, mittel- oder langfristig sinken dürften“.

4.2.  Nach Schätzungen des Bundesministeriums für Inneres (BMI) wird die Anzahl der Vergabeverfahren gemäß dem BVergGVS im Hinblick auf den für das BMI relevanten Anwendungsbereich der Beschaffung von „sensibler Ausrüstung“ und „sensiblen Bau- oder Dienstleistungen“ relativ gering sein und wird somit für das BMI als Auftraggeber (aus derzeitiger Sicht) nur geringfügige Mehrkosten bewirken.

         In den letzten fünf Jahren hat das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (BMLVS) Vergabeverfahren mit einem Gesamtvolumen von über 700 Millionen Euro durchgeführt. Nach Schätzungen des BMLVS ist davon auszugehen, dass in Zukunft etwa 80% aller ressortbezogenen Beschaffungen nach dem neuen BVergGVS 2012 erfolgen werden. Die nicht dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes unterliegenden Ankäufe werden weiterhin nach dem bisherigen Vergaberechtsregime getätigt werden, dh. auf Grundlage des BVergG 2006. Hinzuweisen ist darauf, dass bislang die überwiegende Anzahl der Vergabeverfahren im Wege der Direktvergabe durchgeführt wurden. Die restlichen Vergabeverfahren wurden etwa zu gleichen Teilen nach den Bestimmungen der §§ 25 Abs. 2 bis 4 BVergG 2006, d.h. im offenen bzw. nicht offenen Verfahren, durchgeführt.

4.3.  Auf Grund der Kompetenzen des Bundesvergabeamtes (BVA) im Bereich des BVergGVS 2011 könnte es zu einem Anstieg an Verfahren (Stand 2010: 106 Nachprüfungsverfahren, 90 Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und 8 Feststellungsverfahren; vgl. dazu den Tätigkeitsbericht 2010 des BVA, abrufbar unter: http://www.bva.gv.at) und damit zu finanziellen Belastungen kommen. Da mangels jedweder Anhaltspunkte a priori nicht abgeschätzt werden kann, inwieweit von den Antragsmöglichkeiten nach BVergGVS in höherem Ausmaß als nach der bisherigen Rechtslage Gebrauch gemacht wird bzw. inwieweit die Auftraggeber überhaupt zu derartigen Antragstellungen Anlass geben, können diese Mehraufwendungen nicht quantifiziert werden. Da die neuen Zuständigkeiten des BVA grundsätzlich bereits bisher (allerdings unter dem Regime des BVergG 2006) in Anspruch genommen werden konnten, ist allerdings davon auszugehen, dass die Verfahrenszahlen jedenfalls nicht übermäßig ansteigen werden. Diesem Ansteigen der Verfahrenszahlen stehen ebenfalls nicht quantifizierbare (potentielle) Mehreinnahmen aufgrund der Pauschalgebühren von nicht erfolgreichen Antragstellern gegenüber.

         Der (voraussichtlich im Vergleich zur bisherigen Situation: gehäufte) Umgang mit klassifizierten Informationen führt zu gewissen Mehraufwendungen. So müssen etwa Dokumente, Akten udglm. ihrem Klassifikationsgrad entsprechend verwahrt werden und dürfen Verhandlungen, in denen klassifizierte Informationen besprochen werden, nur in besonders ausgestatteten bzw. abgesicherten Räumlichkeiten stattfinden. Es ist davon auszugehen, dass das BVA keine eigenen neuen Verhandlungs- oder Archivräume, die den geforderten Sicherheitsstandards entsprechen, errichten oder adaptieren wird, sondern bereits bestehende Räumlichkeiten anderer Institutionen nutzen wird (vgl. dazu auch den vorgeschlagenen § 136 Abs. 5). Für diese Nutzung können Mehraufwendungen entstehen, die derzeit mangels Datenmaterial über die voraussichtlich erforderlichen Flächen nicht quantifiziert werden können. Ebenfalls sind Mehraufwendungen durch die Befolgung einschlägiger Sicherheitsvorschriften (vgl. dazu das InfoSiG und die InfoSiV) zu erwarten. Da bisher keine Erfahrungen mit Verfahren, in denen diese Sicherheitsvorschriften relevant waren, gemacht wurden und mangels Datenmaterial (auch Schätzungen sind derzeit mangels jedweden Datenmaterials unmöglich) über allfällig erhöhte Verfahrenszahlen können weder Aussagen über diesbezügliche mögliche Kostensteigerungen an sich noch die die Höhe dieser allfälligen Kosten getroffen werden.

4.4.  Durch die erweiterte Möglichkeit der Direktvergabe (im Vergleich zum geltenden BVergG 2006), die Nutzung eines vereinfachten Verfahrens im gesamten Unterschwellenbereich und die Möglichkeit der Nutzung der neuen Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung sind Einsparungen bei den Transaktionskosten zu erwarten. Aufgrund mangelnder Daten hinsichtlich der möglichen Verfahren können die Einsparungseffekte nicht quantifiziert werden.

4.5.  Durch den zu erwartenden höheren Wettbewerbsdruck sind Einsparungseffekte durch verringerte Stückpreise (insbes. bei standardisierten Leistungen wie Munition) zu erwarten. Auch die Möglichkeit zur (grenzüberschreitenden) zentralen Beschaffung (insbesondere über die Europäische Verteidigungsagentur) lässt Einsparungseffekte erwarten. Aufgrund mangelnden Datenmaterials können die skizzierten Effekte jedoch nicht quantifiziert werden.

4.6.  Aufgrund der unionsrechtlichen Grundlagen hat das BVA in bestimmten Fallkonstellationen Geldbußen zu verhängen (vgl. dazu den vorgeschlagenen § 135 iVm § 334 Abs. 7 BVergG 2006). Die vom BVA verhängten Geldbußen fließen dem ERP-Fonds zu. Die daraus entstehenden Kostenfolgen können aus heutiger Sicht nicht quantifiziert werden, da die Verhängung dieser Geldbußen teilweise von der Stellung eines Antrages abhängt bzw. davon abhängt, ob eine gänzliche Rückabwicklung nicht (mehr) möglich ist. Es ist weder absehbar, in welchem Ausmaß Auftraggeber bereit sein werden, diesen Antrag zu stellen, um die ex tunc Nichtigkeit von Verträgen abzuwenden, und inwieweit das BVA derartigen Anträgen im Einzelfall auf Grund des Vorliegens zwingender Gründe eines Allgemeininteresses stattgeben wird, noch ist absehbar, in welchen bzw. in wie vielen Fällen eine Geldbuße verhängt wird, weil eine gänzliche Rückabwicklung des Vertrages nicht (mehr) möglich ist.

Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage ergeben sich hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen durch den vorliegenden Entwurf der BVergG Novelle 2012 folgende Änderungen:

4.7.  Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen des Vorhabens im Vergleich zur bisherigen Rechtslage ist einleitend auf die Studie der Europäischen Kommission „Public Procurement in Europe – Cost and effectiveness“ von März 2011 zu verweisen (abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/modernising_rules/evaluation/index_de.htm). Diese Studie bildet – zusammen mit diversen anderen Studien im Auftrag der Kommission – die Grundlage für die Abschätzung der Auswirkungen der Vergaberichtlinien in Europa (Impact Assessment) und stellt die Basis für die in Aussicht genommene Überarbeitung der Vergaberichtlinien dar. Diese Studie ist insofern relevant, da sie (erstmals) Datenmaterial zu den Kosten von Vergabeverfahren auch für Österreich enthält. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass die Studie naturgemäß allein den sog. Oberschwellenbereich untersuchte und grundsätzliche keine Aussagen zum Unterschwellenbereich enthält. Trotzdem können aus den Ergebnissen gewisse Schlussfolgerungen für den Unterschwellenbereich abgeleitet werden.

         Die Studie enthält insbesondere folgende (für Österreich relevante) Daten:

         Legt man den Kosten den Personalaufwand pro Verfahren zu Grunde, so erfordert ein Vergabeverfahren in Österreich durchschnittlich 123 (Personen)Tage. Davon entfallen 19 Tage auf die Auftraggeberseite und 20 Tage auf die Unternehmerseite (letztere muss mit dem Durchschnittswert von 5,2 Angeboten pro Verfahren in Österreich multipliziert werden). Dies führt (unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Lohnsatzes - gemäß den Angaben von Eurostat - pro Tag in Österreich von 255 €) zu durchschnittlichen Gesamtkosten von 31.365.- € (an anderer Stelle der Studie hingegen zu durchschnittlichen Gesamtkosten von 38.500.- €) für ein Vergabeverfahren in Österreich (für Auftraggeber und für alle teilnehmenden Unternehmer bei Verfahren im Oberschwellenbereich). Das Kostenverteilungsverhältnis zwischen Auftraggebern und Unternehmern beträgt ca. 1:5.

         Hinsichtlich der Verfahrenstypen ergibt sich folgendes generelles Bild: offene Verfahren führen grundsätzlich zu niedrigeren Kosten für Auftraggeber und Unternehmer. Nicht-offene Verfahren sind vergleichsweise teurer (30% teurer als das offene Verfahren), insbesondere für die Auftraggeberseite (aufgrund des zweistufigen Verfahrens). Verhandlungsverfahren weisen grundsätzlich ähnliche Gesamtkosten auf wie offene Verfahren, jedoch sind die Kosten für die Unternehmer 30% höher als beim offenen Verfahren (daraus folgt, dass die Kosten für die Auftraggeberseite entsprechend niedriger ausfallen).

         Hinsichtlich des Auftragstyps (Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen) kommt die Studie zu folgendem Ergebnis: Bauaufträge sind besonders teuer für die Auftraggeberseite (ca. 50% höhere Kosten als die durchschnittlichen Kosten eines Verfahrens), sind aber auch für die Unternehmerseite teurer als die durchschnittlichen Kosten eines Verfahrens. Grundsätzlich liegen die Gesamtkosten für Bauaufträge ca. 70% über den durchschnittlichen Gesamtkosten von Verfahren. Die Gesamtkosten für Dienstleistungsaufträge entsprechen grundsätzlich den durchschnittlichen Gesamtkosten, Lieferaufträge sind hingegen billiger (ca. 25%) als die durchschnittlichen Gesamtkosten. Die Studie weist jedoch auch darauf hin, dass die Kosten für die Vergabe komplexer Dienstleistungen besonders hoch sind.

         Die Studie kommt ferner zum Ergebnis, dass nur eine geringe Korrelation zwischen den Kosten eines Vergabeverfahrens und dem (geschätzten) Auftragswert besteht (ausgenommen hiervon ist der Bereich von Aufträgen mit Auftragswerten weit über 5 Mio. €). So weist die Studie insbesondere kaum Differenzen zwischen den Kosten von Aufträgen (Losen) über 50.000.- € und 400.000.- € auf. Im Bereich eines Auftragswertes von 125.000.- € (derzeit geltender Schwellenwert für Auftraggeber gemäß Anhang V des BVergG 2006) können die Kosten sogar zwischen 18 und 29% des Auftragswertes liegen.

         Insgesamt betragen in Österreich die Kosten für Beschaffungen laut Studie ca. 1,9% des Gesamtbeschaffungsvolumens. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Kosten ausschließlich oder zu einem großen Teil auf die Richtlinien bzw. das BVergG 2006 zurückzuführen sind. Laut Studie ist der Anteil der (nicht quantifizierten) Sowieso - Kosten sehr hoch und lediglich 0,2% des geschätzten Auftragswertes sind als (Mehr)Kosten auf die Regelungen der Richtlinien zurückzuführen (eine separate Auswertung für die einzelnen Mitgliedstaaten enthält die Studie nicht).

         Aus diesen Daten lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: Durch die Möglichkeit, im Bereich der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb die Zahl der Teilnehmer begrenzen zu können (der Auftraggeber kann nur ein Angebot einholen; in der Praxis wird jedoch oft intern die Einholung von einem oder zwei weiteren Vergleichsangeboten zur Einschätzung der Preisangemessenheit gefordert), sinken die durchschnittlichen Gesamtkosten eines Vergabeverfahrens (diese Auswirkung ist jedoch fast ausschließlich auf die Unternehmerseite beschränkt). Im Bereich der geistigen Dienstleistungen kann dies jedoch (da hier die Zulässigkeit eines Verfahrens mit einem Unternehmer aufgrund der unverhältnismäßigen Transaktionskosten fast immer anzunehmen ist) zu einer signifikanten Kostensenkung auf Auftraggeber- wie auch Unternehmerseite führen. Geht man davon aus, dass die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb in der Praxis ähnlich wie ein Verhandlungsverfahren durchgeführt wird, dann ist zu erwarten, dass die Kosten der Auftraggeberseite geringer anzusetzen sind als jene der Unternehmerseite. Zusammenfassend kann daher gefolgert werden, dass durch die kombinierten Möglichkeiten und Effekte des neuen Verfahrens wesentliche Einsparungen auf Auftraggeberseite und Unternehmerseite zu erwarten sind. Eine Quantifizierung ist jedoch mangels österreichspezifischen Datenmaterials nicht möglich.

4.8.  Die Möglichkeit der Fristverkürzung bei standardisierten Lieferleistungen kann ebenfalls zu Einsparungen (vor allem auf Unternehmerseite) führen. Auch diesbezüglich ist jedoch mangels Datenmaterial und nicht vorhersehbarer Entwicklung des Auftraggeberverhaltens eine nähere Einschätzung nicht möglich. Gleiches gilt für die Vereinfachungen im Zusammenhang mit der Erstellung von Vergabevermerken und bei der vertieften Angebotsprüfung.

4.9.  Die vorgeschlagene Verpflichtung zur Einrichtung zentraler elektronischer Publikationsplattformen für Bund und Länder wird insbesondere zu Kosten bei jenen Ländern führen, die derartige (elektronische) Plattformen noch nicht betreiben. Für den Bund erwachsen diesbezüglich keine zusätzlichen Kosten, da eine derartige Plattform in Form der on-line Ausgabe des Amtlichen Lieferungsanzeigers (vgl. dazu die Publikationsmedienverordnung 2006, BGBl II Nr. 300) bereits zur Verfügung steht. Die Kosten für die Errichtung einer derartigen Plattform variieren stark (insbesondere abhängig von den Funktionalitäten und abhängig davon welche technische Lösung – stand alone oder Integration in bereits bestehende Systeme) und hängen von den diesbezüglichen Festlegungen der betroffenen Länder ab, sodass dazu keine näheren Angaben gemacht werden können. Weitere Kosten können durch die neu eingeführten Publikationsverpflichtung im Zusammenhang mit der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb entstehen, falls das Publikationsorgan ein entsprechendes Entgelt einheben sollte. Abhängig von der Höhe des Entgeltes (derzeit verlangt etwa die Wiener Zeitung pro Bekanntmachung im Unterschwellenbereich 85.- €) und von der Anzahl dieser Verfahren sind jedenfalls nicht unbeachtliche unmittelbare Mehrkosten zu erwarten. Für den Bereich des Bundes ist festzuhalten, dass derzeit die PublikationsmedienVO 2006 noch keine Verpflichtung zur Einschaltung in der on-line Ausgabe des Amtlichen Lieferungsanzeigers enthält. Im Rahmen einer allfälligen Anpassung der Verordnung werden jedenfalls Gespräche über die Höhe der Einschaltungspreise zu führen sein. Durch die Publizität der Vergaben (insbesondere daher bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb) werden, ausgelöst durch den intensiveren Wettbewerb, auch Einsparungseffekte eintreten. Laut der oben zitierten Studie der Kommission führt bereits allein das Faktum der Veröffentlichung eines Vergabeverfahrens dazu, dass eine Kostenreduktion von 1,2% (berechnet vom geschätzten Auftragswert) stattfindet (dieses für den Oberschwellenbereich ausgewiesene Ergebnis ist auch für den Unterschwellenbereich zutreffend; aufgrund des tendenziell sogar höheren Wettbewerbes im hier interessierenden Bereich [Teilnahme von Klein- und Mikrounternehmen] könnte die durchschnittliche Kostenreduktion sogar höher ausfallen). Dies hätte – auf der Basis der derzeitigen Publikationspreise – für den Bundesbereich (im Bereich der „klassischen“ Auftragsvergabe) die Konsequenz, dass den Kosten einer Einschaltung (85.- €) zu erwartende Einsparungseffekte von zumindest 480.- € gegenüber stehen würden (dies folgt aus der Überlegung, dass im Bereich der Direktvergabe gemäß § 41 eine Publikation de facto nur in Einzelfällen erfolgen wird). Wird eine Publikation noch mit einem besonders wettbewerbsintensivem Verfahren kombiniert (etwa einem Verfahren ohne Verhandlungen in Anlehnung an ein offenes Verfahren) so sind weitere Kostenreduktionen zu erwarten (laut Studie der Kommission führt die Durchführung eines offenen Verfahrens für sich bereits zu einem Einsparungseffekt von 2,6% des geschätzten Auftragswertes; bei nicht-offenen verfahren beträgt dieser Wert 2,5%). Da weder die allfällig eingehobenen Vergütungen für die Publikationen, noch die Anzahl der davon betroffenen Verfahren eingeschätzt werden kann, noch das Verhalten der Auftraggeber (insbesondere welche Verfahrensstruktur letztlich gewählt wird) absehbar sind, ist eine nähere Einschätzung der zu erwartenden Effekte nicht möglich.

4.10.       Aufgrund der Publikation im Zusammenhang mit der Durchführung einer Direktvergabe mit       vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb ist ein Ansteigen           der Anzahl der Nachprüfungs- und Feststellungsverfahren (im Vergleich zur bisherigen Situation          unter dem Regime der SchwellenwertVO 2009) wahrscheinlich. Die Anzahl der Verfahren hängt        jedoch fast ausschließlich davon ab, ob die Auftraggeber offenkundige Fehler vermeiden können              oder nicht. Da das Verfahren selbst (fast) völlig frei strukturierbar ist, können lediglich gröbste               Verstöße gegen vergaberechtliche Grundsätze in Verfahren vor den Nachprüfungsbehörden         releviert werden. Auch diesbezüglich sind Einschätzungen (Quantifizierungen) mangels        Datenmaterial und Kenntnis des (zukünftigen) Verhaltens der Auftraggeber nicht möglich.

4.11.       In der Novelle wird die Ausdehnung des Regimes der Eigenerklärung auf den gesamten Unterschwellenbereich vorgeschlagen. Die Änderungen im Bereich der Eignungsprüfung können auch auf Auftraggeberseite und damit im Bereich der öffentlichen Haushalte zu Entlastungen führen. Die Vorlage von Eignungsnachweisen zieht einen gewissen Prüfungsaufwand nach sich, der bei der Vorlage einer bloßen Eigenerklärung jedenfalls geringer ausfallen wird. Da keine seriösen Schätzungen darüber vorliegen, welche Belastungen auf Seiten des Auftraggebers derzeit aus der Prüfung der Eignung der Bewerber und Bieter resultieren, können auch die – durch die vorgeschlagene Erleichterung eintretenden – Entlastungen nicht quantifiziert werden.

4.12.       Im Rahmen des Erhebungsprojekts Verwaltungskostenreduktion für Unternehmen aus gesetzlichen Informationsverpflichtungen (SKM) wurde die Vorlage von Eignungsnachweisen als erheblicher Kostenfaktor für Unternehmen identifiziert. Der Nachweis der Befugnis sowie           der beruflichen Zuverlässigkeit verursachte gemäß einer 2007 durchgeführten Studie von Roland              Berger im Auftrag des Bundeskanzleramtes demnach Verwaltungslasten in der Höhe von 9.337.671,99 Euro pro Jahr, der Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen           Leistungsfähigkeit Verwaltungslasten in der Höhe von 1.616.253,11 Euro pro Jahr und der        Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit Verwaltungslasten in der Höhe von            11.948.287,52 Euro pro Jahr. Diese Verwaltungslasten wurden durch die Einführung der        Eigenerklärung mit der Novelle zum BVergG 2006, BGBl. I Nr. 15/2010, bereits um    12.336.132,72 Euro reduziert.

         Durch die nunmehr vorgeschlagene Regelung, wonach das System der Eigenerklärung auf den gesamten Unterschwellenbereich ausgedehnt werden soll (Unternehmer können somit ihre Eignung in Hinkunft im Unterschwellenbereich grundsätzlich durch die bloße Vorlage von Eigenerklärungen belegen), werden die Verwaltungslasten im Bereich der Eignungsnachweise weiter reduziert. Durch die Anhebung der Schwellenwerte, ab deren Erreichen vom Zuschlagsempfänger jedenfalls die Nachweise vorzulegen sind, kann nämlich – im Vergleich zur Rechtslage nach der Novelle 2010 – eine weitere Reduktion der betroffenen Unternehmen von geschätzten 30% angenommen werden. Auf Grundlage dieser Annahme und ausgehend von den bei der Basiserhebung des SKM-Projekts ermittelten Zahlenwerten werden durch die vorgeschlagenen Änderungen die Verwaltungslasten im Bereich der Eignungsnachweise um ca. 3.169.823 Euro reduziert.

         Gemäß der SKM-Basiserhebung 2007 verursacht weiters die Aufklärung über die Angemessenheit der Preise im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung gemäß § 125 Abs. 5 bzw. § 268 Abs. 3 sowie die Aufklärung bei Mangelhaftigkeit des Angebotes gemäß § 126 Abs. 1 Verwaltungslasten in der Höhe von insgesamt 580.689,65 Euro. Davon entfallen auf den Unterschwellenbereich 389.039,11 Euro. Da diese Informationsverpflichtung mit der vorgeschlagenen Änderung im Unterschwellenbereich zur Gänze entfällt, werden die Verwaltungslasten in diesem Bereich um 389.039,11 Euro reduziert.

         Durch die vorgeschlagenen Änderungen erfolgt daher insgesamt eine Reduktion der Verwaltungslasten um 3.558.863,11 Euro.

4.13.       Allgemein kann zu den Auswirkungen des Regelungsvorhabens in Bezug auf die Verpflichtung von Betreibern zur Beschaffung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge auf die Gesetzesfolgenabschätzung für den Richtlinienvorschlag der EK (abrufbar unter: http://ec.europa.eu/transport/urban/studies/doc/2007_ia_dir_clean_efficient_vehicles.pdf) verwiesen werden. Erwägungsgrund 13 der RL 2009/33/EG hält fest, dass der „Anschaffungspreis für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge … über jenem herkömmlicher Fahrzeuge [liegt]. Bei der Schaffung einer ausreichenden Nachfrage nach solchen Fahrzeugen könnten Größenvorteile zu Kostensenkungen führen.“ Durch die Einführung einer Verpflichtung, saubere und energieeffiziente Straßenfahrzeuge zu beschaffen, sind daher – zumindest in einer ersten Phase – Mehrkosten bei der Beschaffung von derartigen Straßenfahrzeugen grundsätzlich zu erwarten. Aufgrund der Gesetzesfolgenabschätzung der Kommission ist von einer Erhöhung der Anschaffungskosten um bis zu 11% (in der Zeit bis 2027) auszugehen. Diesen erhöhten Anschaffungskosten stehen jedoch Einsparungen bei den Treibstoffkosten gegenüber. Nach der Studie der Kommission übersteigen die Einsparungseffekte die erhöhten Anschaffungskosten um 75%, wobei höhere Erdöl- bzw. Treibstoffpreise zu höheren Einspareffekten führen würden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die von der Kommission skizzierten Markt- und Preiseffekte auf Unionsebene grundsätzlich auch für den österreichischen Markt zutreffen.

         Aufgrund mangelnder Daten hinsichtlich des zu erwartenden Beschaffungsvolumens von Straßenfahrzeugen durch Betreiber von Personenverkehrsdiensten im Sinne der PSO-VO (auf Bundes- und Landesebene) und der nicht vorhersehbaren Preisentwicklung von „sauberen und energieeffizienten“ Straßenfahrzeugen sind die zu erwartenden Mehrbelastungen bzw. Einspareffekte nicht quantifizierbar (vgl. dazu auch die Ausführungen unter 5.).

4.14.       Durch die vorgesehene Indexanpassung der Aufwandsentschädigung für sonstige Mitglieder des Bundesvergabeamtes gemäß § 301 BVergG 2006 entstehen Mehrkosten. Die Aufwandsentschädigung betrug 2010 32 900 Euro (die Aufwandsentschädigungen des Bundesvergabeamtes schwanken jedoch nicht unerheblich; zu den Vorjahren vgl. den Tätigkeitsbericht des Bundesvergabeamtes für das Jahr 2010 abrufbar unter: www.bva.gv.at). Auf der Basis der derzeitigen Veränderungsraten des Verbraucherpreisindex würden die Mehraufwendungen (berechnet vom Oktober 2010 bis September 2011) 1 123 Euro (gerundet) betragen. Es ist (unter der Annahme ähnlicher Veränderungsraten des VPI) daher davon auszugehen, dass ca. 1 100 Euro pro Jahr an Mehraufwendungen anfallen werden.

5. Sonstige Auswirkungen:

Allgemein kann zu den sonstigen Auswirkungen des Regelungsvorhabens betreffend die BVergG Novelle 2012 in Bezug auf die Verpflichtung zur Beschaffung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge auf die Gesetzesfolgenabschätzung für den Richtlinienvorschlag der EK (abrufbar unter: http://ec.europa.eu/transport/urban/studies/doc/2007_ia_dir_clean_efficient_vehicles.pdf) verwiesen werden. Soweit nicht unter Punkt 4 bereits erfasst, ergeben sich im Vergleich zur bisherigen Rechtslage durch den vorliegenden Entwurf folgende Auswirkungen:

Die besonderen Bestimmungen betreffend die Beschaffung von Straßenfahrzeugen durch Betreiber von öffentlichen Personenverkehrsdiensten im Sinne der PSO-VO, die der Umsetzung der Richtlinie 2009/33/EG dienen, ziehen umweltbezogene Auswirkungen nach sich. Gemäß der zitierten Richtlinie haben Betreiber verschiedene Möglichkeiten, betriebsbedingte Energie- und Umweltauswirkungen bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen zu berücksichtigen. Welche Alternative konkret die Betreiber auswählen oder präferieren, ist aus heutiger Sicht nicht abschätzbar.

Mangels ausreichender Basisdaten über den Beschaffungsbedarf und das Beschaffungsverhalten von Betreibern von öffentlichen Personenverkehrsdiensten im Sinne der PSO-VO kann daher keine konkretere Abschätzung der klimabezogenen Auswirkungen und insbesondere auch keine Quantifizierung der CO2-Emissionen für Österreich vorgenommen werden.

Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass gemäß der Gesetzesfolgenabschätzung der EK zum Richtlinienvorschlag von einer signifikanten Reduktion der Schadstoffemissionen (-29% NOx, -70% Partikel) sowie einer CO2-Emissionsreduktion von bis zu 1,974 Mio. t/Jahr auf Unionsebene auszugehen ist.

Wie die Gesetzesfolgenabschätzung der EK darlegt, führt die Reduktion der Schadstoffemissionen hauptsächlich im städtischen Bereich zu einer Verbesserung der Umweltsituation, insbesondere mit Auswirkungen auf die Gesundheit. Darüber hinaus sind eine Diversifizierung der Energie- und Treibstoffquellen und Reduktionen beim Verbrauch nicht erneuerbarer Energieressourcen zu erwarten.

6. Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Gesetzes ergibt sich aus Art. 14b Abs. 1 B‑VG.

7. Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Gemäß Art. 14b Abs. 4 B‑VG bedarf die Kundmachung des Gesetzes der Zustimmung der Länder.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1:

Zu § 1 (Regelungsgegenstand):

Das Verhältnis des BVergGVS zum BVergG 2006 stellt sich wie folgt dar: ähnlich wie die Sektorenregelungen des BVergG 2006 leges speciales zu den sog. „klassischen“ Regelungen des 2. Teiles des BVergG 2006 darstellen, sind die Regelungen des BVergGVS leges speciales zu den Regelungen des BVergG 2006. Analogien zwischen den genannten Regelungsbereichen sind daher nur in sehr eingeschränktem Maße zulässig und nur dann möglich, wenn es sich um idente Regelungen handelt. Die dem BVergGVS unterliegenden Vergabeverfahren unterlagen ehedem den Regelungen des BVergG 2006 (ebenso auch der Richtlinienvorschlag KOM (2007) 766, S. 4).

Klarzustellen ist, dass Aufträge, die unter die Ausnahmevorschriften der Art. 36, 51, 52, 62 oder 346 AEUV fallen, weder dem BVergG 2006 noch dem BVergGVS unterliegen (und auch niemals unterlagen). Zur Auslegung der Ausnahmebestimmung des Art. 346 AEUV ist auf die Mitteilung der Kommission vom 7.12.2006 (KOM (2006) 779) und die Judikatur des EuGH (vgl. dazu insbes. Rs C-414/97, Kommission gegen Spanien, Rs C-284/05, Kommission gegen Finnland, Rs C-294/05, Kommission gegen Schweden, Rs C-337/05, Kommission gegen Italien, Rs C-372/05, Kommission gegen Deutschland, Rs C-387/05, Kommission gegen Italien, Rs C-409/05, Kommission gegen Griechenland, Rs C-461/05, Kommission gegen Dänemark, Rs C-239/06, Kommission gegen Italien) sowie des Gerichts (vgl. insbes. Rs T-26/01, Fiocchi Munizioni SpA) zu verweisen (vgl. ferner auch die Ausführungen zu § 9 Z 1).

Das Verhältnis zwischen den erwähnten Regelungen wird auch dadurch gekennzeichnet, dass das BVergGVS nur bestimmte, in § 1 Z 1 angeführte Leistungen in seinen Regelungsgegenstand einbezieht. Abgesehen vom Sonderfall der Mischaufträge (vgl. dazu § 2) sind daher Leistungsvergaben durch Auftraggeber im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich, die nicht die in § 1 Z 1 genannten Leistungsgegenstände betreffen, weiterhin dem Regime des BVergG 2006 zuzuordnen.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass dem Anhang VI zum BVergG 2006 (Warenliste im Bereich der Verteidigung) durch das BVergGVS teilweise materiell derogiert wird. Soweit im zitierten Anhang Militärausrüstung oder sensible Ausrüstung angeführt wird, fallen Beschaffungen dieser Güter jedenfalls in den Anwendungsbereich des BVergGVS; bei in Anhang VI zum BVergG 2006 genannten Gütern, die unter § 1 Z 1 lit. c fallen können, ist das BVergGVS unter der in der lit. c genannten Voraussetzung („unmittelbarer Zusammenhang“ vgl. dazu näher unten) anzuwenden.

Die Anwendung des BVergGVS ist zwingend; ein freiwilliges „Mehr“ der Auftraggeber (im Sinne einer freiwilligen Befolgung der Rechtsvorschriften des BVergG 2006 anstatt der Rechtsvorschriften des BVergGVS) ist nicht zulässig.

Die dem BVergGVS unterliegenden Beschaffungsverfahren unterliegen – wie auch Erwägungsgrund 18 zur Richtlinie festhält - nicht dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement – GPA; vgl. dazu dessen Art. XXIII Abs. 1).

Zu den Begriffen „Auftraggeber“, „Militärausrüstung“, „sensible Ausrüstung“, „sensible Bauleistungen“, „sensible Dienstleistungen“, „Lebenszyklus“ wird auf deren Definition in § 3 und § 4 verwiesen. Zu den Begriffen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsauftrag vgl. die Anmerkungen zu den §§ 5 bis 7.

§ 1 Z 1 bezieht sich auf „Verfahren zur Beschaffung von Leistungen (Vergabeverfahren)“. Anders als im Bereich des BVergG 2006 (vgl. den Wortlaut von § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 leg. cit.) umfasst der Begriff im Anwendungsbereich des BVergGVS nicht Wettbewerbe, Konzessionsverträge bzw. bestimmte subventionierte Aufträge.

Gemäß § 1 Z 1 lit. c) werden Leistungen, die in „unmittelbarem Zusammenhang“ mit Militärausrüstung bzw. sensibler Ausrüstung stehen, dem Regime des BVergGVS zugeordnet. Der Begriff „unmittelbarer Zusammenhang“ ist restriktiv auszulegen und fordert eine enge Verbindung zwischen den fraglichen Leistungen und der Militärausrüstung bzw. sensibler Ausrüstung. Diese enge Verbindung kann beispielsweise aufgrund des Zwecks der Leistung (z.B. notwendige Hilfsleistungen) oder aufgrund der Nutzungsbedingungen oder -voraussetzungen bestehen und bedeutet, dass die Militärausrüstung oder die sensible Ausrüstung ohne die fragliche(n) Leistung(en) nicht ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch entsprechend eingesetzt werden könnte. Beispiele für diese Leistungen sind Spezialwerkzeuge und Spezialmaschinen, die für die Herstellung oder Wartung von Militärausrüstung oder sensibler Ausrüstung erforderlich sind, Spezialausrüstung wie Spezialanzüge und Helme für Kampfflugzeuge, Wartungs- und Servicedienstleistungen für Kampfflugzeuge, Kampfhelikopter, Panzer usw., Ausbildungsdienstleistungen (z.B. am Flugsimulator von Kampfflugzeugen), Bau von Test- und Übungseinrichtungen für Militärausrüstung oder sensible Ausrüstung. Nicht unter diese enge Verbindung fallen jedoch beispielsweise Standardmöbel für (geheime) Bunker.

Gemäß § 1 Z 1 lit. d) unterliegen auch Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke dem BVergGVS. Damit werden Bau- und Dienstleistungen (nicht jedoch Lieferungen) erfasst, die nicht die gemäß lit. c geforderte enge Verbindung zu einer Militärausrüstung oder sensiblen Ausrüstung aufweisen, aber einen speziellen militärischen Zweck haben (vgl. dazu auch Erwägungsgrund 14 der Richtlinie). Beispiele dafür sind Transportdienstleistungen für Truppen, Bau von Landebahnen und Luftschutzbunkern. Aufgrund des Wortlautes (arg. „speziell für militärische Zwecke“) folgt, dass die Beschaffung für militärische Zwecke erfolgen muss. Über den Beschaffungszweck entscheidet der Auftraggeber. Dieser Beschaffungszweck (zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens – vgl. dazu § 11 Abs. 3) ist entscheidend für die Anwendung des BVergGVS und sollte daher entsprechend dokumentiert werden. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass derartige Leistungen in weiterer Folge auch zu anderen Zwecken (etwa für Zwecke des Katastrophenschutzes) eingesetzt werden. Hinsichtlich allfälliger Umgehungskonstruktionen ist auf die in der Rechtsprechung des EuGH (vgl. dazu Rs C-29/04, Kommission gegen Österreich) entwickelten Grundsätze zu verweisen und festzuhalten, dass Umgehungen des Anwendungsbereiches der Vergaberichtlinien zur Rechtswidrigkeit davon betroffener Vergabeverfahren führen.

Zu § 2 (Vergabeverfahren, die unterschiedlichen Regelungen unterliegen):

§2 enthält die Regelungen für Mischaufträge, die – für sich genommen - unterschiedlichen Regimes (insbes. BVergG 2006 bzw. BVergGVS) unterliegen. Als Ausnahmevorschrift ist § 2 restriktiv auszulegen und die Beweislast, dass die Voraussetzungen für die Vergabe eines einzigen ungeteilten Auftrages vorliegen, obliegt dem die Ausnahme in Anspruch nehmenden Auftraggeber.

Grundsätzlich ist der Auftraggeber frei darüber zu bestimmen, welche Leistung er beschaffen möchte; der Auftragsgegenstand kann somit nach den individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen des Auftraggebers festgelegt werden. Die dabei zu beachtenden Grenzen zieht der EuGH dort, wo die Leistung in diskriminierender (weil bestimmte Unternehmer bevorzugender) Weise festgelegt wird oder wo der Auftraggeber verschiedene Leistungen zusammenfasst, „ohne dass zwischen diesen ein Zusammenhang aufgrund eines gemeinsamen Zwecks oder eines gemeinsamen Vorgangs bestünde“ (so der EuGH in der Rs C-411/00, Swoboda). Eine willkürliche Zusammenfassung verschiedener Leistungen durch einen Auftraggeber in einem einzigen Auftrag (insbes. zur Verfolgung eines von der Richtlinie und dem BVergGVS verpönten Zwecks) ist daher verboten (vgl. dazu ebenfalls Rs C-411/00, Swoboda).

Nach dem Wortlaut der Richtlinie (vgl. deren Art. 3) und des Gesetzes muss die Vergabe eines (einzigen, ungeteilten) Auftrages „objektiv gerechtfertigt“ sein. Die Vergabe von Mischleistungen (die unter verschiedene Regelungsregimes fallen würden) in einem Auftrag ist - als Ausnahme vom Grundsatz der getrennten Vergabe in diesen Konstellationen - nur dann zu lässig, wenn „die betreffenden Beschaffungen aus objektiven Gründen nicht aufgeteilt und als getrennte Aufträge vergeben werden können. In diesen Fällen sollten die Auftraggeber einen einzigen Auftrag erteilen dürfen, sofern ihre Entscheidung nicht zu dem Zweck getroffen wird, Aufträge von der Anwendung dieser Richtlinie oder der Richtlinie 2004/17/EG oder der Richtlinie 2004/18/EG auszunehmen“ (so Erwägungsgrund 24).

Vor der Beurteilung, ob ein einziger Auftrag vergeben werden kann bzw. der Zuordnung zum anzuwendenden Regelungsregime ist daher in diesen Fällen zu prüfen, ob die Teile eines zu vergebenden Auftrages „aus objektiven Gründen“ zusammen vergeben werden müssen (Teil- oder Nichtteilbarkeit eines Auftrages, der aus unterschiedlichen Leistungen besteht). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist zu prüfen, ob der Auftragsgegenstand ein „untrennbares Ganzes bildet“ (so verb Rs C-145/08 und C-149/08, Loutraki, Rs C-215/09, Mehiläinen Oy). Es reicht nicht aus, dass die Absicht der Vertragsparteien, die verschiedenen Teile eines gemischten Vertrags als untrennbar zu betrachten, zum Ausdruck gebracht oder vermutet wird; diese Absicht muss sich vielmehr auf objektive Gesichtspunkte stützen, die sie rechtfertigen und die Notwendigkeit begründen, einen einheitlichen Vertrag abzuschließen (so der EuGH in der Rs C-215/09, Mehiläinen Oy). Es muss daher vom Auftraggeber nachgewiesen werden, dass ein (einziger) Vertragspartner zwingend erforderlich ist, anderenfalls das Ziel des Auftrages nicht realisiert werden kann oder dass die Trennung der Leistungen (und deren getrennte Vergabe) dazu führen würde, dass die Einzelleistungen für den Auftraggeber (nahezu oder großteils) wert- oder sinnlos sind.

Kann der Auftraggeber objektiv darlegen, dass die Vergabe eines einzigen Auftrages erforderlich ist, dann ist bei Mischleistungen, die teils dem BVergG 2006 teil dem BVergGVS unterliegen, das BVergGVS anwendbar. Unterliegt ein Teil der Mischleistungen nicht dem Vergaberegime des BVergG 2006 (weil dessen Ausnahmebestimmungen anwendbar sind), der andere Teil jedoch dem BVergGVS, dann unterliegt der gesamte Auftrag keinem Vergaberegime.

Abs. 3 enthält eine spezielle Ausformulierung des Umgehungsverbotes für Mischaufträge.

Zu § 3 (Begriffsbestimmungen):

§ 3 enthält die für das BVergGVS maßgeblichen Definitionen, die in weiten Teilen jenen des BVergG 2006 (vgl. § 2 leg. cit.) entsprechen (und daher auch ident auszulegen sind). § 3 enthält jedoch weitere Definitionen, die der Richtlinie 2009/81/EG entstammen. Wie schon im BVergG 2006 sind die Definitionen alphabetisch gereiht. Durch den umfassenden Definitionenkatalog werden eine möglichst exakte Begriffsbestimmung und damit ein möglichst genaues (und einheitliches) Begriffsverständnis und mittelbar dadurch ein einheitlicherer Vollzug durch die Auftraggeber (aber auch die Unternehmer) erzielt.

Zu Z 1: Hintergrund dieser Regelung ist das in der Praxis bestehende Problem, wie bei der Vergabe nach dem Billigstangebotsprinzip mit Angeboten umgegangen werden soll, die von der ausgeschriebenen Leistung in technischer Hinsicht in einem sehr geringen Ausmaß abweichen. Derartige Angebote stellten ursprünglich (nach dem System des BVergG 2002) Alternativangebote dar, die bei einer Auftragserteilung auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis nicht zulässig sind und daher als nicht ausschreibungskonform auszuscheiden wären. Ein solches Ausscheiden wäre aber unzweckmäßig, da einerseits dem Auftraggeber weniger Angebote im Vergabeverfahren zur Verfügung stünden, andererseits erlaubt das Abänderungsangebot dem Unternehmer auch eine gewisse Flexibilität und die Chance auf Anbotslegung (etwa mit dem bereits beim Unternehmer vorhandenen Material). Voraussetzung ist, dass die angebotene Leistung mit der vom Auftraggeber verlangten technisch gleichwertig ist. Gleichwertig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Abänderungsangebot in technischer Hinsicht zumindest die gleichen (Leistungs-)Anforderungen erfüllt wie die ausgeschriebene Leistung. Es ist daher auch möglich, dass Abänderungsangebote die Leistungsanforderungen übererfüllen (zB höhere Korrosionsbeständigkeit aufgrund eines anderen Materials bei gleicher Verformungsfestigkeit). Da Abänderungsangebote Abweichungen nicht in einem Ausmaß beinhalten dürfen, wie sie bei Alternativangeboten zulässig sind, ist für die Prüfung, ob es sich bei einem konkreten Angebot noch um ein Abänderungsangebot oder bereits um ein Alternativangebot handelt, ein strenger Maßstab anzulegen. Es ist eine Einzelfallbetrachtung anzustellen, wobei in die Bewertung qualitative und quantitative Kriterien einzufließen haben (wie viele Positionen sind betroffen, beinhaltet das Abänderungsangebot ein anderes technisches Lösungskonzept als die Amtsvariante usw.). Die Annahme von Abänderungsangeboten darf daher nicht dazu führen, dass der Auftraggeber zu Änderungen in seiner Planung (zB bei Anschlüssen) gezwungen wird. Abänderungsangebote betreffen typischerweise nur einzelne Positionen (zB runde statt eckige Schächte für die Kabelführung, andere Rohrformen, andere Materialwahl z.B. bei Aufhängungen). Da Abänderungsangebote aufgrund der Definition nur Abweichung in technischer Hinsicht erfassen, sind Angebote mit Abweichungen wirtschaftlicher oder rechtlicher Art als Alternativangebote zu qualifizieren.

Zu Z 2: Ein „Alternativangebot“ ist ein Vorschlag über eine alternative Leistungserbringung (zB Ausführung) oder Lieferung eines Bieters. Ein Alternativangebot ist ein vom ausgeschriebenen Vertragsinhalt abweichendes Angebot. Dies kann alternative Leistungen, Zahlungsmodalitäten (zB Ratenzahlung) oder sonstige Konditionen (zB Leistungs- oder Gewährleistungsfristen) betreffen. Die Abgrenzung zum nicht genehmigungsfähigen aliud bzw. zum Abänderungsangebot (Z 1) kann nur im Einzelfall an Hand der konkreten Festlegungen des Auftraggebers bzw. dem Abänderungsangebot getroffen werden.

Zu Z 3: Dem vergaberechtlichen Angebot entspricht in der Terminologie des Zivilrechtes der „Antrag“ gemäß § 862 ABGB. Ein „Antrag“ ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die dem Auftraggeber gegenüber abzugeben ist. Kein Angebot – mangels Bindungswillen des Erklärenden – ist ein „freibleibend“ gestelltes Angebot oder eine unverbindliche Preisauskunft.

Zu den Z 4 bis 6: § 92 Abs. 1 nennt die zwingenden Mindestinhalte eines Angebotes. Das Angebot als Antrag im Sinne des § 862 ABGB umfasst daher auch alle für die Beurteilung des Angebotes geforderten oder vom Bieter für notwendig erachtete Erläuterungen, besondere Erklärungen, sonstige Dokumente, Unterlagen und Nachweise, die als gesonderte elektronische Beilagen (d.h. als eigenständige elektronische Dokumente) oder als (gesonderte) Papierbeilagen eingereicht werden können.

Z 4 definiert den Begriff des Angebotsbestandteiles, das sind alle gesonderten Teile eines (aus mehreren Teilen bestehenden) Angebotes (das Angebot ist daher die Summe aller Angebotsbestandteile). „Gesondert“ bedeutet in diesem Fall „eigenständig errichtet“. Angebotsbestandteile sind daher gesonderte Beilagen (in Papierform oder in elektronischer Form), die Teil des Angebotes bilden und insbesondere nähere Angaben über technische Spezifikationen enthalten, Pläne usw. Als Angebotsbestandteil ist auch ein Alternativ- oder ein Abänderungsangebot anzusehen, das in einem eigenständigen Dokument gleichzeitig mit dem ausschreibungsgemäßen Angebot erstellt und gleichzeitig mit oder zeitlich getrennt von diesem eingereicht wird.

Das Dokumentenformat der Angebotsbestandteile kann unterschiedlicher Natur (Pläne usw.) und als solches unter Umständen nicht sicher signierfähig sein. Im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Echtheit, Unverfälschtheit und Vollständigkeit elektronisch eingereichter Angebote erweist es sich als notwendig, jenen Teil des Angebotes, d.h. jenen Angebotsbestandteil, der zwingend gewisse Mindestangaben (Name des Bieters, Preisangaben sowie das Angebotsinhaltsverzeichnis) enthält, in der Z 5 als Angebotshauptteil zu definieren. Jeder Angebotshauptteil ist daher ein Angebotsbestandteil jedoch nicht umgekehrt. Durch den Begriff „zumindest“ wird klargestellt, dass der Angebotshauptteil auch weitere Angaben gemäß § 92 Abs. 1 enthalten kann. Durch den Begriff „allfällig“ in Z 5 lit. e wird zum Ausdruck gebracht, dass Alternativ- oder Abänderungsangebotspreise nur dann zwingender Bestandteil des Angebotshauptteiles sind, wenn der Bieter ein Alternativ- oder Abänderungsangebot legt. Ein Angebotsbestandteil, der nicht alle zwingenden Angaben gemäß Z 5 enthält, ist daher kein Angebotshauptteil. Wird daher ein Angebot ohne einen formgerechten Angebotshauptteil elektronisch eingereicht, so handelt es sich hierbei um ein fehlerhaftes bzw. unvollständiges Angebot gemäß § 105 Abs. 1 Z 5 (das Angebot besteht allein aus Angebotsbestandteilen, es fehlt der Angebotshauptteil). Da dieser Fehler nicht behebbar ist (eine sichere Verkettung ist aufgrund der Definition der Z 31 allein zwischen Angebotshauptteil und Angebotsbestandteilen möglich), ist ein solcherart mangelhaftes Angebot auszuscheiden. Der Begriff des Angebotshauptteiles entspricht in etwa dem ebenfalls geläufigen Begriff des „Angebotsschreibens“ bei einer standardisierten Leistungsbeschreibung. Der Angebotshauptteil muss jedenfalls in einem einzigen, sicher signierfähigen und vom Auftraggeber festgelegten Dokumentenformat erstellt werden und bildet – auch im Hinblick auf den Fall der sicheren Verkettung der Angebotsbestandteile gemäß § 98 – den „Kern“ eines Angebotes.

Zu den in der Z 5 verwendeten Begriffen „Gesamtpreis“, „Angebotspreis“ und „veränderlicher Preis“ ist auf die entsprechenden Definitionen des § 2 Z 26 BVergG 2006 (samt diesbezüglichen Erläuterungen) zu verweisen. Zum Begriff der „Variantenangebotspreise“ ist hinzuweisen, dass es sich hierbei um Preise zu Ausschreibungsvarianten des Auftraggebers handelt (vgl. dazu die Definition in § 2 Z 39 BVergG 2006). Das BVergGVS enthält zur Möglichkeit der Ausschreibungsvarianten keine Regelung (vgl. demgegenüber insbes. § 78 Abs. 6 BVergG 2006). Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass im Anwendungsbereich des BVergGVS Ausschreibungsvarianten nicht zulässig seien, wäre verfehlt.

Das in Z 6 definierte Angebotsinhaltsverzeichnis bezeichnet die vollständige Aufzählung der dem Angebotshauptteil beigeschlossenen oder gesondert eingereichten Angebotsbestandteile (vgl. § 92 Abs. 1 Z 8). In dieser Aufzählung sind nicht nur die elektronisch eingereichten Dokumente und Unterlagen sondern auch die (allenfalls nur in Papier verfügbaren) sonstigen Dokumente und Unterlagen anzuführen. Das Angebotsinhaltsverzeichnis ist zwingender Bestandteil des Angebotshauptteiles (vgl. § 3 Z 5 lit. f). Angebotsbestandteile in Papier (vgl. § 96) müssen im Angebotsinhaltsverzeichnis ebenfalls angeführt werden. Dabei muss für den Auftraggeber in eindeutiger Weise erkennbar sein, worauf sich der konkrete Angebotsbestandteil bezieht bzw. welchen Inhalt er hat (zB „Bankgarantie der XY Bank zum Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gemäß § 63 BVergGVS“, „Auskunft aus der zentralen Verwaltungsstrafevidenz gemäß § 28b AuslBG zum Nachweis der besonderen beruflichen Zuverlässigkeit“).

Zu Z 7: Arbeitsgemeinschaften sind Gelegenheitsgesellschaften, die nicht auf den Betrieb eines bestimmten Geschäftszweiges, sondern auf ein bestimmtes Geschäft gerichtet sind. In der gesetzlichen Typologie ist eine ARGE als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesBR) im Sinne des § 1175 ABGB zu qualifizieren. Sind die Gesellschafter Handelsleute (Kaufmänner) – dies ist im Bereich des Vergaberechts regelmäßig der Fall – so haften sie kraft gesetzlicher Anordnung solidarisch, falls nicht anderes mit dem Vertragspartner vereinbart wird (vgl. § 1203 ABGB, Art. 8 N. 1 EVHGB; OGH 7. Februar 1989, 4 Ob 513/89; 13. Mai 1993, 2 Ob 608/92). Hinzuweisen ist im Zusammenhang mit dieser Definition auf die Regelung in § 18 Abs. 2, wonach Arbeitsgemeinschaften – ebenso wie Bietergemeinschaften – in gewissem Umfang Parteifähigkeit und somit Rechtsfähigkeit (ausschließlich nach BVergGVS) zukommt (vgl. dazu auch die Erläuterungen zu § 18 Abs. 2).

Zu Z 8: Die Auftraggebereigenschaft richtet sich allein danach, wer zivilrechtlicher Vertragspartner werden soll. Tritt daher eine vergebende Stelle (zB die X-AG) „namens und auftrags“ bzw. „in Vertretung“ eines anderen Rechtsträgers (zB des Bundes) und nicht in eigenem Namen und auf eigene Rechnung auf, so wird der (vertretene) Rechtsträger gemäß § 1017 ABGB durch den von der vergebenden Stelle geschlossenen Vertrag berechtigt und verpflichtet. Die Tätigkeit der vergebenden Stelle für den „dahinter stehenden“ Rechtsträger ist als rechtsgeschäftliche Stellvertretung zu qualifizieren und eben dieser Rechtsträger ist daher als Auftraggeber anzusehen. Deshalb wird in das Gesetz zur Klarstellung und Unterscheidung auch eine Definition der „vergebenden Stelle“ aufgenommen (vgl. Z 38). In diesem Zusammenhang sieht § 68 Abs. 1 vor, dass der Auftraggeber und – sofern vorhanden – die vergebende Stelle in den Ausschreibungsunterlagen oder in der Bekanntmachung genau zu bezeichnen sind.

Zu Z 9: Als Unternehmer und daher auch Auftragnehmer im Sinne der Z 9 gelten auch eine EWIV (Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung) oder eine SE (Societas Europea). Die rechtliche Basis für EWIV bilden die Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 und das dazu in Österreich ergänzend erlassene EWIV-Ausführungsgesetz, BGBl. Nr. 521/1985. Vgl. dazu auch die Mitteilung der Kommission „Beteiligung von Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigungen (EWIV) an öffentlichen Aufträgen und öffentlich finanzierten Programmen“, ABl. Nr. C 285 vom 20. September 1997, 17. Die EWIV ist voll rechtsfähig. Zum Begriff des Unternehmers ist auf die Definition der Z 35 und auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Rs C-389/92, Ballast Nedam, Rs C-305/08, CoNISMa) hinzuweisen.

Zu Z 10: Der Begriff „Ausschreibung“ umfasst neben der Bekanntmachung u.a. auch die Ausschreibungsunterlagen. Die beispielhafte Aufzählung verweist auch auf die Beschreibung der Bedürfnisse und Anforderungen beim wettbewerblichen Dialog und die Information über die zu vergebende Leistung sowie über den weiteren Verfahrensablauf bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung. Die Ausschreibung stellt einen Überbegriff über verschiedene Unterlagen dar, die ihrerseits einen unterschiedlichen Konkretisierungsgrad und einen unterschiedlichen Umfang aufweisen können; die Genauigkeit, mit der ein Auftraggeber festlegt, welche Leistung er zu welchen Bedingungen erhalten möchte, sind bei einer Ausschreibung mit konstruktiver Leistungsbeschreibung und bei einer Beschreibung beim wettbewerblichen Dialog höchst unterschiedlich.

Zu Z 11: Die Definition gibt die Definition des Art. 1 Z 3 letzter Satz RL 2009/81/EG wieder.

Zu Z 12: Die Definition entspricht – in sprachlich klarerer Form – Art. 1 Z 15 2009/81/EG. Im Zusammenhang mit der Beteiligung mehrerer Unternehmer soll einheitlich von einem Zusammenschluss mehrerer Unternehmer die Rede sein (siehe die Z 7, 12, 13, 14 und 35). Zum Verständnis des Begriffes „Vergabeverfahren“ ist auf die Ausführungen zu § 1 hinzuweisen. Zum Begriff des Unternehmers ist auf die Definition der Z 35 und auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Rs C-389/92, Ballast Nedam, Rs C-305/08, CoNISMa) hinzuweisen.

Zu Z 13: Die Definition entspricht inhaltlich Art. 1 Z 16 RL 2009/81/EG.

Zu Z 14: Hinzuweisen ist auf die Regelung in § 18 Abs. 2, wonach Bietergemeinschaften – ebenso wie Arbeitsgemeinschaften – in gewissem Umfang für den Bereich des BVergGVS Parteifähigkeit und somit Rechtsfähigkeit zukommt.

Zu Z 15: Angesichts der gleichlautenden Definitionen des Begriffes „elektronisch“ in Art. 1 Abs. 13 der RL 2004/18/EG, Art. 1 Abs. 12 der RL 2004/17/EG bzw. Art. 1 Z 25 der RL 2009/81/EG ist es zweckmäßig, diese Begriffsbestimmung in das BVergGVS zu übernehmen.

Zu Z 16: Durch die Unterscheidung zwischen gesondert und nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen (des Auftraggebers) soll eine Strukturierung des Vergabeverfahrens und eine effiziente Abwicklung von Rechtsschutzverfahren erreicht werden. Letzterem Ziel dienen auch die flankierenden Bestimmungen betreffend die Fristen und die Präklusionsregelung (zur Zulässigkeit derartiger Regelungen vgl. u.a. EuGH Rs C-470/99, Universale Bau, Rs C-327/00, Santex, Rs C-230/02, Grossmann, Rs C-241/06, Lämmerzahl, Rs C-406/08, Uniplex). Durch die gesondert anfechtbaren Entscheidungen wird ein Vergabeverfahren in verschiedene Abschnitte unterteilt. Jeder Abschnitt endet mit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung, die – wie Z 16 lit. a klarstellt – nach außen in Erscheinung tritt. Nach der Judikatur des VfGH können bloße Beschlüsse im Rahmen der internen Willensbildung des Auftraggebers keinesfalls Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens sein (vgl. VfSlg. 16.462/2002: „… kann die den Gegenstand eines Rechtsschutzantrages bildende Nichtigerklärung keinesfalls bloße Beschlüsse im Rahmen der internen Willensbildung des Auftraggebers betreffen. Vielmehr geht es um die nach außen in Erscheinung tretenden Teilakte des vergebenden Organs im Vergabeverfahren und damit stets um die Nichtigerklärung privatrechtlicher Willenserklärungen“). Danach ist das Unterlassen einer Entscheidung zumindest grundsätzlich kein bekämpfbarer Akt. Der EuGH (Rs C-26/03, Stadt Halle, Rz 34) hat die dem vergabespezifischen Rechtsschutzsystem unterliegenden „Entscheidungen“ in ähnlicher Weise definiert: „Angesichts … der Ziele, der Systematik und des Wortlauts der Richtlinie 89/665 und um die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie zu wahren, stellt also jede Maßnahme eines öffentlichen Auftraggebers, die im Zusammenhang mit einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag getroffen wird, der in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50 fällt, und die Rechtswirkungen entfalten kann, eine nachprüfbare Entscheidung im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 89/665 dar, unabhängig davon, ob diese Maßnahme außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens oder im Rahmen eines solchen Verfahrens getroffen wurde.“

Alle einer gesondert anfechtbaren Entscheidung vorangegangenen (nicht gesondert anfechtbaren) Entscheidungen sind zusammen mit dieser anzufechten.

Das System der gesondert anfechtbaren und nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen wurde vom EuGH implizit für zulässig erachtet (siehe EuGH Rs C-214/00, Kommission gegen Spanien). Da die Festlegung der gesondert und nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen auch für die Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems von erheblicher Bedeutung ist, soll die Definition der gesondert und der nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen weiterhin für die jeweiligen Verfahrenstypen gesondert aufgelistet werden.

Die Wahl des Vergabeverfahrenstypus kann gemäß diesem System daher, je nach Verfahrensart, entweder mit der Ausschreibung oder bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekämpft werden (ausgenommen davon sind die Direktvergabe, die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung und die frei strukturierbaren Verfahren gemäß den §§ 30, 32 und 33 und 123). Dieses System entspricht dem unionsrechtlichen Vergaberecht (insbes. daher auch den Vorgaben der Rechtsmittelrichtlinie nach einem effektiven Rechtsschutz). Die Entscheidung über das Ausscheiden eines Angebotes ist - angesichts der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Fabricom (verb Rs C-21/03 und C-34/03) – (im Oberschwellenbereich) als gesondert anfechtbare Entscheidung auszugestalten. In diesem Zusammenhang ist in § 105 Abs. 3 explizit vorgesehen, dass die Ausscheidensentscheidung dem betroffenen Bieter bekannt zu geben ist. Hinzuweisen ist auf die Erläuterungen zu § 105, wonach die gesonderte Anfechtbarkeit der Ausscheidensentscheidung dem Auftraggeber keine Verpflichtung hinsichtlich des Zeitpunktes auferlegt, zu dem diese Entscheidung zu treffen ist.

Die gesonderte Anfechtbarkeit des Widerrufs ergibt sich aus den Entscheidungen des EuGH in der Rs C-92/00 Hospital Ingenieure, und Rs C-15/04 Koppensteiner. In diesen hat der EuGH festgestellt, dass die Entscheidung, ein Verfahren zu widerrufen, zu den Entscheidungen zählt, die anfechtbar und – für den Fall ihrer Rechtswidrigkeit – aufhebbar sein müssen. Es erscheint am zweckmäßigsten, dieser Judikatur des EuGH dadurch nachzukommen, dass für den Widerruf im Oberschwellenbereich – in Analogie zum Verfahren bei der Zuschlagsentscheidung/Zuschlagserteilung – vorgesehen wird, dass zuerst die Entscheidung über den beabsichtigten Widerruf bekannt zu geben ist und der Widerruf erst nach Ablauf einer Stillhaltefrist erklärt werden darf (siehe dazu die Z 41 und 42 sowie § 115 bzw. die Erläuterungen dazu).

Im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung soll die Nicht-Zulassung zur Teilnahme nicht gesondert anfechtbar sein; da diese Entscheidung nicht bekannt zu geben ist, ist eine Anfechtbarkeit in der Praxis kaum denkbar. Sollte ein Bewerber auf sonstigem Weg von der Bewerberauswahl Kenntnis erhalten und diese bekämpfen wollen, kann er dies mit der Anfechtung der nächsten gesondert anfechtbaren Entscheidung, der Aufforderung zur Angebotsabgabe, machen. Da die Namen der eingeladenen Unternehmer im Verhandlungsverfahren geheim zu halten sind, ist von der Nicht-Zulassung zur Teilnahme die Rede.

Für die Auftragsvergabe auf Grund einer Rahmenvereinbarung ergibt sich Folgendes: Gesondert anfechtbare Entscheidungen gibt es nur, wenn die Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern abgeschlossen wurde, wobei der Aufruf zum Wettbewerb naturgemäß nur dann anfechtbar ist, wenn nicht eine Auftragsvergabe ohne einen solchen gemäß § 130 Abs. 4 Z 1 erfolgt.

Hinsichtlich des Verfahrensablaufes bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung wird neben der Wahl des Verfahrenstypus auch die Bekanntmachung (letztere betrifft die in § 33 Abs. 3 angeführten Bekanntmachungselemente) als gesondert anfechtbare (und damit auch präkludierbare) Entscheidung verankert. Neben der Wahl des Vergabeverfahrens (die auch bei der „klassischen“ Direktvergabe gesondert anfechtbar ist) sind daher nur die Festlegungen über den Leistungsgegenstand, den Erfüllungsort und die Leistungsfrist wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze gemäß § 17 Abs. 1 anfechtbar (eine Anfechtung der Bezeichnung des Auftraggebers, der Bezeichnung des Verfahrens bzw. des Hinweises, wo nähere Informationen über das weitere Verfahren verfügbar sind kommt nicht in Betracht). Zu betonen ist, dass nach der Bekanntmachung keine gesondert anfechtbare Entscheidung mehr vorgesehen ist (so gibt es bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung insbesondere auch keine Zuschlagsentscheidung, die angefochten werden könnte). Verstößt der Auftraggeber im weiteren Verfahren etwa gegen die vom ihm festgelegten objektiven, nicht diskriminierenden und mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängenden Kriterien gemäß § 33 Abs. 4, kann ein Unternehmer nach Zuschlagserteilung gemäß § 135 iVm § 331 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006 die Feststellung beantragen, dass der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigen Angebot erteilt wurde.

Hinzuweisen ist ferner auf die Sonderbestimmungen der §§ 30 Abs. 4 und 123 Abs. 4 die besondere Regelungen für gesondert anfechtbare Entscheidungen enthalten.

Die Definition der Z 17 setzt Z 4 des Anhanges III der RL 2009/81/EG um und ist mit § 2 Z 17 BVergG 2006 ident (welcher Z 3 des Anhanges VI der RL 2004/18/EG bzw. Anhang XXI der RL 2004/17/EG umsetzt).

Zu Z 18: Die Regelung entspricht der Definition des Art. 1 Z 27 der RL 2009/81/EG. Wie Erwägungsgrund 13 festhält, umfasst die „Grundlagenforschung … experimentelle oder theoretische Arbeiten, die hauptsächlich dem Erwerb von neuem Grundlagenwissen über Phänomene oder beobachtbare Tatsachen ohne erkennbare direkte praktische Anwendungsmöglichkeiten dienen. Angewandte Forschung umfasst auch Originalarbeiten zur Erlangung neuer Erkenntnisse. Sie ist jedoch in erster Linie auf ein spezifisches praktisches Ziel oder einen spezifischen praktischen Zweck ausgerichtet. Experimentelle Entwicklung umfasst Arbeiten auf der Grundlage von vorhandenen, aus Forschung und/oder praktischer Erfahrung gewonnenen Kenntnissen zur Initiierung der Herstellung neuer Materialien, Produkte oder Geräte, zur Entwicklung neuer Verfahren, Systeme und Dienstleistungen oder zur erheblichen Verbesserung des bereits Vorhandenen.“ Der Begriff der Forschung und Entwicklung schließt die Herstellung und Qualifizierung von der Produktion vorausgehenden Prototypen, Werkzeug- und Fertigungstechnik, Industriedesign oder Herstellung nicht ein (so der Erwägungsgrund).

Zu Z 19 ist festzuhalten, dass der Begriff „geistige Dienstleistungen“ enger auszulegen ist als der aus alten Fassungen der ÖNORM A 2050 stammende, aber oft noch verwendete Begriff der „immateriellen Leistung“ (vgl. dazu schon die Erläuterungen zu § 20 Z 17 BVergG 2002 in AB 1118 BlgNR XXI. GP). Im Hinblick auf die Missverständlichkeit des Begriffs „schöpferisch“ wird auch im Kontext des BVergGVS auf diesen Zusatz verzichtet und ausschließlich von „geistigen Dienstleistungen“ gesprochen (siehe auch die englische Sprachfassung des Art. 1 Z 12 der RL 2009/81/EG, der diese Dienstleistungen wie folgt beschreibt: „service contracts having as their subject-matter intellectual performances“). Durch den Klammerausdruck „konstruktive Leistungsbeschreibung“ wird klargestellt, dass eine funktionale Leistungsbeschreibung im Sinne des § 81 Abs. 3 auch bei geistigen Dienstleistungen durchaus möglich sein kann, wobei sich daraus umgekehrt nicht ergibt, dass eine funktionale Leistungsbeschreibung jedenfalls möglich ist. Die Definition der „geistigen Dienstleistungen“ ist insbesondere für die Wahl des Vergabeverfahrens von Bedeutung (siehe insbes. § 31 Abs. 2).

Es ist zu betonen, dass diese Definition keinesfalls auf gewisse Architektur- oder Ingenieurleistungen beschränkt werden darf, sondern insbesondere auch Dienstleistungen anderer Kategorien des Anhanges III zum BVergGVS betreffen kann. Wesentliches Element der geistigen Dienstleistung ist ihr originäres und kreatives Element des Lösungsansatzes. Geistige Dienstleistungen können dahingehend umschrieben werden, dass wesentlicher Leistungsinhalt nicht die Herstellung oder Lieferung einer körperlichen Sache oder die Verrichtung von Arbeiten an einer solchen ist, ebenso wenig das Setzen eines standardisierten Verhaltens. Leistungsinhalt ist vielmehr eine gedanklich konzeptive Tätigkeit, ungeachtet ob sie der geistig Schaffende in Form eines körperlichen Werkes zugänglich macht (zB in einem Plan, einem Forschungsbericht oder einem schriftlichen Gutachten). Als geistige Dienstleistungen können daher gelten: Planungs- und Forschungsleistungen, Softwareentwicklung (IT-Lösungen), Werbekonzepte usw.

Die Definition der Z 20 setzt Z 5 des Anhanges III der RL 2009/81/EG um und ist mit jener des § 2 Z 19 BVergG 2006 ident.

Zu Z 21: Diese Begriffsbestimmung dient der Umsetzung von Art. 1 Z 10 der RL 2009/81/EG. Bewaffnete Konflikte (innerhalb eines Staates bzw. zwischen Staaten) und Kriege sind „Krisen“ im Sinne der Definition. Eine Krise besteht aber auch schon dann, wenn außergewöhnliche Schadensereignisse drohen und unmittelbar bevorstehen (Prognoseentscheidung des Auftraggebers). Im letztgenannten Fall empfiehlt es sich, die Fakten und Gründe, die für das Bestehen einer Krise nach Auffassung des Auftraggebers bestehen, entsprechend zu dokumentieren (z.B. durch Hinweise auf Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, des Rates der EU, Medienberichte usw.). Die Definition spielt im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Versorgungssicherheit (vgl. dazu § 70 Abs. 2 Z 4 und 5) und der Wahl von Ausnahmeverfahren (vgl. dazu § 25 Z 3) eine Rolle. Drittstaat im Sinne dieser Definition ist jeder Staat der nicht ein Mitgliedstaat der EU ist (daher sind auch andere Vertragsparteien des EWR-Abkommens „Drittstaaten“ im Sinne dieser Definition).

Zu Z 22: Mit der Wortfolge „auf den Leistungsinhalt abgestimmten“ soll im Zusammenhang mit der Definition der Auswahl- und Eignungskriterien das „Übermaßverbot“ klar zum Ausdruck gebracht werden. Zwar handelt es sich bei beiden Kriterien um rein unternehmerbezogene und nicht um auftragsbezogene Kriterien, allerdings stehen diese insofern in einem Konnex mit dem Leistungsgegenstand, als die Eignung von einem Unternehmer nur in einem Ausmaß verlangt werden darf, wie dies durch den Gegenstand des Auftrages gerechtfertigt ist (siehe § 59 Abs. 1 letzter Satz).

Auswahlkriterien sind Kriterien für das sog. „short-listing“, die – anders als Eignungskriterien – einer qualitativ-quantitativen Wertung zugänglich sind; mit anderen Worten: ein Unternehmer kann die vom Auftraggeber festgelegten Auswahlkriterien besser erfüllen als ein Mitbewerber (und wäre daher in die zweite Stufe des Verfahrens einzubeziehen, vgl. § 87 Abs. 6).

Durch den Wortlaut der Definition in lit. a wird auch eindeutig klargestellt, dass vom Gesetz keine Gewichtung der Auswahlkriterien vorgeschrieben wird (so explizit Erwägungsgrund 40 der RL 2004/18/EG und implizit Erwägungsgrund 62 der RL 2009/81/EG). Ein Vergleich mit der Diktion des § 68 Abs. 3 und des § 85 Abs. 7 („Verhältnis ihrer Bedeutung“) zeigt, dass eine bewusste sprachliche Differenzierung erfolgt. Die „Reihenfolge ihrer Bedeutung“ beinhaltet daher eine (bloße) Reihung der Kriterien und nicht deren Gewichtung.

Im Gegensatz zu den Auswahlkriterien sind Eignungskriterien per definitionem so genannte „K.O.“-Kriterien (vgl. dazu den Wortlaut „Mindestanforderungen“). Ein Bewerber oder Bieter kann sie nur erfüllen oder nicht erfüllen. Eignungskriterien sind darüber hinaus, anders als Zuschlagskriterien, unternehmer- und nicht auftragsbezogen.

Hinzuweisen ist darauf, dass nach der ständigen Judikatur des EuGH und des EuG Auswahl- bzw. Eignungskriterien weder mit Zuschlagskriterien vermischt werden noch Auswahl- bzw. Eignungskriterien für die Angebotsbewertung als Zuschlagskriterien herangezogen werden dürfen (vgl. EuGH Rs 31/87, Beentjes, C‑315/01, GAT, Rs C-532/06, Lianakis, Rs C-199/07, Kommission gegen Griechenland, Rs T-169/00, Esedra gegen Kommission, Rs T-148/04, TQ3 Travel Solutions).

Hinsichtlich der Zuschlagskriterien ist im Zusammenhang mit dem Zuschlagsprinzip auf das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot auf Folgendes hinzuweisen:

Der EuGH hat in den Rs 31/87, Beentjes, C-470/99, Universale Bau, C-513/99, Concordia Bus Finland, C-19/00, SIAC, C-448/01, EVN Wienstrom, und C-234/03, Contse, Rs C-532/06; Lianakis, Rs C-199/07, Kommission gegen Griechenland nähere Aussagen über die Anforderungen an und die Schranken bei der Festlegung von Zuschlagskriterien im Zusammenhang mit dem Zuschlagsprinzip „technisch und wirtschaftlich günstigstes Angebot“ getroffen. Der Gerichtshof hat folgende Grundsätze ausformuliert: Der Auftraggeber ist, sofern das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot gewählt werden soll, grundsätzlich frei, die Kriterien für die Zuschlagserteilung festzulegen. Die Kriterien müssen lediglich der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes dienen, müssen die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechtes respektieren und dürfen dem Auftraggeber keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen. Sie müssen eine Ausübung des dem Auftraggeber zustehenden Beurteilungsermessens nach objektiven Gesichtspunkten ermöglichen und dürfen kein willkürliches Auswahlelement enthalten. Ein Rückgriff auf ein Sachverständigengutachten bei der Angebotsbewertung kann zulässig sein, wenn dieses Gutachten auf objektive, für die Bewertung geeignete Faktoren gestützt ist. Die Auftraggeber sind aber nicht nur bei der Auswahl der Zuschlagskriterien grundsätzlich frei, sondern auch bei deren Gewichtung, sofern diese eine Gesamtwürdigung der Kriterien ermöglicht, die der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes dienen. Die Zuschlagskriterien müssen in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen genannt werden. Die unionsrechtlichen Publizitätsvorschriften und die wesentlichen Grundsätze des Unionsrechts sollen verhindern, dass nationalen Anbietern oder Bewerbern nationale Präferenzen eingeräumt werden. Sie können nicht durch Verweisung festgelegt werden. Die Kriterien müssen geeignet sein, das gemäß den Festlegungen in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen vorteilhafteste Angebot festzustellen. Die Kriterien müssen einen sehr engen Bezug zum Auftragsgegenstand haben. Als Zuschlagskriterien sind jene Kriterien ausgeschlossen, die nicht der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen, sondern die im Wesentlichen mit der Beurteilung der fachlichen Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrags zusammenhängen. Die Zuschlagskriterien müssen so festgelegt sein, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter sie bei Anwendung der üblichen Sorgfalt in gleicher Weise auslegen können. Zuschlagskriterien, die nicht mit Anforderungen verbunden sind, die eine effektive Kontrolle der Richtigkeit der Bieterangaben ermöglichen, verstoßen gegen die Grundsätze des Unionsrechts. Die Zuschlagskriterien sind bei der Angebotsbewertung objektiv und einheitlich auf alle Angebote anzuwenden.

Zur Frage, ob Zuschlagskriterien auch Faktoren sein können, die nicht rein quantitativer Art sind, wie die Qualität des eingesetzten Personals oder allgemeiner der technische Wert des Angebots, hielt das Gericht fest, dass derartige Faktoren die Qualität der Ausführung eines Dienstleistungsauftrags und folglich den wirtschaftlichen Wert des Angebots eines Bieters für diesen Auftrag beeinflussen können und deshalb grundsätzlich als Zuschlagskriterien zulässig sein können (Rs T-461/08, Evropaiki Dynamiki gegen EIB). Jedoch muss auch in diesem Fall an Hand der Umstände des Einzelfalles festgestellt werden, ob sich diese Kriterien im konkreten Fall vornehmlich auf Fähigkeiten des Unternehmers beziehen oder auf Qualitätsaspekte des Auftragsgegenstandes. Der VwGH (Erkenntnis vom 26.6.2009, 2009/04/0024) führte zu dieser Frage aus, dass es durchaus Kriterien geben kann, die zunächst auf das Unternehmen der Bieter (wie etwa die Qualifikation der Mitarbeiter bzw. eines konkreten Mitarbeiters dieses Unternehmens) abstellen, dennoch aber zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes dienen können, indem sie die unterschiedliche Qualität der zu erbringenden Dienstleistungen überhaupt nachprüfbar machen. Nach Auffassung des VwGH geht auch der EuGH im Urteil C-199/07, Lianakis, nicht davon aus, dass alle Kriterien, die mit der fachlichen Eignung der Bieter zusammenhängen, in jedem Fall als Zuschlagskriterien unzulässig sind. Zumindest sprechen dafür nach Auffassung des VwGH die Aussagen des EuGH in der Rz 30 des Erkenntnisses, wo der EuGH als Zuschlagskriterien nur Kriterien ausschließt, die „im Wesentlichen“ („essentiellment“) - also nicht in jedem Fall - mit der Beurteilung der fachlichen Eignung zusammenhängen und in der Rz 31, wo der EuGH darauf hinweist, dass die Kriterien „in erster Linie“ („principalement“) auf die Erfahrung, die Qualifikationen und die (geeigneten) Mittel abstellen. Letztlich spricht gegen die Unzulässigkeit, so der VwGH, die Überlegung, dass gerade die persönliche Qualifikation des Schlüsselpersonals bei Dienstleistungen eines der wenigen wirklich tauglichen Bestbieterkriterien neben dem Angebotspreis darstellt und gerade für die Vergabepraxis von großer Wichtigkeit ist.

Dass Zuschlagskriterien beim Zuschlagsprinzip technisch und wirtschaftlich günstigstes Angebot ausnahmsweise auch gereiht werden können, soll der Klarstellung halber auch in der Definition zum Ausdruck kommen. Eine Auflockerung der strengen Anforderungen an die Gewichtung oder ein Abweichen vom Primat der Gewichtung der Zuschlagskriterien ist damit nicht verbunden (zu den gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abweichung von der Verpflichtung zur Gewichtung vgl. § 68 Abs. 3). Die Kriterien, die für die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes herangezogen werden können, sind in der RL 2009/81/EG und im BVergGVS nicht abschließend aufgezählt. Demonstrativ genannt werden: Qualität, Preis, technischer Wert, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Kosten während der gesamten Lebensdauer, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt und Lieferungs- bzw. Ausführungsfrist, Versorgungssicherheit, Interoperabilität und Eigenschaften beim Einsatz. Zuschlagskriterien müssen sich, wie bereits mehrfach betont, eng auf den zu vergebenden Auftrag beziehen und geeignet sein, das für den Auftraggeber wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln. Allerdings muss nicht jedes Zuschlagskriterium, das der Auftraggeber für die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes heranzieht, rein wirtschaftlicher Art sein. Auch Faktoren, die nicht rein wirtschaftlicher Art sind, können sich auf den Wert des Angebotes auswirken (zB Design). Für alle Zuschlagskriterien gilt, dass sie unmittelbar die zu erbringende Leistung oder die Modalitäten ihrer Ausführung betreffen müssen. Die angewandten Kriterien sollen den Auftraggeber in die Lage versetzen, die einzelnen Angebote objektiv miteinander vergleichen zu können um das für ihn günstigste Angebot auf der Grundlage objektiver Kriterien auswählen zu können. Anhand dieser Bewertung soll festgestellt werden, welches Angebot den Bedürfnissen des Auftraggebers am besten gerecht wird. Daher besteht die Aufgabe der Zuschlagskriterien darin, die Qualität der Angebote zu bewerten und folglich müssen sich die Zuschlagskriterien auf den Vertragsgegenstand beziehen. Hinsichtlich der Möglichkeiten, im Rahmen der Zuschlagskriterien ökologische, innovative oder soziale Zielsetzungen umzusetzen, wird auf die einschlägigen Mitteilungen und Leitfäden der Europäischen Kommission (vgl. unter anderem KOM(2001) 274, KOM(2001) 256, KOM(2007) 799, KOM(2008) 400, KOM(2009) 215, SEK(2010) 1258 und SEK(2010) 1545) verwiesen. Wirtschaftliche Gesichtspunkte können insbesondere Umweltschutzaspekte umfassen wie beispielsweise der Energieverbrauch eines Produkts. In der Rs C-513/99 hat der EuGH ausgesprochen, dass die Heranziehung von Umweltschutzkriterien bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes zulässig ist, wenn die allgemeinen Anforderungen beachtet werden. Kriterien, die sich auf die Höhe der Schadstoffemissionen oder den verursachten Lärmpegel beziehen, hat der EuGH unter den genannten Voraussetzungen als zulässig angesehen.

Zu beachten ist ferner Erwägungsgrund 71 der RL 2009/81/EG: „Beschließen die Auftraggeber, dem wirtschaftlich günstigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen, so müssen sie die Angebote unter dem Gesichtspunkt des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses bewerten. Zu diesem Zweck müssen sie die wirtschaftlichen und qualitativen Kriterien festlegen, anhand deren insgesamt das für den Auftraggeber wirtschaftlich günstigste Angebot zu bestimmen ist. Die Festlegung dieser Kriterien hängt insofern vom Auftragsgegenstand ab, als sie es ermöglichen müssen, das Leistungsniveau jedes einzelnen Angebots im Verhältnis zu dem in den technischen Spezifikationen beschriebenen Auftragsgegenstand zu bewerten sowie das Preis-Leistungsverhältnis jedes Angebots zu bestimmen.“

Die Definition der Z 23 dient der Umsetzung von Art. 1 Z 26 der RL 2009/81/EG. Wie Erwägungsgrund 12 der RL festhält, schließen die in der Definition genannten Stadien (F&E, Reparatur, Modernisierung usw.) beispielsweise Studien, Bewertung, Lagerung, Transport, Integration, Wartung, Demontage, Zerstörung und alle weiteren Dienstleistungen nach der ursprünglichen Konzipierung ein. Einige Verträge können die Lieferung von Teilen, Bauteilen und/oder Bausätzen, die zum Einbau in die Produkte oder zur Befestigung an diesen bestimmt sind, und/oder die Lieferung von Spezialwerkzeug, Prüfvorrichtungen oder Hilfsmitteln umfassen.

Zu Z 24: Mit der Begriffsdefinition der Lösung im Zuge des wettbewerblichen Dialogs soll zum Ausdruck gebracht werden, dass einer Lösung nicht die Bestimmtheit eines Angebotes zukommen muss bzw. auch nicht kann. „Nicht verbindlich“ bedeutet, dass der Unternehmer – anders als bei einem Angebot – nicht an seine Lösung gebunden ist. Hinzuweisen ist aber auf die Regelung des § 133 Abs. 3, wonach Gegenstand des Dialogs nur die vom Unternehmer jeweils vorgelegte Lösung ist; die Lösung entfaltet somit insofern eine gewisse Bindungswirkung, als der Gegenstand des Dialogs während der Dialogphase nicht beliebig ausgetauscht werden kann.

Zu Z 25: Diese Definition dient der Umsetzung von Art. 1 Z 6 der RL 2009/81/EG. Für die Zwecke des BVergGVS sollen unter Militärausrüstung insbesondere jene Güter verstanden werden, die in der vom Rat in der Entscheidung 255/58 vom 15. April 1958 (Entscheidung zur Festlegung der Produkte [Waffen, Munition und Kriegsmaterial], für die Art. 223 Abs. 1 lit. b des Vertrages – heute: Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV - gilt (Dok. 255/58; Protokoll vom 15. April 1958: Dok. 368/58) angenommenen Liste von Waffen, Munition und Kriegsmaterial aufgeführt sind. Diese Liste enthält ausschließlich Produkte, die speziell zu militärischen Zwecken konzipiert, entwickelt und hergestellt werden. Nach Erwägungsgrund 10 der RL 2009/81/EG handelt sich hierbei „um eine generische Liste, die unter Berücksichtigung der sich weiter entwickelnden Technologie, Beschaffungspolitik und militärischen Anforderungen, die die Entwicklung neuer Arten von Produkten nach sich ziehen, beispielsweise auf der Grundlage der gemeinsamen Militärgüterliste der Union, weit auszulegen ist“. Der Hinweis auf „Arten von Produkten“ („product types“) und nicht bloß auf „Produkte“ belegt den breiten Ansatz der RL und des Gesetzes. Die Definition der Z 25 verweist demonstrativ (arg. „insbesondere“) auf die in Anhang I angeführten Waren. Anhang I selbst besteht aus zwei Teilen: der erste Teil beinhaltet die Liste aus 1958, der zweite Teil beinhaltet einen Verweis auf die aktuelle Liste der Militärgüter gemäß der Militärgüterliste der EU. Entscheidend für die Anwendung des BVergGVS ist, dass die fragliche Ausrüstung „eigens zu militärischen Zwecken konzipiert oder für militärische Zwecke angepasst ist“ und zum militärischen „Einsatz … bestimmt“ ist (bei den in Anhang I demonstrativ genannten Gütern spricht die Vermutung für die Erfüllung der vorgenannten Kriterien; trotzdem ist eine Prüfung im Einzelfall stets erforderlich). Für die Zwecke des BVergGVS umfasst der Begriff „Militärausrüstung“ auch Produkte, die zwar ursprünglich für zivile Zwecke konzipiert wurden, später aber für militärische Zwecke angepasst werden, um als Waffen, Munition oder Kriegsmaterial eingesetzt zu werden (so auch Erwägungsgrund 10). Als Beispiele dafür könnten genannt werden: für militärische Zwecke adaptiertes Fluggerät oder Waffen (Scharfschützengewehr). Um in diesen Fällen als „Militärausrüstung“ zu gelten, müssen die betroffenen Ausrüstungen besondere militärische Ausstattungsmerkmale haben, die sie zur Durchführung militärischer Einsätze befähigen (zB besondere Elektronik für Nachtflugeinsätze, Freund-Feind Kennung, Zielerfassungs- und Aufklärungssysteme).

Die Definition der Z 25 iVm der Regelung des § 1 Abs. 1 Z 1 lit. a verdeutlicht auch die Konzeption des BVergGVS (die jener der RL 2009/81/EG folgt): Aufbauend auf der Liste von 1958 (auf der Basis von Art. 346 AEUV) soll das Gesetz (mit seinem Spezialregime) grundsätzlich die Beschaffung aller Waffen, Munition und Kriegsmaterial erfassen. Nur in jenen Fällen, in denen nicht einmal die spezifischen Regelungen des Gesetzes ausreichend sind (insbes. weil äußerst hohe Anforderungen an die Versorgungssicherheit gestellt werden müssen oder so vertraulich/oder wichtig für die nationale Souveränität bzw. die essentiellen Sicherheitsinteressen der Republik Österreich sind), um diese Interessen der Republik Österreich zu schützen, kann von der Anwendung des Gesetzes Abstand genommen werden (vgl. näher dazu auch die Ausführungen zu § 9).

Zu Z 26: Die Definition setzt Z 2 des Anhanges III der RL 2009/81/EG um und entspricht § 2 Z 23 BVergG 2006 (vgl. Z 2 des Anhanges VI der RL 2004/18/EG bzw. Z 2 des Anhanges XXI der RL 2004/17/EG).

Zu Z 27: Zum Begriff der qualifizierten elektronischen Signatur siehe die Erläuterungen zur SigG-Novelle, BGBl. I Nr. 8/2008, RV 293 d.B. XXIII. GP 3 f.

Zu Z 28: Die Definition setzt Art. 1 Z 9 der Richtlinie 2009/81/EG um. Sie ist insofern sprachlich ungenau, als der Wortlaut nahelegen würde, dass die „Regierung“ mit den „Gebietskörperschaften“ ident sei. Korrekter Weise ist unter „Regierung“ das oder die Organe zu verstehen, das bzw. die eine Regierungsfunktion im Sinne der (obersten) Leitung einer Gebietskörperschaft ausübt bzw. ausüben. Aus Gründen der Kohärenz mit dem Wortlaut der Richtlinie, soll jedoch die Formulierung der Richtlinie auch in das BVergGVS aufgenommen werden. Da die Definition auf Gebietskörperschaften Bezug nimmt, sind die obersten Leitungsorgane von Gemeindeverbänden keine „Regierungen“ im Sinne der Definition (vgl. VfSlg 13.705). Drittländer im Sinne der Z 28 sind Staaten, die keine Mitgliedstatten der Union bzw. Vertragsparteien des EWR sind.

Zu Z 29: Die Definition setzt Art. 1 Z 24 der RL 2009/81/EG um und entspricht § 2 Z 30 BVergG 2006 (vgl. dazu auch Art. 1 Abs. 12 der RL 2004/18/EG bzw. Art. 1 Abs. 11 der RL 2004/17/EG). Diese Definition betrifft die Darstellungsformen und nicht die Übermittlungsformen (vgl. dazu § 35). Durch die Definition wird klargestellt, dass die schriftliche und die elektronische Darstellung im Geltungsbereich des BVergGVS gleichwertig sind. Gemäß § 98 Abs. 1 erfüllt der Bieter das Erfordernis einer sicheren elektronischen Signatur des Angebotes (vgl. § 97) auch – sofern das Angebot aus mehreren Angebotsbestandteilen besteht – durch eine sichere Verkettung aller Angebotsbestandteile.

Zu Z 30: Diese Definition dient der Umsetzung von Art. 1 Z 7 der RL 2009/81/EG. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 lit. b und lit. d gilt das BVergGVS für die Lieferung von „sensibler Ausrüstung“ (einschließlich dazugehöriger Teile, Bauteile und/oder Bausätze) und „sensible Bau- und Dienstleistungen“. Im Bereich der „Sicherheit“ liegt dem Gesetz ebenfalls ein breiter Ansatz zugrunde. Da eine unionsweite, einheitliche Definition des „Sicherheitsbereiches“ – nicht zuletzt auch aufgrund der sich ständig ändernden politischen Weltlage - nicht möglich war und ist, werden unter diesem Konzept eine Vielzahl von Bereichen und Akteuren erfasst. Auch ist die Grenzziehung zwischen dem Verteidigungs- und Sicherheitsbereich oft nicht (mehr) eindeutig zu ziehen (zB ab wann bzw. bis zu welchem Szenario ressortiert die „Terrorabwehr“ zum Bereich der äußeren oder der inneren Sicherheit?). Für den Anwendungsbereich des Gesetzes ist wichtig, dass durch die (weiten) Definitionen sichergestellt wird, dass alle „Graubereiche“ zwischen Verteidigungs- und Sicherheitsbereich – ebenso wie die Kernbereiche der Verteidigung und Sicherheit – dem Anwendungsbereich des BVergGVS unterliegen. Erwägungsgrund 11 stellt diesbezüglich auch klar, dass im „speziellen Bereich der nicht-militärischen Sicherheit … diese Richtlinie für Beschaffungen gelten [sollte], die ähnliche Merkmale aufweisen wie Beschaffungen im Verteidigungsbereich und ebenso sensibel sind. Dies kann insbesondere in Bereichen der Fall sein, in denen militärische und nicht-militärische Einsatzkräfte bei der Erfüllung derselben Missionen zusammenarbeiten und/oder die Beschaffung dazu dient, die Sicherheit der Union und/oder der Mitgliedstaaten auf ihrem Hoheitsgebiet oder darüber hinaus vor ernsten Bedrohungen durch nicht-militärische und/oder nichtstaatliche Akteure zu schützen. Dies kann beispielsweise den Grenzschutz, polizeiliche Tätigkeiten und Kriseneinsätze einschließen.“ Aufgrund dieses breiten Regelungs- und Definitionskonzeptes agieren eine Vielzahl von Auftraggebern im Sicherheitsbereich (Polizei, Zivil- und Katastrophenschutz, aber auch Auftraggeber aus dem Verteidigungsbereich, Energieversorgungsunternehmen, Flughafenbetreiber, Betreiber kritischer Infrastruktur usw.).

Angelpunkt und ausschlaggebendes Element für die Einstufung einer Leistung als „sensibel“ ist gemäß der Definition das Erfordernis, der Inhalt oder die Verwendung von „klassifizierten Informationen“ (Verschlusssachen) im Zusammenhang mit der fraglichen Leistung (zur Definition der „Verschlusssache“ vgl. Z 39 und die Ausführungen dazu). Aus der Definition folgt ferner, dass die Ausrüstung, die Bau- oder Dienstleistung kumulativ zwei Bedingungen erfüllen muss, um unter die Definition der Z 30 zu fallen: sie muss erstens einen Sicherheitszweck erfüllen und zweitens Verschlusssachen (klassifizierte Informationen) verwenden, erfordern oder beinhalten. Der Sicherheitszweck liegt vor, wenn die Ausrüstung, die Bau- oder Dienstleistung für eine (militärische oder auch nicht-militärische) Sicherheitsverwendung beschafft wird. Es ist aufgrund des Wortlautes der Definition nicht erforderlich, dass die Ausrüstung eigens für Sicherheitszwecke konzipiert oder angepasst wird bzw. wurde.

Zu Z 31: Hier wird der Begriff (eigentlich der Prozess) des „sicheren Verkettens“ definiert. Dabei wird ein Angebotsbestandteil in elektronischer Form mit dem Angebotshauptteil durch Eintragung des jeweiligen Dateinamens und des aus dieser Datei gebildeten Hashwertes im Angebotsinhaltsverzeichnis und nachfolgendes sicheres elektronisches Signieren des Angebotshauptteiles in eindeutig identifizierbarer Weise verbunden. Ein solches Verketten wird bei einigen Signaturverfahren bereits implizit unterstützt (etwa XMLDsig mit detached signatures), bei denen die Referenz und deren Hashwert gespeichert werden. Solche Formate erfüllen die Vorgaben für sicheres Verketten, wenn sie die geforderten Daten – Dateiname und Hashwert der verketteten Dateien – enthalten und ein Angebotsinhaltsverzeichnis aus dem Signaturformat extrahierbar ist (etwa aus XMLDsig über eine Transformation). Der Hashwert eines Dokumentes wird mit Hilfe von mathematischen Verfahren errechnet. Dabei wird eine komprimierte Version des Dokumentes erstellt und aus den Daten wird ein Hashwert festgelegter Größe berechnet, der einen eindeutigen nicht umkehrbaren Extrakt des Dokuments darstellt. Diese Prüfsumme gibt die originären Daten, aus denen sie berechnet wurde, ähnlich einem unverfälschbaren elektronischen Fingerabdruck, genau wieder. Aufgrund des Hashwertes kann daher festgestellt werden, ob ein Dokument unverfälscht ist oder nicht. Der aus dem Dokument gebildete Hashwert und das Dokument selbst bilden zusammen den „Datensatz“ im Sinne des BVergGVS 2011. In weiterer Folge ist im Angebotshauptteil ein Inhaltsverzeichnis aller Angebotsbestandteile (in Papierform bzw. in elektronischer Form) zu erstellen. Alle weiteren Angebotsbestandteile sind namentlich zu bezeichnen und – sofern sie zusammen mit dem Angebotshauptteil elektronisch übermittelt werden sollen – es ist ein Hashwert für jeden Angebotsbestandteil zu bilden. Dieser Hashwert ist zusammen mit der Bezeichnung im Inhaltsverzeichnis des Angebotshauptteiles anzuführen und in der Folge ist der Angebotshauptteil sicher zu signieren. Mit dem solcherart definierten Prozess der sicheren Verkettung ist gewährleistet, dass sowohl die Anzahl der neben dem Angebotshauptteil abgegebenen weiteren, in elektronischer Form eingereichten Angebotsbestandteile als auch deren Inhalt gegen Verfälschungen durch die sichere Signatur über das Angebotshauptteildokument geschützt sind.

Zu Z 32: Die Definition dient der Umsetzung der Begriffsbestimmung des „Unterauftrages“ nach Art. 1 Z 22 der RL 2009/81/EG. Nicht als Subunternehmer ist der Lieferant des Auftragnehmers zu verstehen (vgl. auch die Regelung betreffend Subunternehmerleistungen in § 83 BVergG 2006). Die Begriffsbestimmung: deckt sich inhaltlich mit der Definition in der ÖNORM B 2110 (Ausgabe 2009; vgl. Pkt 3.14.: „Unternehmer, der Teile der an den Auftragnehmer (AN) übertragenen Leistungen ausführt und vertraglich nur an diesen gebunden ist. Die bloße Lieferung von Materialien oder Bestandteilen, die zur Erbringung einer Leistung erforderlich ist, stellt keine Subunternehmerleistung dar.“ Zum zweiten Satz vgl. schon 327 BlgNR XXIV. GP, 22 mit Verweis auf 1118 BlgNR XXI. GP, 47, und die Judikatur des OGH etwa 10 Ob 74/04m).

Zu Z 33: Die Definition setzt Z 6 des Anhanges III der RL 2009/81/EG um und entspricht § 2 Z 34 BVergG 2006 (der Z 5 des Anhanges VI der RL 2004/18/EG bzw. Z 5 des Anhanges XXI der RL 2004/17/EG umsetzt).

Zu Z 34: Die Definition setzt Z 1 des Anhanges III der RL 2009/81/EG um und entspricht § 2 Z 35 BVergG 2006 (der Z 1 des Anhanges VI der RL 2004/18/EG bzw. Z 1 des Anhanges XXI der RL 2004/17/EG umsetzt). In Anlehnung an den Anhang der RL sollen die technischen Spezifikationen für Bauleistungen einerseits sowie für Lieferungen und Dienstleistungen anderseits getrennt definiert werden.

Zu Z 35: Die Regelung setzt Art. 1 Z 13 der RL 2009/81/EG um (vgl. auch § 2 Z 37 BVergG 2006, mit welchem Art. 1 Abs. 8 der RL 2004/18/EG bzw. Art. 1 Abs. 7 der RL 2004/17/EG umgesetzt wurde). Unternehmer müssen stets Rechtsträger sein (hinsichtlich der Bietergemeinschaften vgl. die Ausführungen zu Z 9 und 14). Die demonstrative (arg. „wie“) Liste der Rechtsträger dient der Verdeutlichung, wer als Unternehmer im Sinne des Gesetzes anzusehen ist. Daher fallen auch die Societas Europea (SE) oder EWIV unter den Unternehmerbegriff des BVergGVS 2011. In der Bestimmung wurde auch inhaltlich eine nähere Umschreibung des Unternehmerbegriffes vorgenommen, als das Tätigkeitsbild des Unternehmers (Anbieten von Leistungen auf dem Markt) in die Begriffsbestimmung aufgenommen wurde. Zum Begriff des Unternehmers ist auch auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. insbes. Rs C-389/92, Ballast Nedam, und Rs C-305/08, CoNISMa) hinzuweisen. Danach darf jede Person oder Einrichtung als Bieter oder Bewerber auftreten, die in Anbetracht der in der Auftragsausschreibung festgelegten Bedingungen meint, dass sie den betreffenden Auftrag ausführen kann, selbst oder unter Rückgriff auf Subunternehmer, unabhängig von ihrem – privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen – Status und der Frage, ob sie auf dem Markt systematisch tätig ist oder nur gelegentlich auftritt oder ob sie aus öffentlichen Mitteln subventioniert wird oder nicht. Wenn und soweit Personen oder Einrichtungen gemäß den nationalen Rechtsvorschriften berechtigt sind, bestimmte Leistungen auf dem Markt anzubieten, dann wäre es unionsrechtlich unzulässig, ihnen die Teilnahme an Verfahren zur Vergabe von Aufträgen, die die Erbringung eben dieser Leistungen betreffen, zu untersagen (bzw. sie zu diesen Verfahren nicht zuzulassen).

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmung des Art. 1 Z 14 (Definition des „Wirtschaftsteilnehmers“) nicht umgesetzt wird, da sie ausschließlich der textlichen Vereinfachung dient.

Zu Z 36: Die Regelung setzt Art. 1 Z 23 der RL 2009/81/EG um und entspricht § 2 Z 40 BVergG 2006.

Zu Z 37: Der Begriff der Vergabekontrollbehörde umfasst sowohl die Vergabekontrollbehörde des Bundes (BVA) wie auch alle Vergabekontrollbehörden der Länder (derzeit: Vergabekontrollsenate in Salzburg und Wien sowie Unabhängige Verwaltungssenate in den übrigen Ländern).

Zu Z 38: Eine „vergebende Stelle“ kann sowohl ein unselbständiges Organ des Auftraggebers (vgl. dazu Rs C-272/91, Kommission gegen Italien) als auch ein selbständiger Rechtsträger sein, der als Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers fungiert. Durch die Wortfolge „für den Auftraggeber“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die vergebende Stelle in einem konkreten Vergabeverfahren selbst nicht Auftraggeber ist, sondern von diesem zu unterscheiden ist. Hinzuweisen ist auch auf die Regelung in § 68 Abs. 1, wonach der Auftraggeber und die vergebende Stelle (sofern eine solche vorhanden ist) in der Ausschreibung klar zu bezeichnen sind. Im Gesetz soll (abgesehen von der Definition sowie der Verpflichtung zur Angabe in der Ausschreibung) nur mehr vom Auftraggeber die Rede sein, da (fast) alle vergaberechtlichen Verpflichtungen den Auftraggeber treffen bzw. Handlungen diesem zuzurechnen sind (eine Ausnahme davon besteht für Auskunftspflichten).

Zu Z 39: Diese Definition dient der Umsetzung von Art. 1 Z 8 der RL 2009/81/EG. Aufträge im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich enthalten oftmals Verschlusssachen (Synonym: klassifizierte Informationen), die nach den jeweiligen nationalen Vorschriften aus Sicherheitsgründen vor nicht autorisiertem Zugriff geschützt werden müssen (somit ein eingeschränkter Nutzerkreis im Interesse der nationalen Sicherheit geboten ist). Im militärischen Bereich bestehen in den Mitgliedstaaten Systeme zur Klassifizierung solcher Informationen für militärische Zwecke. Im Bereich der nicht-militärischen Sicherheit, in dem andere Informationen ähnlich geschützt werden müssen, stellt sich die Lage im internationalen und EU-Vergleich weniger einheitlich dar. In Österreich existieren für den Bundesbereich zwei Klassifizierungssysteme (vgl. § 2 Abs. 2 Informationssicherheitsgesetz - InfoSiG, BGBl I Nr 23/2002 idgF, § 3 Informationssicherheitsverordnung – InfoSiV, BGBL II Nr 548/2003, und § 3 Geheimschutzordnung des Bundes – GehSO), die beide Bereiche abdecken. Aufgrund der nicht vergleichbaren Rechtslage zwischen den Mitgliedstaaten verfolgt die RL 2009/81/EG (und damit auch das BVergGVS) einen Ansatz, der den vielfältigen Praktiken der Mitgliedstaaten Rechnung trägt und der die Erfassung sowohl des militärischen als auch des nicht-militärischen Bereichs ermöglicht.

Die Definition erfasst zwei Fallkonstellationen: erstens jene, in denen Informationen bzw. Material ein Geheimhaltungsgrad („Klassifizierungsstufe“) im Interesse der nationalen Sicherheit zugewiesen wurde (vgl. dazu auch § 4 Abs. 1 GehSO: „Klassifizierung bedeutet die Zuordnung einer Information zu einer Klassifizierungsstufe.“). Diese „Zuweisung“ bzw. „Zuordnung“ stellt einen Verwaltungsakt dar, der durch den Urheber einer Information (bzw. dessen Vorgesetzten) erfolgt (vgl. dazu § 3 Abs. 2 InfoSiV und § 4 Abs. 2 GehSO). Der zweite durch die Definition erfasste Fall betrifft Informationen bzw. Material „für die (das) eine Schutzbedürftigkeit anerkannt wurde“ („any information or material … to which a certain level of … protection has been attributed“). Die angesprochene „Anerkennung der Schutzbedürftigkeit“ muss im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich sein. Ein Verwaltungsakt (Klassifizierung) wie im ersten Fall ist hier nicht unbedingt erforderlich. Der zweite Fall spielt insbesondere bei jenen Auftraggebern eine Rolle, die nicht unter § 4 Z 1 fallen (insbes. daher Einrichtungen gemäß § 4 Z 2 und bestimmte Sektorenauftraggeber), da für diese die bestehenden Klassifizierungssysteme nach InfoSiG bzw. GehSO nicht anwendbar sind. Als Beispiel könnten hier Betreiber von kritischer Infrastruktur genannt werden (Flughäfen, Energie- und Wasserversorgungsunternehmer), die Beschaffungen zum Schutz der kritischen Infrastruktur gegen terroristische Straftaten durchführen.

In beiden Fällen ist es erforderlich, dass die Klassifizierung bzw. die Anerkennung der Schutzbedürftigkeit im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich und (kumulativ) aufgrund geltender Rechts- und Verwaltungsvorschriften gegen Missbrauch, Bekanntgabe, Verlust usw. geschützt werden muss. Der Hinweis auf die „nationale Sicherheit“ (Schutz des Staates vor äußeren und inneren Bedrohungen militärischer oder nicht-militärischer Art; vgl. dazu auch die Definition des „Staatsgeheimnisses“ in § 255 StGB) bedeutet, dass nicht alle Klassifizierungen oder anerkannten Schutzbedürftigkeiten automatisch dazu führen, dass „Verschlusssachen“ im Sinne des BVergGVS vorliegen. Soweit etwa Informationen auf Verwaltungsebene zum Schutz der Amtsverschwiegenheit (automatisch oder im Einzelfall) z.B. als „Vertraulich“ klassifiziert werden, diese Klassifizierung aber nicht die nationale Sicherheit (sondern etwa wirtschaftliche Interessen, Datenschutz) betrifft, ist sie im vorliegenden Kontext unbeachtlich. Andererseits können EU klassifizierte Informationen durchaus unter die Definition fallen.

Der Schutz der Information bzw. des Materials vor Verlust Zugriff usw. muss aufgrund „geltender Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ („laws, regulations or administrative provisions in force in the Member State concerned“) erforderlich sein. In diesem Zusammenhang ist einerseits auf die gesetzlichen Grundlagen (InfoSiG und InfoSiV) zu verweisen. Andererseits ist zur GehSO folgendes auszuführen: Die GehSO wurde vom Ministerrat „zur Kenntnis genommen“ (Ministerratsbeschluss vom 30.1.2008, 41. MR TOP 5, GZ 119.051/0025-I/12/2007). Sie basiert auf § 12 Bundesministeriengesetz 1986 (BMG 1986), BGBl. Nr. 76 idgF. Die GehSO über die Behandlung national klassifizierter Informationen gibt einen einheitlichen Rahmen zum Schutz nationaler Informationen vor, der in der Umsetzung (durch Weisung des jeweils zuständigen Bundesministers für sein Ressort) eine Ergänzung oder Präzisierung durch ressortspezifische Bestimmungen erfahren kann. Die GehSO wurde in der Zwischenzeit für fast alle Bundesministerien für verbindlich erklärt. Es könnte aufgrund dieser rechtlichen Situation die Frage aufgeworfen werden, ob die GehSO als Rechts- oder Verwaltungsvorschrift im Sinne der Definition anzusehen ist. Wie ein Blick auf andere Sprachfassungen beweist („administrative provisions“, „dispositions … administratives“), ist der in der Definition verwendete Begriff der „Rechts- oder Verwaltungsvorschrift“ in einem weiteren Sinne (richtlinienkonform) auszulegen, als dies in Österreich üblicher Weise der Fall ist. Dass der per Weisung/Erlass für die Verwaltung verbindlich erklärten GehSO keine Außenwirkung zukommt, stört im konkreten Zusammenhang daher nicht. Entscheidend ist, so auch die Kommission, dass ad-hoc Klassifizierungsentscheidungen bzw. ad-hoc Anerkennungen von Schutzbedürftigkeiten unzulässig sind. Dadurch soll verhindert werden, dass ein bestimmter Vertrag oder eine bestimmte Information im Einzelfall und unabhängig (d.h. unabhängig vom konkreten Vergabeverfahren) von ex ante festgelegten Kriterien klassifiziert bzw. als schutzwürdig anerkannt wird. Dies hat insbesondere auch Bedeutung für den oben dargestellten zweiten Fall der Definition. Auch in dieser Konstellation muss im Interesse der nationalen Sicherheit aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Schutz von Informationen und Material vor Missbrauch, Verlust, Bekanntgabe usw. erforderlich sein. Die in der Definition angesprochenen Vorschriften sind insbesondere jene, auf die bereits Art. 14 der RL 2004/18/EG (bzw. § 10 Z 1 BVergG 2006) Bezug nimmt („Vergabeverfahren … deren Ausführung auf Grund von bundes- oder landesgesetzlichen Bestimmungen besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordert“). Stehen diese „besonderen Sicherheitsmaßnahmen“ mit dem Interesse der nationalen Sicherheit im Zusammenhang, dann liegt in Bezug auf damit im Zusammenhang stehende Informationen bzw. damit im Zusammenhang stehendes Material die geforderte anerkannte Schutzbedürftigkeit vor und es handelt sich um Verschlusssachen im Sinne der Definition. Nochmals zu betonen ist, dass Systeme der ad-hoc Anerkennung (wie auch ad-hoc Klassifizierungen) ohne ex ante festgelegte Kriterien insbesondere durch den konkret betroffenen Auftraggeber (bzw. die vergebende Stelle) nicht die Anforderungen der Definition erfüllen. Nach der Definition wären hingegen Regelungen zulässig, die bestimmten Informationen, Materialien, Gütern (Warengruppen) oder Beschaffungsverfahren in typologischer Art und aufgrund von objektiven Kriterien eine Schutzbedürftigkeit im Interesse der nationalen Sicherheit zuweisen.

Nach Erwägungsgrund 20 sollte die Vergabe von Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich keinesfalls „die Verpflichtungen berühren, die sich aus dem Beschluss 2001/844/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 29. November 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung (ABl. L 317 vom 3.12.2001, S. 1) oder dem Beschluss 2001/264/EG des Rates vom 19. März 2001 über die Annahme der Sicherheitsvorschriften des Rates (ABl. L 101 vom 11.4.2001, S. 1) ergeben.“

Zu Z 40: Diese Definition dient der Umsetzung der entsprechenden Definition in Anhang III Z 3 der RL 2009/81/EG.

Zu Z 41 und 42: Die Widerrufsentscheidung ist eine nicht verbindliche Absichtserklärung. Solange der Widerruf nicht erklärt ist, kann sich der Auftraggeber daher auch noch dafür entscheiden, ein Vergabeverfahren doch weiterzuführen und etwa – wenn die Angebotsfrist noch nicht abgelaufen ist – mit einer Berichtigung der Ausschreibung fortzufahren. Die Widerrufsentscheidung ist entsprechend bekannt zu geben, um eine Nachprüfbarkeit zu ermöglichen. Die Widerrufserklärung (Widerruf) ist gewissermaßen das „Pendant“ zur Zuschlagserteilung. Sie ist die Erklärung, mit der das Vergabeverfahren beendet wird und die Bieter aus ihrer Bindung entlassen werden. Eine einmal abgegebene Widerrufserklärung kann, da sie das Vergabeverfahren automatisch beendet, nicht „zurück genommen werden“; sie ist unwiderruflich.

Zu Z 43: Ein Zeitstempel ist eine elektronische Bescheinigung, dass bestimmte elektronische Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen sind. Die Verwendung eines qualifizierten Zeitstempels, d.h. eines Zeitstempels, der den Sicherheitsanforderungen des SigG und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen entspricht (vgl. § 2 Z 12 SigG), ist nicht erforderlich (wenngleich möglich). Ein Zeitstempel kann daher auch vom Auftraggeber selbst auf seinem Server betrieben werden.

Zu Z 44: In den Mitgliedstaaten entwickelten sich seit Inkrafttreten der ersten RL im Bereich des öffentlichen Auftragswesens verschiedene zentrale Beschaffungsorganisationen mit speziellen Beschaffungsverfahren. Diese Institutionen haben die Aufgabe, für Auftraggeber Ankäufe zu tätigen oder Aufträge zu vergeben bzw. Rahmenvereinbarungen zu schließen. In Anbetracht der großen Mengen, die beschafft werden, tragen diese Verfahren nach Auffassung der Kommission und der Mitgliedstaaten (vgl. dazu für Österreich RV 486 BlgNR XXI. GP, 7) zur Verbesserung der Effizienz des Beschaffungswesens bei (so auch Erwägungsgrund 23). Zur Gewährleistung eines einheitlichen Vorgehens wurde daher in die Richtlinie 2009/81/EG (ebenso wie bereits in die RL 2004/17/EG und 2004/18/EG) eine unionsrechtliche Definition der zentralen Beschaffungsstellen aufgenommen. Der Erwägungsgrund 23 zur RL 2009/81/EG führt weiters aus: „Ein Auftraggeber, der die Richtlinie anzuwenden hat, sollte in jedem Fall als zentrale Beschaffungsstelle in Betracht kommen. Gleichzeitig sollte es den Mitgliedstaaten auch freistehen, nicht dieser Richtlinie unterliegende europäische öffentliche Einrichtungen wie beispielsweise die Europäische Verteidigungsagentur als zentrale Beschaffungsstellen zu benennen, sofern diese Einrichtungen auf diese Beschaffungen Beschaffungsvorschriften anwenden, die mit allen Bestimmungen dieser Richtlinie in Einklang stehen.“

Vor diesem Hintergrund ist die Definition der Z 44, die Art. 1 Z 18 der RL 2009/81/EG umsetzt, insofern offen gehalten, als neben Auftraggebern im Sinne des § 4 Z 1 bis 3 auch Auftraggeber entsprechend den Rechtsvorschriften eines anderen EU Mitgliedstaates oder einer sonstigen Vertragsparteien des EWR-Abkommens und eben auch europäische öffentliche Einrichtungen (siehe dazu sogleich unten) zentrale Beschaffungsstellen im Sinne des BVergGVS sein können und demzufolge der Zugriff auf diese durch Auftraggeber gemäß dem BVergGVS möglich ist. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Ausnahmeregelungen des § 9 Abs. 1 Z 16 bis 21.

Ein Auftraggeber ist daher (nur) dann eine „zentrale Beschaffungsstelle“, wenn er die Aufgabe hat, für andere Auftraggeber Leistungen zu beschaffen. Eine unselbständige Organisationseinheit eines Auftraggebers, die diese Funktion lediglich für andere Dienststellen desselben Auftraggebers ausübt, ist daher keine „zentrale Beschaffungsstelle“ im Sinne der Z 44.

Als „europäische öffentliche Einrichtung“ kommt, wie dies auch Erwägungsgrund 23 klarstellt, insbesondere, aber nicht nur, die Europäische Verteidigungsagentur (EVA, EDA) in Betracht. Zur EDA vgl. Art. 42 Abs. 3 und Art. 45 EUV. Die EDA wurde durch die Gemeinsame Aktion 2004/551/GASP eingerichtet. Zum Rechtsschutz gegen Handlungen von Europäischen Agenturen siehe Art. 263 AEUV. Europäische öffentliche Einrichtungen müssen von europäischen Institutionen oder dazu befugten Organen eingerichtet worden sein; internationale Organisationen fallen nicht unter diesen Begriff. Deshalb können die Gemeinsame Organisation für Rüstungskooperation (OCCAR - Organisation Conjointe de Coopération en matière d'Armement) oder NATO Agenturen (wie insbes. die NATO Maintenance and Supply Agency - NAMSA) nicht als zentrale Beschaffungsstellen im Sinne des BVergGVS und der RL angesehen werden.

Die Definition der zentralen Beschaffungsstelle stellt allein auf die Tatsache ab, dass Auftraggeber eine „zentrale“ Beschaffungsfunktion für andere Auftraggeber ausüben. Diese Beschaffungsfunktion muss auf Dauer (und nicht bloß für eine einmalige Tätigkeit) angelegt sein. Der Begriff „zentral“ impliziert nicht, dass derartige Einrichtungen allein auf der Ebene des Mitgliedstaates (für Österreich oder Deutschland: auf Bundesebene) eingerichtet werden können. Es ist daher denkbar, dass derartige Beschaffungsstellen auch auf Landesebene oder auf regionaler Ebene eingerichtet werden können. Auch ist aus der Definition nicht ableitbar, dass eine zentrale Beschaffungsstelle ein spezifisches Leistungsspektrum (im Sinne einer umfassenden Beschaffungstätigkeit im Verteidigungs- und/oder Sicherheitsbereich) abdecken muss; es ist denkbar, dass ein Auftraggeber eine zentrale Beschaffungsfunktion auch für ein nur sehr eingeschränktes Leistungsangebot ausübt.

Zentrale Beschaffungsstellen können bei der Leistungsbeschaffung in zweifacher Weise vorgehen: sie können Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zum Weiterverkauf an andere Auftraggeber beschaffen („purchase to resale“; Großhändlermodell) oder sie können Aufträge in fremdem Namen und auf fremde Rechnung vergeben bzw. Rahmenvereinbarungen im Namen anderer Auftraggeber abschließen (Vermittlermodell; vgl. zu den zwei Vorgangsweisen auch die Erläuterungen zu § 9 Z 16 bis 19).

Zu Z 45: Diese Definition dient der Umsetzung von Art. 1 Z 28 der RL 2009/81/EG, weicht aber im Wortlaut von der Textierung der RL („Aufträge, die nicht Artikel 2 unterliegen und die Beschaffung von nicht-militärischen Produkten, Bau- oder Dienstleistungen für logistische Zwecke zum Gegenstand haben und nach Maßgabe von Artikel 17 vergeben werden“; „contracts not subject to Article 2 covering the procurement of non-military products, works or services for logistical purposes and concluded in accordance with the conditions specified in Article 17”) aus folgenden Gründen ab: die Definition spielt ausschließlich im Kontext des Art. 13 lit. d (umgesetzt in § 9 Abs. 1 Z 8) eine Rolle. Diese Bestimmungen nimmt sog. „sur place“ – Beschaffungen in einem Drittland vom Anwendungsbereich des BVergGVS aus (vgl. dazu näher die Ausführungen zu § 9 Abs. 1 Z 8). Aufträge, die nicht Art. 2 der RL (dem entspricht § 1 Abs. 1 Z 1) unterliegen und in einem Drittland vergeben werden, sind nach deren Wortlaut in toto vom Anwendungsbereich der RL ausgenommen (arg. „Aufträge, die in einem Drittland vergeben werden, einschließlich ziviler Beschaffungen …“ in Art. 13 lit. d der RL); die nähere Spezifizierung hinsichtlich Leistungen „für logistische Zwecke“ in der Definition des Art. 1 Z 28 der RL ist daher zumindest missverständlich. Der Begriff „logistische Zwecke“ ist jedenfalls weit auszulegen und erfasst alle Leistungen, die für einen Einsatz erforderlich (oder zweckmäßig) sind. Ferner betrifft die Definition der RL „nicht-militärische Produkte, Bau- oder Dienstleistungen“ weshalb der Zusatz in der Definition der RL „und nach Maßgabe von Art. 17 vergeben werden“ verfehlt ist. Art. 17 der RL enthält die Regelung für das Regelungsregime betreffend gemischte Aufträge über prioritäre und nicht prioritäre Dienstleistungen (vgl. § 8 Abs. 3), regelt aber keinesfalls Aspekte im Zusammenhang mit Lieferungen oder Bauleistungen. Aus diesen Gründen weicht die Terminologie des BVergGVS von jener der RL ab.

Zu Z 46 und 47: Die Zuschlagsentscheidung ist jene (meist organisationsintern gefällte) Entscheidung, mit welchem Bieter (Unternehmer) der Auftraggeber den Vertrag abzuschließen beabsichtigt. Diese Entscheidung ist von dem davon zeitlich getrennten „Zuschlag“ (der „Zuschlagserteilung“), der zivilrechtlich auch weiterhin als Vertragsschluss zu werten ist, zu unterscheiden. Die Zuschlagsentscheidung ist eine nicht verbindliche Wissenserklärung des Auftraggebers. Wer diese Zuschlagsentscheidung trifft, hängt grundsätzlich von den organisationsinternen Vorschriften ab; so könnte daher ein Auftraggeber diese Entscheidung einer vergebenden Stelle übertragen. Ob eine vergaberechtlich relevante Zuschlagsentscheidung vorliegt oder nicht, ist nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts zu beurteilen. Durch die Wortfolge „nicht verbindliche“ soll verdeutlicht werden, dass die Zuschlagsentscheidung lediglich eine vorläufige Wissenserklärung darstellt, an welchen Bieter die Zuschlagserteilung vorgesehen ist. Diese Wissenserklärung begründet zwar ein rechtliches Interesse (§ 8 AVG) und damit die Parteistellung des (vorläufig) erstgereihten Bieters im Nachprüfungsverfahren vor dem Bundesvergabeamt, da seine prozessuale Aussicht im Vergabeverfahren auf Erteilung des Zuschlages durch die Entscheidung des Bundesvergabeamtes unmittelbar berührt werden kann, jedoch sind aus ihr keine zivilrechtlichen Ansprüche ableitbar. Würde man dem in der Zuschlagsentscheidung vorläufig erstgereihten Bieter nämlich schon auf Grund der Zuschlagsentscheidung einen zivilrechtlichen Anspruch auf den Vertragsabschluss zugestehen, müsste der Auftraggeber – zB wenn die Zuschlagsentscheidung nicht oder nicht rechtzeitig bekämpft wurde – jedenfalls dem Erstgereihten den Zuschlag erteilen, und zwar selbst dann, wenn sich (etwa im Zuge eines Verfahrens beim BVA) herausstellt, dass der betreffende Bieter nicht (mehr) geeignet (befugt, leistungsfähig und zuverlässig) ist oder sein Angebot aus anderen Gründen auszuscheiden gewesen wäre. Eine Richtigstellung dieser zivilrechtlichen Wissenserklärung ist daher bis zur Zuschlagserteilung (Vertragsabschluss) zulässig.

Bei der Zuschlagserteilung handelt es sich um den Akt des Vertragsabschlusses selbst (also die Auftragserteilung; vgl. dazu auch das Erkenntnis des EuGH in der Rs C-81/98, Alcatel). Der Zeitpunkt der Zuschlagserteilung muss, da er von großer Bedeutung für das Tätigwerden der Nachprüfungsbehörde ist, genau ermittelbar sein. Das Erfordernis der Schriftlichkeit verhindert, dass der Auftraggeber eine informelle telefonische Mitteilung an den in Aussicht genommenen Bieter als Zuschlagserteilung deklariert, um im Zweifelsfall ein Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung zu umgehen. Eine Verzögerung des Verfahrens trat dadurch in der Praxis bislang nicht ein. Der Gewinn an Rechtssicherheit vor allem für das Nachprüfungsverfahren rechtfertigt diese von den §§ 861 ff ABGB abweichende Regel.

Zu § 4 (Auftraggeber):

§ 4 setzt Art. 1 Z 18 der RL um. Z 1 bis 3 entsprechen § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3 BVergG 2006. In den Z 4 und 5 werden die Regelungen der §§ 165 und 166 BVergG 2006 übernommen.

Zur Auslegung des Auftraggeberbegriffes gemäß Z 1 bis 3 wird auf die Erläuterungen zum BVergG 2006 (insbes. 1171 BlgNR XXII. GP) und auf die reichhaltige Judikatur des EuGH (vgl. etwa Rs 31/87, Beentjes, Rs 103/88, Fratelli Costanzo, Rs C-44/96, Mannesmann, Rs C-323/96, Kommission gegen Belgien, Rs C-353/96, Kommission gegen Irland, Rs C-360/96, BFI Holding, Rs C-380/96, University of Cambridge, Rs C-237/99, Kommission gegen Frankreich, Rs C-470/99, Universale Bau AG, Rs C-214/00, Kommission gegen Spanien, Rs C-283/00, Kommission gegen Spanien, Rs C-373/00, Adolf Truley, Rs C-18/01, Korhonen, Rs C-126/03, Kommission gegen Deutschland, Rs C-220/05, Auroux, Rs C-337/06, Bayerischer Rundfunk, Rs C-393/06, Ing. Aigner, Rs C-300/07, Oymanns, Rs C-536/07, Kommission gegen Deutschland, Rs C-271/08, Kommission gegen Deutschland), des BVA und des VwGH verwiesen.

Zur Auslegung des Auftraggeberbegriffes gemäß Z 4 und 5 wird auf die Erläuterungen zum BVergG 2006 (insbes. 1171 BlgNR XXII. GP und 127 BlgNR XXIII. GP) und die Judikatur des EuGH (vgl. dazu oben), des BVA und des VwGH verwiesen. Die in Z 5 genannten „privaten Auftraggeber“ entsprechen den in § 166 BVergG 2006 genannten „privaten Sektorenauftraggebern“.

In diesem Zusammenhang ist jedoch auf eine Besonderheit hinzuweisen: gemäß Art. 30 der RL 2004/17/EG besteht die Möglichkeit, dass einzelne Sektoren (oder Teile davon) durch eine Entscheidung der Kommission von der Einhaltung des Vergaberegimes freigestellt werden können (vgl. dazu § 179 BVergG 2006 und die Erläuterungen dazu in 327 BlgNR XXIV. GP). Die Freistellung von der Einhaltung der Regelungen der Sektorenrichtlinie erstreckt sich jedoch nicht auf die RL 2009/81/EG. Die RL bringt dies dadurch zum Ausdruck, dass die Definition bewusst auf „Auftraggeber im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie 2004/17/EG“ verweist und keine Referenz auf freigestellte Auftraggeber gemäß Art. 30 leg. cit. (weder in der Definition noch in den Ausnahmebestimmungen) enthält. Auf Nachfrage im Rat bestätigte die Kommission diese Auslegung des Anwendungsbereiches und begründete diesen Regelungsansatz damit, dass die Verteidigungs- und Sicherheitsmärkte besonders strukturiert sind und deshalb eine Ausnahme für freigestellte Auftraggeber nicht zu rechtfertigen sei. Nach dem BVergG 2006 freigestellte Sektorenauftraggeber haben somit, soweit sie Leistungen beschaffen, die in den Anwendungsbereich des BVergGVS fallen, die Regelung dieses Gesetzes zu befolgen.

Zu den §§ 5 bis 7 (Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge):

Allgemein zu §§ 5 bis 7:

In den §§ 5 bis 7 werden die dem BVergGVS unterliegenden Auftragstypen näher geregelt. Als Aufträge im Sinne der RL und des BVergGVS 2011 gelten entgeltliche schriftliche Verträge über bestimmte Leistungen. Zum Vertrags- und zum Entgeltsbegriff der RL wird auf die Judikatur des EuGH verwiesen (vgl. dazu etwa Rs C-380/98, University of Cambridge, Rs C-26/03, Stadt Halle, Rs C-295/05, Asemfo, Rs C-220/06, AP; Rs C-412/04, Kommission gegen Italien, Rs C-220/05, Auroux, Rs C-271/08, Kommission gegen Deutschland, Rs C-399/98, Ordine degli Architetti u.a.). Unter den Auftragsbegriff fallen auch so genannte Rahmenverträge. Dabei handelt es sich um Aufträge, die typischer Weise bei der Beschaffung wiederkehrender Leistungen eingesetzt werden, wenn die Leistungen in einem zeitlich und quantitativ nicht genau vorhersehbaren Bedarf während der Laufzeit des Rahmenvertrages abgerufen werden sollen. Als Beispiele für derartige Rahmenverträge können angeführt werden: Lieferung von (Übungs-)Munition in Abhängigkeit vom Verbrauch, Behebung von Gebrechen (Stördienst), Abruf von PC’s und Möbeln in unterschiedlichen Tranchengrößen im Zuge einer laufend erforderlichen Ausstattung von Arbeitsplätzen, Versorgung mit Lebensmitteln. Der wesentliche Unterschied zur Rahmenvereinbarung besteht im beidseitig verbindlichen Charakter des Rahmenvertrages. Als beidseitig verbindlicher Leistungsvertrag mit einer Abnahmeverpflichtung des Auftraggebers zu festen Konditionen hat der Rahmenvertrag bereits alle für den Abschluss des Vertrages erforderlichen und für die kaufmännische Kalkulation wesentlichen Festlegungen zu enthalten. Der Rahmenvertrag ist im System des BVergGVS als Auftrag im Sinne der §§ 5 bis 7 zu qualifizieren und nach den allgemeinen vergaberechtlichen Regeln für Aufträge zu vergeben. Eine der Besonderheiten ist, dass der Umfang der Gesamtleistung und der Erfüllungszeitpunkt im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht fixiert sind. Entsteht der Bedarf an den im Rahmenvertrag fixierten Leistungen, so hat der Auftraggeber sämtliche vom Rahmenvertrag erfassten Leistungen ausschließlich vom Vertragspartner des Rahmenvertrages zu den im Rahmenvertrag vereinbarten Konditionen zu beziehen. Aufgrund der Ausgestaltung des Rahmenvertrages ergeben sich u.a. auch folgende Konsequenzen: im Rahmenvertrag müssen nicht die Abrufzeitpunkte festgelegt sein; auch müssen die Volumina der abgerufenen Leistung für die einzelnen Abrufzeitpunkte nicht im Vorhinein fixiert werden; bei Rahmenverträgen können in der Regel für die Positionen eines allfällig zu verwendenden Leistungsverzeichnisses keine exakten Mengenangaben gemacht werden.

Zu § 5 (Bauaufträge):

§ 5 umschreibt die dem Anwendungsbereich des vorliegenden Gesetzesentwurfes unterliegenden Bauaufträge entsprechend Art. 1 Z 3 der RL 2009/81/EG. Ein Auftrag gilt nur dann als Bauauftrag, wenn er speziell die Ausführung der Tätigkeiten zum Gegenstand hat, die unter die Abteilung 45 des „Gemeinsamen Vokabulars für öffentliche Aufträge“ (CPV) fallen (vgl. dazu Anhang II); er kann sich jedoch auf andere Leistungen erstrecken, die für die Ausführung dieser Tätigkeiten erforderlich sind (so auch Erwägungsgrund 19).

Zur Auslegung des Begriffes „Bauauftrag“ wird auf die Rechtsprechung des EuGH (vgl. dazu insbes. Rs C-16/98, Kommission gegen Frankreich, Rs C-399/98, Ordine degli Architetti u. a., Rs C-220/05, Auroux, Rs C-536/07, Kommission gegen Deutschland, Rs C-451/08, Helmut Müller, Rs C-412/04, Kommission gegen Italien).

In Anlehnung an die Diktion der RL verwendet § 5 neben dem Begriff „Bauauftrag“ die Begriffe „Bauvorhaben“, „Bauwerk“ und „Bauleistung“. Das „Bauwerk“ ist nach seiner Definition (§ 3 Z 11) das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- und Hochbauarbeiten, das seinem Wesen nach eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllt und umfasst daher die Herstellung eines (funktionsfähigen) Ganzen (zB ein Gebäude, eine Straße, ein Bauabschnitt einer Straße, eine Brücke), das bis zur letzten Ausbau- und Installationsphase vollendet ist. Die zur Herstellung dieses Ganzen erforderlichen Leistungen sind die Bauleistungen. Demgegenüber ist der Begriff des „Bauvorhabens“ der umfassendere, der neben der Erstellung eines Bauwerkes auch andere Bauleistungen erfasst. So stellen etwa Revitalisierungen von Gebäuden, Umbauten, Instandsetzungen und Reparaturen Bauvorhaben, nicht aber Bauwerke dar. Somit ist jede Erstellung eines Bauwerkes ein Bauvorhaben, aber nicht jedes Bauvorhaben identisch mit der Erstellung eines Bauwerkes.

Mit der „Erbringung einer Bauleistung durch Dritte“ sind etwa die Bauträger-, Mietkauf- oder Leasingverträge angesprochen, bei denen der Auftraggeber nicht selbst baut, sondern für seine Zwecke (und nach seinen Vorgaben) bauen lässt. Der GH hielt dazu fest, dass ein Auftraggeber seine Erfordernisse im Sinne des § 5 Z 3 nur dann genannt hat, wenn er Maßnahmen ergriffen hat, um die Merkmale der Bauleistung zu definieren oder zumindest einen entscheidenden Einfluss auf ihre Konzeption auszuüben. Der bloße Umstand, dass eine Behörde in Ausübung ihrer städtebaulichen Regelungszuständigkeiten bestimmte, ihr vorgelegte Baupläne prüft oder eine Entscheidung in Anwendung von Zuständigkeiten in diesem Bereich trifft, genügt nicht der Voraussetzung der Erbringung „gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen“ (Rs C-451/08, Helmut Müller).

Um mögliche Interpretationsdivergenzen zu vermeiden, wird bewusst die Wortwahl der Richtlinie wiedergegeben. Im Falle der Z 1 führt dies jedoch zu einer gewissen sprachlichen Ungenauigkeit. In der englischen Fassung der betreffenden Bestimmung (Art. 1 Z 3 der RL) lautet die Definition: „‘Works contracts’ means contracts having as their object either the execution, or both the design and execution, of works related to one of the activities mentioned in Division 45 of the CPV …“. Die Begriffe „Ausführung“ bzw. „Ausführung und Planung“ beziehen sich nicht auf das „Bauvorhaben“ sondern auf Tätigkeiten (i.e. Bauleistungen). Z 1 ist daher wie folgt zu verstehen: Vertragsgegenstand des Bauauftrages ist die Ausführung oder die gleichzeitige Ausführung und Planung von Bauleistungen im Zusammenhang mit einer der in Anhang II genannten Tätigkeiten für ein Bauvorhaben.

Sofern Bauleistungen nur Nebenarbeiten im Verhältnis zum Hauptgegenstand des Vertrags darstellen und eine mögliche Folge oder eine Ergänzung des letzteren sind, rechtfertigt die Tatsache, dass der Vertrag auch Bauleistungen umfasst, nicht eine Einstufung des Vertrags als Bauauftrag (vgl. dazu auch die oben erwähnten Judikate des EuGH).

Zu § 6 (Lieferaufträge):

Die Regelung setzt Art. 1 Z 4 der RL 2009/81/EG um und entspricht § 5 BVergG 2006. Zum Begriff der „Waren“ wird auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes verwiesen (vgl. dazu etwa Rs 7/68, Kommission gegen Italien, Rs 215/87, Schumacher, Rs C-3/88, EK gegen Italien, Rs C-272/91, Kommission gegen Italien, Rs C-300/07, Oymanns; zur Abgrenzung zum Begriff der Dienstleistung siehe u.a. Rs 155/73, Sacchi). Strom ist daher eine Ware im Sinne von § 6 (vgl. Rs C-393/92, Almelo, und C-158/94, Kommission gegen Italien).

Zu § 7 (Dienstleistungsaufträge):

Die Bestimmung setzt Art. 1 Z 5 der RL 2009/81/EG um und entspricht § 6 BVergG 2006. Durch die Formulierung („Aufträge, die keine Bau- oder Lieferaufträge sind“) soll deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass der Dienstleistungsauftragsbegriff gegenüber dem Begriff der Bauleistungen bzw. Lieferungen subsidiär ist und ihm somit eine Auffangfunktion zukommt. Außerdem sollen aus Gründen der Klarheit die Begriffe „prioritäre Dienstleistungen“ und „nicht-prioritäre Dienstleistungen“ bereits in der Definition explizit genannt werden. Zum Begriff der Dienstleistung ist insbesondere auf die Judikatur des Gerichtshofes zu verweisen (vgl. u.a. Rs C-155/73, C-279/80, C-352/85, C-275/92, C-109/92, C-159/90, verbundene Rs C-372/09 und C-373/09). Dienstleistungsaufträge können unter bestimmten Umständen auch Bauleistungen umfassen. Sofern diese Bauleistungen jedoch nur Nebenarbeiten im Verhältnis zum Hauptgegenstand des Vertrags darstellen und eine mögliche Folge oder Ergänzung des letzteren sind, rechtfertigt die Tatsache, dass der Vertrag diese Bauleistungen umfasst, nicht eine Einstufung des Vertrages als Bauauftrag (so Erwägungsgrund 19; vgl. auch § 8 Abs. 2).

Die in den Anwendungsbereich des BVergGVS fallenden Dienstleistungen werden in Anlehnung an bestimmte Positionen der CPV-Klassifizierung in Kategorien unterteilt und in zwei Anhängen nach den für sie geltenden Regelung zusammengefasst (prioritäre Dienstleistungen und nicht-prioritäre Dienstleistungen; vgl. Anhang III und IV. Für die in Anhang III genannten Dienstleistungen gelten die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes, für die in Anhang IV genannten Dienstleistungen jedoch nur ein verdünntes Vergaberegime (Transparenzregime). Wie Erwägungsgrund 37 ausführt, wird die allfällige Einbeziehung der nicht-prioritären Dienstleistungen in das Regime der prioritären Dienstleistungen nach einem Beobachtungszeitraum geprüft werden (vgl. dazu auch Art. 73 Abs. 2 der RL).

Zu § 8 (Abgrenzungsregelungen):

§ 8 setzt Art. 1 Z 5 2. und 3. UA sowie Art. 17 der RL 2009/81/EG um.

Zu Abs. 1 und 2 ist auf das Judikat in der Rs C-300/07, Oymanns, hinzuweisen. Darin hat der GH zur analogen Regelung der Richtlinie 2004/18/EG festgehalten, dass für den Fall, dass ein Auftrag sowohl die Lieferung von Waren als auch die Erbringung von Dienstleistungen umfasst, die Richtlinie eine Sonderregel enthält, die ein Abgrenzungskriterium zur Einstufung des fraglichen Auftrags als Lieferauftrag oder als Dienstleistungsauftrag aufstellt, nämlich den jeweiligen Wert der in diesen Auftrag einbezogenen Waren und Dienstleistungen. Dieses Kriterium hat quantitativen Charakter, d.h., es stellt konkret auf den Wert der Gegenleistung ab, die als Vergütung für den Bestandteil „Waren“ und den Bestandteil „Dienstleistungen“ geschuldet wird, die in den fraglichen Auftrag einbezogen sind. Bei einem Auftrag jedoch, der sich auf die Erbringung von Dienstleistungen und die Ausführung von Bauleistungen bezieht, verwendet Art. 1 Z 5 UA 3 der Richtlinie 2009/81/EG (entspricht dem im Judikat zitierten Art. 1 Abs. 2 lit. d UA 3 der Richtlinie 2004/18/EG) ein anderes Abgrenzungskriterium, nämlich das des Hauptgegenstands des fraglichen Auftrags. Dieses Kriterium wurde im Urteil Auroux u. a. (Rs C-220/05) angewandt, in dem es gerade um einen Auftrag ging, der Bauleistungen und Dienstleistungen umfasste. Weder aus der anwendbaren Unionsregelung noch aus seiner Rechtsprechung – so der Gerichtshof - geht hervor, dass dieses Kriterium auch im Fall eines gemischten Auftrags in Betracht zu ziehen wäre, der sich auf Lieferungen und Dienstleistungen bezieht.

Zur Regelung des Abs. 3 ist insbesondere auf die Entscheidung des EuGH in der Rs C-411/00, Swoboda, hinzuweisen, in der der Gerichtshof ausdrücklich festgehalten hat, dass es für die Zuordnung einer Dienstleistung, deren Gegenstand sowohl prioritäre wie auch nicht prioritäre Dienstleistungen sind, nicht darauf ankommt, was den Hauptgegenstand des Auftrages darstellt, sondern auf die Wertrelation der betreffenden Teile. Weiters hat der EuGH in dieser Entscheidung zum Ausdruck gebracht, dass ein einheitlicher Leistungsgegenstand, der sowohl prioritäre wie auch nicht prioritäre Dienstleistungen umfasst, nicht getrennt vergeben werden muss, nur um zu erreichen, dass die prioritären Dienstleistungen unter Anwendung aller Vorgaben der Richtlinien vergeben werden. Übersteigt daher bei einem gemischten Auftrag der Wert der nicht prioritären Dienstleistungen denjenigen der prioritären Dienstleistungen, so können auch letztere, sofern nicht Dienstleistungen unterschiedlicher Art willkürlich zusammengefasst wurden, unter Einhaltung der Vorgaben gemäß § 123 vergeben werden.

Zu § 9 (Ausnahmen vom Geltungsbereich):

Allgemein ist festzuhalten, dass im Licht der ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. etwa Rs C-318/94, Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Rs  C-337/06, Bayerischer Rundfunk) die Ausnahmevorschriften jedenfalls eng auszulegen sind; die Beweislast dafür, dass die außergewöhnlichen Umstände, die die Inanspruchnahme der Ausnahmebestimmung rechtfertigen, tatsächlich vorliegen, obliegt demjenigen, der sich auf die Bestimmung berufen will. Ausnahmetatbestände, welche die Anwendung des Unionsrechts ausschließen, sind insbesondere vor dem Hintergrund der dadurch bewirkten Einschränkung der Grundfreiheiten eng auszulegen. Der Ausschluss unionsrechtlicher Verpflichtungen muss daher durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt und geeignet sein, das gewünschte Ergebnis herbeizuführen, sowie die gelindeste Maßnahme im Hinblick auf die Zielerreichung darstellen. Erwägungsgrund 17 der Richtlinie hält demzufolge auch folgendes fest: „Allerdings sollte die Möglichkeit, von solchen Ausnahmen Gebrauch zu machen, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur so weit in Anspruch genommen werden, wie dies zur Wahrung der nach den genannten Artikeln als legitim anerkannten Interessen unbedingt erforderlich ist. Dies bedeutet, dass eine Nichtanwendung der Richtlinie sowohl den verfolgten Zielen angemessen sein als auch die Option darstellen muss, die den freien Warenverkehr und die Dienstleistungsfreiheit am wenigsten behindert.“ Die in § 9 angeführten Ausnahmetatbestände sind taxativ und nicht analogiefähig.

Zu Z 1: Die Ausnahmebestimmung der Z 1 ist – strikt genommen – nicht erforderlich, da Ausnahmen vom Primärrecht auch das Sekundärrecht betreffen. Trotzdem werden aus Transparenzgründen die einschlägigen Ausnahmen des Primärrechts angeführt (vgl. dazu auch den Wortlaut von Art. 2 Einleitungssatz der RL).

Zu den Z 2 bis 4: Die Bestimmungen setzen Art. 12 der Richtlinie um und betreffen Aufträge, die aufgrund „besonderer“ – internationaler - Verfahrensregelungen vergeben werden müssen. Zweck der Ausnahmebestimmung ist es, einen Konflikt zwischen den Verpflichtungen gemäß BVergGVS (bzw. der RL) und internationalen Verpflichtungen der Republik Österreich zu vermeiden. Die Bezugnahme auf besondere Verfahrensregeln erfordert, dass das betreffende Vergabeverfahren in den Anwendungsbereich anderer Verfahrensregeln (betreffend die Vergabe von Aufträgen) fallen und in Übereinstimmung mit diesen Regelungen durchgeführt werden muss. Im Falle der Z 2 bis 4 muss daher eine entsprechende „Verpflichtung“ aufgrund einer internationalen Übereinkunft oder Vereinbarung zur Einhaltung der „besonderen“ Vergabeverfahrensregelungen bestehen. Die dadurch angesprochenen besonderen Verfahrensregelungen müssen spezifisch die Vergabe von Aufträgen zum Regelungsgegenstand haben und zumindest gewisse dabei zu beachtende Grundprinzipen sowie Verfahrensschritte beinhalten. Inhaltliche Festlegungen betreffend diese Grundprinzipien bzw. Verfahrensschritte sind dem Gesetz (und auch nicht der RL) nicht entnehmbar. Fehlen diese minimalen Verfahrensregelungen, so sind die Ausnahmen der Z 2 bis 4 nicht anwendbar. In diesem Kontext ist auch auf Art. 4 Abs. 3 EUV hinzuweisen (Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit: „Die Mitgliedstaaten ergreifen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben.“ Sie „unterstützen die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgabe und unterlassen alle Maßnahmen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten.“). Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. dazu Rs 22/70, Kommission gegen Rat) folgt daraus, dass die Mitgliedstaaten keine völkerrechtlichen Verpflichtungen eingehen dürfen, die Unionsrecht berühren oder gegen Unionsrecht verstoßen würden.

Erwägungsgrund 26 hält zu den Ausnahmebestimmungen folgendes fest: „Darüber hinaus sollte vorgesehen werden, dass diese Richtlinie in bestimmten Fällen nicht zur Anwendung kommt, wenn besondere Vergabeverfahren anzuwenden sind, die sich aus internationalen Übereinkommen oder Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern ergeben. Die Bestimmungen bestimmter Übereinkünfte im Zusammenhang mit der Stationierung von Truppen aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland oder der Stationierung von Truppen aus einem Drittland in einem Mitgliedstaat sollten auch die Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Vergabeverfahren ausschließen. Diese Richtlinie sollte weder für Aufträge gelten, die von internationalen Organisationen für ihre Zwecke vergeben werden, noch für Aufträge, die von einem Mitgliedstaat nach für diese Organisationen spezifischen Regeln vergeben werden müssen.“

Der Wortlaut der Z 2 weicht von dem ihm zugrundeliegenden Art. 12 lit. c der RL ab. Nach dieser Bestimmung fallen Aufträge nicht unter die Richtlinie, die „besonderen Verfahrensregeln einer internationalen Organisation unterliegen. Die für ihre Zwecke Beschaffungen tätigt …“. Da internationale Organisationen aber weder der Richtlinie noch dem BVergGVS unterliegen (vgl. dazu die Definition der Auftraggeber in Art. 1 Z 17 der Richtlinie bzw. § 4) bzw. nach völkerrechtlichen Grundsätzen unterliegen können, wurde der Wortlaut entsprechend adaptiert und erfasst nur den zweiten in der Richtlinie geregelten Fall. Z 2 ist in jenem Fall anwendbar, in dem ein dem BVergGVS unterliegender Auftraggeber (dies wird im Regelfall der Bund sein) als Mitglied einer internationalen Organisation für diese tätig wird und Aufträge für die internationale Organisation vergibt (entweder im eigenen Namen oder als Vertreter der internationalen Organisation). Unerheblich ist dabei, ob nachfolgend ein Kostenersatz von der internationalen Organisation an den Auftraggeber fließt. Aufgrund des (diesbezüglich „offenen“) und nicht differenzierenden Wortlautes der Z 2 („Aufträge, die … unterliegen“) bzw. des Wortlautes der RL („von einem Mitgliedstaat“) ist es für die Anwendung der Z 2 nicht ausschlaggebend, ob bei der Beschaffung nur ein (österreichischer) Auftraggeber oder aber auch andere Auftrageber aus anderen Mitgliedstaaten involviert sind (sog. „joint procurement“). Die Z 2 erfasst beide Situationen. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass falls eine internationale Organisation nicht für sich tätig wird, sondern für einen Auftraggeber gemäß BVergGVS (entweder im Vollmachts- oder im Großhändlermodell), die Bestimmungen des Gesetzes grundsätzlich anzuwenden sind (in diesem Fall könnte aber die Ausnahme betreffend zentrale Beschaffungsstellen greifen; vgl. Z 18 und 19). Der Begriff der „internationalen Organisation“ ist im BVergGVS und in der RL nicht definiert und daher nach dem Völkerrecht zu bestimmen. Erfasst werden dadurch auf Dauer angelegte und dem Völkerrecht unterworfene Verbindungen von Völkerrechtssubjekten (Staaten oder andere internationale Organisationen) aufgrund einer völlerrechtlichen Willenseinigung, die gemeinsame Aufgaben mit eigenen Organen verfolgen. Bekanntestes Beispiel für eine internationale Organisation im Verteidigungsbereich ist die NATO.

Die in Z 3 und 4 verwendeten Begriffe „Übereinkunft“ und „Vereinbarung“ bezeichnen internationale (völkerrechtliche) Instrumente, die sowohl Verpflichtungen zwischen Vertragsparteien beinhalten können (Übereinkünfte) wie auch „Vereinbarungen“ die streng für sich genommen keine wechselseitigen Verpflichtungen der Vertragsparteien beinhalten. In die letzte Kategorie fallen insbesondere sog. MoU’s (Memoranda of Understanding), die ein gemeinsames Verständnis der Vertragsparteien dokumentieren oder eine gemeinsame Vorgangsweise der Vertragsparteien in Aussicht nehmen (wobei – in der Art eines gentlemen’s agreement – beide Parteien von einer Selbstverpflichtung zur Einhaltung der vereinbarten Vorgangsweise ausgehen).

Drittstaat im Sinne der Z 3 und 4 ist ein Staat, der weder Mitgliedsstaat der EU noch eine sonstige Vertragsparteien des EWR-Abkommens ist.

Zu Z 3 ist darauf hinzuweisen, dass – anders als die Parallelbestimmung des BVergG (vgl. dazu dessen § 10 Z 4 und Art. 15 lit. a der RL 2004/18/EG) – diese Ausnahmebestimmung keinerlei inhaltliche Vorgaben an den Vertragsgegenstand stellt und deshalb im vorliegenden Kontext jede Angelegenheit betreffen kann, die einen Zusammenhang zum Verteidigungs- oder Sicherheitsbereich aufweist.

Zu Z 4 ist darauf hinzuweisen, dass in Anlehnung an das Truppenaufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 57/2001, nicht von der Stationierung (wie in Art. 12 lit. b der RL 2009/81/EG) gesprochen wird, sondern vom „Aufenthalt“ von Truppen. Wie aus dem Wortlaut von Erwägungsgrund 26 erhellt (vgl. dazu oben) erfasst diese Ausnahme auch Sachverhalte, bei denen nur Mitgliedstaaten involviert sind (z.B. MoU über Auftragsvergaben im Zusammenhang mit einem Truppenaufenthalt zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten). Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Dauer und der Ort des Truppenaufenthaltes gemäß Z 4 irrelevant ist, sodass auch ein Abkommen oder eine Vereinbarung über Auftragsvergaben im Zusammenhang mit einem zeitlich unbegrenzten Aufenthalt bzw. einen Aufenthalt außerhalb des Gebietes der EU von Z 4 erfasst wäre.

Z 5 (vgl. Art. 13 lit. a der RL) räumt Auftraggebern die Möglichkeit ein, Auftragsvergaben aus den Bereichen Verteidigung und Sicherheit von den Bestimmungen des Gesetzes auszunehmen, wenn die Anwendung des Gesetzes sie dazu zwingen würde, Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe ihres Erachtens ihren wesentlichen Sicherheitsinteressen widerspricht. .Im Zusammenhang mit dieser Bestimmung ist auf Art. 346 Abs. 1 lit. a AEUV hinzuweisen, der einen Mitgliedstaat nicht verpflichtet, Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seines Erachtens seinen wesentlichen Sicherheitsinteressen widerspricht. Anders als der Wortlaut des AEUV der nur das Recht zur Nicht-Preisgabe enthält, verknüpft das BVergGVS (wie auch die RL) dieses Recht mit der Konsequenz der Nichtanwendung des Vergaberechts. Diese Verknüpfung ist insbesondere für den Sicherheitsbereich von Bedeutung, der von Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV nicht erfasst ist. Für den Bereich des BVergGVS kann die Ausnahmevorschrift nicht nur den Bund sondern auch ein Land betreffen, sodass der Wortlaut entsprechend abgefasst wurde. Gemeinden fallen jedoch nicht unter den Begriff „Mitgliedstaat“ nach Art. 13 lit. a der Richtlinie, sodass die Ausnahmebestimmung für diese nicht anwendbar ist. Z 5 kann insbesondere dann in Anspruch genommen werden, wenn Aufträge so sensibel sind, dass sogar deren Existenz geheim gehalten werden muss (sog. „black projects“; vgl. auch Erwägungsgrund 27: „Im Bereich der Verteidigung und Sicherheit sind einige Aufträge so sensibel, dass eine Anwendung dieser Richtlinie trotz ihrer Spezifität unangebracht wäre. … Dies gilt auch für andere besonders sensible Beschaffungen, die ein äußerst hohes Maß an Vertraulichkeit erfordern, wie beispielsweise bestimmte Beschaffungen, die für den Grenzschutz oder die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität bestimmt sind, die Verschlüsselung betreffen oder speziell für verdeckte Tätigkeiten oder ebenso sensible Tätigkeiten der Polizei und der Sicherheitskräfte bestimmt sind.).

Zu Z 6: Diese Bestimmung setzt Art. 13 lit. b um. Zum Begriff der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“ vgl. § 20 Militärbefugnisgesetz – MBG, BGBl. I Nr. 86/2000 idgF. Zu betonen ist, dass dieser (unionsrechtlich auszulegende) Begriff nicht auf den Bereich der Verteidigung eingeschränkt ist und daher auch im Sicherheitsbereich relevant ist. Erwägungsgrund 27 führt zu dieser Ausnahmeregelung aus: „Im Bereich der Verteidigung und Sicherheit sind einige Aufträge so sensibel, dass eine Anwendung dieser Richtlinie trotz ihrer Spezifität unangebracht wäre. Dies gilt für Beschaffungen durch Nachrichtendienste oder Beschaffungen für alle Arten von nachrichtendienstlichen Tätigkeiten, einschließlich Maßnahmen zur Abwehr nachrichtendienstlicher Tätigkeiten, entsprechend der Definition durch die Mitgliedstaaten.“ Der Ausnahmebestimmung unterliegen daher Auftragsvergaben an Nachrichten- oder Geheimdienste für spezifische Leistungen (z.B. Schutz der IT Infrastruktur) wie auch Auftragsvergaben durch diese Nachrichten- oder Geheimdienste zum Zwecke der Entfaltung ihrer Tätigkeit. Die Ausnahme der Z 6 bezieht sich auf nachrichtendienstliche „Tätigkeiten“ und (bewusst) nicht auf nachrichtendienstliche „Dienstleistungen“ oder „Einrichtungen“. Wie aus dem Wortlaut von Erwägungsgrund 27 hervorgeht, ist es den Mitgliedstaaten überlassen, diesen Tätigkeitsbereich zu definieren (der daher nicht nur „Spionage“ sondern auch „Spionageabwehr“ umfassen kann). Auch bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, wie sie ihre Nachrichten- oder Geheimdienste organisieren: da jede Art der „nachrichtendienstlichen Tätigkeit“ unter Z 6 fallen kann, ist es unerheblich, ob eine Organisation z.B. nur für militärische oder „zivile“ Nachrichtendiensttätigkeiten im Inland und/oder im Ausland oder nur in einer bestimmten Sparte der Nachrichtendienste (z.B. Überwachung und Entschlüsselung elektronischer Kommunikation) tätig ist. Andererseits ist auch klarzustellen, dass nicht jede Beschaffung von Nachrichten- oder Geheimdiensten per se dieser Ausnahmeregelung unterliegt. Es fallen nur jene sensiblen Beschaffungen für den „Kernbereich“ der nachrichtendienstlichen Tätigkeit unter die Ausnahme bei denen auch die Anwendung der Vorschriften des BVergGVS ein nicht unerhebliches Sicherheitsrisiko darstellen würde.

Zu Z 7: Diese Bestimmung setzt Art. 13 lit. c um. Zum Begriff Forschung und Entwicklung bzw. Lebenszyklus siehe § 3 Z 18 und 23 (und die diesbezüglichen Erläuterungen).

Erwägungsgrund 28 führt zu dieser Regelung aus: „Die Mitgliedstaaten führen häufig Kooperationsprogramme durch, um neue Verteidigungsausrüstung gemeinsam zu entwickeln. Diesen Programmen kommt besondere Bedeutung zu, da sie die Entwicklung neuer Technologien und die Übernahme der hohen Forschungs- und Entwicklungskosten komplexer Waffensysteme erleichtern. Einige dieser Programme werden von internationalen Organisationen, insbesondere von OCCAR und von der NATO (über spezielle Agenturen) oder von Agenturen der Union wie der Europäischen Verteidigungsagentur verwaltet, die die Aufträge im Namen der Mitgliedstaaten vergeben. Derartige Aufträge sollten nicht unter diese Richtlinie fallen. Bei anderen derartigen Kooperationsprogrammen werden die Aufträge von den Auftraggebern eines Mitgliedstaats auch im Namen eines anderen Mitgliedstaat oder weiterer Mitgliedstaaten vergeben. Auch in diesen Fällen sollte diese Richtlinie nicht zur Anwendung kommen.“

Z 7 kommt im Kontext der Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Europäischen Rüstungsindustrie (European Defence Technological and Industrial Base – EDTIB) große Bedeutung zu, da diese Ausnahme helfen soll Rüstungskooperationsprogramme zu fördern. Entscheidend und ausschlaggebend für die Anwendung der Z 7 ist, dass es sich um eine Kooperation zur Entwicklung eines „neuen“ Produktes handelt. Aus diesem Grund können daher Standardbeschaffungen (off-the-shelff) - selbst wenn nachfolgend Adaptionen zum anwenderspezifischen Gebrauch stattfinden - nie unter diese Ausnahmeregelung fallen. Aus dieser Voraussetzung folgt, dass das in Frage stehende Kooperationsprogramm jedenfalls eine F&E – Phase inkludieren muss (anderenfalls das daraus hervorgehende Produkt nicht „neu“ sein könnte), der unter Umständen („gegebenenfalls“) weitere Teile des Lebenszyklus des Produktes (wie etwa Produktion und Service) folgen können. Sind diese nachfolgenden Teile des Lebenszyklus im Kooperationsprogramm inkludiert, dann fallen sich darauf beziehende Beschaffungen ebenfalls unter die Ausnahme der Z 7. Daraus folgt jedoch, dass falls ein Auftraggeber zwar an der F&E – Phase teilnimmt, die nachfolgenden Beschaffungen aber getrennt und außerhalb des Kooperationsprogrammes durchführt, das BVergGVS auf diese getrennt durchgeführten Beschaffungen anwendbar ist.

Wie Erwägungsgrund 28 hervorhebt, werden vielfach derartige Kooperationsprogramme durch spezialisierte Agenturen oder Organisationen wie OCCAR, NATO Agenturen oder die EDA organisiert und verwaltet. Bei Kooperationen zwischen Staaten ist auch oft das sog. „lead nation“ Modell anzutreffen (ein Staat tritt für mehrere Staaten als deren Vertreter auf).

Z 7 beschränkt die Teilnahme an Kooperationsprogrammen nicht auf Mitgliedstaaten der EU, es kann somit Kooperationsprogramme mit und ohne Beteiligung von Nichtmitgliedstaaten geben. Aufgrund des Wortlautes der Z 7 ist jedoch Voraussetzung, dass es sich um eine echte Kooperation zwischen verschiedenen Staaten handeln muss (vgl. dazu auch den diesbezüglich klareren Wortlaut der englischen Fassung von Art. 13 lit. c der RL: „cooperative programme … conducted jointly“). Dieses kooperative Konzept erfordert, dass die am Programm beteiligten Staaten nicht nur bloß gemeinsam Ausrüstung entwickeln und beschaffen, sondern eine Risikoaufteilung zwischen den Partnern ebenso stattfindet (insbesondere Aufteilung der technischen und finanziellen Risiken) wie eine gemeinschaftliche (partnerschaftliche) Leitung und Führung des Programmes. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass diese partnerschaftliche Beteiligung bestimmte Prozentsätze (bei der finanziellen Beteiligung) udglm. erreicht. Die EK hat angekündigt, bei der Beurteilung großes Gewicht auf die qualitative Ausgestaltung der Partnerschaft zu legen. Nur eine bloß symbolische (finanzielle oder sonstige) Beteiligung an einem nationalen Programm z.B. zur Entwicklung neuer Waffensysteme erfüllt die Voraussetzungen der Z 7 nicht.

Ein Auftraggeber, der einem Kooperationsprogramm zu einer späteren Phase beitritt (z.B. nach Abschluss der F&E – Phase) kann ebenfalls die Ausnahmeregelung der Z 7 für die weiteren Phasen des Lebenszyklus des neuen Produktes in Anspruch nehmen. Voraussetzung ist auch hier, dass er ein „echter“ Partner (siehe dazu oben) des Programmes wird. Dieser Beitritt wird entweder durch eine Übereinkunft oder eine Vereinbarung zwischen den bisherigen Mitgliedern des Programmes und dem neuen Partner fixiert, in dem bzw. der die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Mitglieder des Programmes festgelegt werden.

Z 7 enthält weiters einen Notifikationsmechanismus (an die EK), der jedoch nur dann greift, wenn an diesem Kooperationsprogramm ausschließlich Mitgliedstaaten der EU beteiligt sind. Diese Mitteilung hat unmittelbar nach Abschluss des Kooperationsprogrammes oder nach Abschluss der Beitrittsvereinbarung zu einem Kooperationsprogramm zu erfolgen. Obwohl Z 7 keine Anforderungen an die Detailliertheit der an die EK zu übermittelnden Informationen enthält, folgt aus dem Zweck der Regel, dass der EK zumindest jene bzw. so genaue Informationen zu übermitteln sind, dass diese beurteilen kann, ob die Anwendungsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung vorliegen.

Zu Z 8: Diese Bestimmung setzt Art. 13 lit. d um.

Erwägungsgrund 29 hält dazu fest: „Für den Fall, dass die Streitkräfte oder die Sicherheitskräfte der Mitgliedstaaten außerhalb der Grenzen der Union Operationen durchführen, sollten die im Einsatzgebiet stationierten Auftraggeber, wenn der Einsatz dies erfordert, die Erlaubnis erhalten, bei der Vergabe von Aufträgen an im Einsatzgebiet ansässige Marktteilnehmer von der Anwendung dieser Richtlinie abzusehen, und zwar auch für zivile Beschaffungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Durchführung dieses Einsatzes stehen.“

Diese Ausnahmebestimmung betrifft sog. „vor Ort“ oder „sur place“ – Beschaffungen. Die Ausnahme zielt auf zeitlich begrenzte (militärische und zivile) Krisenoperationen außerhalb des Gebietes der EU mit Streit- oder Sicherheitskräften ab. Hintergrund der Bestimmung ist, dass es wenig Sinn macht, dass der Auftraggeber Republik Österreich – Bund (BMLVS) für Truppenkörper, die etwa im Rahmen einer EU Mission in einem Drittland tätig sind, Beschaffungsvorhaben (militärische wie auch „zivile“ Beschaffungen; vgl. zum letzteren § 3 Z 45), die für den Einsatz vor Ort erforderlich sind, in Österreich ausschreibt. Aufgrund der Ausnahmeregelung können „zivile“ und sonstige Beschaffungen (zu letzterem vgl. den Wortlaut des Gesetzes und der RL: „Aufträge, die in einem Drittland vergeben werden, einschließlich ziviler Beschaffungen …“) im Operations- bzw. Einsatzgebiet vergeben werden, ohne die Bestimmungen des BVergGVS befolgen zu müssen. Beispiele für von der Ausnahmebestimmung betroffene Beschaffungen sind etwa: Ankauf von Wasser und Nahrungsmitteln, Bauleistungen zur Errichtung eines Camps, Leistungen für den Betrieb (Erhaltung, Reparatur) eines Camps, Bewachungsdienstleistungen durch ortsansässiges Personal Lagerung, Transport, Verteilung, Service und Entsorgung von Gütern, Personentransport, Gesundheitsdienstleistungen uvam (oft könnten derartige Leistungen auch unter § 1 Z 1 lit. c und d fallen). Entscheidend ist, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistungsbeschaffung und der Einsatzdurchführung besteht (so ausdrücklich auch Erwägungsgrund 29).

Drittland im Sinne der Z 8 sind Staaten, die keine Mitgliedstaaten der Union bzw. sonstige Vertragsparteien des EWR sind; dies deckt sich einerseits mit der Voraussetzung, dass der Einsatz der Streit- oder Sicherheitskräfte außerhalb des Gebietes der Union liegen muss bzw. ist andererseits aus dem Zweck der Ausnahmebestimmung (Beschaffung von Leistungen außerhalb des geographischen Gebietes in dem die Vergaberegelungen der Union gelten) erklärbar. Der Begriff „in einem Drittland“ ist insofern weit zu verstehen, als das Drittland in dem die Beschaffung stattfindet, nicht mit dem (politischen) Drittland identisch sein muss, in dem der Einsatz stattfindet (vgl. etwa Einsätze im Grenzgebiet, Risiko der Beschaffung im Einsatzstaat ist zu hoch). In diesem Sinne ist das „Einsatzgebiet“ auch nicht unbedingt ident mit einem bestimmten Drittland sondern kann auch eine Gruppe von Ländern umfassen (z.B. im Fall eines Einsatzes zur Befriedung von Grenzkonflikten zwischen mehreren Staaten). Wichtig ist jedoch, dass das „Einsatzgebiet“ jenes geographische Gebiet abgrenzt, in dem die Ausnahmebestimmung Anwendung finden kann. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Erklärung der EK für das Ratsprotokoll anlässlich der Beschlussfassung der RL hinzuweisen: „For the purposes of this Directive, ‘area of operation’ (Art. 13 (d)) should be understood as being the third country(ies) in which a defence or security operation is being undertaken, together with those third countries in the surrounding geographic zone.”.

Weder das Gesetz noch die RL treffen Aussagen über allfällige Anforderungen an die “im Einsatzgebiet ansässigen Wirtschaftsteilnehmer“. Deshalb können das sowohl Unternehmen mit lokalen Eigentümerstrukturen aber auch Zweige oder Niederlassungen von (internationalen oder nationalen) Konzernen bzw. Unternehmen aus der Union (oder Drittstaaten) sein.

Hinzuweisen ist auch auf eine sprachliche Divergenz zur deutschen Fassung der Richtlinie: der Begriff „Truppen“ in Art. 13 lit. d wird mit „Streit- oder Sicherheitskräfte“ übersetzt, da – wie ein Blick in andere Sprachfassungen (vgl. englisch „forces“, französisch „forces“) belegt, nicht bloß militärische Körper (Truppen, Streitkräfte) sondern auch andere uniformierte und bewaffnete Körper (Wachkörper insbes. daher Polizeikräfte; vgl. dazu Art. 78d Abs. 1 B-VG) erfasst sind. Totum pro parte stehen die Begriffe „Streit- oder Sicherheitskräfte“ sowohl für einzelne Personen (etwa bei Polizeimissionen) wie auch für Personengruppen.

Die Ausnahme der Z 8 greift nur bezüglich der „vor Ort“ stationierten bzw. operierenden „Auftraggeber“ ein (vgl. dazu auch den zitierten Erwägungsgrund 29), somit bezüglich Beschaffungen von dazu ermächtigten Organen.

Die Voraussetzung, dass die Beschaffung vor Ort durch den Einsatz (d.h. aus operationellen Gründen) „erforderlich“ ist („operational needs require them to be concluded with economic operators located in the area of operations“), ist im Einzelfall zu prüfen wobei kein allzu strenger Maßstab angelegt werden darf: Gefährdung der Einsatzfähigkeit der Streit- oder Sicherheitskräfte durch Gefährdung des Nachschubes (unverhältnismäßige oder aufgrund der Bedingungen nicht tolerable zeitliche Verzögerungen) und/oder Verteuerungen durch lange Transportwege (aus der Heimat/dem Gebiet der Union), Versorgungssicherheit durch ortsansässige Nahversorger usw. sind insbesondere Gründe, warum die Beschaffung vor Ort erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist nochmals ausdrücklich auf das Umgehungsverbot des § 2 zu verweisen. So würde es etwa eine Umgehung darstellen, wenn der Auftrag an die lokal ansässige Gesellschaft aufgrund der Ausnahme der Z 8 vergeben würde, die tatsächliche Ausführung jedoch durch Personal (Material usw.) der in einem Drittstaat ansässigen Muttergesellschaft erfolgen würde.

Zu Z 9: Diese Bestimmung setzt Art. 13 lit. f um. Diese Ausnahmebestimmung betrifft sog. „Regierungsbeschaffungen“ („government to government procurement“; vgl. dazu auch Erwägungsgrund 30).

Zum Begriff „Regierung“ vgl. § 3 Z 28. Da militärische Beschaffung nur durch den Bund erfolgt (vgl. Art. 10 Abs. 1 Z 15 B-VG), Sicherheitsbeschaffungen aber durch Bund, Länder und Gemeinden erfolgen können, wird der Anwendungsbereich der Ausnahme durch Auflistung der vorgenannten Gebietskörperschaften als Auftraggeber verdeutlicht. Da Gemeindeverbände zwar Auftraggeber im Sinne des BVergGVS (vgl. § 4 Z 1) aber keine Gebietskörperschaften sind, fallen sie nicht unter den Begriff „Regierung“ (vgl. § 3 Z 28 und die dazu gehörigen Erläuterungen). Aufgrund der Formulierung des Ausnahmetatbestandes fallen auch „gemeinsame“ Beschaffungen (zB des Bundes mit einem oder mehreren Ländern) von anderen „Regierungen“ unter Z 9. Anwendungsvoraussetzung ist nur, dass die in Z 9 lit. a bis c genannten Leistungen von einer „Regierung“ beschafft werden; es ist nicht erforderlich, dass die nachgefragte Leistung ausschließlich von einer Regierung (und daher nicht am Markt) erhältlich ist. Vertragsparteien des gegenständlichen Vertrages müssen somit „Regierungen“ im Sine der erwähnten Definition sein; ein Vertrag zwischen Einrichtungen, Unternehmen oder privaten Auftraggebern gemäß § 4 Z 2 bis 5 kann somit nicht unter diese Ausnahmeregelung fallen.

Zum Begriff Drittland ist auf die Ausführungen zu Z 8 zu verweisen. Beispiele für unter Z 9 fallende Beschaffungen sind etwa die Überlassung von Polizeikräften (wie dies 2008 im Falle der Fußball Europameisterschaft u.a. zwischen Deutschland und Österreich erfolgte), der Kauf von (gebrauchten) Panzern, Kauf von (gebrauchten) Ersatzteilen für Militärausrüstung, die Nutzung von Flugsimulatoren für Kampfflugzeuge von ausländischen Streitkräften, Trainingsdienstleistungen für Truppenkörper u.a.m.

Da die Regelung jedwede Beschaffung zwischen Regierungen erfasst, kann auch die Beschaffung von neuer Militärausrüstung unter die Ausnahme der Z 9 fallen.

Zu Z 10: Diese Regelung enthält die durch die Judikatur des EuGH entwickelte Ausnahme betreffend „In-house“-Vergaben. Vor dem Hintergrund der Judikatur des EuGH zum Bereich der in-house-Vergabe ist Folgendes zu beachten:

Obwohl die Richtlinien eine derartige Ausnahme explizit nicht anführen, ergibt sich diese Ausnahme vom Geltungsbereich aus einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereiches. Der EuGH hat in Rz 50 des Erkenntnisses „Teckal“ (Rs C-107/98) folgendes festgehalten: „Die Richtlinie 93/36 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge ist anwendbar, wenn ein öffentlicher Auftraggeber wie etwa eine Gebietskörperschaft beabsichtigt, einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Lieferung von Waren mit einer Einrichtung zu schließen, die sich formal von ihm unterscheidet und die ihm gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitzt. Dies ist nicht der Fall, wenn die Gebietskörperschaft über die rechtlich von ihr verschiedene Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person ihre Tätigkeit im wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben.“

Das Gesetz übernimmt den Wortlaut des Erkenntnisses des EuGH in der Rs C‑107/98 Teckal, die Begriffe der Z 10 sind daher unionsrechtlich zu interpretieren; deswegen ist der Begriff „Dienststelle“ keinesfalls im Sinne des §278 Abs. 1 BDG auszulegen.

Mit der Teckal – Rechtsprechung (vgl. zuletzt Rs C-573/07, Sea) wurde klargestellt, dass bei kumulativem Vorliegen von zwei Bedingungen ein entgeltlicher Leistungsvertrag eines Auftraggebers nicht dem unionsrechtlichen Vergaberegime unterliegt (zum nach folgenden vgl. insbesondere das Rundschreiben des BKA-VD GZ BKA-VA.C-324/07/0001-V/2009 vom 5.2.2010):

         1. der Auftraggeber übt über die (zu beauftragende) Einrichtung eine Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen aus und

         2. die Einrichtung verrichtet ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Körperschaft oder die Körperschaften, die ihre Anteile innehat bzw. innehaben.

Unter diesen Bedingungen sind weder das Sekundärrecht (d.h. die Vergaberichtlinien) noch das Primärrecht (AEUV) anwendbar (so Rs C-26/03, Stadt Halle, Rs C-458/03, Parking Brixen, Rs C-324/07, Coditel). Nach ständiger Rechtsprechung sind diese Kriterien, als Teil einer Ausnahmebestimmung vom Primär- und Sekundärrecht, eng auszulegen und die Beweislast für das Vorliegen dieser außergewöhnlichen Umstände obliegen demjenigen, der sich auf sie berufen will (vgl. etwa Rs C-458/03, Parking Brixen).

Bei der Beurteilung, ob ein Auftraggeber über die zu beauftragende Einrichtung eine „Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen“ im Sinne dieser Judikaturlinie ausübt, sind alle rechtlichen Rahmenbedingungen und faktischen Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen (vgl. etwa Rs C-458/03, Parking Brixen, Rs C-573/07, Sea; erforderlich ist keine „idente“ sondern nur eine „vergleichbare“ Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle; vgl. Rs C-26/03, Stadt Halle). Nach der „Parking-Brixen“ – Formel muss aus der Würdigung der genannten Rahmenbedingungen folgen, dass der Auftraggeber die zu beauftragende Einrichtung dergestalt kontrollieren kann, dass er sowohl die strategischen Ziele wie auch alle wichtigen Entscheidungen dieser Einrichtung ausschlaggebend beeinflussen kann (Rs C-458/03, Parking Brixen, Rs C-340/04, Carbotermo, Rs C-324/07, Coditel). Es muss sich um eine wirksame Kontrolle (so der EuGH in der Rs C-324/07, Coditel) handeln, deren Vorliegen im Einzelfall zu beurteilen ist (dies unter Berücksichtigung aller einschlägigen Rechtsvorschriften und maßgebenden Umstände, siehe Rs C-458/03, Parking Brixen, Rs C-324/07, Coditel). Eine wirksame Kontrolle ist a priori ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber nicht an der zu beauftragenden Einrichtung beteiligt ist (dies folgt unmittelbar aus dem zweiten Teckal – Kriterium; vgl. dazu Rs C-295/05, Asemfo).

Hinsichtlich der „einschlägigen Rechtsvorschriften“ ist einerseits zu prüfen, ob diese Rechtsvorschriften der Teckal – Rechtsprechung entsprechen: nationale Rechtsvorschriften, die die Teckal – Ausnahme wörtlich wiedergeben, entsprechen grundsätzlich dem Unionsrecht, jedoch muss auch die Auslegung dieser Rechtsvorschriften den Anforderungen des Unionsrechts entsprechen (in diesem Sinne auch Rs C-410/04, ANAV, Rs C-573/07, Sea). Ferner sind die einschlägigen Rechtsgrundlagen im Hinblick auf die zu beauftragende Einrichtung (insbesondere daher die einschlägigen nationalen gesellschaftsrechtlichen Regelungen) dahingehend zu prüfen, ob diese eine wirksame Kontrolle ermöglichen (in Österreich ist dies wegen § 70 AktG in Bezug auf Aktiengesellschaften nicht möglich, in Bezug auf eine GmbH jedoch schon – vgl. dazu § 20 Abs. 1 GmbHG), ob die beauftragten Einrichtungen aufgrund ihrer gesetzlichen Grundlagen Ziele unabhängig von ihren Anteilseignern verfolgen können bzw. ob sie kommerziellen/nicht-kommerziellen Charakter haben (Rs C-324/07, Coditel).

Es sind daher drei Kriterien im Hinblick auf die oben erwähnten „maßgebenden Umstände“ zu prüfen und in einer Gesamtbetrachtung zu würdigen:

         1. die Art der Beteiligung an der zu beauftragenden Einrichtung,

         2. die konkrete Ausgestaltung der Entscheidungsstrukturen (insbesondere die Zusammensetzung der Beschlussorgane der zu beauftragenden Einrichtung) und

         3. der Grad der Marktausrichtung der zu beauftragenden Einrichtung (insbesondere die Art und der Umfang der Befugnisse der Leitungsorgane).

Ad 1) Nach ständiger Rechtsprechung schließt jedwede Beteiligung eines privaten Unternehmens an der zu beauftragenden Einrichtung eine „Kontrolle“ im Sinne vom „Teckal“ kategorisch aus (so etwa Rs C-26/03, Stadt Halle, Rs C-29/04, Kommission gegen Österreich). Daraus folgt unter anderem auch, dass ein in-house-Verhältnis zwischen einer Gebietskörperschaft gemäß § 4 Z 1 und einer Einrichtung gemäß § 4 Z 2 mit privater Minderheitsbeteiligung (selbst wenn diese ein Auftraggeber nach dem BVergGVS bzw. der RL 2009/81/EG ist) ausgeschlossen ist (vgl. dazu Rs C-231/03, Coname).

Maßgeblich für die Beurteilung des Kontrollkriteriums ist hierbei grundsätzlich der Zeitpunkt der Beauftragung (Rs C-29/04, Kommission gegen Österreich, Rs C-371/05, Kommission gegen Italien). Ergibt sich aber aus den besonderen Umständen des Einzelfalles, dass im Zeitpunkt der Beauftragung eine Beteiligung eines privaten Unternehmens konkret in Aussicht steht, dann ist dies einer tatsächlichen Beteiligung eines privaten Unternehmens gleichzuhalten und schließt die geforderte Kontrolle gemäß der Rechtsprechung aus (vgl. dazu Rs C-458/03, Parking Brixen – gesetzliche Verpflichtung zur Öffnung von Fremdkapital, Rs C-29/04, Kommission gegen Österreich – Beschluss des Gemeinderates, Rs C-410/04, ANAV, Rs C-454/06, pressetext, Rs C-371/05, Kommission gegen Italien). Die bloß theoretisch mögliche Beteiligung eines privaten Unternehmens in der Zukunft ist hingegen irrelevant und schließt eine in-house-Beauftragung ohne Ausschreibung nicht aus (in diesem Sinn Rs C-371/05, Kommission gegen Italien, Rs C-454/06, pressetext, Rs C-573/07, Sea). Eine nachfolgende Privatisierung (d.h. ein Anteilsverkauf an Private) während der Laufzeit des im in-house-Weg erteilten Vertrages verpflichtet den Auftraggeber jedoch zu einer Neuausschreibung des Vertrages (so Rs C-573/07, Sea, Rs C-410/04, ANAV, Rs C-454/06, pressetext).

Hingegen ist bei sogenannten gemischt-öffentlichen Einrichtungen die ausschließliche Beteiligung von öffentlichen Stellen an der zu beauftragenden Einrichtung ein Indiz dafür, dass eine Kontrolle im Sinne des Teckal – Kriteriums ausgeübt werden kann (vgl. etwa Rs C-324/07, Coditel). Da die ausschließliche Beteiligung von öffentlichen Stellen an der zu beauftragenden Einrichtung ausweislich der Aussagen des EuGH (lediglich) ein „Indiz“ darstellt bzw. dieser Umstand auf die geforderte Qualität der Kontrolle „hindeutet“, reicht das Faktum der 100%igen Beteiligung der öffentlichen Hand für sich noch nicht aus, um eine Kontrolle gemäß dem ersten Teckal – Kriterium bejahen zu können. Andererseits hat der EuGH explizit klargestellt, dass bei rein öffentlichen Beteiligungsverhältnissen (Anteile werden ausschließlich von Gebietskörperschaften gehalten) eine „Kontrolle“ nicht nur bei einer individuellen Kontrollmöglichkeit eines Anteilsinhabers besteht. Alle Anteilsinhaber (somit auch die Minderheitsgesellschafter) können – sofern die sonstigen Bedingungen erfüllt werden – eine qualifizierte Kontrolle nach der Teckal – Rechtsprechung ausüben. Daher ist auch bei einem Kollegialorgan das Verfahren zur Beschlussfassung, insbesondere der Rückgriff auf eine Mehrheitsentscheidung, unerheblich (Rs C-324/07, Coditel, Rs C-573/07, Sea).

In weiterer Folge muss auch an Hand der nachfolgenden Kriterien (siehe Punkt 2 und 3) geprüft werden, ob die geforderte Qualität der Kontrolle gewährleistet ist oder nicht.

Ad 2) Hinsichtlich der Beurteilung, ob die konkreten Entscheidungsstrukturen der beauftragten Einrichtung einen ausschlaggebenden Einfluss der Anteilsinhaber zulassen oder nicht, verlangt der EuGH stets eine Einzelfallprüfung. Es ist daher zu untersuchen, ob den Entscheidungsgremien der beauftragten Einrichtung Entscheidungsautonomie (in nicht bloß marginalem Ausmaß) zukommt oder nicht.

Der Zusammensetzung der Beschlussorgane kommt hierbei eine wesentliche Bedeutung zu: Organidentität bzw. Entsenderechte (Rs C-324/07, Coditel) bilden Indizien, dass ein ausschlaggebender Einfluss der Anteilsinhaber (uU auch gemeinsam oder auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses, s.o. Punkt 1) entfaltet werden kann. Weitere zu untersuchende Faktoren sind die Ausgestaltung der einschlägigen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Satzung oder sonstige Vereinbarungen betreffend die Entscheidungsstrukturen der beauftragten Gesellschaft. Auch ist dabei zu beachten, wie die Organisationsstrukturen ausgestaltet sind, bzw. ob der Einfluss unmittelbar oder nur mittelbar (z.B. über eine Holding) geltend gemacht werden kann (in der Rs C-340/04, Carbotermo, wies der EuGH darauf hin, dass die Einschaltung einer Holdinggesellschaft je nach den Umständen des Einzelfalls die Kontrolle schwächen kann). Insbesondere eine Kombination von oben genannten Kriterien (z.B. Entsenderechte gekoppelt mit verstärkten, über den gesetzlichen Minimalstandard hinausgehenden Kontroll- und Einflussmechanismen) sprechen für eine qualifizierte Kontrolle des/der Anteilsinhaber. Hingegen sprechen eine (wirtschaftliche) Entscheidungsautonomie (wenn auch betraglich begrenzt) gegen eine qualifizierte Kontrolle des/der Anteilsinhaber.

Ad 3) Der Gerichtshof prüft ferner die Marktausrichtung der zu beauftragenden Einrichtung. Danach ist zu prüfen, inwieweit die beauftragte Einrichtung „auf dem Markt“ in einer Wettbewerbs- und Konkurrenzsituation zu Dritten tätig sein kann bzw. tätig ist. Ziel dieses Kriteriums ist es, Wettbewerbsverfälschungen zu verhindern. Auch im Zusammenhang mit diesem Kriterium sind die einschlägigen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Satzung oder sonstige Vereinbarungen aber auch das faktische Verhalten der Einrichtung zu untersuchen.

Der EuGH orientiert sich bei Beantwortung der Frage an der räumlichen und materiellen Auswirkung der Tätigkeiten der Einrichtung sowie daran, ob die Einrichtung Verbindungen zu Unternehmen des Privatsektors knüpfen kann oder nicht (selbständiges Agieren am Markt; vgl. Rs C-573/07, Sea). Sofern die Einrichtung daher bloß lokal und nur in bestimmten, von den Anteilsinhabern gemeinsam wahrzunehmenden Aufgaben tätig ist, tendiert der EuGH dazu, das Kontrollkriterium als erfüllt zu betrachten.

Ist eine Einrichtung daher darauf beschränkt, ausschließlich die Interessen ihrer (öffentlichen) Anteilsinhaber wahrzunehmen und erbringt sie ihre Leistungen ausschließlich zugunsten ihrer Anteilsinhaber in deren örtlichem Wirkungsbereich, dann wird eine relevante Marktausrichtung nicht vorliegen (vgl. dazu Rs C-324/07, Coditel, Rs C-573/07, Sea).

Der EuGH hielt aber auch fest, dass eine ausschließliche Tätigkeit für die Anteilsinhaber (somit eine absolute Beschränkung des Marktzuganges) nicht gefordert ist. „Ergänzende“ (bloß untergeordnete) Tätigkeiten für private Wirtschaftsteilnehmer, die den Hauptzweck dieser Gesellschaft (Erbringung von Leistungen für die Anteilsinhaber) nicht unterlaufen, schaden daher nicht (so der EuGH Rs C-573/07, Sea). Hinsichtlich des Ausmaßes der Tätigkeiten für Dritte ist auf die Ausführungen zum zweiten Teckal - Kriterium zu verweisen (siehe sogleich unten).

Das Erfordernis der „wesentlichen“ Tätigkeit für den/die Anteilsinhaber soll nach dem EuGH sicherstellen, dass das Vergaberecht anwendbar bleibt, wenn eine von einer oder von mehreren Stellen kontrollierte Einrichtung auf dem Markt tätig ist und daher mit anderen Unternehmen in Wettbewerb treten kann (Rs C-340/04, Carbotermo, Rs C-220/06, AP). Denn, so der EuGH, einem Unternehmen fehlt es nicht unbedingt allein deshalb an Handlungsfreiheit, weil die es betreffenden Entscheidungen von der Körperschaft kontrolliert werden, die seine Anteile innehat, sofern es noch einen bedeutenden Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit mit anderen Wirtschaftsteilnehmern abwickeln kann (Rs C-340/04, Carbotermo).

Das genannte Kriterium wird nur dann erfüllt, wenn die zu beauftragende Einrichtung hauptsächlich für den oder die Auftraggeber tätig wird und jede andere Tätigkeit rein nebensächlich („marginal“) ist (Rs C-340/04, Carbotermo). Es ist davon auszugehen, dass der Begriff „hauptsächlich“ im Sinne von „fast ausschließlich“ zu verstehen ist (so auch das Rundschreiben des BKA-VD GZ BKA-VA.C-340/04/0004-V/A/8/2006, Pkt. 3.2). Ob dies zutrifft, ist stets aufgrund einer Einzelfallbetrachtung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht zu beurteilen (Rs C-340/04, Carbotermo).

Der EuGH legt, gemäß der bisher ergangenen Judikatur, seiner quantitativen Betrachtung den Umsatz der beauftragten Einrichtung zu Grunde, den diese aufgrund der in-house Beziehung (mit allen Anteilsinhabern oder mit den Nutzern) erzielt (Rs C-340/04, Carbotermo, Rs C-295/05, Asemfo). Zu berücksichtigen sind alle Tätigkeiten, die eine Einrichtung als Auftragnehmer im Rahmen einer Vergabe durch den bzw. die Auftraggeber verrichtet, ohne dass die Person des Begünstigten – sei es der Auftraggeber selbst oder der Nutzer der Leistungen – bzw. der Ort der Leistungserbringung von Bedeutung wäre (Rs C-340/04, Carbotermo).

Aus dem Erkenntnis C-295/05 folgt, dass bei einer rein quantitativen Betrachtungsweise jedenfalls über 90% des Umsatzes der beauftragten Einrichtung mit seinen Anteilsinhabern (Nutzern) abgewickelt werden müssen, damit das zweite Teckal-Kriterium erfüllt wird. Aufgrund von Ungenauigkeiten im zitierten Erkenntnis könnte die Mindestumsatzgrenze auch bei über 96% liegen; nachdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass gemäß dem Sachverhalt der Rs C-295/05 die betreffende Einrichtung (Tragsa) de facto nur in einem Ausmaß von 2 bis 3,5% des Gesamtumsatzes „auf dem Markt“ tätig war.

Ist hingegen eine Einrichtung auf dem Markt für eine unbestimmte Anzahl von Kunden tätig und steht sie dabei mit einer Vielzahl an Unternehmen im Wettbewerb (in der Rs C-220/06, AP, handelte es sich um ca. 2000 Unternehmen allein auf dem spanischen Markt), so wird das zweite Teckal-Kriterium nicht erfüllt. Diesfalls wird ein Maß der Marktausrichtung erreicht, das eine Handlungsfreiheit der Einrichtung begründet, die nicht den Teckal-Kriterien entspricht (vgl. dazu Rs C-220/06, AP).

Zu Z 11: Die Regelung setzt Art. 13 lit. e der RL 2009/81/EG um. Erwägungsgrund 31 der RL führt zu dieser Ausnahmebestimmung Folgendes aus: „Dienstleistungsaufträge, die den Erwerb oder die Miete bzw. Pacht von unbeweglichem Vermögen oder Rechten daran betreffen, weisen Merkmale auf, die die Anwendung von Vergabevorschriften unangemessen erscheinen lassen.“ Anders als bei der RL 2004/18/EG (vgl. dazu § 10 Z 8 BVergG 2006) sind Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit den genannten Immobilientransaktionen in der Ausnahmebestimmung nicht genannt. Zur Ausnahmebestimmung betreffend Finanzdienstleistungen vgl. Z 13.

Zu Z 12: Die Regelungen setzt Art. 13 lit. g der RL 2009/81/EG um. Erwägungsgrund 32 der RL führt zu den Schiedsgerichts- und Schlichtungstätigkeiten Folgendes aus: „Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienste werden normalerweise von Organisationen oder Personen übernommen, deren Bestimmung oder Auswahl in einer Art und Weise erfolgt, die sich nicht nach Vergabevorschriften richten kann.“

Zu Z 13: Die Regelungen setzt Art. 13 lit. h der RL 2009/81/EG um. Erwägungsgrund 33 der RL führt dazu aus: „Mit Finanzdienstleistungen werden ebenfalls Personen oder Einrichtungen zu Bedingungen beauftragt, die nicht mit der Anwendung von Vergabevorschriften vereinbar sind.“ Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf Kategorie 12 des Anhanges III des Gesetzes. Dieser verweist hinsichtlich der vom Gesetz erfassten prioritären Dienstleistungen auf „Finanzielle Dienstleistungen: Versicherungsdienstleistungen“ und nicht auch wie etwa RL 2004/18/EG auf „Bankenleistungen und Wertpapiergeschäfte“. Darüber hinaus wird (nur) auf Dienstleistungen gemäß den CPV Codes 66500000-5 bis 66720000-3 verwiesen. Daraus folgt, dass alle Finanzdienstleistungen (wie Bankdienstleistungen und Wertpapiergeschäfte gemäß Gruppe 6611 CPV; insbesondere daher Kreditgeschäfte) gemäß der Ausnahmevorschrift der Z 13 nicht dem BVergGVS unterliegen.

Zu Z 14: Die Regelungen setzt Art. 13 lit. i der RL 2009/81/EG um. Zum Auslegung des Begriffs „Arbeitsverträge“ wird auf die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes verwiesen (vgl. Rs 66/85, Lawrie Blum, Rs C-357/89, Raulin, Rs C-413/01, Ninni-Orasche, Rs C-464/02, Kommission gegen Dänemark).

Zu Z 15: Die Regelungen setzt Art. 13 lit. j der RL 2009/81/EG um und entspricht § 10 Z 13 des BVergG 2006. Erwägungsgrund 34 der RL führt dazu aus: „Nach Artikel 163 des Vertrags [jetzt: Art. 179 AEUV] trägt unter anderem die Unterstützung der Forschung und technologischen Entwicklung dazu bei, die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der Industrie der Union zu stärken, und die Öffnung der Dienstleistungsaufträge hat einen Anteil an der Erreichung dieses Zieles. Die Mitfinanzierung von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen sollte nicht Gegenstand dieser Richtlinie sein. Nicht unter diese Richtlinie fallen deshalb Aufträge über Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, mit Ausnahme derer, deren Ergebnisse ausschließlich Eigentum des Auftraggebers für die Nutzung bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit sind, sofern die Dienstleistung vollständig durch den Auftraggeber vergütet wird.“ Zum Begriff „Forschung und Entwicklung“ (F&E) siehe insbesondere § 3 Z 18 und die diesbezüglichen Erläuterungen.

Aufträge über Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen fallen somit nur dann in den Anwendungsbereich des BVergGVS, wenn ihre Ergebnisse einerseits ausschließlich Eigentum des Auftraggebers für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit sind und andererseits die Dienstleistungen vollständig durch den Auftraggeber vergütet werden. Damit wird der Bereich der sog. „Auftragsforschung“ beschrieben, das ist die Vergabe eines F&E - Dienstleistungsauftrages durch einen Auftraggeber, den dieser zur Erfüllung seiner ihm (zB gesetzlich) obliegenden Aufgaben benötigt oder benötigen kann.

Z 15 nimmt, ebenso wie die Richtlinie, vor dem Hintergrund des Art. 179 Abs. 2 AEUV bestimmte Dienstleistungsaufträge im Bereich F&E vom Anwendungsbereich des Gesetzes aus. Es muss sich bei den zu vergebenden Aufträgen um Dienstleistungsaufträge der Kategorie 14 des Anhanges III handeln. Von der Ausnahme erfasst werden daher Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungsaufträge, die etwa im Bereich der Grundlagenforschung, aus allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen erfolgen und sich nicht konkret auf die Aufgaben des betreffenden Auftraggebers beziehen. Dies bedeutet, dass etwa Beiträge zur Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen („allgemeine Forschungsförderung“) nicht von Kategorie 14 des Anhanges III erfasst werden. Dadurch wird der zweckgerichtete Ansatz bei der Vergabe im Forschungs- und Entwicklungsbereich unterstrichen.

Allgemein zu den Z 16 bis 21: Die Regelungen setzen Art. 10 der RL 2009/81/EG um und nehmen die Beschaffungen von Leistungen (Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen) unter Rückgriff auf eine zentrale Beschaffungsstelle vom Anwendungsbereich des Gesetzes aus. Zur Definition der „zentralen Beschaffungsstelle“ vgl. § 3 Z 44.

Anders als die deutsche Sprachfassung der Richtlinien (Ausnahme für Leistungen, die „durch“ eine zentrale Beschaffungsstelle erworben werden) verwendet das Gesetz diesen Begriff nicht. Der Grund für die abweichende Wortwahl und das Aufsplitten der unionsrechtlichen Regelung in sechs Ziffern liegt darin, dass der Wortlaut der Richtlinien missverständlich ist und die unterschiedlichen Konstellationen unterschiedliche Bestimmungen erfordern. Die unionsrechtliche Ausnahme soll sowohl solche Situationen erfassen, in denen ein Auftraggeber eine Leistung direkt von einer zentralen Beschaffungsstelle erwirbt (die vorher die Leistung selbst im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erworben hat), als auch solche Situationen, in denen ein Auftraggeber eine zentrale Beschaffungsstelle allein mit der Abwicklung einer Beschaffung in seinem Namen und auf seine Rechnung ‑ und somit mit einer Dienstleistung – beauftragt. Angesichts des deutschen Wortlautes („durch“) könnten Bedenken entstehen, ob tatsächlich beide angeführten Fallkonstellationen von der Ausnahmeregelung erfasst werden. Ein Vergleich mit den anderen Sprachfassungen (vgl. die englische Sprachfassung, in der es heißt: „… from or through a central purchasing body“ und die französische Sprachfassung: „acquérir …. en recourant …“) belegt das Verständnis, das auch der deutschen Sprachfassung zu Grunde zu legen ist. Ein eingeschränktes Verständnis der Ausnahmebestimmung würde im Übrigen auch nicht im Einklang mit dem im Rat erzielten Verhandlungsergebnis und der Zielsetzung der unionsrechtlichen Bestimmungen stehen, wie sie etwa im Erwägungsgrund 23 der RL 2009/81/EG zum Ausdruck kommt. In diesem Erwägungsgrund ist davon die Rede, dass Auftraggeber Leistungen „über eine zentrale Beschaffungsstelle beziehen“. Schließlich ist auf die weite Definition der zentralen Beschaffungsstelle in § 3 Z 44 zu verweisen, der zu Folge eine zentrale Beschaffungsstelle ein Auftraggeber ist, der „für Auftraggeber bestimmte Waren und/oder Dienstleistungen erwirbt“ bzw. „für Auftraggeber Aufträge vergibt oder für Auftraggeber Rahmenvereinbarungen … abschließt“. Auf eine diesbezügliche Anfrage der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit den RL 2004/17/EG und 2004/18/EG bestätigte die Europäische Kommission das oben dargelegte Verständnis, dass zentrale Beschaffungsstellen entweder als „Großhändler (‚purchase to resale’) oder als Vermittler“ fungieren können. Die Kommission teilte auch die Auffassung, dass gemäß den Richtlinien beide Fallkonstellationen (somit die Beschaffung einer Leistung von einer zentralen Beschaffungsstelle als auch die Beauftragung einer zentralen Beschaffungsstelle mit der Dienstleistung „Abwicklung eines Vergabeverfahrens“) vom Anwendungsbereich der Richtlinien ausgenommen sind (vgl. BKA-671.801/0010-V/A/8/2005). Die RL 2009/81/EG übernimmt dieses Konzept ohne jedwede Änderungen. Da für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden soll, dass zentrale Beschaffungsstellen in Österreich auf beiderlei Weise eingerichtet werden können, wird ein entsprechend offener (nicht an der deutschen Fassung der Richtlinie orientierter) und den tatsächlichen Regelungsgehalt der Richtlinie klarer zum Ausdruck bringender Wortlaut in das BVergGVS aufgenommen und die Ausnahmeregelung entsprechend ausdifferenziert. Im Unterschied zum BVergG 2006 ergibt sich eine weitere Ausdifferenzierung dadurch, dass neben (österreichischen) Auftraggebern als zentrale Beschaffungsstellen auch Auftraggeber fungieren können, die nicht dem BVergGVS unterliegen aber ein den Richtlinien entsprechendes Vergabeverfahren einhalten (und gegen deren Entscheidungen ein der Richtlinie analog gestaltetes Rechtsschutzverfahren besteht). Auch in diesen Fällen soll eine Ausnahme vom BVergGVS anwendbar sein. Dieser Rückgriff auf „ausländische“ zentrale Beschaffungsstellen soll insbesondere in Bezug auf „europäische öffentliche Einrichtungen“ (hier ist vor allem die EDA zu nennen; vgl. Erwägungsgrund 23) zulässig sein. Zum Begriff der „europäischen öffentlichen Einrichtung“ vgl. die Ausführungen zu § 3 Z 44.

Z 16, 17 und 20 implementieren nach dem oben dargestellten Ansatz das sogenannte „Großhändlermodell“ und Z 18, 19 und 21 das sogenannte „Vollmachtsmodell“ je nachdem ob es sich um eine „inländische“ oder „ausländische“ zentrale Beschaffungsstelle oder eine europäische öffentliche Einrichtung, die als zentrale Beschaffungsstelle fungiert, handelt.

Da nicht österreichische („ausländische“) Auftraggeber im Sinne der RL 2009/81/EG beim Großhändlermodell („purchase to resale“) gemäß den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften auch automatisch den (in das jeweilige nationale Recht umgesetzten) Rechtsschutzregelungen der RL unterliegen, ist ein Verweis auf einzuhaltende „analoge“ Regelungen (im Gegensatz zu den europäischen öffentlichen Einrichtungen, die nicht als Auftraggeber im Sinne der RL gelten) nicht erforderlich. Beim Vollmachtsmodell ist hingegen nur erforderlich, dass die ausländische zentrale Beschaffungsstelle bzw. europäische öffentliche Einrichtung die richtlinienkonformen Regelungen (des anzuwendenden nationalen Rechts bzw. Unionsrechts) im materiellen Bereich befolgen muss. Da die Handlungen der zentralen Beschaffungsstelle in diesem Fall dem beauftragenden (österreichischen) Auftraggeber zugerechnet werden, greift in diesem Fall der Rechtsschutzmechanismus gemäß der österreichischen Rechtsordnung.

Das Erfordernis der Einhaltung von mit der RL 2009/81/EG identer (bzw. im Rechtsschutzbereich „vergleichbarer“) Regelungen für europäische öffentliche Einrichtungen ergibt sich aus der „Internationalität“ dieser Einrichtungen: würde die Befolgung der jeweiligen nationalen Regelungen bei gemeinsamen Beschaffungen vorgeschrieben werden, dann hätte die europäische öffentliche Einrichtung eine Vielzahl an nationalen Vergaberegimes zu befolgen. Dies wäre weder praktikabel noch effizient. Zum Rechtsschutz gegen Handlungen der EDA vgl. Art. 263 AEUV (Klage beim EuGH).

Aus der Definition des Art. 1 Z 18 1. Anstrich der RL 2009/81/EG ergibt sich, dass ein Auftreten einer zentralen Beschaffungsstelle als Großhändler nur im Bereich der Liefer- oder Dienstleistungsaufträge erfolgen kann.

§ 9 Abs. 2 enthält (insbesondere auch vor der oben erwähnten ständigen Rechtsprechung des EuGH zu Ausnahmebestimmungen) die Verpflichtung des Auftraggebers, die Gründe für die Inanspruchnahme einer Ausnahmebestimmung schriftlich zu dokumentieren. Dies hat nicht nur für allfällige Verfahren vor den Vergabekontrollbehörden Bedeutung sondern auch für mögliche Vertragsverletzungsverfahren der Kommission.

Zu § 10 (Schwellenwerte):

Durch diese Bestimmung erfolgt die Umsetzung von Art. 8 der RL 2009/81/EG. Durch die Bestimmung wird der für die weiteren Bestimmungen des BVergGVS jeweils gültige Oberschwellen- bzw. Unterschwellenbereich definiert. Die Relevanz dieser Unterscheidung liegt in einem differenzierten Regime (vgl. zB hinsichtlich der Bekanntmachungsbestimmungen). Zur Höhe der Schwellenwerte führt Erwägungsgrund 25 der RL 2009/81/EG aus: „Eine Vielzahl von Schwellenwerten für die Anwendung der koordinierten Bestimmungen erschwert die Arbeit der Auftraggeber. In Anbetracht des Durchschnittswerts der Aufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit ist es angebracht, die gemäß dieser Richtlinie geltenden Schwellenwerte an die gemäß der Richtlinie 2004/17/EG für Auftraggeber geltenden Schwellenwerte anzugleichen. Bei Überarbeitung der Schwellenwerte der Richtlinie 2004/17/EG sollten die Schwellenwerte dieser Richtlinie ebenfalls angepasst werden.“

Der Anpassungsmechanismus (Neuberechnung der Schwellenwerte) ist in Entsprechung der Vorgaben durch das GPA in Art. 69 der RL 2004/17/EG (entspricht Art. 78 der RL 2004/18/EG) festgelegt. Die (neu berechneten) Schwellenwerte des Sektorenbereiches werden dann gemäß Art. 68 der RL 2009/81/EG automatisch in deren Anwendungsbereich „übertragen“.

Zu § 11 (Allgemeine Bestimmungen betreffend die Berechnung des geschätzten Auftragswertes):

Durch diese Bestimmung wird Art. 9 der RL 2009/81/EG umgesetzt. Um die für das weitere Vergabeverfahren maßgeblichen Bestimmungen zu ermitteln, hat der Auftraggeber vor Durchführung eines Vergabeverfahrens den (geschätzten) Auftragswert zu ermitteln. Dies ist einerseits erforderlich für die Wahl des richtigen Verfahrenstypus (zB Direktvergabe), andererseits aber auch notwendig für die Einschätzung, ob die Bestimmungen des Ober- oder des Unterschwellenbereiches anwendbar sind.

Der geschätzte Auftragswert ist jener Wert, den ein umsichtiger und sachkundiger Auftraggeber, unter Umständen nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegmentes (zB durch Prüfung verschiedener Firmenkataloge) und im Einklang mit den Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung, bei der Anschaffung der vergabegegenständlichen Leistung veranschlagen würde (zur Festlegung des Auftragsgegenstandes vgl. auch die Ausführungen zu Abs. 5). Zur Schätzung des Auftragswertes bei Versicherungsleistungen vgl. Rs C-271/08, Kommission gegen Deutschland. Ist der Auftraggeber dazu nicht im Stande, so hat er entsprechend sachkundige Dritte beizuziehen.

In der Rs C-271/08, Kommission gegen Deutschland führte der Gerichtshof zur Auslegung des Begriffes „Gesamtwert der Aufträge“ aus, dass die maßgebende Berechnung auf dem geschätzten Gesamtwert des Auftrags auf der Ebene der betroffenen Behörde oder des betroffenen Betriebs beruhen muss. Würde bei einem Auftrag, dessen Gegenstand seinem Wesen nach einheitlich ist (in concreto handelte es sich um Versicherungsverträge kommunaler Arbeitgeber), eine Berechnung auf der Basis der jeweils geschlossenen Verträge erfolgen, so würde dies zu einer künstlichen Aufspaltung dieses Auftrags führen, die geeignet wäre, ihn dem Anwendungsbereich der Vergabevorschriften der Union zu entziehen, obwohl sein geschätzter Gesamtwert den für die Anwendung dieser Vorschriften maßgebenden Schwellenwert erreichen oder überschreiten würde. Außerdem würde bei einer solchen (getrennten) Berechnung der Grundsatz der Rechtssicherheit verkannt, da zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser etwaigen einzelnen Verträge deren Einzelwert nicht einmal geschätzt werden kann, und da nicht auch nur annähernd vorhersehbar ist, in welchem Verhältnis die spätere Entscheidung der einzelnen Beschäftigten, die sich an der Entgeltumwandlung beteiligen möchten, auf die einzelnen betroffenen Unternehmen fallen wird. Eine entsprechende Berechnung, die auf eine rein mathematische Division des geschätzten Gesamtwerts des Auftrags nach Maßgabe der Anzahl der in Aussicht genommenen Versicherungsverträge gestützt wäre, könnte somit dazu führen, die Gesamtheit dieser Verträge dem Anwendungsbereich der Vergabevorschriften der Union zu entziehen, während sich anschließend herausstellen könnte, dass der Wert einiger dieser Verträge aufgrund der Zahl der teilnehmenden Beschäftigten und der Höhe der an das betreffende Unternehmen gezahlten Versicherungsprämien den maßgebenden Schwellenwert erreicht oder überschreitet.

Maßgeblicher Zeitpunkt der Ermittlung des geschätzten Auftragswertes ist gemäß Abs. 3 der Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens (zB Übermittlung der Bekanntmachung oder Aufforderung zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren). „Eingeleitet“ im Sinne des Abs. 3 ist ein Vergabeverfahren dann, wenn die Bekanntmachung übermittelt wird oder – bei Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung - wenn eine den Beginn des Vergabeverfahrens dokumentierende vergaberelevante Handlung des Auftraggebers dessen Sphäre verlässt. Letzteres ist etwa das Setzen der ersten außenwirksamen Handlung des Auftraggebers in Form der Kontaktaufnahme mit Unternehmern, die der Auftraggeber für die Teilnahme am Vergabeverfahren gewinnen will. Hingegen sind erste informelle Erkundigungen des Auftraggebers bei Unternehmern, organisationsinterne Handlungen (Einsetzen eines Projektteams, Planung des Ablaufes eines Verfahrens udglm.) noch keine Handlungen, die als verfahrenseinleitende Handlungen zu qualifizieren sind. Der Zeitpunkt der „Einleitung“ eines Verfahrens wird an den Eintritt von äußeren Ereignissen geknüpft, um die objektive Nachprüfbarkeit des Zeitpunktes sicherzustellen. Dieser Zeitpunkt ist auch deswegen von besonderer Relevanz, weil es sich auch um einen verfassungsrechtlich relevanten Zeitpunkt handelt (vgl. Art. 14b Abs. 2 B-VG).

Abs 4 enthält eine zu Abs. 5 analoge Regelung betreffend das Verbot, durch Wahl einer bestimmten Berechnungsmethode die Anwendung dieses Gesetzes zu umgehen.

Abs. 5 – welcher der Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 der RL 2009/81/EG dient – beinhaltet ein Verbot der willkürlichen Aufteilung von zusammengehörigen Aufträgen (sog. „Auftragssplitting“; vgl. dazu auch die Rechtsprechung des EuGH Rs C-16/98, Kommission/Frankreich, Rs C-79/94, Kommission/Griechenland). Das Umgehungsverbot hat zur Folge, dass die Aufteilung eines Auftrages nicht in der Absicht erfolgen darf, die unionsrechtlichen bzw. gesetzlichen Verpflichtungen (zB Bekanntmachung im Amtsblatt) zu umgehen, darüber hinaus darf durch ein unzulässiges „Splitting“ auch im Unterschwellenbereich nicht eine Umgehung der Vorschriften bewirkt werden (Wahl von Sonderverfahren mit vereinfachten Regeln wie insbesondere die Direktvergabe). Das Verbot der Aufteilung gilt für jede Form von Aufteilung, die nicht durch objektive Gründe gerechtfertigt werden kann.

Ziel der Regelung des Abs. 5 ist es, eine sachlich nicht gerechtfertigte Aufteilung des Leistungsgegenstandes eines Beschaffungsvorhabens zu unterbinden. In diesem Zusammenhang wird für Bundesorgane insbesondere der Vorhabensbegriff des § 23 BHG 1986 bzw. § 57 BHG 2013 zu berücksichtigen sein. Nach § 57 BHG 2013 hat ein Vorhaben einen in wirtschaftlicher, rechtlicher oder finanzieller Hinsicht einheitlichen Vorgang zum Gegenstand. Soweit ein Vorhaben die Investition in immaterielle Vermögensgegenstände, Sachanlagevermögen oder die Erbringung sonstiger Leistungen zum Gegenstand hat, umfasst das Vorhaben alle sich hierauf beziehenden sachlich abgrenzbaren und wirtschaftlich zusammengehörigen Leistungen, die in der Regel auf Grund einer einheitlichen Planung erbracht werden.

Zu § 12 (Auftragsberechnung bei Bauaufträgen):

Die Abs. 1 und 2 setzen die baurelevanten Vorschriften des Art. 9 Abs. 4 und 5 der RL 2009/81/EG um.

Zur Bestimmung des Wertes eines Bauauftrags ist nach der Rechtsprechung des GH der Gesamtwert des Bauauftrags aus der Perspektive eines potenziellen Bieters zu berücksichtigen was nicht nur alle Beträge einschließt, die der Auftraggeber zu zahlen hat, sondern auch alle Zahlungen von Dritten. (so Rs C-220/05, Auroux).

Bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes eines Bauauftrages sind gemäß Abs. 2 alle Leistungen, Materialien usw. zu berücksichtigen, die Gegenstand des Vertrages sind. Unter Waren sind hierbei nicht nur die beim Bau verwendeten Materialien, sondern auch die zur Arbeitsausführung erforderlichen Ausrüstungen zu verstehen. Stellt ein Auftraggeber dem Auftragnehmer etwa einen Kran oder Lastkraftwagen zur Verfügung, so ist entweder der Kaufpreis oder aber der marktübliche Mietpreis der Ausrüstung bei der Berechnung des Auftragswertes zu berücksichtigen. Welcher Wert anzusetzen ist, hängt von der Lebens- bzw. Nutzungsdauer des Gutes ab. Übersteigt die Nutzungsdauer die Dauer der Bereitstellung durch den Auftraggeber, so ist der Mietpreis anzusetzen. Übersteigt hingegen die Dauer der Bereitstellung die (mittlere) Nutzungs- oder Lebensdauer des Gutes, so ist bei der Schätzung des Auftragswertes der Kaufpreis zugrunde zu legen.

Der Begriff „Los“ bezeichnet Teile oder Abschnitte eines Vergabeverfahrens aber auch Teile einer Gesamtleistung (Teil- oder Fachlose). Es ist daher geboten, klarzustellen, dass „Lose“ im Sinne des Gesetzes auch gewerbliche Tätigkeiten im Sinne des Anhanges II, also „Gewerke“ im Sinne der österreichischen Terminologie, umfassen. Zur Zusammenrechung der Lose vgl. Rs C-412/04, Kommission/Italien.

Zu Losvergaben ist folgendes festzuhalten: Der Auftraggeber kann festlegen, dass Bieter Angebote nur für ein Los, für alle Lose oder nur für eine bestimmte Loskombination abgeben können. Dies ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Text der RL aber aus den, einen integrierenden Bestandteil der RL bildenden Anhängen (vgl. dazu Anhang VI „Bekanntmachung für nicht offene Verfahren usw.“ Punkt 7). Im Erkenntnis F-26/98-14 vom 15.4.1999 hielt das BVA zur Frage der Auswahl der unter die Ausnahmebestimmung fallenden Lose Folgendes fest: „Zur Zuständigkeit ist des Weiteren anzumerken, dass sich für eine – wie im gegenständlichen Antrag angedeutet – allfällige Wahlmöglichkeit des Auftraggebers, welche Lose, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer weniger als eine Million ECU beträgt, er von der Kontrolle durch das Bundesvergabeamt ausgenommen sehen will, keinerlei Grundlage im BVergG findet. Sofern der kumulierte Auftragswert dieser Lose 20% des kumulierten Wertes aller Lose übersteigt, unterliegen sämtliche Lose der Kontrolle durch das Bundesvergabeamt.“ Im Lichte der einschlägigen Regelungen des Gesetzes und der Richtlinie besteht allerdings – unter Wahrung der allgemeinen Vergabegrundsätze – ein Wahlrecht des Auftraggebers, welche Lose er der Ausnahmeregelung unterwerfen will und welche nicht. Sinnvollerweise sollte der Auftraggeber, sofern möglich, jene Lose im Vorhinein festlegen, für die das Regime des Oberschwellenbereiches Anwendung finden soll. Die Restgröße bilden jene Lose, die unter das Regime des Unterschwellenbereiches fallen. In der Regel handelt es sich hierbei um eine Vielzahl oft sehr kleiner Aufträge, die im Vorhinein nicht immer feststehen.

Abs. 4 beinhaltet eine spezielle Losregelung für den Unterschwellenbereich. Zwar gelten für alle Unterschwellenlose die Regelungen des Unterschwellenbereiches; abweichend von der allgemeinen Regelung über die Berechnung des Auftragswertes in § 11 Abs. 1 wird aber für die Baulose im Unterschwellenbereich festgelegt, dass für die Wahl des Vergabeverfahrens der Wert des einzelnen Gewerkes als Auftragswert gilt. Ein Gewerk mit einem geschätzten Wert von unter 60 000 Euro (vgl. § 33 Abs. 2) kann daher auch dann im Wege der Direktvergabe vergeben werden, wenn dieses Gewerk Teil eines Bauauftrages ist, dessen geschätzter Auftragswert über 60 000 Euro (aber noch im Unterschwellenbereich) liegt. Dadurch wird einem Auftraggeber bei der Vergabe von Bauaufträgen im Unterschwellenbereich ein größerer Freiraum eingeräumt. Ferner wird als Vereinfachung für den Unterschwellenbereich der maximale Prozentsatz des kumulierten Loswertes für die Losregelung mit 40vH festgesetzt (analog zur Regelung des BVergG 2006). Zur Klarstellung wird bemerkt, dass falls der Gesamtwert eines Auftrages unter dem Schwellenwert für Direktvergaben liegt, die Losregel keine Anwendung findet.

Zu § 13 (Auftragsberechnung bei Lieferaufträgen):

Abs. 1 bis 3 setzen die einschlägigen Regelungen für Lieferungen des Art. 9 Abs. 6 bis 8 der RL 2009/81/EG um.

ZU beachten ist, dass Nebenarbeiten (Dienstleistungen) dem Wert der Lieferung (als Teil des Lieferauftrages) hinzuzurechnen sind (vgl. § 6). Bei der Zurverfügungstellung von Waren, die individuell nach den Bedürfnissen des jeweiligen Kunden hergestellt und angepasst werden und über deren Nutzung die jeweiligen Kunden individuell zu beraten sind, ist die Anfertigung der genannten Waren dem Auftragsteil der „Lieferung“ für die Berechnung des Werts des jeweiligen Bestandteils zuzuordnen (so Rs C-300/07, Oymanns).

Bei Leasing, Miete, Pacht oder Ratenkauf hängt das Verfahren zur Berechnung des geschätzten Auftragswertes insbesondere von der Laufzeit des betreffenden Vertrages ab. Regelmäßig wiederkehrende Aufträge im Sinne des Abs. 2 liegen vor, wenn ein Auftraggeber über mehrere aufeinander folgende Beschaffungszeiträume hinweg in jedem Beschaffungszeitraum eine in etwa gleich bleibende Menge von Gütern beschafft. Hierbei ist es ausreichend, dass es sich bei den durch die einzelnen Aufträge beschafften Gütern um gleichartige Lieferungen handelt. Die Wahl einer der Berechnungsmethoden gemäß Abs. 2 ist optional, d.h. sie liegt im Ermessen des Auftraggebers, wobei freilich das Umgehungsverbot zu beachten ist.

„Gleichartige“ Lieferungen im Sinne des Abs. 3 liegen vor, wenn von einem im Wesentlichen einheitlichen Bieterkreis nach den gleichen Fertigungsmethoden aus vergleichbaren Stoffen Erzeugnisse hergestellt werden, die einem im Wesentlichen einheitlichen bzw. gleichen oder ähnlichen Verwendungszweck dienen. Als gleichartige Lieferungen gelten daher zB die Lieferungen verschiedener Lebensmittel. Der geschätzte Gesamtwert einzelner Lieferungen ist zusammenzurechnen, falls die beabsichtigten Beschaffungen gleichartiger Lieferungen zu Aufträgen führen (können), die gleichzeitig in Losen vergeben werden. Die gleichzeitige Vergabe muss lediglich möglich und zumutbar sein, auf die tatsächliche gleichzeitige Vergabe kommt es hingegen nicht an.

Abs. 4 enthält die Losregelungen für den Oberschwellenbereich (vgl. Art. 9 Abs. 5 lit. b der RL). Der Auftraggeber hat bei einer Auftragsvergabe im Oberschwellenbereich die Möglichkeit, einzelne Lose bei Vorliegen der angeführten Voraussetzungen nach den für den Unterschwellenbereich maßgeblichen Vorschriften zu vergeben (vgl. dazu auch die Ausführungen zu § 12 Abs. 3).

Abs. 5 beinhaltet eine an Abs. 4 angelehnte Regelung für die Losvergabe im Unterschwellenbereich, wobei hier für einzelne Lose die Direktvergabe gewählt werden kann. Zu Losvergaben ist folgendes festzuhalten: Der Auftraggeber kann festlegen, dass Bieter Angebote nur für ein Los, für alle Lose oder nur für eine bestimmte Loskombination abgeben können (vgl. dazu schon die entsprechenden Ausführungen zu § 12). Zur Klarstellung wird bemerkt, dass falls der Gesamtwert eines Auftrages unter dem Schwellenwert für Direktvergaben liegt, die Losregel keine Anwendung findet.

Zu § 14 (Auftragsberechnung bei Dienstleistungsaufträgen):

Die Schwellenwertregelung für Dienstleistungsaufträge setzt Art. 9 Abs. 7 und 8 der RL 2009/81/EG mit geringfügigen sprachlichen Modifikationen, die der Klarheit dienen sollen, um. Die Wahl einer der Berechnungsmethoden gemäß Abs. 3 ist optional, d.h. sie liegt im Ermessen des Auftraggebers, wobei freilich das Umgehungsverbot (vgl. insbes. § 11 Abs. 4) zu beachten ist.

Zu Abs. 4 ist anzumerken, dass eine Zusammenrechnung des Auftragswertes mit den Auftragswerten allenfalls später ausgeschriebener Dienstleistungen dann nicht erforderlich ist, wenn im Zeitpunkt der Ausschreibung objektiv ungewiss ist, ob auf Grund des Ergebnisses der aktuell auszuschreibenden Dienstleistung weitere, gleichartige Dienstleistungen notwendig werden.

Abs. 5 enthält die Losregelung für Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich (vgl. dazu auch die Ausführungen zu § 12 Abs. 3).

Abs. 6 beinhaltet eine an Abs. 5 angelehnte Regelung für die Losvergabe im Unterschwellenbereich, wobei hier für einzelne Lose die Direktvergabe gewählt werden kann. Zur Klarstellung wird bemerkt, dass falls der Gesamtwert eines Auftrages unter dem Schwellenwert für Direktvergaben liegt, die Losregel keine Anwendung findet.

Zu Losvergaben ist folgendes festzuhalten: Der Auftraggeber kann festlegen, dass Bieter Angebote nur für ein Los, für alle Lose oder nur für eine bestimmte Loskombination abgeben können (vgl. dazu schon die entsprechenden Ausführungen zu § 12).

Zu § 15 (Auftragsberechnung bei Rahmenvereinbarungen):

Die Bestimmung setzt Art. 9 Abs. 9 der RL 2009/81/EG um. Bei einer Rahmenvereinbarung ergibt sich der geschätzte Auftragswert aus dem geschätzten Gesamtwert aller in der Laufzeit der Rahmenvereinbarung voraussichtlich zu vergebenden Aufträge. Die Berechnungsmethode ergibt sich aus der Art der Aufträge, die Gegenstand der Rahmenvereinbarung sind. Maßgeblicher Zeitpunkt der Ermittlung des geschätzten Auftragswertes ist gemäß § 11 Abs. 3 der Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens für den Abschluss der Rahmenvereinbarung.

Zu § 16 (Änderung der Schwellen- und Loswerte):

Es wird darauf abgestellt, ob eine Änderung auf Grund von unionsrechtlichen Vorschriften zulässig oder erforderlich ist. Dies ist deshalb geboten, weil die Schwellenwerte auf Unionsebene sowohl herab- wie auch hinaufgesetzt werden können (vgl. Art. 68 RL 2009/81/EG in Verbindung mit Art. 69 der RL 2004/17/EG), es den Mitgliedstaaten aber unbenommen bleibt, im Falle der Hinaufsetzung der Schwellenwerte (insbes. aufgrund deren Neuberechnung im Zusammenhang mit dem GPA) die alten, niedrigeren Schwellenwerte beizubehalten (so etwa auch Erwägungsgrund 4 der VO 1874/2004 der Kommission zur Anpassung der Schwellenwerte, ABl Nr. L 326 vom 29.10.2004, S. 17). In diesem Fall ist ein Nachvollziehen der Reduktion auf Unionsebene bloß zulässig, nicht aber geboten.

Gemäß Art. 68 der RL 2009/81/EG hat die Kommission die Schwellenwerte nach Art. 8 zu überprüfen und erforderlichenfalls neu festzusetzen. Durch die Verordnungsermächtigung soll gewährleistet werden, dass eine möglichst rasche Anpassung der Schwellenwerte erfolgen kann. Im Übrigen erstreckt sich die Ermächtigung nicht bloß auf die in den RL festgelegten Schwellen- oder Loswerte sondern auch auf Schwellenwerte des Unterschwellenbereiches bzw. Schwellenwerte für Sonderregelungen im Unterschwellenbereich. Der Grund liegt darin, dass die Schwellenwerte für die Wahl der Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich unter Umständen kurzfristig angepasst werden können müssen, falls dies aufgrund eines Judikates des EuGH erforderlich ist (hier ist auf die derzeit noch nicht absehbaren Konsequenzen der Rechtsprechung des EuGH in Verbindung mit dem Transparenzgrundsatz hinzuweisen) oder es sich erweist, dass die Schwellenwerte (z.B. aufgrund geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse wie Anpassung an die Inflation) einer ökonomischen bzw. ökonomischeren Vorgangsweise (insbes. im Hinblick auf die Transaktionskosten) entgegenstehen.

Im Falle eines bloßen „Nachvollzugs“ der Änderung der unionsrechtlich festgelegten Schwellenwerte sieht Abs. 2 die Möglichkeit für ein vereinfachtes Verfahren vor (Kundmachung des Bundeskanzlers).

Zu § 17 (Grundsätze des Vergabeverfahrens):

Die allgemeinen Grundsätze finden auf sämtliche Verfahren im Anwendungsbereich des BVergGVS Anwendung.

Abs. 1 enthält eine Zusammenfassung allgemeiner Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen und regelt den Zweck des Vergabeverfahrens und damit das Schutzobjekt der Schutznorm „BVergGVS“: es ist dies der freie, faire und lautere Wettbewerb unter Wahrung der Gleichbehandlung aller Bieter und Bewerber. Alle Handlungen und Unterlassungen von Auftraggebern, Bietern oder Bewerbern im Vergabeverfahren sind an diesem Maßstab zu messen. Diese Grundsätze sind zur Auslegung der übrigen Bestimmungen des vorliegenden Gesetzes heranzuziehen. Zu den Begriffen freier, lauterer bzw. fairer Wettbewerb: der freie Wettbewerb ist der nicht behinderte, d.h. z.B. keinen (Zugangs- oder Ausübungs-)Beschränkungen unterliegende Wettbewerb; der faire Wettbewerb betrifft das Verhältnis Auftraggeber – Bewerber/Bieter und der lautere Wettbewerb betrifft das Verhältnis zwischen den Bewerbern/Bietern. Ein unlauterer Wettbewerb ist dann gegeben, wenn ein Unternehmer zB durch Bestechung, Preisabsprachen mit bestimmten Mitkonkurrenten oder Ausnützen seiner marktbeherrschenden Position einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu erlangen sucht.

Abs. 1 nimmt auch explizit auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten bzw. Grundsätze Bezug. Der EuGH nimmt in seiner vergaberechtlichen Rechtsprechung regelmäßig Bezug auf unionsrechtliche Grundsätze. So ist der vergaberechtliche Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbs auch in die Judikatur des EuGH anerkannt (vgl. etwa Rs C-243/89). Der Grundsatz der Gleichbehandlung verlangt nach der Rechtsprechung des GH, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Rs C-21/03 und C-34/03, Fabricom). Der Grundsatz der Gleichbehandlung schließt den Grundsatz der Transparenz mit ein. Diese Grundsätze, die die Grundlage der Richtlinien im Bereich der öffentlichen Aufträge bilden, bedeuten u. a., dass die Bieter, auch potenzielle, allgemein gleichbehandelt werden und über die gleichen Chancen bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote verfügen müssen (vgl. Rs C-470/99, Universale-Bau u. a., Rs C-213/07, Michaniki, Rs C-199/07, Kommission/Griechenland). Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter ist auch dann anwendbar, wenn keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegt (Rs C-458/03, Parking Brixen, Rs C-410/04, ANAV). Der EuGH betont in seiner Rechtsprechung zum Vergaberecht immer wieder den zentralen Stellenwert der Grundsätze, die alle Phasen des Vergabeverfahrens prägen. Aus der überaus reichhaltigen Judikatur sind beispielhaft folgende Erkenntnisse zu nennen: Rs 45/87, Dundalk, Rs C-87/94, Kommission gegen Belgien, verb Rs C-285/99 und 286/99, Impresa Lombardini, Rs C-243/89, Storebaelt, Rs C-360/89, EK gegen Italien, Rs C-16/98, Kommission/Frankreich, Rs C-19/00, SIAC, Rs C-21/03 und C-34/03, Fabricom, Rs C-264/03, Kommission gegen Frankreich, Rs C-234/03, Contse, Rs C-458/03, Parking Brixen, Rs C-260/04, Kommission gegen Italien, Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur, Rs C-199/07, Kommission gegen Griechenland, Rs C-91/08, Wall AG, Rs C-160/08, Kommission gegen Deutschland, Rs C-305/08, CoNISMa, Rs C-213/07, Michaniki.

Im innerstaatlichen Recht ist der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter u.a. auch aus dem Verbotsbereich des UWG abzuleiten. Nach der Rspr des OGH (4 Ob 10/96, Forstpflanzen) handelt der Auftraggeber nicht nur im Rahmen des geschäftlichen Verkehrs, sondern bei bestimmten Verhaltensweisen, zB bei ungerechtfertigter Bevorzugung eines Unternehmens zu Lasten eines anderen, durchaus auch zu Wettbewerbszwecken. Nach der Rechtsprechung des OGH lässt sich ein Gleichbehandlungsgebot aber auch aus culpa in contrahendo ableiten (vgl. etwa 4 Ob 573/94).

Bei Betrieben der öffentlichen Hand, aus öffentlichen Geldern subventionierten Unternehmen (vgl. dazu die Bestimmung des Art. 106 AEUV) und bei Auftraggebern (falls diese als Bewerber oder Bieter an einem Vergabeverfahren teilnehmen) erfolgt eine Kalkulation der Kosten oft unter wettbewerbsverzerrenden Bedingungen. So werden wesentliche Kostenanteile nicht in Anschlag gebracht, da sie in deren allgemeinen Haushalt enthalten sind (vgl. Personalkosten) oder derartige Kosten nicht einmal entstehen (zB Steuerbefreiung). Unter diesen Bedingungen sind die genannten Unternehmen in der Lage, die (realistischen) Marktpreise ihrer Konkurrenten am freien Markt bei einer Auftragsvergabe jederzeit zu unterbieten. Grundsätzlich ist dies ein wettbewerbsrechtliches Problem, das etwa im Rahmen des Art. 106 AEUV zu lösen wäre. Der EuGH betonte jedoch (vgl. etwa Rs C-94/99, ARGE Gewässerschutz), dass der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter nicht schon dadurch verletzt ist, dass ein Auftraggeber zu einem Vergabeverfahren Einrichtungen zulässt, die entweder von ihm selbst oder von anderen Auftraggebern Zuwendungen gleich welcher Art erhalten, die es ihnen ermöglichen, zu Preisen anzubieten, die erheblich unter denen ihrer Mitbewerber liegen, die keine solchen Zuwendungen erhalten. Der Gerichtshof hielt weiters fest, dass – auch wenn der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter für sich genommen der Teilnahme öffentlicher Einrichtungen an einem Verfahren zur Vergabe Aufträge nicht entgegensteht – es nicht auszuschließen ist, dass die Auftraggeber unter bestimmten Umständen im Einzelfall dazu verpflichtet sind oder das Unionsrecht ihnen zumindest gestattet, Zuwendungen – insbesondere nicht vertragskonforme Beihilfen – zu berücksichtigen, um gegebenenfalls die Bieter auszuschließen, denen sie zugute kommen (vgl. dazu insbesondere die Regelung in § 104 Abs. 5 sowie die Erläuterungen dazu).

Es ist ferner auf einen besonderen Aspekt im Zusammenhang mit der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen aufmerksam zu machen. Das Diskriminierungsverbot verbietet unter anderem auch, ohne sachliche Rechtfertigung die Durchführung von Wettbewerben auf einzelne Berufsstände zu beschränken, obwohl auch andere Unternehmen oder Personen die Berechtigung zur Erbringung der Leistung besitzen.

Entsprechend allfälliger völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs sowie aus Art. 18 AEUV ergibt sich ein Verbot der Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit von Bewerbern und Bietern oder des Ursprungs von Waren im Rahmen der Vergabe von Aufträgen. Eine darüber hinausgehende unterschiedliche Behandlung, die völkerrechtlich zulässig ist, bleibt gemäß Abs. 2 jedoch zulässig und wird vom Grundsatz des Abs. 1 nicht eingeschränkt. Damit wird das Gleichbehandlungsgebot auf das völkerrechtlich erforderliche Ausmaß beschränkt. Hinzuweisen ist nochmals darauf, dass Beschaffungen im Militär- und Sicherheitsbereich nicht unter das GPA fallen (vgl. dazu schon die Ausführungen zu § 1 und Erwägungsgrund 18 der RL 2009/81/EG). Es ist daher allein die freie Entscheidung der Auftraggeber, ob sie Unternehmer aus Drittländern (das sind im Kontext des § 17 Abs. 2 jene die Staaten in Bezug auf die keine völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Gleichbehandlung und damit zum Marktzugang bestehen) zu einem dem BVergGVS unterliegenden Vergabeverfahren zulassen oder nicht. Diese Entscheidung über die Nicht-Zulassung ist keine gesondert anfechtbare Entscheidung. Falls Unternehmer aus Drittländern allerdings (freiwillig) die Teilnahme an einem Vergabeverfahren gestattet wird, dann stehen diesen Unternehmern auch alle Möglichkeiten des Rechtsschutzes gemäß BVergGVS offen. Hinzuweisen ist auch auf Erwägungsgrund 18 der dazu folgendes ausführt: „Diese Ausnahmebestimmung bedeutet auch, dass die Mitgliedstaaten im spezifischen Kontext der Verteidigungs- und Sicherheitsmärkte weiterhin befugt sind zu entscheiden, ob ihr Auftraggeber Wirtschaftsteilnehmern aus Drittländern die Teilnahme an Vergabeverfahren gestatten darf. Sie sollten diese Entscheidung auf der Grundlage von Preis-/Leistungserwägungen unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer weltweit wettbewerbsfähigen europäischen rüstungstechnologischen und -industriellen Basis, der Bedeutung offener und fairer Märkte und der Erzielung gegenseitigen Nutzens treffen. Die Mitgliedstaaten sollten auf eine immer stärkere Öffnung der Märkte drängen. Ihre Partner sollten auf der Grundlage international vereinbarter Bestimmungen ebenfalls Offenheit beweisen, insbesondere was den offenen und fairen Wettbewerb betrifft.“

Abs. 3 stellt eine spezifische Ausformulierung des Diskriminierungsverbotes dar.

Durch Abs. 4 erster Satz ist es dem Auftraggeber insbesondere untersagt, Vergabeverfahren nur zu dem Zweck durchzuführen, sich durch das Verfahren Lösungsvorschläge zu beschaffen oder Preisvergleiche anzustellen (unverbindliche Markterkundung). Darüber hinaus hat der Auftraggeber für die tatsächliche Durchführung vorzusorgen, dazu gehört auch die Vorsorge für die technische und finanzielle Abwicklung; das heißt, dass zB ausreichende budgetäre und personelle Ressourcen für die gesamte Projektdurchführung zur Verfügung stehen müssen. Führt ein Auftraggeber ein Vergabeverfahren durch, ohne die budgetäre Bedeckung ausreichend zu prüfen, so wird er schadenersatzpflichtig. Wie sich dem zweiten Satz – aber auch der Regelung über den Widerruf gemäß den §§ 114 und 115 – entnehmen lässt, ändert auch eine allfällige Schadenersatzpflicht aber nichts daran, dass der Auftraggeber zum Widerruf des Verfahrens berechtigt ist, wenn er einen sachlichen Grund geltend machen kann (siehe dazu insbesondere die Erläuterungen zu den §§ 114 und 115 sowie die Regelung in § 111 Abs. 1, wonach es nur zwei Arten der Beendigung eines Vergabeverfahrens gibt). Abs. 4 2. Satz kodifiziert eine ständige Judikaturlinie des EuGH (Rs C-27/98, C-92/00, C-244/02): Darin hält der EuGH fest, dass aus den vergaberechtlichen Richtlinien „nicht hervorgehe, dass die in dieser Richtlinie implizit anerkannte Befugnis des öffentlichen Auftraggebers, auf die Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags, für den eine Ausschreibung stattgefunden habe, zu verzichten, auf Ausnahmefälle begrenzt sei oder in jedem Fall voraussetze, dass schwerwiegende Gründe angeführt würden.“ Weiters führte der EuGH aus, … „dass ein Auftraggeber, der beschließe, die Ausschreibung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu widerrufen, den Bewerbern und Bietern zwar die Gründe für seine Entscheidung mitteilen müsse, dass er danach aber nicht verpflichtet sei, das Vergabeverfahren zu Ende zu führen.“ Diese Judikaturlinie gikt auch im Anwendungsbereich der RL 2009/81/EG. Vor diesem Hintergrund stellt Abs. 4 2. Satz klar, dass der Auftraggeber nicht verpflichtet ist, ein Vergabeverfahren durch Zuschlag zu beenden (es existiert daher kein „Zwang zum Zuschlag“). Wie aber bereits oben ausgeführt, schließt dies nicht aus, dass Auftraggeber, die den Widerrufsgrund in hinreichend qualifizierter Weise verursacht haben, nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts schadenersatzpflichtig werden (vgl. dazu näher die Ausführungen zu § 139).

Abs. 5 enthält die Möglichkeit ökologisch zu beschaffen. Im Hinblick auf den besonderen Bereich, in welchem sich Beschaffungen nach dem BVergGVS bewegen, wurde davon abgesehen, einen Grundsatz der ökologischen Beschaffung zu verankern. Abs. 5 zweiter Satz nennt jene Phasen des Vergabeverfahrens, in denen eine Verwirklichung der ökologischen Beschaffung am vielversprechendsten ist. Es ist jedoch hervorzuheben, dass eine umweltgerechte Beschaffung in erster Linie an der korrekten Festlegung des Auftragsgegenstandes anzuknüpfen hat. Werden bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes ökologische Aspekte nur unzureichend berücksichtigt, so wird dieser Fehler im nachfolgenden Prozess auch durch noch so gute ökologische Zuschlags- oder Ausführungskriterien nicht oder kaum mehr korrigiert werden können. In diesem Zusammenhang ist ferner auf die ebenfalls relevanten §§ 82 Abs. 4 und 83 Abs. 5 hinzuweisen. Gemäß § 82 Abs. 4 sind in der Beschreibung der Leistung gegebenenfalls auch die Kriterien für die Lieferung von umweltgerechten Produkten oder für die Erbringung von Leistungen im Rahmen umweltgerechter Verfahren, soweit dies nach dem jeweiligen Stand der Technik und dem jeweils aktuellen Marktangebot möglich ist, anzugeben. Wurden in einer Ausschreibung gemäß § 68 Abs. 3 der Regelung des § 17 Abs. 5 entsprechend Kriterien für die Umweltgerechtheit angegeben, welche bei der Beurteilung der Angebote in Betracht gezogen werden, so ist die Umweltgerechtheit auch im Rahmen der Zuschlagsentscheidung zur Anwendung zu bringen. Die Festlegung solcher Kriterien für die Umweltgerechtheit von Produkten oder Leistungen im Rahmen der Ausschreibung hat in unionsrechtskonformer Weise gegebenenfalls durch technische Spezifikationen zu erfolgen. Hierbei kann auch auf Umweltzeichen verwiesen werden (vgl. § 83 Abs. 5). Festzuhalten ist ferner, dass die Bedachtnahme auf etwaige Entsorgungskosten sich auf die Ausschreibung auszuwirken hat (vgl. § 82 Abs. 5; damit diese relevant werden, müssen sie als Zuschlagskriterien formuliert werden).

Abs. 6 enthält die Möglichkeit „sozial“ zu beschaffen. Dadurch soll darauf hingewiesen werden, dass auch im Bereich des BVergGVS weitere, insbesondere soziale Zielsetzungen in Vergabeverfahren Berücksichtigung finden können. Es versteht sich von selbst, dass die Bedachtnahme dieser sekundären Ziele nur unter Berücksichtigung der vorangegangenen Grundsätze (insbesondere daher jener des Abs. 1) erfolgen kann. Auf die Regelung des § 19 ist ebenfalls hinzuweisen.

Zu § 18 (Allgemeine Bestimmungen über Bewerber und Bieter):

§ 18 entspricht der Regelung des § 20 BVergG 2006.

Zu Abs. 1 wird insbesondere auf die Erläuterungen in 327 der BlgNR XXIV. GP, S. 14, verwiesen.

Die Abs. 2 und 3 setzen Art. 5 Abs. 1 und 2 der RL 2009/81/EG um. Abs. 2 Satz 1 sieht die Möglichkeit vor, dass der Auftraggeber aus sachlichen Gründen die Teilnahme oder die Bildung von Arbeits- oder Bietergemeinschaften für unzulässig erklären kann. Die Zulässigkeit dieser Beschränkungsmöglichkeit folgt aus dem Erkenntnis des EuGH in der Rs C-57/01, Makedoniko Metro. Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass in bestimmten Situationen auch die Kommission eine derartige Beschränkung vorgesehen hat (vgl. dazu Bulletin Quotidien Europe 8945 vom 12.5.05 Pkt. 21; bei der Ausschreibung des Projektes „Galileo“ hatte die Kommission die Klausel vorgesehen, dass keine Arbeits- oder Bietergemeinschaften gebildet werden dürfen damit ein ausreichender Wettbewerb gewährleistet ist). Sachliche Gründe sind etwa, wenn in einem Marktsegment nur eine begrenzte Anzahl von Bietern existiert und zur Sicherung des Wettbewerbes eine Beschränkung der Teilnehmeranzahl am Vergabewettbewerb durch Bildung von Arbeits- oder Bietergemeinschaften nicht erfolgen soll. Der Auftraggeber hat ferner nach Abs. 2 Satz 2 die Möglichkeit, die Mitgliederanzahl zu beschränken oder Beschränkungen hinsichtlich der Zusammensetzung von Arbeits- oder Bietergemeinschaften (etwa ein Verbot der Mehrfachbeteiligung) vorzusehen. Die Zulässigkeit dieser Regelung ergibt sich ebenfalls aus dem Erkenntnis in der Rs C-57/01, Makedoniko Metro. Darin hat der EuGH zur analogen Regelung der „klassischen“ Vergaberichtlinie festgehalten (vgl. Rz 60), dass die RL „keine Bestimmung über die Zusammensetzung derartiger Bietergemeinschaften [enthält]. Die Regelung der Zusammensetzung fällt deshalb in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.“ Die Beschränkungsmöglichkeiten hinsichtlich der Arbeits- oder Bietergemeinschaften sollen dem Auftrageber die Möglichkeit geben, einen echten Wettbewerb bei der Vergabe der Leistung zu gewährleisten, der z.B. durch die Bildung bestimmter Bietergemeinschaften gefährdet werden könnte (vgl. dazu etwa BVA ……..). Durch diese Regelungen darf jedoch nicht die Teilnahme von KMU’s an Vergabeverfahren behindert werden. Aus diesem Grund muss die Beschränkung stets sachlich gerechtfertigt werden können (zu den dafür erforderlichen sachlichen Gründen vgl. schon die Ausführungen zu Satz 1). Diese Festlegungen sind der Nachprüfung zugänglich. Durch den fünften Satz in Abs. 2 wird – um der Judikatur des EuGH (vgl. etwa Rs C-129/04, Espace Trianon SA) nachzukommen und auch um bestehende Unklarheiten auszuräumen – ausdrücklich normiert, dass Arbeits- und Bietergemeinschaften als solche parteifähig sind. Diese Parteifähigkeit ist jedoch auf die gemäß dem BVergGVS gewährten Rechte eingeschränkt (arg. „parteifähig zur Geltendmachung der ihnen durch dieses Bundesgesetz eingeräumten Rechte“). Hat eine Arbeits- oder Bietergemeinschaft ein Angebot gelegt oder einen Teilnahmeantrag gestellt und ergibt sich in weiterer Folge die Notwendigkeit, einen Nachprüfungsantrag zu stellen, so ist nur die Arbeits- oder Bietergemeinschaft als solche zur Antragstellung berechtigt, nicht hingegen einzelne ihrer Mitglieder. Wem innerhalb einer Arbeits- oder Bietergemeinschaft die Handlungs- bzw. Vertretungsbefugnis zukommt, richtet sich nach den internen Regeln der Gemeinschaft (denkbar ist, dass alle Mitglieder nur gemeinsam auftreten können, denkbar ist aber auch, dass einzelne Mitglieder zur Setzung bestimmter Akte bevollmächtigt worden sind – auch in diesem Fall können die bevollmächtigten Mitglieder in einem allfälligen Nachprüfungsverfahren nicht in eigenem Namen auftreten, sondern nur im Namen der Arbeits- oder Bietergemeinschaft). Zur Parteifähigkeit von Bietergemeinschaften vgl. auch schon VwGH 30.6.2004, 2002/04/0011.

Zum Nachweis der Befugnis einer anbietenden Bietergemeinschaft vgl. die Sonderregelung des § 59 Abs. 6. Der Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit gemäß § 61 ist im Falle einer Arbeits- oder Bietergemeinschaft für alle dergestalt am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmer zu erbringen. Für in Arbeits- bzw. Bietergemeinschaften zusammengeschlossene Unternehmer ist die Eignung hinsichtlich des Gesamtauftrages erforderlich. Die vorgesehene Mitteilungspflicht in Abs. 2 vorletzter Satz hat den Sinn, dass der Auftraggeber rechtzeitig von der Verkleinerung des Bieterkreises informiert wird und erforderlichenfalls weitere Unternehmen zur Angebotsabgabe einladen kann. Die Verletzung der Mitteilungspflicht stellt weder einen Ausscheidungsgrund dar noch zieht sie sonstige Konsequenzen nach sich.

Abs. 3 setzt Art. 5 Abs. 1 1. UAbs. der RL 2009/81/EG um.

Durch Abs. 4 wird Art. 5 Abs. 1 2. UAbs. der RL 2009/81/EG umgesetzt. Auf Grund des Systems des Gesetzes (Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge werden insgesamt als „Aufträge“ bezeichnet) wird der Begriff „zusätzliche“ nicht übernommen. Dieser kann sich logischer Weise und auf Grund seiner systematischen Stellung in der RL nur auf Bau- und Lieferaufträge beziehen (bei Dienstleistungsaufträgen kann es keine „zusätzlichen“ Dienstleistungen geben). Der Entfall des Begriffes schadet jedoch nicht.

Abs. 5 regelt die „Vorarbeitenproblematik“ (vgl. dazu schon Erwägungsgrund 10 der RL 97/52/EWG und Erwägungsgrund 49 der RL 2009/81/EG: „Bevor ein Verfahren zur Vergabe eines Auftrags eingeleitet wird, können die Auftraggeber unter Rückgriff auf einen technischen Dialog eine Stellungnahme einholen bzw. entgegennehmen, die bei der Erstellung der Verdingungsunterlagen verwendet werden kann, vorausgesetzt, dass diese Stellungnahme den Wettbewerb nicht ausschaltet.“).

Angebote von Bietern, die gemäß § 18 Abs. 5 von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen sind, sind nach § 105 Abs. 1 Z 1 auszuscheiden. In der Regelung wird (wie auch in der analogen Vorschrift des BVergG 2006) explizit darauf abgestellt, ob durch die Beteiligung von an Vorarbeiten beteiligten Unternehmern der faire und lautere Wettbewerb ausgeschlossen wäre. Es handelt sich daher um eine Prognoseentscheidung des Auftraggebers im jeweiligen Einzelfall, die dieser auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Entscheidungsgrundlagen zu treffen hat. Es ist somit kein kategorischer Ausschluss von an Vorarbeiten beteiligten Unternehmern vorgesehen. Der EuGH hat in den Rs C-21/03 und C-34/03, Fabricom, ausgesprochen, dass einem Unternehmer, der mit Vorarbeiten betraut war, jedenfalls die Möglichkeit eingeräumt werden muss, darzulegen, dass nach den Umständen des Einzelfalles die von ihm erworbene Erfahrung den Wettbewerb nicht hat verfälschen können. Auch führt nicht jedwede Art der Beteiligung an Vorarbeiten zum Ausschluss gemäß dieser Bestimmung. Schutzobjekt ist der faire und lautere Wettbewerb. „Soweit“ dieser gefährdet sein könnte, ist der betreffende Unternehmer von der Teilnahme auszuschließen. Obwohl ein an Vorarbeiten beteiligter Unternehmer immer einen – wenn auch unter Umständen geringen – Vorteil genießt (zB längere Kenntnis bestimmter Informationen; Vertrautheit mit dem Auftragsgegenstand oder Teilen desselben; nähere Kenntnis der Organisationsstruktur und der Bedürfnisse des Auftraggebers), soll nicht absolut jeder Wissensvorsprung durch die Beteiligung an den Vorarbeiten die strenge Sanktion des § 18 Abs. 5 nach sich ziehen (arg. Wettbewerb muss „ausgeschlossen“ sein und nicht bloß „beeinträchtigt“). Marginale Wettbewerbsbeeinträchtigungen durch die Beteiligung an Vorarbeiten werden durch die Regelung toleriert. Es liegt am Auftraggeber, die durch die Vorarbeiten gewonnenen Erkenntnisse in nicht diskriminierender Weise den anderen Wirtschaftsteilnehmern zukommen zu lassen. Werden daher geeignete Maßnahmen getroffen, um die im Rahmen von Vorarbeiten gewonnenen Erkenntnisse publik zu machen und haben alle Teilnehmer den gleichen Informationsstand in Bezug auf das Vergabeverfahren, so kommt diese Bestimmung nicht zum Tragen. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis B 1560/00 vom 20. Juni 2001, VfSlg 16.211/2001, völlig zutreffend ausgeführt hat, ist eine Einzelfallbeurteilung in jedem Fall absolut notwendig. Es kann aus diesem Grundsatz gefolgert werden, dass dieser auch eine implizite Anweisung an den Auftraggeber enthält, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um derartige Wettbewerbsvorteile auszuschließen. Jener Auftraggeber, der die Teilnahme des Unternehmers, der an Vorarbeiten beteiligt war, am weiteren Verfahren gewährleisten will, ist daher gehalten, von sich aus alle Maßnahmen zu setzen, damit der betroffene Unternehmer keine uneinholbaren Wettbewerbsvorteile genießt. Vermag der Auftraggeber jedoch auch durch alle erdenklichen Vorkehrungen Wettbewerbsvorteile, die den Schutzzweck der Norm verletzen, nicht zu beheben, so ist der beteiligte Unternehmer von der Teilnahme am Wettbewerb um die Leistung auszuschließen.

Zu § 19 (Vorbehaltene Aufträge für geschützte Werkstätten oder integrative Betriebe):

Durch die Regelung des § 19 wird Art. 14 der RL 2009/81/EG umgesetzt. Zum Wortlaut der Bestimmung ist Folgendes festzuhalten: In der Richtliniebestimmung heißt es, dass Mitgliedstaaten „im Rahmen von Programmen für geschützte Beschäftigungsverhältnisse“ Regelungen über vorbehaltene Aufträge vorsehen können. Gemeint sind damit gesetzliche Rahmenbedingungen und nicht spezielle Programme von Auftraggebern bzw. spezielle Programme für Aufträge; diese Wortfolge wurde somit – da überflüssig – nicht in das Gesetz aufgenommen. Zur Wortfolge „unter normalen Bedingungen“ wird etwa auf § 11 BEinstG, BGBl. Nr. 22/1970 idgF, verwiesen, wo von einer „Beschäftigung begünstigter Behinderter, die wegen Art und Schwere der Behinderung noch nicht oder nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, bei denen aber eine wirtschaftlich verwertbare Mindestleistungsfähigkeit vorliegt“ gesprochen wird (vgl. ferner dazu etwa § 31 Abs. 2 NÖ Sozialhilfegesetz 2000, § 26 Burgenländisches Sozialhilfegesetz 2000).

Im Erwägungsgrund 35 der RL 2009/81/EG heißt es dazu: „Beruf und Beschäftigung sind Schlüsselelemente zur Gewährleistung gleicher Chancen für alle und tragen zur Eingliederung in die Gesellschaft bei. In diesem Zusammenhang tragen geschützte Werkstätten und geschützte Beschäftigungsprogramme wirksam zur Eingliederung oder Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt bei. Derartige Werkstätten sind jedoch möglicherweise nicht in der Lage, unter normalen Wettbewerbsbedingungen Aufträge zu erhalten. Es ist daher angemessen, vorzusehen, dass Mitgliedstaaten das Recht, an Verfahren zur Vergabe Aufträge teilzunehmen, derartigen Werkstätten, oder die Ausführung eines Auftrags geschützten Beschäftigungsprogrammen vorbehalten können.“

In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die Einbeziehung der integrativen Betriebe gemäß § 11 BEinstG in § 19 des BVergGVS nichts daran ändert, dass integrative Betriebe an regulären Vergabeverfahren gleichberechtigt teilzunehmen berechtigt sind. Hinsichtlich der Beteiligung von geschützten Werkstätten oder integrativen Betrieben an nicht für diese reservierten Vergabeverfahren wird daher auf § 11 Abs. 7 BEinstG verwiesen.

Zu § 20 (Allgemeine Bestimmungen betreffend die Vergabe von Leistungen und Teilleistungen):

Die Bestimmung entspricht § 22 BVergG 2006.

Es besteht weder der Grundsatz der ungeteilten Vergabe noch ein unbedingter gesetzlicher Vorbehalt zugunsten einer gewerksweisen Vergabe (arg. „kann“ im zweiten Satz des Abs. 1). Wie sich dem Erwägungsgrund 9 der RL 2004/18/EG entnehmen lässt, besteht auch auf Unionsebene kein Vorrang für die Gesamtvergabe oder die Teilvergabe: „Angesichts der für die öffentlichen Bauaufträge kennzeichnenden Vielfalt der Aufgaben sollte der öffentliche Auftraggeber sowohl die getrennte als auch die gemeinsame Vergabe von öffentlichen Aufträgen für die Ausführung und Planung der Bauvorhaben vorsehen können. Diese Richtlinie bezweckt nicht, eine gemeinsame oder eine getrennte Vergabe vorzuschreiben. Die Entscheidung über eine getrennte oder die gemeinsame Vergabe des öffentlichen Auftrags muss sich an qualitativen und wirtschaftlichen Kriterien orientieren, die in den einzelstaatlichen Vorschriften festgelegt werden können.“ Die RL 2009/81/EG enthält dazu keine entsprechenden Aussagen; aus dem Schweigen des Unionsgesetzgebers folgt, dass dieser der Frage neutral gegenübersteht und es Sache der Mitgliedstaaten ist, diesen Aspekt gegebenenfalls zu regeln.

Das Gesetz nennt als Beurteilungsmaßstab der Entscheidung für oder gegen eine Gesamt- oder Teilvergabe „wirtschaftliche oder technische Gesichtspunkte“. Dem Auftraggeber kommt bei der Beurteilung der Frage, ob eine Gesamt- oder Teilvergabe stattfinden soll daher ein gewisses Ermessen zu. Diese Ermessensentscheidung darf jedenfalls nicht willkürlich getroffen werden. In einer Gesamtbetrachtung hat der Auftraggeber zu entscheiden, welche Art der Vergabe für ihn vorteilhafter ist. Dabei wird etwa zu berücksichtigen sein, ob und in welchem Umfang durch eine Gesamtvergabe Kosten für umfangreiche Verwaltungs- und Koordinierungsleistungen tatsächlich vermieden werden können. Als wirtschaftlicher Grund ist zB anzusehen, wenn bei getrennter Vergabe höhere Kosten durch Bauzeitverzögerungen auftreten können, oder dass bei getrennter Vergabe die gesamte Koordination einschließlich der Risiken, die aus unterschiedlichen Schnittstellen der beteiligten Unternehmen entstehen, beim Auftraggeber verbleiben. In technischer und wirtschaftlicher Hinsicht können als Gründe für eine Gesamtvergabe die Erbringung einer einheitlichen, u.U. schwierigen Konstruktion aus (überwiegend oder ganz) einer Hand, verbunden mit einer einheitlichen Verantwortung und Haftung für Mängelansprüche, sprechen. Auch kann der Auftraggeber an einer ausdifferenzierten KMU Lieferkette interessiert sein und deswegen die getrennte Vergabe einer Gesamtvergabe vorziehen.

Hinsichtlich der Auftragsvergabe durch Bundesorgane wird zudem der Vorhabensbegriff des § 23 BHG 1986 bzw. des § 57 BHG 2013 zu berücksichtigen sein. Ein Auftrag kann daher zB dann gewerksweise vergeben werden, wenn er nach Art und Größe besonders umfangreich ist und trotz Teilung eine notwendige einheitliche Ausführung und eine eindeutige Gewährleistung sichergestellt sind. Bei Einhaltung des Ermessensspielraumes durch den Auftraggeber lässt sich daher weder ein Anspruch auf gewerksweise Vergabe noch auf Gesamtvergabe eines Auftrages ableiten. Dieser Ermessensspielraum des Auftraggebers könnte jedoch intern dahingehend determiniert werden, dass im Rahmen des dritten Satzes des Abs. 1 eine Präferenzierung der gewerksweisen Vergabe erfolgt.

Der Teilung der Ausschreibung werden nur dadurch Grenzen gesetzt, dass einerseits wirtschaftliche oder technische Gesichtspunkte wie die Notwendigkeit einer einheitlichen Ausführung der Leistung oder eine eindeutige Gewährleistung, die für eine Gesamtausschreibung sprechen, durch die Teilung nicht gefährdet werden dürfen und andererseits die Teilung nicht zu einer nicht mehr neutralen, bestimmten Bietern Wettbewerbsvorteile sichernden Leistungsbeschreibung führen darf (§ 82 Abs. 1 und 3).

Zu § 21 (Vertraulichkeit von Unterlagen, Verwertungsrechte):

Aus systematischen Erwägungen sollen die – die Vertraulichkeit und Verwertung von Ausarbeitungen betreffenden – Bestimmungen zusammengefasst werden.

Abs. 1 statuiert eine gegenseitige allgemeine Schutzpflicht betreffend vertrauliche Unterlagen hinsichtlich aller an Vergabeverfahren beteiligten Parteien. Auch in Vergabeverfahren involvierte Bewerber oder Bieter haben daher schutzwürdige Angaben des Auftraggebers zu wahren. Der durch Abs. 1 gewährleistete Schutz von Unterlagen erstreckt sich auch auf die Zeit nach Abschluss eines Vergabeverfahrens. Eine Berufung auf den vertraulichen Charakter scheidet jedoch gegenüber Kontrollinstanzen dann aus, wenn die Kontrollinstanz den Schutz der vertraulichen Unterlagen gewährleisten kann (vgl. dazu auch Rs C-450/06, Varec; vgl. ferner § 17 AVG; im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten kann nach den Bestimmungen der ZPO die Akteneinsicht hingegen nicht beschränkt werden).

Durch Abs. 2 wird Art. 6 der RL 2009/81/EG umgesetzt. „Anderes bestimmt“ ist etwa im Zusammenhang mit der Bekanntmachung vergebener Aufträge gemäß § 46 oder der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung nach § 107. Auch in diesen Bestimmungen ist allerdings vorgesehen, dass der Auftraggeber auf die Interessen beteiligter Dritter Rücksicht zu nehmen hat (siehe § 46 Abs. 2 sowie § 107 Abs. 1).

Die Geheimhaltungspflicht gemäß Abs. 3 wird auch in einem allfälligen Nachprüfungsverfahren zu beachten sein. Der Begriff „Ausarbeitungen“ umfasst nicht Standardprodukte (zB Standardsoftware). Durch die Zustimmungsverpflichtung soll ein Know-how-Abfluss ohne Entgelt verhindert werden. Es empfiehlt sich, dass Bewerber oder Bieter den Auftraggeber auf von diesem zu schützende Inhalte bei von den Bewerbern oder Bietern zur Verfügung gestellten Unterlagen ausdrücklich hinweisen. Gleiches gilt vice versa für die Auftraggeber.

Zu Abs. 4 und 5 ist darauf hinzuweisen, dass es insbes. bei zur Verfügung gestellten Proben und Mustern der Fall sein kann, dass eine Rückforderung derselben deswegen nicht stattfinden kann, weil (bestimmungsgemäß) übliche zerstörerische Verfahren (zum Test, Qualitätsvergleich oder –überprüfung usw.) durchgeführt werden (vgl. umgekehrt auch die Ausführungen zu § 111 Abs. 2).

Abs. 6 Satz 1 ermöglicht einem Auftraggeber, Unternehmern während eines Vergabeverfahrens Auflagen im Zusammenhang mit von ihm zur Verfügung gestellten vertraulichen Informationen zu machen. Diese „Auflagen“ können insbesondere die Art und Weise betreffen, wie mit diesen Informationen umzugehen ist (z.B. Art der Speicherung, Lagerung, Transport usw.). Diese „Auflagen“ sind vom Auftraggeber entsprechend rechtzeitig zu kommunizieren (insbes. in den Ausschreibungsunterlagen). Sie stellen Bedingungen für die Teilnahme dar, bei deren Nichterfüllung der betreffende Unternehmer vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden kann (vgl. § 57 Abs. 1 Z 5 und 6). Abs. 6 Satz 2 enthält umgekehrt die Möglichkeit von Unternehmern, mit dem Auftraggeber eine Vereinbarung zu treffen, wie mit von ihnen zur Verfügung gestellten vertraulichen Informationen umzugehen ist. Die Möglichkeit der Erteilung von Auflagen impliziert, dass der Auftraggeber die Einhaltung dieser Auflagen auch nachprüfen kann. Er kann sich daher gewisse diesbezügliche Rechte (z.B. der Nachschau, Betretungs- und Kontrollrechte) ausbedingen.

Zu § 22 (Verschlusssachen):

Diese Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 7 der RL 2009/81/EG. Sie ermöglicht einem Auftraggeber, Unternehmern Auflagen im Zusammenhang mit von ihm zur Verfügung gestellten Verschlusssachen zu machen. Diese „Auflagen“ können insbesondere die Art und Weise betreffen, wie mit diesen Informationen umzugehen ist (z.B. Art der Speicherung, Lagerung, Transport usw.; vgl. dazu etwa die Regelungen des InfoSig, der InfoSiV und der GehSO). Diese „Auflagen“ sind vom Auftraggeber entsprechend rechtzeitig zu kommunizieren (insbes. in den Ausschreibungsunterlagen). Sie stellen Bedingungen für die Teilnahme dar, bei deren Nichterfüllung der betreffende Unternehmer vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden kann (vgl. § 57 Abs. 1 Z 5 und 6). Diese Weitergabe dieser Auflagen an Subunternehmer ermöglicht Satz 2. Die Möglichkeit der Erteilung von Auflagen impliziert, dass der Auftraggeber die Einhaltung dieser Auflagen auch nachprüfen kann. Er kann sich daher gewisse diesbezügliche Rechte (z.B. der Nachschau, Betretungs- und Kontrollrechte) ausbedingen.

Zu § 23 (Arten der Verfahren zur Vergabe von Aufträgen):

Die Regelung entspricht im Wesentlichen § 25 BVergG 2006.

Im Zusammenhang mit den Vergabeverfahrensarten ist zu betonen, dass ein Auftraggeber, sofern er sich für die Durchführung eines bestimmten Verfahrenstypus entschieden hat, dieses Verfahren gemäß den für diese Verfahrensart geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen hat. Ein Verfahrenstypuswechsel während des Verfahrens ist unzulässig (vgl. EuGH Rs C-87/94).

Die für eine bestimmte Verfahrensart jeweils besonders zu beachtenden Bestimmungen lassen sich in drei Kategorien unterteilen: § 23 beinhaltet die jeweilige grundsätzliche Definition, in den §§ 24 bis 28 und 31 bis 33 finden sich die Voraussetzungen, unter denen auf einen bestimmten Verfahrenstypus zurückgegriffen werden kann, darüber hinaus gibt es in den §§ 86 bis 89 nähere Bestimmungen zum nicht offenen und zum Verhandlungsverfahren bzw. in den §§ 124 ff Bestimmungen über die besonderen Verfahrensarten.

Wie im System des BVergG 2006 handelt es sich bei einer elektronischen Auktion um keinen eigenen Verfahrenstyp, sondern nur um einen Teilabschnitt eines Vergabeverfahrens, nämlich um die Ermittlung des besten Angebotes, der im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren durchgeführt wird.

Die Definition der Rahmenvereinbarung knüpft an die Definition des Art. 1 Z 11 der RL 2009/81/EG an. Die Rahmenvereinbarung ist der Option sehr ähnlich. Dies wird insbesondere durch die Definition deutlich, die klarstellt, dass der oder die Auftraggeber keine Abnahmeverpflichtung durch den Abschluss der Rahmenvereinbarung eingehen. Der Grund liegt darin, dass Auftraggeber nicht durch eine Abnahmeverpflichtung an die Unternehmer gebunden sein sollen, wenn die Unternehmer unter Umständen ein (nicht nachweisbares aber doch vermutbares) Kartell schließen oder (ebenfalls nicht nachweisbare) Preisabsprachen treffen. Ferner kann keinem Unternehmer, der Partei einer Rahmenvereinbarung ist, ein Anspruch auf einen bestimmten Teil des Gesamtauftrages eingeräumt werden, da bei Rahmenvereinbarungen mit mehreren Parteien insbesondere unklar ist, welcher Unternehmer nach Durchführung einer zweiten Wettbewerbsrunde den Zuschlag erhalten wird. Auf der anderen Seite ist ein Auftraggeber nicht daran interessiert, eine Rahmenvereinbarung, zu deren Abschluss er erhebliche Aufwendungen getätigt hat und die ihm große Vorteile (Zeitgewinn, geringe Verfahrenskosten während der Laufzeit) bietet, einfach aufzukündigen. Der Auftraggeber hat vielmehr ein vitales Interesse daran, dass eine ungestörte Wettbewerbssituation für die Laufzeit der Rahmenvereinbarung bestehen bleibt. Festzuhalten ist ferner, dass der Auftraggeber nicht eine einzige, sondern eine (im Sinne von inhaltlich idente) Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen abschließt, da die Parteien der Rahmenvereinbarung untereinander unbekannt bleiben müssen. Da aufgrund der unionsrechtlichen Grundlagen der Abschluss einer Rahmenvereinbarung – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – auch in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zulässig ist, ist nicht mehr von einer zwingenden Bekanntmachung auszugehen.

Die Definition des wettbewerblichen Dialogs orientiert sich an Art. 1 Z 21 der RL 2009/81/EG. Der wettbewerbliche Dialog ist dadurch gekennzeichnet, dass der Auftraggeber zu Beginn des Verfahrens nur Vorstellungen über seine Bedürfnisse hat, nicht aber konkrete Vorstellungen über die zur Erfüllung dieser Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel oder Lösung(en). Daher soll in einer ersten Dialogphase ermittelt werden, welche Lösung oder gegebenenfalls welche Lösungen zur Erreichung der Ziele des Auftraggebers am besten geeignet ist bzw. sind und erst in einer zweiten Phase soll der oder die verbleibende(n) Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.

Auch wenn die die Direktvergabe betreffenden Bestimmungen in § 32 konzentriert werden, soll aus Transparenzgründen die Definition der Direktvergabe in § 23 Abs. 7 erfolgen. Bei der Direktvergabe hat der Auftraggeber die freie Wahl, ob er zuerst, d.h. vor Durchführung des formfreien Verfahrens zum Bezug der Leistung, unverbindliche Preisauskünfte, mehrere Angebote oder nur ein Angebot einholen möchte (vgl. dazu auch den Wortlaut „gegebenenfalls“). Damit wird der Forderung der Praxis Rechnung getragen, auch bei kleinen Aufträgen Vergleichsangebote einholen zu können, ohne damit sofort ein förmliches Vergabeverfahren durchführen zu müssen. Das Wesen der Direktvergabe als formloses Vergabeverfahren wird dadurch nicht verändert. Es bleibt Auftraggebern aber unbenommen, intern entsprechende (abweichende) Festlegungen zu treffen (insbesondere ab welchen Werten mehrere bzw. eine bestimmte Mindestanzahl von Angeboten/Preisauskünften einzuholen sind). Die Direktvergabe ist dadurch gekennzeichnet, dass nach diesen ersten Schritt (Preisauskünfte/Angebot(e)) die Leistung formfrei von einem (einzigen) ausgewählten Unternehmer bezogen wird. Wie die Auswahl des Unternehmers (unmittelbar oder gegebenenfalls nach Durchführung des oben beschriebenen ersten Schrittes) erfolgt, determiniert das Gesetz nicht. Sollten an diesem Prozess mehr als ein Unternehmen beteiligt sein (z.B. Angebote werden parallel „verhandelt“), dann handelt es sich nicht mehr um eine Direktvergabe. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu § 32 verwiesen.

§ 23 Abs. 8 definiert die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung. Es handelt sich dabei um ein eigenes, von der „klassischen“ Direktvergabe gemäß Abs. 7 verschiedenes Verfahren. Wie auch aus dem Titel („Direktvergabe“) erkennbar ist, handelt es sich um ein formloses Verfahren, das heißt es wird eine Leistung formfrei von einem ausgewählten Unternehmer gegen Entgelt bezogen.

Die Formulierung „nach Einholung von einem oder mehreren Angeboten“ stellt klar, dass es im Ermessen des Auftraggebers liegt, wie viele Angebote er einholen möchte. Er kann – ohne weitere Begründung – auch nur ein Angebot einholen (etwa nach einer Bewerberauswahl ausschließlich nach Referenzen). Es bleibt dem Auftraggeber freilich unbenommen, intern einen bestimmten Auftragswert festzulegen, ab dem eine bestimmte Anzahl von Angeboten jedenfalls eingeholt werden muss. Im Übrigen wird auf die Erläuterungen zu § 33 verwiesen.

Zu § 24 (Wahl des nicht offenen Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung und des Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung):

§ 24 setzt das Prinzip der freien Wahl zwischen nicht offenem Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung und Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung um (vgl. dazu Art. 25 2. UA der RL 2009/81/EG).

Zu § 25 (Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung):

§ 25 setzt Art. 25 4. UA und Art. 28 der RL 2009/81/EG um.

§ 25 enthält jene Umstände unter denen ausnahmsweise das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung in Anspruch genommen werden darf. Als Ausnahmebestimmung von der Regel des § 24 ist § 25 restriktiv auszulegen (zur Auslegung von Ausnahmebestimmungen allgemein und zur damit verbundenen Beweislast vgl. die Erläuterungen zu § 9; vgl. dazu auch Erwägungsgrund 50). Auf die entsprechende ständige Judikatur des EuGH ist zu verweisen (vgl. etwa Rs C-71/92, Kommission gegen Spanien, Rs C-57/94, Kommission gegen Italien, Rs C-20/01 und C-28/01, Kommission gegen Deutschland, Rs C-385/02, Kommission gegen Italien, Rs C-157/06, Kommission gegen Italien, Rs C-328/92, Kommission gegen Spanien, Rs C-275/08, Kommission gegen Deutschland). Die Verhandlungsverfahrenstatbestände ohne vorherige Bekanntmachung sind taxativ in der RL und im Gesetz festgelegt, die Mitgliedstaaten können daher weder neuen Verhandlungsverfahrenstatbestände schaffen noch die ausdrücklich vorgesehenen Tatbestände um neue Bestimmungen ergänzen (so etwa EuGH Rs C-84/03, Kommission gegen Spanien).

Zu Z 2: Als „kein ordnungsgemäßes Angebot“ bzw. ein „unannehmbares Angebot“ gemäß Z 2 ist insbesondere ein Angebot zu qualifizieren, das nach den Vorschriften des BVergG (zB betreffend die Teilnahme, Eignungskriterien) auszuscheiden ist (den Ausschreibungsbestimmungen widersprechend) oder zwar alle Ausschreibungskriterien erfüllt aber verspätet eingereicht wurde oder unwirtschaftlich (zu teuer) ist.

Als „ungeeignete“ Angebote qualifizierte der Gerichtshof folgende Angebote: Technische Anforderungen, die sich aus nationalen und unionsrechtlichen Umweltschutzbestimmungen ergeben, sind als unerlässliche Elemente zu betrachten, ohne die etwa Anlagen, deren Versorgung und Inbetriebnahme Gegenstand eines Auftrages sind, es dem Auftraggeber nicht ermöglichen, die ihm durch Gesetz oder Verordnung auferlegten Ziele zu erreichen. Entsprechen vorgelegte Angebote solchen Anforderungen nicht, ist der Auftraggeber daran gehindert, das Vorhaben, dessentwegen die Ausschreibung in die Wege geleitet wurde, tatsächlich zu verwirklichen. Deshalb stellt dieser Umstand nicht nur eine bloße Ungenauigkeit oder ein bloßes Detail dar, sondern führt vielmehr dazu, dass die betreffenden Angebote die Bedürfnisse des Auftraggebers nicht erfüllen können (EuGH Rs C-250/07, Kommission/Griechenland).

Als grundlegende Änderungen im Sinne der Z 2 lit. a gelten die Änderung von Bedingungen wie Finanzierungsmodalitäten, technische Bestimmungen usw. Eine Veränderung der Bedingung dahingehend, dass der Preis um nicht mehr als 10% gegenüber dem ersten Verfahren erhöht werden darf, ist nach Ansicht des EuGH bereits eine „grundlegende“ Änderung der Bedingungen (vgl. Rs C-84/03). Grundsätzlich hat der EuGH eine Verbindung zwischen der in lit. a verwendeten Terminologie („grundlegende Änderung“) und seiner Rechtsprechungslinie zu wesentlichen Änderungen von Verträgen hergestellt. Danach ist eine Änderung einer ursprünglichen Bedingung eines Auftrags insbesondere dann als wesentlich anzusehen, wenn aufgrund der geänderten Bedingung, so sie denn Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wäre, die im Rahmen des Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung eingereichten Angebote als geeignet hätten betrachtet werden können oder andere Bieter als die, die an dem ursprünglichen Verfahren teilgenommen hatten, Angebote hätten einreichen können (vgl. Rs C-250/07, Kommission gegen Griechenland).

Hinzuweisen ist darauf, dass lit. b kumulativ verlangt, dass der Auftraggeber alle (aber auch nur die) Unternehmer einbezieht, die im Verlauf des vorangegangenen (nicht erfolgreichen und daher widerrufenen) Vergabeverfahrens nicht ausgeschlossen wurden oder deren Angebote nicht ausgeschieden wurden (Angebote die auszuscheiden waren aber nicht ausgeschieden wurden dürfen im neuen Verfahren ebenfalls nicht einbezogen werden). Die zuletzt genannten Angeboten müssen darüber hinaus den Anforderungen für Angebote gemäß den §§ 90 bis 94 und 96 bis 98 entsprochen haben.

Zu Z 3: Zum Begriff „Krise“ vgl. § 3 Z 21 und die diesbezüglichen Erläuterungen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Bestimmung des § 70 Abs. 2 Z 4.

Erwägungsgrund 54 führt zu diesem Tatbestand folgendes aus: „So kann es sein, dass die Streitkräfte der Mitgliedstaaten bei einer Krise im Ausland, beispielsweise im Rahmen von friedenssichernden Maßnahmen, eingreifen müssen. Zu Beginn oder im Laufe einer solchen Intervention kann die Sicherheit der Mitgliedstaaten und die ihrer Streitkräfte eine so rasche Vergabe bestimmter Aufträge erfordern, dass die bei den Vergabeverfahren gemäß dieser Richtlinie normalerweise geltenden Fristen nicht eingehalten werden können. Ein solcher Notfall könnte auch bei nicht-militärischen Sicherheitskräften eintreten, beispielsweise bei terroristischen Angriffen auf dem Gebiet der Europäischen Union.“

Zu Z 4: Im Falle der Z 4 handelt es sich um drei kumulative Voraussetzungen (vgl. dazu etwa Rs C-107/92, Kommission gegen Italien, Rs C-318/94, Kommission gegen Deutschland, Rs C-126/03, Kommission gegen Deutschland, Rs C-275/08, Kommission gegen Deutschland): es muss ein unvorhersehbares Ereignis vorliegen, es müssen dringliche und zwingende Gründe gegeben sein, die die Einhaltung der Fristen für die Regelverfahren nicht zulassen, und es muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem unvorhersehbaren Ereignis und den sich daraus ergebenden dringlichen zwingenden Gründen bestehen. Die Umstände zur Begründung der zwingenden Dringlichkeit dürfen auf keinen Fall dem Auftraggeber zugeschrieben werden können. Unvorhersehbare Ereignisse im Sinne dieser Bestimmungen sind solche Ereignisse, die den Rahmen des regulären wirtschaftlichen und sozialen Lebens sprengen (zB Naturkatastrophen, die dringende Lieferungen für Hilfsleistungen und zum Schutz der Opfer erfordern, außergewöhnliche Umstände außerhalb von den in Z 3 erwähnten Krisensituationen). Dass eine Behörde, deren Genehmigung für ein Vorhaben erforderlich ist, Fristen u. a. vorschreiben kann, ist ein vorhersehbarer Umstand des Verfahrens zur Genehmigung dieses Vorhabens (vgl. C-318/94, C-394/02). Die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung ist nur dann zulässig, wenn zB die Arten und Mengen von Waren beschafft werden sollen, die angesichts der Notsituation unmittelbar erforderlich sind. Für Waren, Bauarbeiten und Dienstleistungen, die nach diesem Zeitpunkt benötigt werden, hat der Auftraggeber den Auftrag nach den entsprechenden Vorschriften auszuschreiben. Der Tatbestand ist nicht anwendbar, wenn die Auftraggeber über ausreichende Zeit verfügen, um ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen (vgl. Rs C-24/91, C-107/92, C-126/03) bzw. wenn der Auftraggeber nach Auftreten der zwingenden Gründe ungebührlich lange zuwartet und damit die „Dringlichkeit“ implizit selbst widerlegt (vgl. Rs C-275/08, Kommission gegen Deutschland).

Zu Z 5: Für die Anwendung der Z 5 müssen zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein: zum einen müssen die Leistungen, die Gegenstand des Auftrages sind, eine technische Besonderheit aufweisen, und zum anderen muss es auf Grund dieser technischen Besonderheit unbedingt erforderlich sein, den Auftrag an ein bestimmtes Unternehmen zu vergeben, d. h. nur dieses Unternehmen ist in der Lage diese Leistungen zu erbringen (vgl. Rs C-57/94, C-385/02, C-394/02). Die bloße Behauptung, dass eine Gesamtheit von Arbeiten komplex und schwierig sei, genügt nicht für die Inanspruchnahme dieser Ausnahme (vgl. Rs C-385/02). Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass Unternehmen, die zur Erbringung der Leistung in der Lage gewesen wären, hätten ermittelt werden können, wenn ernsthafte Nachforschungen auf europäischer Ebene angestellt worden wären (so EuGH Rs C-275/08, Kommission gegen Deutschland). Notfalls muss der Auftraggeber durch ein technisches Gutachten darlegen können, dass die sich aus den behaupteten technischen Interferenzen ergebenden Schwierigkeiten nicht hätten überwunden werden können, wenn die streitigen Arbeiten an ein anderes Unternehmen als dasjenige vergeben worden wären, das beauftragt werden soll, so dass die Ausführung der Arbeiten nur diesem letztgenannten Unternehmen übertragen werden kann (in diesem Sinne Rs C-57/94, Kommission gegen Italien). Erwägungsgrund 52 führt dazu aus: „Technische Gründe, die dafür ausschlaggebend sind, dass nur ein einziger Wirtschaftsteilnehmer den Auftrag ausführen kann, sollten jedoch genau definiert und im Einzelfall nachgewiesen werden. Hierzu zählen beispielsweise der Umstand, dass es einem anderen Bewerber als dem ausgewählten Wirtschaftsteilnehmer eindeutig technisch unmöglich ist, die geforderten Ziele zu erreichen, oder die Notwendigkeit, spezielles Know-how, Spezialwerkzeug oder spezielle Instrumente einzusetzen, die nur einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer zur Verfügung stehen. Dies kann beispielsweise bei der Änderung oder Nachrüstung einer besonders komplexen Ausrüstung der Fall sein. Technische Gründe können auch bei speziellen Anforderungen an die Interoperabilität oder speziellen Sicherheitsanforderungen vorliegen, die zur Gewährleistung des Funktionierens der Streitkräfte oder der Sicherheitskräfte erfüllt sein müssen.“

Unter den Tatbestand „Schutz eines Ausschließlichkeitsrechtes“ sind auch jene Fälle zu subsumieren, in denen ein bestimmter Unternehmer das ausschließliche Verfügungs- oder Nutzungsrecht besitzt. In der Rs C-328/92 hat der EuGH betont, dass es nicht genügt, dass die in Rede stehenden Produkte (Arzneimittel und Arzneispezialitäten) durch Ausschließlichkeitsrechte geschützt sind. Es ist auch erforderlich, dass sie nur von einem bestimmten Unternehmer hergestellt oder geliefert werden können. Diese Voraussetzungen liegen nach dem EuGH nur bei denjenigen Arzneimitteln und Arzneispezialitäten vor, für die es auf dem Markt keinen Wettbewerb gibt. Diese Ausnahmebestimmung kann auch nicht in Anspruch genommen werden, wenn Dritte über Lizenzen zur Nutzung dieses ausschließlichen Rechts verfügen oder in angemessener Weise erlangen können.

Zu Z 6 und 7: Jene F&E – Dienstleistungen, die nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen sind (vgl. dazu § 9 Z 15 und die diesbezüglichen Erläuterungen), können gemäß Z 6 im Verhandlungsverfahren vergeben werden. Dies betrifft die „Auftragsforschung“ zur Aufgabenerfüllung der Auftraggeber. Zum Begriff F&E ist auf § 3 Z 18 und die entsprechenden Ausführungen zu verweisen.

Nach Z 7 können F&E – Lieferaufträge ebenfalls im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden. Dieser Auftrag darf jedoch nicht zum Nachweis der Marktfähigkeit des entwickelten Produktes oder zur Deckung der F&E - Aufwendungen erteilt werden.

Erwägungsgrund 55 führt zu Z 6 und 7 folgendes aus: „Die Förderung von Forschung und Entwicklung ist zur Stärkung der europäischen rüstungstechnologischen und -industriellen Basis von zentraler Bedeutung, und die Öffnung des Auftragswesens trägt zur Erreichung dieses Ziels bei. Die Bedeutung von Forschung und Entwicklung in diesem speziellen Bereich rechtfertigt ein Maximum an Flexibilität bei der Auftragsvergabe für Forschungslieferungen und -dienstleistungen. Gleichzeitig sollte diese Flexibilität jedoch nicht den lauteren Wettbewerb in den späteren Phasen des Lebenszyklus eines Produkts ausschalten. Forschungs- und Entwicklungsaufträge sollten daher nur Tätigkeiten bis zu der Stufe umfassen, auf der die Ausgereiftheit neuer Technologien in angemessener Weise beurteilt und deren Risikolosigkeit festgestellt werden kann. Forschungs- und Entwicklungsaufträge sollten nach dieser Stufe nicht dazu eingesetzt werden, die Bestimmungen dieser Richtlinie zu umgehen, indem u. a. die Auswahl des Bieters für die späteren Phasen vorherbestimmt wird.

Andererseits sollte der Auftraggeber nicht verpflichtet sein, die späteren Phasen getrennt auszuschreiben, wenn der Auftrag für die Forschungstätigkeiten bereits eine Option für diese Phasen einschließt und im Wege eines nichtoffenen Verfahrens oder eines Verhandlungsverfahrens mit Veröffentlichung einer Bekanntmachung oder gegebenenfalls eines wettbewerblichen Dialogs vergeben wurde.“

Zu Z 8: Dieser Tatbestand erfasst die Situation, in der die Durchführung eines erneuten Vergabeverfahrens die Gefahr mit sich brächte, dass der Lieferantenwechsel zu Inkompatibilitäten des eingesetzten Materials führen könnte oder dass das unterschiedliche Material zu unverhältnismäßigen (d.h. nicht zu vernachlässigenden) technischen Schwierigkeiten bei Gebrauch und Wartung führen würde (so auch EuGH Rs C-337/05, Kommission gegen Italien). Nicht relevant sind gemäß dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut erhebliche Kosten, zu denen der Lieferantenwechsel führen würde. Ausweislich des Wortlautes muss es sich um „marktübliche“ Waren (Militärausrüstung) oder Einrichtungen („normal supplies or installations“ oder „off-the-shelf supplies“) handeln. Grundsätzlich ist die Anwendung auf die Dauer von fünf Jahren beschränkt, wobei (besonders zu rechtfertigende) Ausnahmefälle auch einen längeren Zeitraum rechtfertigen können.

Erwägungsgrund 51 hält dazu fest: „In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Verteidigungs- und Sicherheitsgüter in vielen Fällen technisch komplex sind. Diese Komplexität und die damit verbundenen Anforderungen an Interoperabilität und Standardisierung sollten etwa bei der Beurteilung der Frage zugrunde gelegt werden, ob bei Aufträgen über zusätzliche Lieferungen das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung zulässig ist, um Inkompatibilitäten oder unverhältnismäßigen technischen Schwierigkeiten bei Nutzung und Wartung zu vermeiden. Dies ist beispielsweise bei der Integration neuer Bauteile in bestehende Systeme oder bei der Modernisierung solcher Systeme der Fall.“

Zu Z 9: Die deutsche Sprachfassung der Richtlinie 2009/81/EG verwendet (ebenso wie schon die RL 2004/18/EG) im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens ohne Veröffentlichung einer Bekanntmachung in Art. 28 Z 3 lit. b die Wortfolge „bei auf einer Warenbörse notierten und gekauften Waren“. Demgegenüber nimmt etwa der entsprechende Ausnahmetatbestand im Sektorenbereich gemäß Art. 40 Abs. 3 lit. h der RL 2004/17/EG auf Waren Bezug, die an „Rohstoffbörsen “ notiert und gekauft werden. Diese unterschiedliche Terminologie ist vor dem Hintergrund anderer Sprachfassungen (vgl. dazu die englische, italienische und französische Sprachfassung) nicht verständlich, da in den genannten Richtlinien gleichlautend von „commodity market“, „borsa di materie prime“ bzw. „bourse de matières premières“ die Rede ist. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die einschlägige Vorgängerbestimmung des Art. 20 Abs. 2 lit. h der RL 93/38/EWG (die laut Korrespondenztabelle des Anhangs XXVI der RL 2004/17/EG unverändert in Art. 40 Abs. 3 lit. h der zitierten Richtlinie übernommen wurde) auf die Lieferung von Waren Bezug nahm, die „an Börsen notiert und gekauft werden“ (ebenso im Übrigen der Wortlaut von Art. 15 Abs. 2 lit. h der RL 90/531/EWG). Vor diesem Hintergrund wird – nicht zuletzt deswegen, weil die Begriffe „commodity market“, „Warenbörse“ und „Rohstoffbörse“ zwar ähnliche nicht jedoch idente Begriffsinhalte aufweisen und laut Auskunft der Kommission der Begriff „commodity market“ als inhaltlicher Leitbegriff für den fraglichen Ausnahmetatbestand diente – der Tatbestand mit jener Wortfolge umschrieben, wie dies bereits im BVergG 2006 und in der deutschen Fassung der Richtlinien 90/531/EWG und 93/38/EWG erfolgte. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass von diesem Ausnahmetatbestand nur jene Wareneinkäufe erfasst werden, die unmittelbar auf (an) diesen Märkten getätigt werden (vgl. dazu auch schon den Vorschlag der Kommission für eine Sektorenrichtlinie, KOM(88) 377). Als Waren, die an Börsen notiert und gehandelt werden, können beispielhaft angeführt werden: Strom (Nordic Nordpool), Metalle (Kupfer, Aluminium, Zinn, Zink, Blei usw.; vgl. dazu London Metal Exchange, New York, Rotterdam), Gas, Öl (light, sweet crude, brent crude), Kohle, Gold, Platin, Silber, Palladium und Ethanol (New York, Chicago Board of Trade).

Zu Z 10: In Abweichung vom Wortlaut der RL verwendet Z 10 nicht den Plural sondern stellt klar, dass dieser Tatbestand die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens auch mit nur einem Unternehmer zulässt (inhaltlich ergibt sich dadurch jedoch kein Unterschied zur RL). Z 10 regelt den Fall des Kaufes von Waren zu einem besonders günstigen Preis aufgrund außerordentlicher Umstände („bargain purchase“, „Sonderangebot“, „Schnäppchen“, „Mezie“). Aufgrund der Formulierung der Tatbestandsvoraussetzungen („besonders günstige Bedingungen“, „Unternehmer, die ihre Geschäftstätigkeit endgültig einstellen“) ist evident, dass ein wirtschaftlicher Parallelwettbewerb (über die idente Leistung) unter diesen Voraussetzungen regelmäßig nicht stattfinden kann und deshalb der Leistungsbezug von einem einzigen Unternehmer in einem Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung zulässig sein soll. Sollte dennoch ausnahmsweise der Fall eintreten, dass mehrere Unternehmer ihre Geschäftstätigkeit einstellen und dieselbe Leistung zu besonders günstigen Bedingungen (d.h. insbes. erheblich unter den üblichen Marktpreisen oder zu besonders günstigen anderen Marktkonditionen) anbieten, dann steht der Wortlaut der Z 10 einer Anwendung in dieser Situation auch nicht entgegen.

Zu Z 11: Dieser Tatbestand erfasst Zusatzaufträge, die im „Erstauftrag“ nicht vorgesehen waren aber aus unvorhergesehenen (bzw. unvorhersehbaren; zur Auslegung dieses Begriffes vgl. schon oben Z 4) Ereignisses zur Ausführung der ursprünglichen (bereits beauftragten) Leistungen erforderlich sind. Auf die Wertgrenze (50% des Auftragswertes des Erstauftrages) ist besonders hinzuweisen.

Zu Z 12: Z 12 lässt bei neuen Bau- oder Dienstleistungen, die in der Wiederholung gleichartiger Bau- oder Dienstleistungen bestehen, die an den Unternehmer vergeben werden, der den ersten Auftrag erhalten hat, die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung zu. Lit. d bestimmt, dass diese Vergabe nur binnen fünf Jahren nach Abschluss des ursprünglichen Vertrages (somit fünf Jahre nach Zuschlagserteilung) angewandt werden darf (vgl. dazu auch schon EuGH Rs C-385/02, Kommission gegen Italien).

Zu Z 13: Gegenstand dieses Tatbestandes sind insbesondere Fracht- und Personenbeförderungsdienstleistungen (Material- und Truppentransport) für Auslandseinsätze. „Ausland“ im Sinne dieser Bestimmung sind Drittstaaten (vgl. dazu schon § 9 Z 8).

Zu § 26 (Arten der elektronischen Auktion und Wahl der Auftragsvergabe im Wege einer elektronischen Auktion):

Abs. 1 setzt Art. 1 Z 12 1. UA der RL 2009/81/EG um. Die elektronische Auktion ist nach dem System der RL und des BVergGVS kein eigenständiges Vergabeverfahren, sondern lediglich ein Verfahren zur Ermittlung des Angebots, das den Zuschlag erhalten soll. Eine elektronische Auktion kann daher nur in Verbindung mit einem anderen in diesem Gesetz vorgesehenen Verfahren durchgeführt werden, konkret zulässig ist dies bei einem nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung, einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung oder bei der Vergabe von Aufträgen auf Grund einer Rahmenvereinbarung (die Beschränkung auf die genannten Verfahren ergibt sich aus der diesbezüglichen Vorgabe in Art. 48 Abs. 2 der RL 2009/81/EG). Die Durchführung von elektronischen Auktionen ist im Ober- und Unterschwellenbereich zulässig.

Es kann wahlweise (zur Wahlfreiheit des Auftraggebers vgl. Abs. 5) eine einfache elektronische Auktion (bei einer Vergabe nach dem Billigstangebotsprinzip) oder eine sonstige elektronische Auktion (bei einer Vergabe nach dem Bestangebotsprinzip) zur Anwendung kommen. Bei einer „einfachen“ elektronischen Auktion ist somit der Preis das einzige Auktionselement, bei einer „sonstigen“ elektronischen Auktion können neben dem Preis auch andere Elemente der Auktion unterzogen werden, wobei diese anderen Elemente so quantifizierbar sein müssen, dass sie zahlenmäßig oder prozentuell darstellbar sind, da ansonsten eine automatische Klassifikation der Angebote nicht möglich ist. Zu betonen ist, dass elektronische Auktionen grundsätzlich nicht auf (hoch standardisierte) Lieferungen oder Dienstleistungen beschränkt sind, da auch der Richtlinie eine derartige Beschränkung fremd ist. Allerdings ist weiters zwingend vorgegeben, dass eine Auktion nur über standardisierte Leistungen durchgeführt werden kann. „Standardisierte Leistungen“ sind einheitliche Leistungen, bei denen der Auftragsgegenstand so exakt festgelegt wird, dass die angebotenen Leistungen im Wesentlichen idente Charakteristika aufweisen. Als Beispiel für solcherart beschreibbare Produktgruppen kann insbesondere marktübliche Militärausrüstung (wie Pistolen oder Munition) genannt werden. Gerade aus der Tatsache, dass bei Auktionen eine automatische Bewertung der Angebote während der Auktion stattfinden können muss (andernfalls die Leistung nicht auktionierbar ist), folgt, dass im Regelfall Dienstleistungen und Bauleistungen nicht Gegenstand einer Auktion sein können. Gerade bei diesen Leistungstypen ist es regelmäßig nicht so, dass die Voraussetzungen für eine Auktion vorliegen (vollständige und exakte Beschreibung der Leistung, die eine automatisierte Bewertung bei Veränderung einzelner Angebotselemente ermöglicht). In Abs. 2 letzter Satz werden daher, der Definition des Art. 1 Z 12 der RL 2009/81/EG entsprechend, bestimmte Bau- und Dienstleistungsaufträge (bei denen eine geistige Leistung zu erbringen ist – wie zB die Konzeption von Bauarbeiten) erwähnt, die nicht einer elektronischen Auktion unterzogen werden können.

Erwägungsgrund 22 der RL 2009/81/EG führt dazu aus: „Elektronische Auktionen stellen eine Technik dar, die sich noch stärker verbreiten wird; deshalb sollten diese Auktionen im Unionsrecht definiert und speziellen Vorschriften unterworfen werden, um sicherzustellen, dass sie unter uneingeschränkter Wahrung dieser Grundsätze [der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz] ablaufen. Dazu ist vorzusehen, dass diese elektronischen Auktionen nur Aufträge für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen betreffen, für die präzise Spezifikationen erstellt werden können. Dies kann insbesondere bei wiederkehrenden Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen der Fall sein. Zu demselben Zweck muss es auch möglich sein, die jeweilige Rangfolge der Bieter zu jedem Zeitpunkt der elektronischen Auktion festzustellen. Der Rückgriff auf elektronische Auktionen bietet den Auftraggebern die Möglichkeit, die Bieter zur Vorlage neuer, nach unten korrigierter Preise aufzufordern, und – sofern das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag erhalten soll – auch andere als die preisbezogenen Angebotskomponenten zu verbessern. Zur Wahrung des Grundsatzes der Transparenz dürfen allein diejenigen Komponenten Gegenstand elektronischer Auktionen sein, die auf elektronischem Wege – ohne Eingreifen und/oder Beurteilung seitens des Auftraggebers – automatisch bewertet werden können, d.h. nur die Komponenten, die quantifizierbar sind, so dass sie in Ziffern oder in Prozentzahlen ausgedrückt werden können. Hingegen sollten diejenigen Aspekte der Angebote, bei denen nichtquantifizierbare Komponenten zu beurteilen sind, nicht Gegenstand von elektronischen Auktionen sein. Folglich sollten bestimmte Bau- und Dienstleistungsaufträge, bei denen eine geistige Leistung zu erbringen ist, wie z. B. die Konzeption von Bauleistungen, nicht Gegenstand von elektronischen Auktionen sein.“

Zu § 27 (Abschluss von Rahmenvereinbarungen und Vergabe von Aufträgen auf Grund einer Rahmenvereinbarung):

Entsprechend der Regelung in Art. 29 Abs. 2 der RL 2009/81/EG setzt der Abschluss einer Rahmenvereinbarung voraus, dass der Auftraggeber ein nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung oder – bei Vorliegen der Voraussetzungen – ein Verhandlungsverfahren mit oder ohne vorherige(r) Bekanntmachung durchgeführt hat. Im Zusammenhang mit der Möglichkeit, ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung einzusetzen, ergeben sich aus den Anwendungsvoraussetzungen dieses Verfahrenstypus bereits gewisse Einschränkungen: so steht etwa der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit dem Erfordernis der Dringlichkeit (vgl. Z 3, 4 und 13) nicht im Einklang. Im Falle des § 25 Z 5 ist eine Rahmenvereinbarung jedoch durchaus denkbar. Da der Abschluss einer Rahmenvereinbarung noch nicht zu einem Vertragsverhältnis führt, sind die jeweiligen Bestimmungen über den Zuschlag für den Abschluss der Rahmenvereinbarung nicht maßgeblich. Rahmenvereinbarungen können im Ober- und im Unterschwellenbereich verwendet werden. Zu den näheren Bestimmungen über das Verfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung und die Vergabe eines Auftrages auf Grund einer Rahmenvereinbarung vgl. die §§ 128 bis 130.

Zu § 28 (Wahl des wettbewerblichen Dialoges):

§ 28 dient der Umsetzung von Art. 1 Z 21 der RL 2009/81/EG. Die RL enthält darüber hinaus in Art. 27 Regelungen über den wettbewerblichen Dialog (vgl. dazu die §§ 131ff des Gesetzes). Die RL 2009/81/EG knüpft die Zulässigkeit der Wahl des wettbewerblichen Dialogs an zwei Voraussetzungen: Es handelt sich um einen besonders komplexen Auftrag und es ist – nach Ansicht des Auftraggebers – nicht möglich, den Auftrag im Wege eines nicht offenen Verfahrens oder im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zu vergeben. Die „besondere Komplexität“ ist in Art. 1 Z 21 erster UA der RL 2009/81/EG normiert.

Bei einer Zusammenschau dieser Bestimmung erfordert die Anwendung des wettbewerblichen Dialogs demnach sowohl das Vorliegen objektiver („objektiv nicht in der Lage“) wie auch subjektiver („nach Ansicht des Auftraggebers“) Elemente. Es ist daher zum einen auf die konkreten Fähigkeiten und Kapazitäten des Auftraggebers abzustellen; dabei kann maßgeblich sein, über welche einschlägige Erfahrung bzw. über welche personelle Ausstattung der Auftraggeber verfügt. Der Auftraggeber darf die Aufgabe der Ausarbeitung der Ausschreibungsunterlagen nicht willkürlich dadurch auf die Unternehmer überwälzen, dass er – ohne das Vorliegen der Voraussetzungen zu prüfen – den wettbewerblichen Dialog wählt; anderseits muss der mit der Festlegung der rechtlichen, finanziellen oder technischen Konditionen verbundene Aufwand für den Auftraggeber (wirtschaftlich) vertretbar sein. Ist dies nicht der Fall, dann kann es sich um einen Fall des „objektiven“ Unvermögens im Sinne des Abs. 2 handeln. Zur Voraussetzung des Abs. 2 Z 1 ist anzumerken, dass es nicht darauf ankommt, ob der Auftraggeber Spezifikationen angeben kann, die zur Erfüllung seiner Bedürfnisse in irgendeiner Weise geeignet sind, sondern darauf, ob er die Spezifikationen angeben kann, die zur Ermittlung der für ihn bestgeeigneten Lösung führen (siehe auch § 133 Abs. 1). Die Entscheidung, einen Auftrag im Wege des wettbewerblichen Dialogs zu vergeben, muss aber jedenfalls objektiv nachprüfbar sein. Ein möglicher Anwendungsfall für den wettbewerblichen Dialog sind etwa PPP-Projekte.

In Art. 1 Z 21 2. UA 1. Anstrich der RL 2009/81/EG wird nur auf die technischen Mittel gemäß Art. 18 Abs. 3 lit. b bis d verwiesen – dies entspricht § 83 Abs. 2 Z 2 bis 4; aus Gründen der Klarheit kann aber pauschal auf die technischen Spezifikationen gemäß § 83 Abs. 2 verwiesen werden; wenn ein Auftrag mit technischen Spezifikationen gemäß § 83 Abs. 2 Z 1 – und somit durch eine konstruktive Leistungsbeschreibung – beschrieben werden kann, kann es sich keinesfalls um einen besonders komplexen Auftrag handeln.

Erwägungsgrund 48 der RL 2009/81/EG führt zum wettbewerblichen Dialog und zu den Anwendungsvoraussetzungen folgendes aus: „Für Auftraggeber, die besonders komplexe Vorhaben durchführen, kann es – ohne dass ihnen dies anzulasten wäre - objektiv unmöglich sein, die Mittel zu bestimmen, die ihren Bedürfnissen gerecht werden können, oder zu beurteilen, was der Markt an technischen bzw. finanziellen oder rechtlichen Lösungen bieten kann. Dies kann insbesondere bei der Durchführung von Projekten der Fall sein, die die Integration oder Kombination vielfältiger technologischer oder operativer Fähigkeiten erfordern, oder die auf einer komplexen strukturierten Finanzierung basieren, deren finanzielle und rechtliche Konstruktion nicht im Voraus vorgeschrieben werden kann. Da ein solcher Auftrag nicht präzise genug festgelegt werden kann, um den Bietern die Erstellung ihrer Angebote zu ermöglichen, wäre die Anwendung des nichtoffenen Verfahrens oder des Verhandlungsverfahren mit Veröffentlichung einer Bekanntmachung nicht praktikabel. Es sollte deshalb ein flexibles Verfahren vorgesehen werden, das sowohl den Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsteilnehmern aufrechterhält als auch die Verpflichtung der Auftraggeber, mit den einzelnen Bewerbern alle Aspekte des Auftrags zu erörtern. Dieses Verfahren darf allerdings nicht in einer Weise angewandt werden, die den Wettbewerb insbesondere dadurch einschränkt oder verfälscht, dass grundlegende Elemente der Angebote geändert oder dem ausgewählten Bieter neue wesentliche Elemente vorgeschrieben werden oder andere Bieter als der mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot einbezogen werden.“

Zu § 29 (Festhalten der Gründe für die Wahl bestimmter Vergabeverfahren):

§ 29 dient der Dokumentation und der Absicherung der Auftraggeber im Hinblick auf allfällige Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekontrollbehörden bzw. für allfällige Vertragsverletzungsverfahren der Kommission.

Allgemein zu den §§ 30 bis 34 (Verfahren im Unterschwellenbereich):

Es ist darauf hinzuweisen, dass die in den §§ 30 bis 33 normierten Verfahren grundsätzlich parallel zur Verfügung stehen, d.h., dass Auftraggeber – bei gleichzeitigem Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen – die Wahl haben, welches Verfahren sie in Anspruch nehmen wollen. Es gibt daher keine Hierarchie der in den §§ 30 bis 33 normierten Verfahren.

Zu § 30 (Vergabe von Aufträgen):

§ 30 lehnt sich konzeptuell an das Regime des § 123 für nicht-prioritäre Dienstleistungen an. Zum Verhältnis des § 30 zu § 123 bleibt festzuhalten, dass § 123 abschließend die Vergabe von nicht-prioritären Dienstleistungen regelt (vgl. dazu auch den Wortlaut von Abs. 1, der nur auf prioritäre Dienstleistungen Bezug nimmt); alle anderen Leistungen können (sofern die Anwendungsvoraussetzung erfüllt ist) gemäß dem Regime des § 30 vergeben werden.

Einzige Anwendungsvoraussetzung für die Anwendung des § 30 ist, dass der geschätzte Auftragswert den in § 10 Abs. 1 Z 1 genannten Schwellenwert nicht erreicht oder übersteigt. Sofern dies der Fall ist, kann der Auftraggeber Bau-, Liefer- oder prioritäre Dienstleistungen gemäß Anhang III im vereinfachten Verfahren des § 30 vergeben. Dem Auftraggeber kommt bei der Vergabe dieser Aufträge ein großer Gestaltungsspielraum zu: er hat diese Leistungen in einem den Grundfreiheiten, den Grundsätzen und dem Diskriminierungsverbot des Unionsrechts Rechnung tragenden Verfahren zu vergeben. Die Formulierung des zweiten Satzes, durch die insbesondere dem primärrechtlich gebotenen Transparenzgebot entsprochen werden soll, lehnt sich an die einschlägige Judikatur des EuGH an (vgl. dazu etwa Rs C-324/98, Telaustria). Durch die offene Formulierung (arg. „in einem Verfahren ...“) werden die Möglichkeiten des Auftraggebers nicht auf die sonst im Gesetz vorgesehenen Verfahrenstypen eingeschränkt. Daraus folgt, dass es dem Auftraggeber frei steht, ein Verfahren zu kreieren, das den Anforderungen des Gesetzes Rechnung trägt. Diese Freiheit des Auftraggebers wird jedoch in folgender Hinsicht eingeschränkt: ab einem geschätzten Auftragswert von 200 000 Euro ist jedenfalls eine a priori Bekanntmachung erforderlich, jedoch kann von einer Bekanntmachung Abstand genommen werden, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vorliegen (vgl. dazu die §§ 25 und 31 Abs. 1). Ferner sind an diesen Verfahren grundsätzlich mehrere Unternehmer (d. h. mehr als ein Unternehmer) zu beteiligen. „Grundsätzlich“ bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die in Satz 4 und 5 statuierten Ausnahmen von der Regel, dass mindestens zwei Unternehmer am Verfahren zu beteiligen sind. In Ausnahmesituationen (vgl. dazu etwa den Katalog der Tatbestände für Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachungen mit nur einem Unternehmer bzw. den Ausnahmetatbestand für geistige Dienstleistungen in § 31 Abs. 2) ist die Vergabe von Leistungen gemäß § 30 daher auch in einem nicht transparenten Verfahren mit nur einem Unternehmer zulässig. Als Ausnahme vom Grundsatz sind die Voraussetzungen eng auszulegen (vgl. dazu auch die Erläuterungen zu § 9). Transparent ist ein Verfahren nach der Rechtsprechung des EuGH ausschließlich dann, wenn eine a priori Bekanntmachung (im Internet, in lokalen, regionalen, nationalen, internationalen Medien) erfolgte und diese Bekanntmachung jene grundsätzlichen Informationen enthielt, die potentiell interessierten Unternehmen die Beurteilung ermöglichte, ob ein bestimmter Auftrag für sie von Interesse sein könnte. Besteht aufgrund der Beurteilung des Auftraggebers ein grenzüberschreitendes Interesse an einem zu vergebenden Auftrag, so greift die unionsrechtliche Transparenzverpflichtung. Dieser ist durch eine Bekanntmachung in dem (für den jeweiligen Vollziehungsbereich festgelegten) zentralen elektronischen Publikationsmedium nachzukommen (Abs. 1 Satz 3).

Abs. 2 zählt taxativ jene Regelungen des Gesetzes auf, die im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren gemäß § 30 Anwendung finden.

Abs. 3 enthält eine Regelung betreffend die Eignung. Dass die Leistung nur von einem befugten, leistungsfähigen und zuverlässigen Unternehmer bezogen werden darf ergibt sich bereits aus dem nach Abs. 2 für anwendbar erklärten § 17 Abs. 1. Eine diesbezügliche Regelung in Abs. 3 ist daher entbehrlich.

Abs. 4 definiert die gesondert anfechtbaren Entscheidungen im Kontext des § 30 (der Wortlaut lehnt sich an die Einleitung von § 3 Z16 lit. a und VfSlg. 16.462/2002 - „... geht es um die nach außen als „Entscheidungen“ in Erscheinung tretenden Teilakte des vergebenden Organs im Vergabeverfahren und somit stets um die Nichtigerklärung privatrechtlicher Willenserklärungen des Auftraggebers“ - an). Da der Auftraggeber ein eigenes (neues) Verfahren, das den Grundsätzen des Abs. 1 entspricht, kreieren kann, ist eine Auflistung der gesondert anfechtbaren Entscheidungen (in der Art von § 3 Z 16) nicht möglich.

Abs. 5 bis 7 enthalten grundsätzliche Regelungen betreffend die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung, die Stillhaltefrist und den Widerruf (freie Wahlmöglichkeit zwischen einem zwei- und einstufigen Widerrufsverfahren).

Abs. 8 enthält eine Verpflichtung zur ex post Bekanntmachung und deren Mindestinhalte. Aufgrund dieser Verpflichtung ist jedenfalls eine verkürzte Frist gemäß § 332 Abs. 2 BVergG 2006 für allfällige Feststellungsanträge anwendbar. Zum Verständnis des Begriffes „Gesamtpreis“ in Abs. 8 Z 4 vgl. § 2 Z 26 lit. a und d BVergG 2006).

Abs. 9 regelt die Verpflichtung zur Erstellung eines Vergabevermerkes. Bei Vergaben unterhalb eines Gesamtauftragswertes von 200 000 Euro besteht die Möglichkeit, einen verkürzten Vergabevermerk zu erstellen.

Zu § 31 (Zusätzliche Möglichkeiten der Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung):

Die in § 31 genannten Tatbestände zur Inanspruchnahme des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung stehen – ausschließlich im Unterschwellenbereich - zusätzlich zu den Tatbeständen nach § 25 zur Verfügung.

Der Tatbestand des Abs. 1 Z 1 stammt ursprünglich aus dem Sektorenbereich (RL 2004/17/EG) und wird im gegebenen Zusammenhang im Unterschwellenbereich für Lieferungen und Dienstleistungen anwendbar gemacht (die sachliche Rechtfertigung ergibt sich aus der Existenz des Tatbestandes für Lieferungen im Sektorenbereich).

Abs. 1 Z 2 übernimmt den Grundtatbestand des § 25 Z 10 und erklärt diesen im Unterschwellenbereich auch im Zusammenhang mit Dienstleistungsaufträgen für anwendbar.

Abs. 2 übernimmt das Konzept eines Sonderverfahrens für geistige Dienstleistungen für den Unterschwellenbereich des BVergG 2006 (vgl. dessen § 38 Abs. 3). Der Anwendungsbereich ist jedoch aus Gründen der Transparenz (vgl. dazu den vom EuGH in der Rs C-458/03, Parking Brixen, entschiedenen Sachverhalt) aber auf Vergaben bis zur Hälfte des Schwellenwertes gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 beschränkt. Der Anwendungsbereich des Abs. 2 ist auf geistige Dienstleistungen (vgl. dazu die Definition in § 3 Z 19 und die entsprechenden Erläuterungen dazu) beschränkt. Relevant für die Beurteilung, ob Abs. 2 in Anspruch genommen kann, ist, ob die Kosten des Auftraggebers für die Durchführung des Verfahrens in einer wirtschaftlichen Relation mit dem geschätzten Auftragswert stehen oder nicht.

Zu § 32 (Direktvergabe):

Abs. 1 enthält eine taxative Aufzählung der Bestimmungen, die bei einer Direktvergabe anzuwenden sind. Zur Definition der Direktvergabe vgl. § 23 Abs. 7.

Abs. 2 normiert den maximalen geschätzten Auftragswert, bis zu welchem eine Direktvergabe zulässig ist.

Die Direktvergabe ist ein formfreies Vergabeverfahren für wertmäßig relativ geringfügige Leistungsvergaben. Hinsichtlich der Sachlichkeit der in Abs. 2 vorgesehenen Wertgrenze geht das Gesetz im Grundsatz davon aus, dass unterhalb dieser Betragsgrenzen die Durchführung von Vergabeverfahren nicht erforderlich ist, da einerseits im Hinblick auf den Wert der Leistung ökonomisch nicht vertretbare Beschaffungskosten entstehen können und andererseits im Regelfall kein grenzüberschreitendes Interesse (das die Transparenzverpflichtung auslöst) besteht. Der EuGH betonte in diesem Zusammenhang, dass es grundsätzlich Sache des Auftraggebers ist, vor der Festlegung der Bedingungen der Vergabebekanntmachung ein etwaiges grenzüberschreitendes Interesse an einem Auftrag zu prüfen, dessen geschätzter Wert unter dem in den Unionsvorschriften vorgesehenen Schwellenwert liegt, wobei diese Prüfung der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Es ist jedoch zulässig, so der Gerichtshof, in einer nationalen oder örtlichen Regelung objektive Kriterien aufzustellen, die für ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse sprechen. Als ein solches Kriterium kommt insbesondere ein Auftragswert von gewisser Bedeutung in Verbindung mit dem Ort der Ausführung der Arbeiten in Betracht. Auch wäre es möglich, ein solches Interesse auszuschließen, wenn der fragliche Auftrag z.B. eine sehr geringe wirtschaftliche Bedeutung hat (vgl. in diesem Sinne Rs C-231/03, Coname). Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Grenzen manchmal durch Ballungsräume verlaufen, die sich über das Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten erstrecken, so dass unter solchen Umständen selbst an Aufträgen mit einem niedrigen Auftragswert ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse bestehen kann (so EuGH Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP). Vor diesem Hintergrund stellt das Gesetz zwar eine betragsmäßige Höchstgrenze auf, bis zu der Aufträge im Wege der Direktvergabe vergeben werden können; es handelt sich hierbei um eine Ermächtigung für Auftraggeber bei Vorliegen der einschlägigen Tatbestandsvoraussetzungen das vereinfachte Verfahren der Direktvergabe durchführen zu können (aber nicht zu müssen; vgl. dazu auch den Wortlaut in Abs. 2 „ist nur zulässig“). Sofern daher ein potentielles grenzüberschreitendes Interesse von Unternehmern besteht, existiert eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Transparenz, die – wie bereits erwähnt - nach der Judikatur des EuGH auch schon für wertmäßig kleine Aufträge existieren kann (vgl. dazu das Urteil in der Rs C-220/06, AP, vom 18.12.2007). Es hat daher stets eine Einzelfallbeurteilung hinsichtlich des potentiellen grenzüberschreitenden Interesses zu erfolgen (so EuGH Rs C-507/03, Kommission/Irland, verb Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP). Im Licht dieser Rechtsprechung des EuGH hat daher der Auftraggeber, der eine Direktvergabe durchführen möchte, zu prüfen, ob nicht aufgrund der Umstände des Einzelfalles eine Direktvergabe (ohne vorherige Transparenz) ausnahmsweise nicht doch unzulässig wäre. Falls das konkrete Vorhaben (trotz seines geringen Auftragswertes) potentiell für Unternehmer aus anderen Mitgliedstaaten von Interesse sein könnte, dann besteht nach der Judikatur eine Verpflichtung zur (ex ante) Transparenz (vgl. dazu etwa Rs C-507/03, Kommission/Irland, verb Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP). Als Kriterien zur Beurteilung des potentiellen grenzüberschreitenden Interesses hat der EuGH in seiner bisherigen Judikatur den (geschätzten) Auftragswert, den Ort der Leistungserbringung bzw. –nutzung und die (technische) Besonderheit der Leistung angeführt (vgl. dazu verb Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP, Rs C-347/06, ASM Brescia). Als Faustregel kann für die Beurteilung des (potentiellen) grenzüberschreitenden Interesses herangezogen werden: je höher der Wert, je näher der Leistungs- oder Nutzungsort an einer (Staats)Grenze und je spezifischer der Auftragsgegenstand desto eher besteht ein grenzüberschreitendes Interesses. Es bleibt Auftraggebern auch unbenommen, intern einen niedrigeren Wert festzulegen, bis zu dem die Inanspruchnahme der Direktvergabe zulässig wäre. Ein Auftraggeber könnte darüber hinaus aber auch intern bestimmte Werte festlegen, ab denen eine bestimmte Anzahl von unverbindlichen Preisauskünften einzuholen ist. Dies wird im Übrigen auch durch Abs. 3 implizit klargestellt.

Abs. 3 enthält eine grundsätzliche Regelung betreffend Dokumentationspflichten (vgl. dazu auch § 34 Abs. 2).

Abs. 4 enthält eine Regelung betreffend die Eignung. Dass die Leistung nur von einem befugten, leistungsfähigen und zuverlässigen Unternehmer bezogen werden darf ergibt sich bereits aus dem nach Abs. 1 für anwendbar erklärten § 17 Abs. 1. Eine diesbezügliche Regelung in Abs. 4 ist daher entbehrlich. Aus den Regelungen des erwähnten § 17 Abs. 1 in Verbindung mit den Bestimmungen des Abs. 4 resultiert nicht, dass der Kanon der Nachweismittel der §§ 58ff anwendbar ist; auch ergibt sich daraus nicht, dass jedenfalls eine nähere Eignungsprüfung vorgenommen werden muss. Über die Art und Weise (vertieft oder oberflächlich) der Eignungsprüfung entscheidet allein der Auftraggeber (daher entscheidet er auch über die Frage, ob eine Abfrage wegen Verletzung des AuslBG erfolgt oder nicht). Wenn keine Anhaltspunkte bestehen, die auf das Nichtvorliegen der Eignung schließen lassen, kann etwa der äußere Anschein eines befugten Gewerbebetriebes für die Annahme des Vorliegens der Eignung hinreichend sein. Bei der Direktvergabe (zB Kauf von Militärausrüstung beim Produzenten) wird eine Leistung unmittelbar von einem (einzigen) Unternehmer bezogen und das Vergabeverhältnis erschöpft sich (in aller Regel) bereits in diesem Akt. Da es sich um ein sehr formfreies Verfahren handelt, werden für die Prüfung der Voraussetzungen keine näheren Regelungen getroffen. Hinzuweisen ist auch darauf, dass bei einer Direktvergabe die Leistung auch an einen Unternehmer vergeben werden kann, der in anderen Verfahren gemäß § 57 auszuschließen wäre (siehe § 32 Abs. 4).

Zum Zeitpunkt, zu dem die Eignung vorliegen muss, ist anzumerken, dass auf den Zuschlag (Vertragsabschluss) abgestellt wird, da eine schriftliche Erklärung (wie dies für eine Zuschlagserteilung gemäß § 3 Z 47 im Regelfall vorgesehen ist) bei einer Direktvergabe nicht immer vorliegen wird (nach Abs. 1 ist § 3 Z 47 bei der Direktvergabe nicht anwendbar). Den Zeitpunkt, an dem die Eignungsprüfung vorgenommen wird, bestimmt der Auftraggeber selbst; unabdingbar ist jedenfalls, dass bei Direktvergaben im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses alle Elemente vorliegen müssen (zumindest dem Anschein nach). Hinzuweisen ist auf die Regelung in § 334 Abs. 3 BVergG 2006, wonach eine erfolgte Direktvergabe bei offenkundig unzulässiger Vorgangsweise für nichtig erklärt werden kann.

Zu § 33 (Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung):

Mit der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung wird ein Verfahren zur Verfügung gestellt, das die Vorteile einer möglichst formfreien Vergabe mit der – unter Umständen auch schon bei wertmäßig kleinen Aufträgen – unionsrechtlich gebotenen Transparenz verbindet.

Der EuGH hält in ständiger Rechtsprechung fest, dass die Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung, eine Verpflichtung zur Transparenz beinhalten. Kraft dieser Verpflichtung zur Transparenz muss der Auftraggeber zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden. Besteht an einem Auftrag ein grenzüberschreitendes Interesse, so steht das völlige Fehlen einer Ausschreibung (ex ante Transparenz) mit den Grundsätzen des Unionsrechts nicht im Einklang (vgl. dazu etwa das Urteil in der Rs C-324/98, Telaustria oder das Urteil in der Rs C-458/03, Parking Brixen). Sofern daher ein potentielles grenzüberschreitendes Interesse von Unternehmern besteht, existiert diese Verpflichtung zur Transparenz nach der Judikatur des EuGH auch schon für wertmäßig kleine Aufträge (vgl. dazu das Urteil in der Rs C-220/06, AP, vom 18.12.2007). Es hat stets eine Einzelfallbeurteilung hinsichtlich des potentiellen grenzüberschreitenden Interesses zu erfolgen (so EuGH Rs C-507/03, Kommission/Irland, verb Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP). Für Aufträge bis 200 000 bzw. 500 000 Euro wird mit der Möglichkeit der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung dieser Judikatur Rechnung getragen (zur Rechtslage auf Unionsebene und die Kriterien für die Beurteilung des grenzüberschreitenden Interesses vgl. auch die Ausführungen zu § 32).

Mit § 33 sind sämtliche Bestimmungen, die für die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung gelten, in einem Paragraphen zusammengefasst. Abs. 1 enthält eine taxative Aufzählung der Bestimmungen, die bei einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung anzuwenden sind. Für die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung gelten somit (neben den Regelungen des § 33 selbst) der 1. Teil (Regelungsgegenstand und Begriffsbestimmungen) mit Ausnahme des § 2 Z 20 (Definitionen von Auswahl-, Beurteilungs-, Eignungs- und Zuschlagskriterien), die Definition des Auftraggebers (§ 4), die Definition der Auftragsarten (§§ 5 bis 7), die Abgrenzungsregelungen (§ 8), die Ausnahmen vom Geltungsbereich (§ 9), die Bestimmungen über die Berechnung des geschätzten Auftragswertes (§§ 11 bis 14), die Verordnungsermächtigung des Bundeskanzlers zur Änderung der Schwellenwerte (§ 16 Abs. 1), die Grundsätze des Vergabeverfahrens (§ 17 Abs. 1 bis 4), die Definition der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung in § 23 Abs. 8, die Dokumentationsverpflichtung gemäß § 34 Abs. 3, die Grundsätze für die Übermittlung von Unterlagen oder Informationen zwischen Auftraggebern und Unternehmer in § 35 Abs. 1 und 2, die Bestimmungen zur Informations- und Versorgungssicherheit (§§ 69 und 70), der Grundsatz, dass das Verfahren mit Zuschlag oder Widerruf endet (§ 111 Abs. 1), die Regelung des Widerrufs durch eine Feststellung einer Vergabekontrollbehörde in § 115 Abs. 9 sowie der 3. und 4. Teil (Rechtsschutz, außerstaatliche Kontrolle und zivilrechtliche Bestimmungen, Straf-, Schluss und Übergangsbestimmungen).

Abgesehen von diesen Bestimmungen ist das Verfahren der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung frei gestaltbar. Es handelt sich um eine „Direktvergabe“, die zwar mit Transparenzvorschriften angereichert ist, aber dennoch ein weitgehend formfreies Verfahren für kleine bis mittelgroße Aufträge darstellen soll. Es liegt daher im Ermessen des Auftraggebers, das Verfahren einstufig oder zweistufig zu gestalten, mit den Bietern zu verhandeln oder auch im Laufe des Verfahrens die Anzahl der Bieter zu reduzieren. Eingeschränkt wird dieses Ermessen des Auftraggebers durch die Verpflichtung des Abs. 4, wonach der Auftraggeber bereits zu Beginn festlegen muss, nach welchen Kriterien er den oder die Unternehmer auswählt vom dem oder denen er ein Angebot einholt und nach welchem oder welchen Kriterien er das erfolgreiche Angebot bestimmt. Diese Festlegung ist den interessierten Unternehmern vorab bekannt zu geben (diese Kriterien bilden einen notwendigen Teil jener Informationen, die vom Auftraggeber zur Verfügung zu stellen sind und deren Fundort er gemäß Abs. 3 Z 3 bekannt geben muss). Der Begriff „Kriterien“ (somit der Plural) wird in diesem Kontext verwendet, um - totum pro parte - alle denkbaren Situationen im Kontext des § 33 zu erfassen. Falls ein Auftraggeber daher ein einstufiges Verfahren ohne Selektionsmechanismus mit dem Preis als einzigem Kriterium für die Auswahl des erfolgreichen Angebotes durchführt, dann gibt es in diesem Verfahren nur ein einziges Kriterium, über das zu informieren ist. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Grundsätze des § 17, dessen Abs. 1 bis 4 auch für die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung gelten. Der Auftraggeber ist daher insbesondere auch an das Gleichbehandlungsgebot und das Verbot der Diskriminierung gebunden.

Wie auch für die „klassische“ Direktvergabe gilt auch für die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung ein eingeschränkter Rechtsschutz. Gesondert anfechtbare Entscheidungen (und damit einem Nachprüfungsverfahren zugänglich) sind bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung gemäß § 3 Z 16 lit. a sublit. gg lediglich die Wahl des Vergabeverfahrens und die Bekanntmachung (vgl. dazu die Ausführungen zu § 3 Z 16 lit. a sublit. gg). Es ist insbesondere, da es sich um eine Direktvergabe handelt, keine Bekanntgabe einer Zuschlagsentscheidung vorgesehen. Der Zuschlag kann daher nur ex post mittels Feststellungsantrag überprüft werden.

§ 33 Abs. 2 ist als Ermächtigung an Auftraggeber zu verstehen, bis zu einem geschätzten Auftragswert von 200 000 bzw. 500 000 Euro die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung in Anspruch nehmen zu können (aber nicht zu müssen; der Auftrag kann insbesondere auch in einem Verfahren gemäß § 30 oder – bis zu einem Auftragswert von 75 000 Euro – im Wege einer Direktvergabe gemäß § 32 vergeben werden). Es bleibt Auftraggebern auch unbenommen, intern einen niedrigeren Wert festzulegen, bis zu dem die Inanspruchnahme einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung zulässig wäre.

Gemäß Abs. 3 ist die beabsichtigte Vergabe eines Auftrags mittels Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung in dem vom Bundeskanzler bzw. der jeweiligen Landesregierung festgelegten elektronischen Publikationsmedium bekannt zu machen (vgl. dazu § 47 Abs. 2 in Verbindung mit § 44 Abs. 1). Die Mindestinhalte der Bekanntmachung sind in Abs. 3 angeführt; darüber hinaus gelten für die Bekanntmachung keine weiteren Vorschriften mit Ausnahme der Regelung des § 47 Abs. 3 betreffend die zeitliche Verfügbarkeit der Bekanntmachungsinhalte.

Gemäß Abs. 3 Z 3 ist in die Bekanntmachung ein Hinweis aufzunehmen, wo nähere Informationen über die zu vergebende Leistung sowie über den weiteren Verfahrensablauf verfügbar sind (notwendiger Bekanntmachungsinhalt ist somit der Fundort dieser Informationen; dabei wird es sich in der Regel um eine Website des Auftraggebers handeln). Die Informationen über den weiteren Verfahrensablauf müssen dabei zumindest die Kriterien enthalten, anhand derer die allenfalls vorgesehene Auswahl des bzw. der Unternehmer erfolgt und anhand derer das erfolgreiche Angebot bestimmt wird (siehe dazu auch die Erläuterungen zu Abs. 4). Der Auftraggeber kann darüber hinaus (freiwillig) weitere Festlegungen betreffend den Verfahrensablauf treffen (beispielsweise über in Aussicht genommene Verhandlungsrunden o.ä.).

Gemäß Abs. 4 hat der Auftraggeber objektive, nicht diskriminierende und mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende Kriterien festzulegen, anhand derer die allenfalls vorgesehene Auswahl des Unternehmers bzw. der Unternehmer erfolgt, von dem bzw. denen Angebote eingeholt werden, und anhand derer das erfolgreiche Angebot bestimmt wird. Es wird ferner in Abs. 4 bewusst auf die Verwendung der Begriffe „Auswahlkriterien“ und „Zuschlagskriterien“ verzichtet, da die diesbezüglichen Regelungen des BVergGVS sowie die strikte Trennung zwischen unternehmerbezogenen und angebotsbezogenen Kriterien bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung nicht anwendbar sind. Der Auftraggeber ist daher bei der Festlegung der genannten Kriterien weitgehend frei und nur an die Grundsätze des § 17 und die Verpflichtung der Auftragsbezogenheit gebunden. Letzteres bedeutet, dass der Auftraggeber nur Kriterien heranziehen darf, die einen Konnex zum Auftragsgegenstand aufweisen. Dies bezieht sich sowohl auf unternehmerbezogene als auch angebotsbezogene Anforderungen.

Die Verwendung des Plural bei „Kriterien“ in Abs. 4 bedeutet (totum pro parte) dabei nicht, dass jedenfalls mehrere Kriterien für die Auswahl des Unternehmers bzw. der Unternehmer, von dem bzw. denen Angebote eingeholt werden, oder für die Bestimmung des erfolgreichen Angebotes festgelegt werden müssen. Der Auftraggeber kann daher auch nur ein Kriterium festlegen. Für die Bestimmung des erfolgreichen Angebotes ergibt sich jedoch aus den Bestimmungen des BVergGVS in Zusammenschau mit den haushaltsrechtlichen Grundsätzen (Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit; vgl. dazu insbesondere die Art. 126b Abs. 5, 127 Abs. 1, 127a Abs. 1 und 127b Abs. 3 B-VG), dass es sich bei Verwendung eines einzigen Kriteriums nur um den Preis handeln kann.

Jedenfalls müssen (ein oder mehrere) Kriterien für die Bestimmung des erfolgreichen Angebotes festgelegt werden. Die Festlegung von Kriterien (bzw. eines Kriteriums) für die Auswahl des Unternehmers bzw. der Unternehmer ist dagegen nur dann notwendig, wenn der Auftraggeber eine Auswahl der Unternehmer für eine zweite Stufe des Verfahrens überhaupt vorgesehen hat (arg „allenfalls vorgesehene“).

Der Auftraggeber kann das Verfahren seinen Bedürfnissen entsprechend ein- oder zweistufig gestalten. Er kann etwa (in einer Art „offenem Verfahren“; vgl. dazu die §§ 25 Abs. 2 und 101 BVergG 2006) in der Bekanntmachung bzw. den Unterlagen gemäß Abs. 3 Z 3 sofort Angebote verlangen und dem billigsten/besten den Zuschlag erteilen (allenfalls nach weiteren Verhandlungen); er kann aber auch zunächst einen oder mehrere Unternehmer (etwa auf Grund von Referenzen oder etwa auch „die ersten fünf“) auswählen und erst in einem zweiten Schritt Angebote einholen. Abweichend vom sonstigen System des Gesetzes bzgl. Auswahl- und Zuschlagskriterien können bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung auch schon bei der Selektion der Unternehmer angebotsbezogene Kriterien (z.B. der Preis) herangezogen werden. Der Auftraggeber kann beispielsweise festlegen, dass die interessierten Unternehmer gleich in einem ersten Schritt Angebote legen sollen, um mit den Bietern der drei besten/billigsten Angebote zu verhandeln und in einem weiteren Schritt das beste/billigste Angebot auszuwählen. Der Auftraggeber kann die Anzahl der auszuwählenden Unternehmer dabei auch mit einer Maximalzahl festlegen.

Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Definition der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung gemäß § 23 Abs. 8, wonach der Auftraggeber nicht verpflichtet ist, mehrere Angebote einzuholen (vgl. dazu auch die Erläuterungen zu § 23 Abs. 8). Es muss jedoch zumindest ein Angebot eingeholt werden, dem der Zuschlag erteilt werden kann.

Abs. 5 enthält die Verpflichtung des Auftraggebers, den am Verfahren beteiligten Unternehmern mitzuteilen, wem zu welchem Preis der Zuschlag erteilt wurde. Es sollen dabei jene Unternehmer vom Ausgang des Verfahrens informiert werden, die sich ernsthaft um den Auftrag bemüht haben. Das sind jene Unternehmer, die sich auf Grund der Bekanntmachung – im Einklang mit den Angaben in der Bekanntmachung und dem vom Auftraggeber festgelegten Verfahrensablauf – beworben haben und/oder ein Angebot gelegt haben. Unternehmer, die lediglich Informationen über den Leistungsgegenstand oder den Verfahrensablauf angefordert oder heruntergeladen und keine weiteren Schritte gesetzt haben, sind jedenfalls nicht von der Mitteilungspflicht des Auftraggebers umfasst. Beim Gesamtpreis handelt es sich um die Auftragssumme ohne Umsatzsteuer (vgl. § 2 Z 26 lit. a bzw. d BVergG 2006).

Die Bestimmung des Abs. 5 hat die Konsequenz, dass Feststellungsanträge der beteiligten Unternehmer spätestens binnen sechs Wochen ab Bekanntmachung einzubringen sind (und nicht erst binnen sechs Monaten, vgl. § 135 iVm § 332 Abs. 2 BVergG 2006).

Dass die Leistung auch bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung nur von einem befugten, leistungsfähigen und zuverlässigen Unternehmer bezogen werden darf, ergibt sich bereits aus Abs. 1 der die Anwendbarkeit der Grundsätze gemäß § 17 Abs. 1 vorsieht (deshalb wäre eine idente Regelung in Abs. 6 überflüssig). Daraus resultiert – wie auch bei der Direktvergabe gemäß § 32 – jedoch nicht, dass die Regelungen betreffend die Eignung der Unternehmer anwendbar sind; auch ergibt sich daraus nicht, dass jedenfalls eine nähere Eignungsprüfung durchgeführt werden muss. Über die Art und Weise der Eignungsprüfung entscheidet allein der Auftraggeber (daher entscheidet auch er über die Frage, ob eine Abfrage wegen Verletzung des AuslBG erfolgt oder nicht). Wenn keine Anhaltspunkte bestehen, die auf das Nichtvorliegen der Eignung schließen lassen, kann – wie auch bei der (klassischen) Direktvergabe – etwa der äußere Anschein eines befugten Gewerbebetriebes für die Annahme des Vorliegens der Eignung hinreichend sein.

Abs. 7 enthält eine Regelung für den Widerruf einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung. Gemäß § 111 Abs. 1 ist das Verfahren entweder durch Zuschlag oder durch Widerruf zu beenden. Diese Verpflichtung kann von einem Bieter mittels Feststellungsantrag durchgesetzt werden (vgl. die §§ 331 Abs. 4, 312 Abs. 5 BVergG 2006 und § 115 Abs. 9). Der Auftraggeber kann das Verfahren jederzeit widerrufen, wenn sachliche Gründe dafür bestehen. Aus Abs. 7 ergibt sich, dass der Widerruf einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung einstufig gestaltet ist, d.h. es ist keine Bekanntgabe der Widerrufsentscheidung vorgesehen (eine solche Entscheidung wäre im Übrigen gemäß § 3 Z 16 lit. a sublit. gg auch nicht in einem Nachprüfungsverfahren überprüfbar). Die Erklärung des Widerrufs ist jedoch den Unternehmern mitzuteilen, die sich um eine Teilnahme am Verfahren beworben oder ein Angebot gelegt haben (siehe dazu auch die Ausführungen oben zu Abs. 5). Bei einem allfälligen Widerruf vor Eingang der Bewerbungen bzw. Angebote kann der Auftraggeber mangels Kenntnis der interessierten Unternehmer ohnehin keine entsprechende Verständigung durchführen. In diesem Fall wären Bewerber und Bieter eben nach Einlangen ihrer Bewerbung bzw. ihres Angebotes vom Widerruf zu verständigen.

Die Vergabe eines Auftrags mittels Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung kann auch mittels elektronischer Auktion erfolgen. Ein derartiges Verfahren muss den Grundsätzen des § 17 Abs. 1, den Regelungen des § 35 Abs. 1 und 2 sowie den Bestimmungen des § 33 genügen; die Regelungen des §§ 124ff sind nicht anwendbar. Es sind aber auch andere Formen und Verfahren des e-tendering möglich, sofern sie den erwähnten Regelungen entsprechen.

Gemäß § 3 Z 16 lit. a sublit. gg sind bei einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung die Wahl des Vergabeverfahrens und die Bekanntmachung gesondert anfechtbar. Bei der Wahl der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung beträgt die Anfechtungsfrist gemäß § 321 Abs. 2 BVergG 2006 sieben Tage. Für Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibung gilt die Regelung des § 321 Abs. 4 BVergG 2006: Die Anfechtungsfrist verlängert sich bis sieben Tage vor Ablauf der Angebots- bzw. Teilnahmefrist, sofern diese Frist mehr als 17 bzw. 22 Tage beträgt. Im Kontext der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung ist die Teilnahmefrist jene Frist, innerhalb derer sich die Unternehmer gemäß den Angaben in der Ausschreibung um eine Teilnahme am Verfahren bewerben müssen.

Zu § 34 (Festhalten der Gründe für die Wahl bestimmter Vergabeverfahren).

Die Regelung dient der Dokumentation, insbesondere im Hinblick auf allfällige Nachprüfungsverfahren bzw. Vertragsverletzungsverfahren.

Gemäß Abs. 2 ist bei einer Direktvergabe, sofern der Dokumentationsaufwand wirtschaftlich vertretbar ist, auch die Prüfung der Preisangemessenheit schriftlich festzuhalten. Dabei reicht ein summarischer Verweis. So reicht etwa der Verweis auf im internen System des Auftraggebers zur Verfügung gestellte Kataloge, da deren Preisangemessenheit üblicherweise bereits vor Aufnahme in das System geprüft wurde. Bei sehr kleinen Aufträgen kann die Dokumentation der Preisangemessenheit in der Regel entfallen (da „wirtschaftlich unvertretbarer“ Aufwand).

Abs. 3 normiert eine Dokumentationsverpflichtung für alle wesentlichen Festlegungen und Vorgänge bei einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung. Dies umfasst etwa Festlegungen für den Verfahrensablauf, die Anwendung des Auswahlmechanismus oder eine kurze Erläuterung, warum ein bestimmtes Angebot ausgewählt wurde.

Es sind keine aufwendigen Dokumentationen notwendig, es reicht vielmehr ein kurzes Festhalten der wesentlichen Inhalte. Sofern Festlegungen oder Vorgänge bereits eindeutig aus dem Vergabeakt ersichtlich sind, sind sie bereits entsprechend festgehalten und ist eine gesonderte Dokumentation nicht erforderlich (so sollten etwa die Kriterien gemäß § 33 Abs. 4 in der Regel bereits eindeutig aus den zur Verfügung gestellten Unterlagen über den weiteren Verfahrensablauf ersichtlich sein). Zum Begriff der „Schriftlichkeit“ (der auch die Darstellung in elektronischer Form umfasst) wird auf die Definition in § 2 Z 29 verwiesen.

Zu § 35 (Übermittlung von Unterlagen oder Informationen):

§ 35 stellt eine der zentralen Bestimmungen für die Öffnung des Beschaffungswesens in Bezug auf elektronische Medien dar und setzt Art. 36 der RL 2008/81/EG um.

Abs. 1 normiert den Vorrang der Übermittlung von Unterlagen auf elektronischem Weg bzw. per Telefax. Grundsätzlich sind sämtliche Unterlagen auf elektronischem Weg oder per Telefax zu übermitteln, außer das Gesetz sieht anderes vor oder der Auftraggeber legt ausnahmsweise anderes fest. Es wird darauf hingewiesen (vgl. dazu auch die Erläuterungen zum BVergG 2006, RV 1171 d.B. XXII. GP 51), dass Ausnahmen von der allgemeinen Regel einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen. Eine derartige Rechtfertigung bestünde etwa bei der Übermittlung von Mustern oder Modellen bzw. bei der Übermittlung großformatiger Pläne (insbesondere etwa in den Formaten A0 oder A1), insbesondere dann, wenn der Auftraggeber davon ausgeht oder ausgehen muss, dass diese Planformate nicht ohne beträchtliche Schwierigkeiten von den Unternehmern ausgedruckt werden können. Ausdrücklich ist eine briefliche Übermittlung im BVergGVS etwa hinsichtlich bestimmter Teilnahmeanträge (§ 132 Abs. 3) und der Angebote vorgesehen.

Abs. 2 stellt eine spezifische Ausformulierung des Diskriminierungsverbotes im Zusammenhang mit der elektronischen Informationsübermittlung dar. So wäre etwa das Vorschreiben bestimmter „exotischer“ Dateiformate udglm. unzulässig, weil damit die Zugangsmöglichkeiten von Unternehmern in unzulässiger Weise eingeschränkt würden.

In Erwägungsgrund 57 der RL 2009/81/EG wird zu diesen grundlegenden Bestimmungen über die Verwendung elektronischer Mittel Folgendes festgehalten: „Angesichts der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und der damit verbundenen Erleichterungen sollten die elektronischen Medien den klassischen Kommunikations- und Informationsmitteln gleichgestellt werden. Soweit möglich, sollten die gewählten Mittel und die gewählte Technologie mit den in den anderen Mitgliedstaaten verwendeten Technologien kompatibel sein.“

Abs. 3 enthält eine Festlegung (frühzeitige Bekanntgabe der Zulässigkeit elektronischer Angebote), die der Transparenz und der Information der Unternehmer dient.

Abs. 4 legt fest, dass bei der Übermittlung bestimmter Unterlagen eine qualifizierte elektronische Signatur zu verwenden ist. Für jeden anderen Informationsaustausch ist dieser hohe Sicherheitsstandard nicht erforderlich und kann daher über „einfache“ E-Mail abgewickelt werden. Nicht als „Übermittlung“ im Sinne des Gesetzes gilt die Zurverfügungstellung von Dokumenten im Internet (zB Ausschreibungsunterlagen, die auf der Homepage des Auftraggebers zum Abruf bereitgestellt sind). Eine derartige Bereithaltung bedarf daher keiner elektronischen Signatur. Gemäß § 4 Abs. 1 Signaturgesetz ersetzt die qualifizierte Signatur die eigenhändige Unterschrift. Eine explizite Gleichstellung der „elektronischen“ mit der „schriftlichen“ Übermittlung im BVergGVS selbst ist empfehlenswert, obwohl dies schon das Signaturgesetz vorsieht und im Übrigen auch durch Art. 5 Abs. 1 lit. a der Signatur-Richtlinie vorgegeben ist. Hinzuweisen ist darauf, dass die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nicht die einzige Möglichkeit darstellt, um der Anforderung des Abs. 4 zu entsprechen. Es können auch andere Methoden verwendet werden, solange diese Methoden „die Überprüfbarkeit der Vollständigkeit, Echtheit und Unverfälschtheit der übermittelten Datensätze mit der Qualität einer qualifizierten elektronischen Signatur gewährleisten“.

Nach Abs. 5 muss jedenfalls bei elektronischen Informationsübermittlungen gemäß Abs. 4 sichergestellt werden, dass bei der Übermittlung der Unterlagen den dort angeführten Kriterien (Vollständigkeit, Echtheit und Unverfälschtheit) entsprochen wird und dass die Vertraulichkeit der übermittelten Informationen gewährleistet ist.

Erwägungsgrund 59 der RL 2009/81/EG führt zur elektronischen Signatur im Zusammenhang mit der Durchführung eines Vergabeverfahrens Folgendes aus: „Die Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (‚Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr’) sollten für die elektronische Übermittlung von Informationen im Rahmen der vorliegenden Richtlinie gelten. Die Verfahren zur Vergabe von Aufträgen erfordern einen höheren Grad an Sicherheit und Vertraulichkeit als in den genannten Richtlinien vorgesehen ist. Daher sollten die Vorrichtungen für den elektronischen Eingang von Anträgen auf Teilnahme und Angeboten besonderen zusätzlichen Anforderungen genügen. Zu diesem Zweck sollte die Verwendung elektronischer Signaturen, insbesondere fortgeschrittener elektronischer Signaturen, so weit wie möglich gefördert werden. Ferner könnten Systeme der freiwilligen Akkreditierung einen günstigen Rahmen zur Hebung des Niveaus der Zertifizierungsdienste für diese Vorrichtungen darstellen.“

Das in Abs. 6 normierte zwingende Erfordernis der Bekanntgabe einer, d.h. einer einzigen Faxnummer oder elektronischen Adresse soll die Abwicklung des Informationsaustausches erheblich vereinfachen und beschleunigen. Mit der Bekanntgabe einer elektronischen Adresse stimmt der Unternehmer zu, dass Dokumente an diese Adresse rechtsgültig übermittelt werden können. Bei Angabe einer personalisierten elektronischen Adresse wäre auf Seiten des Unternehmers, der der eigentliche Adressat ist, sicherzustellen, dass der Eingang von elektronischen Nachrichten unter dieser Adresse auch bei Abwesenheit der bekannt gegebenen Person kontrolliert werden kann, denn derartige Sendungen gelten als übermittelt, sobald sie in den Verfügungsbereich des Empfängers (= das Unternehmen) gelangt sind. Dies ist etwa mit dem Einlangen der elektronischen Nachricht beim Server des Unternehmers oder, bei Inanspruchnahme der Dienste eines Zustellservice, mit dem Einlangen der elektronischen Nachricht beim Server des für den Unternehmer arbeitenden Dienstleisters der Fall. Da gemäß der Definition in § 3 Z 35 Bietergemeinschaften Unternehmer im Sinne des Gesetzes sind, haben auch Bietergemeinschaften zwingend eine Faxnummer bzw. elektronische Adresse bekannt zu geben.

Abs. 7 beinhaltet grundsätzliche Regelungen für die Dokumentation bei einem elektronischen Informationsaustausch. Der Zeitpunkt des Verfassens ist z.B. bei Niederschriften, Protokollen, Aktenvermerken und anderen Arten der internen Dokumentationen relevant. Wenn derartige Unterlagen übermittelt werden, ist die übermittelte oder eingelangte Fassung (in jener Form und mit jenem Inhalt, den sie zum Zeitpunkt des Absendens/Empfangens hat) in der beschriebenen Weise zu dokumentieren.

Zu § 36 (Statistische Verpflichtungen der Auftraggeber):

Das Statistikregime des Gesetzes ergibt sich auf Grund der Regelungen der Richtlinien (Art. 65 und 66 der RL 2009/81/EG). Auftraggeber haben (gegebenenfalls im Wege der Landesregierung) demnach einmal jährlich dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend die entsprechenden Unterlagen zu übermitteln, der die Gesamtstatistik für Österreich zu erstellen hat. Die Nichtvorlage der Statistiken stellt eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 144) und kann mit einer Geldstrafe bis zu 50 000 Euro bestraft werden.

Abs. 2 enthält jene Angaben, die die durch die Auftraggeber zu erstellenden Statistiken jedenfalls zu enthalten haben. Zu Abs. 2 Z 1 ist zuerst allgemein auf die Ausführungen zu § 43 im Zusammenhang mit dem CPV zu verweisen. Darüber hinaus ist zum Begriff „Kategorien des CPV“ auszuführen: der CPV Hauptteil beruht auf einer Baumstruktur, die Codes mit bis zu 9 Ziffern sowie die Bezeichnung umfasst, die die Art der Lieferungen, Bauarbeiten oder Dienstleistungen beschreibt, die den Auftragsgegenstand darstellen. Die fünf ersten Ziffern des 9-stelligen Codes bezeichnen die Kategorien des CPV (XXXXX000-Y).

Abs. 3 enthält einer Verordnungsermächtigung falls die unionsrechtlichen Bestimmungen weitere (über den derzeitigen status quo in Abs. 1 hinausgehende) Angaben erfordern sollten.

Zu § 37 (Übermittlung von sonstigen Unterlagen):

Durch § 37 wird festgehalten, dass die Informationsübermittlung an Organe bzw. Instanzen der Union (vornehmlich mit der Kommission) als an EWR-Organe im Wege über den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend zu erfolgen hat. Die angesprochenen Mitteilungen und Berichte betreffen hauptsächlich die statistischen Ergebnisse der Anwendung der Richtlinie. Nur im Fall eines Verfahrens nach Art. 258 und 348 AEUV bzw. Art. 63 der RL 2009/81/EG (Korrekturmechanismus) soll ein anderes Übermittlungsverfahren zur Anwendung gelangen (vgl. dazu § 138 und die diesbezüglichen Erläuterungen).

Zu § 38 (Bekanntmachung der Vergabe von Leistungen):

Der 2. Abschnitt des 3. Hauptstückes enthält Regelungen zur Umsetzung der EG-rechtlichen Bekanntmachungsvorschriften. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass der Ausdruck „Bekanntmachung“ lediglich die Bekanntgabe von Informationen an das Publikationsorgan erfasst und vom Begriff „Veröffentlichung“ zu unterscheiden ist.

Dieser Abschnitt wurde in folgender Weise systematisch gestaltet. In § 38 wird festgelegt, was bekannt zu machen ist; die §§ 39 bis 41 enthalten grundsätzliche Festlegungen für Bekanntmachungen, die §§ 42 ff beinhalten die Bekanntmachungsverpflichtungen im Oberschwellenbereich, § 47 beinhaltet die Bekanntmachungsverpflichtung im Unterschwellenbereich, die vor dem Hintergrund des primärrechtlichen Transparenzgebotes (vgl. dazu insbesondere Rs C‑324/98, C-231/03) zu sehen sind.

Die Angaben in der Bekanntmachung sollen es potenziellen Interessenten ermöglichen, zu prüfen, ob ein bestimmtes Vergabeverfahren für sie von Interesse sein kann. Das Unterbleiben jeglicher Bekanntmachung bewirkt, dass potenziell interessierten Unternehmern von vorne herein die Teilnahme am Vergabeverfahren verwehrt wird, wodurch der Wettbewerb unwiederbringlich und fundamental beeinträchtigt wird. Die durch das Unterbleiben jeglicher Form von Publizität bewirkte Beseitigung der Transparenz verursacht eine inhärente Ungleichbehandlung zwischen den potenziell interessierten Unternehmern. Erfolgt die Auftragsvergabe unter Außerachtlassung jeglicher Bekanntmachungsvorschriften ohne dass eine sachliche Rechtfertigung besteht bzw. ein entsprechender Ausnahmetatbestand erfüllt ist, stellt dies eine wesentliche Verletzung der Vergabevorschriften dar (vgl. etwa Rs C‑359/93, C-231/03).

Aus Gründen der Transparenz werden in § 38 Abs. 1 die Tatbestände, an die eine Bekanntmachungsverpflichtung anknüpft, ziffernmäßig aufgelistet.

Gemäß Abs. 2 ist in die Bekanntmachung ein Hinweis auf das allfällige Erfordernis einer behördlichen Entscheidung für die Zulässigkeit einer Tätigkeit in Österreich sowie die Verpflichtung gemäß § 18 Abs. 1, wonach ein auf Einholung einer solchen Entscheidung gerichtetes Verfahren möglichst umgehend einzuleiten ist, aufzunehmen.

Die Regelung des Abs. 3 ist im Zusammenhang mit der Regelung des § 59 zu lesen. Der Auftraggeber hat in der Bekanntmachung bereits die als erforderlich erachteten Nachweise anzuführen (vgl. dazu auch das Standardformular 2 „Bekanntmachung“). Falls die Angaben zu ergänzen sind, so hat dies jedenfalls in den Ausschreibungsunterlagen zu erfolgen.

Die Regelung des Abs. 4 steht im Zusammenhang mit den Möglichkeiten des Auftraggebers gemäß § 74, dem erfolgreichen Bieter bestimmte Pflichten betreffend Subunternehmerleistungen aufzuerlegen.

Die Regelung des Abs. 5 resultiert aus Art. 48 Abs. 3 der RL 2009/81/EG, wonach Auftraggeber, die einen Auftrag im Wege einer elektronischen Auktion vergeben wollen, in der Bekanntmachung (des zugrunde liegenden Vergabeverfahrens) darauf hinweisen müssen.

Zu § 39 (Berichtigung von Bekanntmachungen):

Berichtigungen der Bekanntmachung sind aus Gründen der Transparenz und Bietergleichbehandlung ebenso bekannt zu machen wie die ursprüngliche Bekanntmachung. Hinzuweisen ist auf eine gegebenenfalls bestehende Pflicht zur Verlängerung der Angebotsfrist im Falle einer Berichtigung (vgl. § 49 Abs. 2 und § 76).

Zu § 40 (Veröffentlichung eines Beschafferprofils):

In Art. 30 Abs. 1 der RL 2009/81/EG ist vorgesehen, dass eine Vorinformation durch die Kommission bekannt gemacht oder vom Auftraggeber selbst in seinem Beschafferprofil veröffentlicht werden kann. Die Einrichtung eines Beschafferprofils ist somit nicht verpflichtend. Wird allerdings ein Beschafferprofil eingerichtet, dann ist die Veröffentlichung der Kommission bekannt zu geben (ein Standardformular für diese Bekanntgabe existiert nicht).

Über die Veröffentlichung von Vorinformationen hinaus kann ein derartiges Beschafferprofil noch andere Informationen und Angaben enthalten. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Veröffentlichung im Beschafferprofil nur in einem Fall – nämlich bei der Vorinformation – einen Ersatz für eine im Gesetz verpflichtend vorgesehene Bekanntmachung darstellt. Aus diesem Grunde wird im Zusammenhang mit dem Beschafferprofil von in diesem „enthaltenen“ Informationen wie etwa Bekanntmachungen gesprochen. Sofern daher Bekanntmachungsinhalte in das Beschafferprofil aufgenommen werden, handelt es sich (ausgenommen den Fall der Vorinformation gemäß § 45) um neben den verpflichtend vorgesehenen zusätzliche (freiwillige) Bekanntmachungen, hinsichtlich der § 44 Abs. 4 zu beachten ist.

Dem Beschafferprofil kann aber große Bedeutung im Zusammenhang mit den Fristen zukommen. Falls der Auftraggeber alle für ein Vergabeverfahren relevanten Unterlagen im Beschafferprofil sofort verfügbar macht, besteht die Möglichkeit Angebots- und Teilnahmefristen signifikant zu verkürzen.

Zu § 41 (Freiwillige Bekanntmachungen auf Unionsebene):

Zu Abs. 1: Diese Bestimmung über die freiwillige Bekanntmachung auf Unionsebene setzt Art. 31 der RL 2009/81/EG um. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, hat die Kommission dem Auftraggeber gemäß Art. 32 Abs. 8 der RL 2009/81/EG auch eine Bestätigung der Veröffentlichung auszustellen. Keine Bekanntmachungsverpflichtung besteht etwa bei Vergabeverfahren, die unter einen der Ausnahmetatbestände des § 9 fallen oder – zumindest was eine Bekanntmachungsverpflichtung auf unionsrechtlicher Ebene betrifft – bei Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich.

Hinsichtlich des Begriffes „Übermittlung“ wird auf § 42 2. Satz hingewiesen, wonach als Übermittlung auch die Zurverfügungstellung von Daten im on-line-Verfahren (aber nur in diesem; vgl. dazu auch die Ausführungen zu § 35) gilt.

Zu Abs. 2: Art. 60 Abs. 4 der RL 2009/81/EG sieht vor, dass der Auftraggeber bei Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung die Entscheidung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll (dies entspricht der Zuschlagsentscheidung gemäß § 2 Z 46), freiwillig veröffentlichen kann. Da es sich nicht um die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung an bestimmte Unternehmer (in deren Eigenschaft als Teilnehmer an einem konkreten Vergabeverfahren), sondern um die allgemein zugängliche Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung handelt, werden die entsprechenden Regelungen systematisch in den Bekanntmachungsbestimmungen und nicht in den Bestimmungen über das Zuschlagsverfahren eingeordnet und sind von diesen auch zu unterscheiden.

Durch § 41 Abs. 2 wird dem Auftraggeber die Möglichkeit eingeräumt, seine „Zuschlagsentscheidung“ in einem Verfahren, das ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt wurde, (freiwillig) bekannt zu machen. Die Bekanntgabe bzw. Bekanntmachung der „Zuschlagsentscheidung“ ist – obwohl sie im vorliegenden Kontext freiwillig erfolgt – jedenfalls eine gesondert anfechtbare Entscheidung (das Gesetz differenziert nicht, aus welcher Motivation die Bekanntgabe oder Bekanntmachung erfolgt). Bei Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich erfolgt dabei eine Bekanntgabe an die Kommission unter Verwendung des einschlägigen Standardformulars, die wiederum eine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union nach sich zieht. Die freiwillige Bekanntmachung im Unterschwellenbereich ist in § 47 Abs. 5 geregelt.

Weder das Gesetz noch die Richtlinie sehen vor, dass der Auftraggeber die (freiwillige) Bekanntmachung bzw. Bekanntgabe der Entscheidung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll, zeitgleich mit oder zeitnahe zu jenem Zeitpunkt bekannt machen oder bekannt geben muss, zu dem er – sofern anwendbar – den allfälligen Parteien eines Vergabeverfahrens die Zuschlagsentscheidung gemäß § 107 bekannt gibt (und damit diesen gegenüber die Stillhaltfrist auslöst). Der Auftraggeber kann daher auch ein zeitlich gestuftes Vorgehen wählen: er kann zuerst den Parteien des Vergabeverfahrens die Zuschlagsentscheidung bekannt geben (und abwarten, ob diese bekämpft wird) und erst zu einem späteren Zeitpunkt (nach Ende der Stillhaltefrist und Präklusion der Parteien) die Entscheidung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll, gemäß den §§ 41 Abs. 2 bzw. 47 Abs. 5 bekannt machen oder bekannt geben.

Art. 64 der RL 2009/81/EG sieht vor, dass die Bekanntmachung einer Zuschlagsentscheidung gemäß Art. 60 Abs. 4 neben dem Namen des erfolgreichen Bieters bestimmte weitere Mindestangaben enthalten muss. Für den Oberschwellenbereich wird die Bekanntmachung der erforderlichen Informationen durch die entsprechenden Standardformulare der Kommission sichergestellt, für den Unterschwellenbereich sind die Mindestinhalte in § 47 Abs. 5 letzter Satz festgelegt. Zur Klarstellung ist festzuhalten, dass die im Rahmen der §§ 41 Abs. 2 und 47 Abs. 5 bekannt zu gebenden bzw. bekannt zu machenden Informationen nicht mit jenen Informationen deckungsgleich sind, die gemäß § 107 Abs. 1 den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern mitzuteilen sind (so fehlt etwa die Bekanntgabe des Endes der Stillhaltefrist).

Die Bedeutung dieser Regelung ergibt sich aus § 135 iVm § 332 Abs. 7 BVergG 2006, wonach ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung dann nicht zulässig ist, wenn der Auftraggeber seine Zuschlagsentscheidung bekannt gemacht und vor der Zuschlagserteilung eine Frist (gerechnet ab der Verfügbarkeit der Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung) abgewartet hat. Diese Möglichkeit bietet für den Auftraggeber den Vorteil, dass er mit der Einhaltung des genannten Verfahrens die Rechtsunsicherheit vermeidet, die aus einer allenfalls drohenden Nichtigkeit des Vertrages resultiert. Hinzuweisen ist darauf, dass die freiwillige Bekanntgabe bzw. Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung den Auftraggeber nicht von seiner Verpflichtung befreit, allfälligen Parteien des Vergabeverfahrens die Zuschlagsentscheidung (gemäß § 107) mitzuteilen. Die Unzulässigkeit eines Nachprüfungsantrages (Präklusionswirkung des § 332 Abs. 7 BVergG 2006) tritt somit nur in einer „externen“ Dimension (vis-a-vis den nicht oder nicht mehr am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmern) ein, sohin nicht gegenüber den noch im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern.

Zu § 42 (Bekanntmachungen auf Unionsebene):

Die Regelung enthält die bereits unionsrechtlich festgelegte Verpflichtung zur Bekanntmachung im Oberschwellenbereich. Dadurch wird das zwingend geforderte Mindestmaß an Transparenz gewährleistet. Der EuGH misst in seiner Judikatur dem Aspekt der Transparenz besondere Bedeutung zu. Es ist darauf hinzuweisen, dass nur der Wortlaut der Bekanntmachung in der Originalsprache verbindlich ist. Sämtliche Kosten der Veröffentlichung von Bekanntmachungen werden von der Union getragen. Die Übermittlung hat an die Kommission zu erfolgen. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass die Übermittlung grundsätzlich auf elektronischem Weg zu erfolgen hat. Als (elektronische) Übermittlung gilt in diesem Fall auch das Ausfüllen von on-line Dokumenten. Bei einer elektronischen Übermittlung kann der Auftraggeber die Fristverkürzungstatbestände gemäß § 62 Abs. 1 in Anspruch nehmen und es existiert gemäß Art. 32 Abs. 6 der RL 2009/81/EG keine Beschränkung auf 650 Worte.

Der Bundeskanzler ist verpflichtet, die durch die Kommission festgelegten Verfahren für die Übermittlung von Bekanntmachungen und Mitteilungen kundzumachen. Die Kommission hat gemäß Anhang VI Z 3 der RL 2009/81/EG die Muster und Verfahren bei der elektronischen Übermittlung der Bekanntmachungen festzulegen.

Die Verfahren (Modalitäten) werden auf der SIMAP-Homepage festgelegt. Sofern die Kommission die entsprechenden Festlegungen nicht treffen sollte, bleibt die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Bekanntmachungen und Mitteilungen trotzdem bestehen.

Schließlich ist noch auf die Regelung des Art. 32 Abs. 8 der RL 2009/81/EG hinzuweisen, wonach die Kommission dem Auftraggeber eine Bestätigung über die Veröffentlichung der übermittelten Informationen auszustellen hat, die auch das Datum der Veröffentlichung zu enthalten hat. Diese Bestätigung dient als Nachweis der Veröffentlichung.

Zu § 43 (Verwendung des CPV bei Bekanntmachungen):

Zur Verwendung des CPV ist auf die Verordnung (EG) Nr. 2195/2002 idgF (ABl. L 340 vom 16.12.2002, S.1.) zu verweisen, auf die auch Art. 1 Z 1 der RL 2009/81/EG Bezug nimmt. Mit Verordnung (EG) Nr. 213/2008 der Kommission vom 28. November 2007, ABl. Nr. L 74 vom 15.03.2008, S. 1, wurde das Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (CPV) umfassend überarbeitet. Erwägungsgrund 58 der RL 2009/81/EG erläutert dazu: „Damit auf dem von dieser Richtlinie erfassten Gebiet des öffentlichen Auftragswesens ein wirksamer Wettbewerb entsteht, ist es erforderlich, dass die Bekanntmachungen der Auftraggeber der Mitgliedstaaten unionsweit veröffentlicht werden. Die Angaben in diesen Bekanntmachungen müssen es den Wirtschaftsteilnehmern in der Union erlauben zu beurteilen, ob die vorgeschlagenen Aufträge für sie von Interesse sind. Zu diesem Zweck sollten sie hinreichend über Auftragsgegenstand und Auftragsbedingungen informiert werden. Es ist daher wichtig, für veröffentlichte Bekanntmachungen durch geeignete Mittel, wie die Verwendung von Standardformularen sowie die Verwendung des CPV – der Referenzklassifikation für Aufträge –, eine bessere Publizität zu gewährleisten.“

Zu § 44 (Bekanntmachungen in Österreich und in sonstigen Medien):

In Abs. 1 ist vorgesehen, dass der Bundeskanzler bzw. die Landesregierungen jedenfalls ein (einziges) zusätzliches Publikationsmedium für Bekanntmachungen im Oberschwellenbereich festzulegen haben. Das Publikationsmedium muss elektronisch sein. Zusätzlich zur europäischen Ausschreibungsdatenbank TED soll es daher 10 zentrale Publikationsplattformen in Österreich geben. Dem jeweiligen Verordnungsgeber steht es dabei (im Oberschwellenbereich, zum Unterschwellenbereich siehe § 47 Abs. 2) frei, diese zusätzliche Publikation in einem österreichischen Medium entweder als Verpflichtung oder aber lediglich als Option für die Auftraggeber zu normieren.

Durch die Einführung zentraler Publikationsplattformen auf nationaler bzw. Länderebene soll einerseits ein effektiver wirtschaftlicher Wettbewerb zugunsten der Auftraggeber gefördert und andererseits potentiellen Bietern das Auffinden österreichischer Ausschreibungen erleichtert werden. Zu diesem Zweck wäre es auch sinnvoll, wenn der jeweilige Verordnungsgeber die Aufnahme von Links auf die jeweils neun anderen Publikationsplattformen verpflichtend vorsieht.

In den Verordnungen sind nähere Festlegungen sowohl hinsichtlich der Übermittlung der Bekanntmachung vom Auftraggeber an das Publikationsmedium als auch hinsichtlich der im Zuge der Übermittlung und der Veröffentlichung durch das Publikationsmedium zu beachtenden Modalitäten zu treffen. Die in der jeweiligen Verordnung getroffenen näheren Festlegungen können sich daher nicht nur an den Auftraggeber, sondern auch an das festzulegende Publikationsmedium richten. Festgelegt werden können etwa ein Vorrang für bestimmte Übermittlungsarten, eine Verpflichtung zur Bestätigung des Eingangs der Bekanntmachung oder Anforderungen an die Veröffentlichung in zeitlicher oder technischer Hinsicht.

Darüber hinaus steht es den Auftraggebern frei, ihre Bekanntmachungen in zusätzlichen, weiteren Publikationsorganen zu veröffentlichen. Gemäß Abs. 4 dürfen Bekanntmachungen auf innerstaatlicher Ebene nicht vor dem Tag der Absendung der Bekanntmachung an die Kommission veröffentlicht werden und keine anderen Informationen enthalten als die Bekanntmachungen im Amtsblatt der Europäischen Union.

Auf die Übergangsbestimmung des § 145 Abs. 2 wird hingewiesen.

Zu § 45 (Bekanntmachung einer Vorinformation):

Die Bestimmung setzt Art. 30 Abs. 1 der RL 2009/81/EG um.

Eine Vorinformation ist nicht verpflichtend. Einzig wenn der Auftraggeber die Fristverkürzungsmöglichkeit des § 53 in Anspruch nehmen möchte, hat er zuvor eine Vorinformation gemäß § 45 zu veröffentlichen (arg. „sofern“ in Abs. 1). Diese Veröffentlichung kann auf zwei unterschiedliche – gleichwertige – Arten erfolgen. Der Auftraggeber kann entweder die Vorinformation der Kommission unter Verwendung des einschlägigen Standardformulars zur Veröffentlichung übermitteln (diesfalls erfolgt die Bekanntmachung durch die Kommission) oder der Auftraggeber veröffentlicht die Vorinformation in seinem Beschafferprofil. Die Veröffentlichung im Beschafferprofil ist allerdings an die Voraussetzung geknüpft, dass der Kommission die Veröffentlichung einer Vorinformation im Beschafferprofils vorab bekanntgegeben wird.

Wenn eine Vorinformation zur Fristverkürzung herangezogen werden soll, dann hat sie jedenfalls den Vorgaben der Abs. 4 und 5 zu entsprechen.

Zu Abs. 1 ist weiters auf Folgendes hinzuweisen: In Art. 30 Abs. 1 letzter UA der RL 2009/81/EG ist festgehalten, dass die Regelungen über eine verpflichtende Vorinformation zur Inanspruchnahme der Verkürzung der Angebotsfrist bei Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung nicht besteht. Eine Umsetzung dieser Regelung erübrigt sich, da eine Mindestfrist auch in der RL nur im Zusammenhang mit dem nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung, dem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung und dem wettbewerblichen Dialog geregelt wird (vgl. Art. 33 Abs. 3 der RL). Die oben zitierte Regelung geht daher ins Leere und wurde nur zur Klarstellung in die RL aufgenommen.

Zu § 46 (Bekanntgabe von vergebenen Aufträgen und abgeschlossenen Rahmenvereinbarungen):

Die Regelung setzt Art. 30 Abs. 3 der RL 2009/81/EG um und beinhaltet die Verpflichtung zur Bekanntgabe vergebener Aufträge und abgeschlossener Rahmenvereinbarungen.

Gemäß Abs. 1 letzter Satz (vgl. Art. 30 Abs. 3 zweiter UA der RL 2009/81/EG) ist es nicht geboten, der Kommission für jeden Einzelauftrag, der aufgrund einer Rahmenvereinbarung vergeben wird, eine Bekanntmachung mit den Ergebnissen des jeweiligen Vergabeverfahrens zu übermitteln.

Durch die §§ 46 Abs. 3 sowie 47 Abs. 6 wird dem Auftraggeber die Möglichkeit eingeräumt, einen Auftrag, den er in einem Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben hat, (bzw. eine Rahmenvereinbarung, die er nach Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung abgeschlossen hat) nachträglich bekannt zu machen. Je nach dem, ob es sich um ein Verfahren im Ober- oder im Unterschwellenbereich handelt, erfolgt dabei eine Bekanntgabe an die Kommission (die wiederum eine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union nach sich zieht) und/oder in dem gemäß § 44 Abs. 1 vom jeweiligen Verordnungsgeber festgelegten innerstaatlichen Publikationsmedium.

Die Bedeutung dieser Regelung ergibt sich aus § 135 BVergGVS iVm § 332 Abs. 3 BVergG 2006, der die Frist regelt, innerhalb derer ein Feststellungsantrag gemäß § 135 BVergGVS iVm § 331 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 einzubringen ist. Diese Frist kann von grundsätzlich sechs Monaten (ab Vertragsschluss) auf 30 Tage reduziert werden, wenn der Auftraggeber (unter anderem) eine ex‑post Bekanntmachung über die Auftragsvergabe veröffentlicht hat.

Die Möglichkeit, einen vergebenen Auftrag (bzw. eine abgeschlossene Rahmenvereinbarung) bekannt zu machen, ist somit Voraussetzung für die Fristverkürzung. Aus Gründen der Transparenz soll diese Möglichkeit zur freiwilligen Bekanntmachung im Gesetz explizit klargestellt werden. Aus systematischen Erwägungen soll dies im Zusammenhang mit der Bekanntgabe von vergebenen Aufträgen erfolgen. Eine Verpflichtung zur nachträglichen Bekanntmachung derart vergebener Aufträge wird dadurch im gegebenen Zusammenhang nicht normiert. Wenn der Auftraggeber von der eingeräumten Möglichkeit keinen Gebrauch macht, bleibt es für die Einbringung des Feststellungsantrags gemäß § 135 BVergGVS iVm § 331 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 bei der grundsätzlichen, sechsmonatigen Frist.

Ziel dieser Regelung ist es, potentiell an einem Auftrag interessierten Unternehmern die Möglichkeit einzuräumen, einen Feststellungsantrag gemäß § 135 BVergGVS iVm § 331 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 zu stellen. Daher hat eine derartige ex‑post Bekanntmachung jedenfalls die wesentlichsten Elemente des vergebenen Auftrags wie Auftraggeber (vergebende Stelle), erfolgreicher Bieter, Auftragsgegenstand und Auftragswert zu enthalten, die einem Unternehmer die Einschätzung ermöglichen, ob er ein Interesse am Abschluss dieses Vertrages haben hätte können bzw. ob die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung rechtmäßig gewesen sein konnte. Dies soll in den betreffenden Bestimmungen jeweils ausdrücklich vorgesehen werden.

Zum Begriff „Gesamtpreis“ (das ist die Auftragssumme ohne Umsatzsteuer) in § 46 Abs. 3 vgl. § 2 Z 26 lit. a bzw. d BVergG 2006.

Zu § 47 (Bekanntmachungen in Österreich und in sonstigen Medien):

§ 47 enthält die Bekanntmachungsbestimmung für den Unterschwellenbereich.

Im Gegensatz zum Oberschwellenbereich ist die Veröffentlichung der Bekanntmachungen im vom Bundeskanzler bzw. der jeweiligen Landesregierung festgelegten Publikationsmedium im Unterschwellenbereich verpflichtend. Dass lediglich ein einziges elektronisches Publikationsmedium (für Bekanntmachungen im Ober- und Unterschwellenbereich) eingerichtet werden darf, ergibt sich aus dem Verweis in Abs. 2 auf § 44 Abs. 1.

Durch die Einführung zentraler elektronischer Publikationsplattformen auf nationaler bzw. Länderebene soll einerseits ein effektiver wirtschaftlicher Wettbewerb zugunsten der Auftraggeber gefördert und andererseits potentiellen Bietern das Auffinden österreichischer Ausschreibungen erleichtert werden.

Darüber hinaus steht es den Auftraggebern frei, ihre Bekanntmachungen in zusätzlichen, weiteren Publikationsorganen zu veröffentlichen (etwa lokal verbreiteten Printmedien; vgl. Abs. 4).

Abs. 5 ist die Parallelbestimmung zu § 41 Abs. 2 für den Unterschwellenbereich. Es wird daher auf die Erläuterungen zu § 41 verwiesen. Die freiwilligen Bekanntmachungen haben in dem gemäß Abs. 2 vom Bundeskanzler bzw. der jeweiligen Landesregierung festgelegten Publikationsmedium zu erfolgen.

Zu Abs. 6 wird auf die Erläuterungen zu § 46 Abs. 3 verwiesen.

Beim „Gesamtpreis“ in Abs. 6 handelt es sich um die Auftragssumme ohne Umsatzsteuer (vgl. § 2 Z 26 lit. a bzw. d BVergG 2006). Im Falle einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern sind gemäß Abs. 6 Name und Anschrift aller erfolgreichen Bieter bekannt zu machen.

Zu § 48 (Berechnung der Fristen):

§ 48 regelt die Berechnung der Fristen. Die Abs. 3 bis 5 enthalten jeweils getrennte Regelungen betreffend den Beginn, die Berechnung und das Ende von Fristen, die nach Tagen (Abs. 3), Wochen, Monaten oder Jahren (Abs. 4) bzw. Stunden (Abs. 5) bemessen werden. Abs. 6 enthält eine Sonderregelung für den Fall, dass der letzte Tag der Frist auf einen Karfreitag, einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt; Abs. 7 enthält wiederum eine Bestimmung über die Vornahme von Handlungen während der Amts- und Geschäftsstunden.

Bei dem normierten Konzept wird klar zwischen dem Tag, an dem eine Frist zu laufen beginnt, und dem Tag, an den die Fristberechnung anknüpft, unterschieden werden. Eine Frist beginnt demnach um 00.00 Uhr des Tages zu laufen, an dem das fristauslösende Ereignis eintritt.

Für nach Tagen bemessene Fristen ist ausdrücklich vorgesehen, dass dieser Tag bei der Berechnung der Frist nicht mitzurechnen ist. Eine siebentägige Frist, bei der das fristauslösende Ereignis am Freitag, den 1. Juli 2011 eintritt, endet somit am Freitag, den 8. Juli 2011, 24.00 Uhr.

Für Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren bemessen werden, wird die Nicht-Mitberechnung des Tages, an dem das fristauslösende Ereignis eintritt, nicht ausdrücklich normiert. Die Konsequenz, dass der Tag des fristauslösenden Ereignisses auch bei Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren bemessen werden, im Ergebnis nicht mitzurechnen ist, ergibt sich nämlich ohnehin aus den Regelungen über das Ende der jeweiligen Frist. Anders ausgedrückt: Während es bei Fristen, die nach Tagen bemessen werden, erforderlich ist, eine Aussage darüber zu treffen, ob der Tag des fristauslösenden Ereignisses mitgezählt wird oder nicht, ist eine derartige Aussage bei Fristen, die etwa nach Wochen bemessen sind, nicht notwendig. Diese Fristen enden jeweils mit Ablauf des Tages, der dem jeweiligen Tag des Fristbeginns im Namen oder in der Zahl entspricht. Eine einwöchige Frist, bei der das fristauslösende Ereignis am Freitag, den 1. Juli 2011 eintritt, endet somit am Freitag, den 8. Juli 2011, 24.00 Uhr.

Festzuhalten ist somit, dass in dieser Hinsicht zwischen der Berechnung von nach Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bemessenen Fristen gemäß dem AVG sowie gemäß dem BVergGVS keine Abweichungen bestehen. Über die Regelungen des AVG sowie des § 902 ABGB hinausgehend enthält § 48 aber auch eine Regelung betreffend Fristen, die nach Stunden bemessen werden.

Zu den verfahrensrechtlichen Fristen und deren Berechnung wird auf die §§ 32 und 33 AVG verwiesen.

Zu § 49 (Grundsätze für die Bemessung und Verlängerung von Fristen):

§ 49 Abs. 1 und 2 enthalten die Grundsatzbestimmung für die Bemessung und Verlängerung von Fristen.

Die Grundsatzbestimmung des Abs. 1 für die Bemessung der Fristen ist insbesondere im Zusammenhang mit komplexen Leistungsvergaben und somit auch für den wettbewerblichen Dialog von Bedeutung. Da es sich bei einem wettbewerblichen Dialog jedenfalls um einen besonders komplexen Auftrag handeln muss und die Ausarbeitung der Lösung auf der Grundlage der bekannten Bedürfnisse des Auftraggebers im Regelfall nicht einfach zu bewerkstelligen ist, ist dem Bewerber für die Ausarbeitung der Lösung eine hinreichend lange Zeit einzuräumen. Eine längere als die gesetzlich bestimmte Mindestfrist ist etwa bei komplexen Aufträgen, bei für die Angebotslegung erforderlichen schwierigen Vorerhebungen, bei Ortsbesichtigungen, bei dem Erfordernis der Herstellung von Proben und Mustern und bei einer Einsichtnahme in aufgelegte Ausschreibungsunterlagen vorzusehen.

Zu Abs. 3 ist anzumerken, dass die Regelung nur die Konstellation des Serverausfalles vor Ablauf der genannten Fristen regelt (arg. „bis zum Zeitpunkt...“ im ersten Satz). Tritt daher ein Serverausfall nach Ablauf der Angebotsfrist ein, so ist eine Fortsetzung der Angebotsöffnung nach Behebung der Störung möglich.

Grundsätzlich gelten für die Gefahrtragung bei der Übermittlung elektronischer Angebote die gleichen Grundsätze wie im traditionellen Weg („das Angebot reist auf Gefahr des Bieters“; vgl. BVA 18.6.1998, N-16/98-17). Insbesondere haben die Bieter dafür Sorge zu tragen, dass sie – wenn sie umfangreiche Unterlagen übermitteln – diese so rechtzeitig absenden, dass sie auf dem angegebenen Server des Auftraggebers fristgerecht geladen werden können. Das Angebot gilt als zugegangen, wenn der Auftraggeber davon Kenntnis erhält bzw. wenn das Angebot in den Machtbereich des Auftraggebers (zB bekannt gegebene Mailadresse) gelangt; bei letzterem unabhängig davon, an welchem Ort der Welt sich der E-Mail-Server befindet (vgl. dazu auch § 12 ECG idgF). Es müssen aber besondere Vorkehrungen für den Fall getroffen werden, dass ein vom Bieter rechtzeitig versendetes Angebot nicht oder nicht rechtzeitig beim Auftraggeber einlangt bzw. einlangen kann, weil der Server des Auftraggebers (z.B. aufgrund technischer Probleme) nicht empfangsbereit ist. Bei derartigen Problemen, die in der Sphäre des Auftraggebers liegen, hat dieser die Verfügbarkeit des Systems wieder herzustellen und erforderlichenfalls eine angemessene Verlängerung der Angebotsfrist in geeigneter Weise bekannt zu machen. Erforderlich ist eine Verlängerung der Angebotsfrist dann nicht, wenn der Server innerhalb der Angebotsfrist ausfällt (zB 1 Woche vor Ablauf der Angebotsfrist Serverausfall für 5 Stunden), die Empfangsbereitschaft jedoch mit ausreichendem Zeitabstand zum Zeitpunkt des Ablaufes der Angebotsfrist wieder hergestellt wird. Hingegen ist eine Verlängerung der Angebotsfrist erforderlich, wenn der Server kurz vor dem Zeitpunkt des Ablaufes der Angebotsfrist ausfällt. Als geeignete Form der Bekanntmachung gilt insbesondere die Bekanntmachung auf einer Internetseite des Auftraggebers, die dieser als Publikationsmedium im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren (in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen) bekannt gegeben hat. Da Serverausfälle regelmäßig sehr kurzfristig und unvorhersehbar eintreten, ist eine Verpflichtung zur Bekanntmachung in schriftlichen Publikationsmedien (z.B. Amtblättern) ungeeignet, weil in diesen Medien kurzfristige Bekanntmachungen nicht zeitgerecht erfolgen können.

Zu § 50 (Übermittlungs- und Auskunftsfristen):

Abs. 1 setzt Art. 34 Abs. 3 und 4 der RL 2009/81/EG um.

„Zeitgerecht“ im Sinne des Abs. 1 wurde das Ersuchen dann gestellt, wenn es so rechtzeitig übermittelt wurde, dass die zusätzlichen Auskünfte sechs Tage vor Ablauf der Frist für den Eingang der Angebote erteilt werden können. Werden zusätzliche Auskünfte über Ausschreibungsunterlagen kürzer als sechs Tage vor Ablauf der Angebotsfrist angefordert, so sind die Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Die Auskunftserteilung kann durch Zusenden oder elektronisch (oder via Website) erfolgen.

Abs. 2 setzt Art. 33 Abs. 6 der RL 2009/81/EG um. Zur Verlängerung der Angebotsfrist ist auch auf § 49 Abs. 2 zu verweisen; eine Verlängerung ist daher den Bietern nachweislich bekannt zu geben oder ansonsten entsprechend bekannt zu machen. Hinzuweisen ist auch darauf, dass sich die Regelungen des § 50 auf alle Verfahren beziehen (somit auch auf den wettbewerblichen Dialog).

Zu den §§ 51 und 52 (Teilnahmefristen und Angebotsfristen):

Die in den §§ 51 und 52 normierten materiellrechtlichen Fristen ergeben sich aus Art. 33 der RL 2009/81/EG.

§ 52 beinhaltet bewusst keine Regelung über Mindestangebotsfristen bei Verhandlungsverfahren, da Verhandlungsverfahren möglichst wenig formalisiert werden sollen. Die allgemeine Vorschrift des § 49 Abs. 1 (Fristen müssen ausreichend Zeit für die Vornahme der geforderten Handlung einräumen) ist auch für Verhandlungsverfahren maßgeblich.

Zu § 53 (Angebotsfristen im beschleunigten Verfahren nach Vorinformation):

Die Regelung beruht auf Art. 33 Abs. 3 der RL 2009/81/EG. Bei Bekanntmachung einer Vorinformation besteht demnach die Möglichkeit, ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen. Auf Grund des Wortlautes der Richtlinie („kann die Frist … im Allgemeinen auf 36 Tage, jedoch auf keinen Fall auf weniger als 22 Tage, verkürzt werden“) besteht die Möglichkeit, die Mindestfrist jedenfalls mit der jeweils genannten kürzesten Frist (somit 22 Tage) festzusetzen.

Um die Fristverkürzung in Anspruch nehmen zu können, muss die Vorinformation jedenfalls die in § 45 genannten Vorgaben zeitlicher sowie inhaltlicher Art erfüllen.

Zu § 54 (Verkürzte Angebots- und Teilnahmefristen bei Verwendung elektronischer Medien):

Die Möglichkeit einer Fristverkürzung bei Verwendung elektronischer Medien basiert auf Art. 33 Abs. 4 und 5 der RL 2009/81/EG. Erwägungsgrund 60 der genannten Richtlinie führt dazu Folgendes aus: „Der Einsatz elektronischer Mittel spart Zeit. Dementsprechend ist beim Einsatz dieser elektronischen Mittel eine Verkürzung der Mindestfristen für den Eingang der Angebote und der Teilnahmeanträge vorzusehen, unter der Voraussetzung, dass sie mit den auf Unionsebene vorgesehenen spezifischen Übermittlungsmodalitäten vereinbar sind.“

In Abs. 2 ist auf die erstmalige Verfügbarkeit abzustellen, da auf Unionsebene die Kommission auch bei elektronischer Übermittlung der Bekanntmachung für die Veröffentlichung maximal fünf Tage Zeit hat (vgl. Art. 32 Abs. 3 RL 2009/81/EG), in der Zwischenzeit aber auf nationaler Ebene die Bekanntmachung schon erfolgen könnte; das Gesetz stellt daher auf die „zeitlich erste“ Veröffentlichung ab.

Zu § 55 (Verkürzte Teilnahme- und Angebotsfristen im beschleunigten Verfahren bei Dringlichkeit):

Die Regelung setzt Art. 33 Abs. 7 der RL 2009/81/EG um.

Der erste Satz stellt klar, dass eine Verkürzung der in den §§ 51 bis 54 vorgesehenen Fristen aus Gründen der Dringlichkeit ausschließlich im nicht offenen und im Verhandlungsverfahren (beide mit vorheriger Bekanntmachung) in Frage kommt. Es können nicht nur die regulären, sondern auch die verkürzten Fristen weiter verkürzt werden.

Klarzustellen ist, dass die „Dringlichkeit“ gemäß § 55 nicht mit der in § 25 Z 3 oder 4 normierten Dringlichkeit (als Voraussetzung für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung) ident ist. Erstere setzt ein kleineres Maß an Dringlichkeit voraus und ist nicht auf außergewöhnliche Umstände (Krisensituation, zwingende Gründe) zurückzuführen.

Zu § 56 (Teilnahme-, Angebots, Übermittlungs und Auskunftsfristen):

Im Unterschwellenbereich gelten für die Berechnung, die Bemessung, die Festsetzung und die Verlängerung von Fristen jedenfalls die Berechnungsregeln des § 48 und die Grundsätze des § 49. Der Auftraggeber hat daher – unter Bedachtnahme auf die Umstände des konkreten Vergabeverfahrens – Fristen so zu bemessen und festzusetzen, dass den betroffenen Unternehmern ausreichend Zeit für die Vornahme der entsprechenden Handlungen verbleibt. Als Fristen werden 37 Tage (Teilnahmefrist) bzw. 40 Tage (Angebotsfrist) als Grundsatz vorgesehen. Durch die Wortwahl („sollten … nicht ohne wichtigen Grund unterschreiten“) wird zum Ausdruck gebracht, dass eine Unterschreitung dieser Fristen durchaus möglich und zulässig ist. Gründe für die Unterschreitung dieser Grundsatzfristen sind etwa Dringlichkeit des Bedarfs, hohe Standardisierung des zu beschaffenden Gutes (z.B. Katalogprodukte oder „off-the-shelf“ Produkte) oder der Einsatz elektronischer Medien (vgl. dazu schon § 54). Satz 2 enthält eine Regelung über die Fristen zur Erteilung zusätzlicher Auskünfte und über die Übermittlung zusätzlicher Unterlagen. Grundsätzlich gilt die Regelung des § 50 jedoch werden die darin vorgesehenen Fristen „grundsätzlich“ (d.h. eine Unterschreitung ist auch hier aus sachlichen Gründen möglich und zulässig) auf jeweils vier Tage reduziert.

Zu § 57 (Ausschlussgründe):

Zur Überschrift zum 4. Abschnitt des 3. Hauptstückes „Eignung der Unternehmer“ ist anzumerken, dass Eignung in der Überschrift als Oberbegriff über das Nicht-Vorliegen eines Ausschlussgrundes sowie das Vorliegen der geforderten Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit zu verstehen ist.

Allgemein ist anzumerken, dass bei der Anwendung dieses Hauptstückes insbesondere auch die einschlägige Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (vgl. etwa Rs 27 bis 29/86, 31/87, C‑103/88, C‑272/91, C‑76/81, C‑71/92, C‑389/92, C‑5/97, C‑176/98 und C‑94/99) zu beachten ist.

§ 57 Abs. 1 enthält abschließend all jene nach der RL 2009/81/EG zulässigen Ausschlusskriterien hinsichtlich der Eignung von am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmern (vgl. dazu Art. 39 der RL 2009/81/EG). Insofern präzisiert § 57 den gemäß § 17 Abs. 1 bestehenden Vergabegrundsatz, wonach Aufträge über Leistungen nur an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu vergeben sind.

Z 1 resultiert aus dem auf unionsrechtlicher Ebene bestehenden Bemühen, kriminelle Handlungen auch im Bereich des Vergaberechts zu sanktionieren (vgl. Art. 39 Abs. 1 der RL 2009/81/EG). Erwägungsgrund 65 führt dazu aus: „Es sind Vorkehrungen zu treffen, um der Vergabe von Aufträgen an Wirtschaftsteilnehmer, die sich an einer kriminellen Vereinigung beteiligt oder der Bestechung oder des Betrugs zu Lasten der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung, terroristischer Straftaten oder Straftaten im Zusammenhang mit dem Terrorismus schuldig gemacht haben, vorzubeugen. Die Auftraggeber sollten gegebenenfalls von den Bewerbern/Bietern geeignete Unterlagen anfordern und, wenn sie Zweifel in Bezug auf die persönliche Lage dieser Bewerber/Bieter hegen, die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats um Mitarbeit ersuchen können. Diese Wirtschaftsteilnehmer sollten ausgeschlossen werden, wenn dem Auftraggeber bekannt ist, dass es eine nach einzelstaatlichem Recht ergangene endgültige und rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zu derartigen Straftaten gibt. Enthält das nationale Recht entsprechende Bestimmungen, so kann ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften über unrechtmäßige Absprachen bei Aufträgen, der mit einem rechtskräftigen Urteil oder einem Beschluss gleicher Wirkung geahndet wurde, als Delikt, das die berufliche Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers in Frage stellt, oder als schwere Verfehlung betrachtet werden. […]“ Abzustellen ist bei der Beurteilung auf die Vorschriften jenes Landes, in dem der betreffende Unternehmer seinen Sitz hat, das sind im Regelfall die Vorschriften einer EWR/GPA-Vertragspartei oder die Vorschriften eines Drittlandes, mit dem die Union ein Abkommen über die gegenseitige Öffnung der Beschaffungsmärkte abgeschlossen hat. Die Verurteilung hat bestimmte Straftatbestände zu „betreffen“. Durch diese Wortwahl wird nicht nur die Verurteilung des Haupttäters sondern auch die Verurteilung des Beitrags- oder Bestimmungstäters (vgl. § 12 StGB) erfasst. Darüber hinaus sind sowohl Verurteilungen von natürlichen wie auch von juristischen Personen (gem. VbVG) relevant.

Zu den Ausschlussgründen der Z 2 und 3 ist auf die Regelung des Abs. 2 hinzuweisen, wonach unter bestimmten Voraussetzungen von einem Ausschluss gemäß diesen Bestimmungen abgesehen werden kann.

Bei der Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit von juristischen Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts, eingetragenen Erwerbsgesellschaften oder Arbeitsgemeinschaften ist gemäß Abs. 1 Z 4 auf jene physischen Personen abzustellen, die in der Geschäftsführung tätig sind. Ein „rechtskräftiges Urteil“ im Sinne der Z 4 ist eine nicht mehr bekämpfbare strafgerichtliche Verurteilung (verwaltungsstrafbehördliche Akte werden nicht durch Z 4 sondern durch Z 5 erfasst). Als Verurteilung wegen eines Deliktes, das die berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellt, kommt insbesondere eine Verurteilung nach § 168b StGB (Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren) in Betracht. Ein Delikt, dass die berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellt, wäre beispielsweise auch ein Verstoß gegen geltende Rechtsvorschriften über die Ausfuhr von Verteidigungs- und/oder Sicherheitsgütern (vgl. Art. 39 Abs. 2 lit. c der RL 2009/81/EG).

Zu Abs. 1 Z 5 ist festzuhalten, dass hinsichtlich schwerer Verfehlungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit gemäß den unionsrechtlichen Vorgaben das Abfordern eines entsprechenden Nachweises vom Unternehmer unzulässig wäre (vgl. diesbezüglich auch das Verbot der Selbstbezichtigung gemäß Art. 90 Abs. 2 B-VG). Die schwere Verfehlung muss vielmehr vom Auftraggeber selbst nachweislich festgestellt werden. Bei der Beurteilung, ob ein Auftraggeber die Verfehlung „selbst“ festgestellt hat, ist zu beachten, dass dem Auftraggeber das Wissen und die Kenntnis aller seiner ihm zugeordneten Organe zugerechnet wird. Wie der Nachweis der Verfehlung im Sinne der Z 5 zu erfolgen hat, regelt das Gesetz nicht explizit. Aus der systematischen Interpretation mit den weiteren Ausschlusstatbeständen sowie den Regelungen des § 59 ergibt sich, dass das Gesetz an diesen Nachweis strenge Kriterien bezüglich seiner Objektivierbarkeit legt. Der Nachweis muss daher objektiven Kriterien genügen und damit jenen Formen des Nachweises des Vorliegens eines Ausschließungsgrundes gleichzuhalten sein, die in den anderen Tatbeständen des § 57 geregelt sind. Die Tatsache, dass der Auftraggeber ein bestimmtes in einem früheren Auftragsverhältnis gesetztes Verhalten des Bewerbers, über dessen Bewertung er gerade mit dem Bewerber im Rechtsstreit liegt, als schwere Verfehlung wertet, stellt keinen objektiven Kriterien genügenden Nachweis dar. Die Umstände, auf die sich der Nachweis der schweren beruflichen Verfehlung durch den Auftraggeber gründet, müssen wesentlich von objektiven, nicht erst künftiger gerichtlicher Klärung unterliegenden Umständen abhängen. Der Auftraggeber hat dem Bieter Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, falls er ihn auf Grund des Tatbestandes der Z 5 ausschließen will. Z 5 kann subsidiär vom Auftraggeber herangezogen werden, falls eine entsprechende Feststellung durch den Auftraggeber im Zusammenhang mit einer gerichtlich strafbaren Handlung erfolgte (bei der zB keine Verurteilung erfolgte oder noch keine Verurteilung erfolgte oder bei der eine Verurteilung nicht mehr möglich ist).

In Z 5 ist als schwere Verfehlung die Verletzung von Pflichten zur Gewährleistung der Informations- oder Versorgungssicherheit im Rahmen eines früheren Auftrags ausdrücklich genannt (vgl. Art. 39 Abs. 2 lit. d der RL 2009/81/EG); es sind jedoch auch Verstöße gegen Bestimmungen des Arbeits-, Sozial oder Umweltrechts von Z 5 umfasst. Wie im BVergG 2006 ist Abs. 1 Z 5 daher eine zentrale Bestimmung für die Berücksichtigung arbeits-, sozialrechtlicher und umweltrechtlicher Aspekte bei der Vergabe von Aufträgen. Bieter, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung, insbesondere gegen Bestimmungen des Arbeits-, Sozial- und Umweltrechts, begangen haben, die vom Auftraggeber nachweislich – wie vorhin ausgeführt – festgestellt wurde, sind zwingend auszuschließen. Eine Verletzung zwingend einzuhaltender Bestimmungen kann daher mittelbar dazu führen, dass der betreffende Bieter nicht mehr berechtigt ist, am Vergabeverfahren teilzunehmen. So ist etwa gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 Gewerbeordnung (GewO) die Gewerbeberechtigung zwingend zu entziehen, wenn „der Gewerbeinhaber infolge schwer wiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen … die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.“ Als derartige Schutzinteressen sind gemäß § 87 Abs. 1 letzter UA leg.cit. „insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung … sowie der Diskriminierung von Personen allein auf Grund ihrer Rasse, Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung“ anzusehen. In Österreich stellen Verletzungen arbeits- und sozialrechtlicher Bestimmungen zumeist zwingendes Recht dar und sind in der Regel mit Verwaltungssanktionen bewehrt (vgl. zB: § 28 ArbeitszeitG, § 130 ArbeitnehmerInnenschutzG, § 21 BehinderteneinstellungsG, § 22 ArbeitskräfteüberlassungsG, § 160 ArbVG und das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen, BGBl. Nr. 599/1987). Die Übertretung dieser Vorschriften, die verwaltungsstrafrechtlich geahndet wird, stellt jedenfalls gleichzeitig auch eine Verletzung von Berufspflichten und damit insbesondere eine Übertretung von zum Schutz der Arbeitnehmer erlassenen Regeln dar und kann somit auch zum Ausschluss von einem Vergabeverfahren führen. Als einschlägiges Beispiel der Judikatur zur Verpflichtung der Einhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Bestimmungen kann jene Entscheidung des Bundesvergabeamtes (Bescheid Nr. 1/98 vom 19. Jänner 1998) genannt werden, worin ein Unternehmen auf Grund seines Angebotes, das zu schlechteren Bedingungen als den geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen erstellt und eingereicht worden war, von der Auftragsvergabe ausgeschlossen wurde.

In Erwägungsgrund 66 der RL 2009/81/EG heißt es dazu: „Die Nichteinhaltung nationaler Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen von Arbeitsnehmern, die mit einem rechtskräftigen Urteil oder einem Beschluss gleicher Wirkung sanktioniert wurde, kann als Verstoß, der die berufliche Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers in Frage stellt, oder als schwere Verfehlung betrachtet werden.“

Gemäß Z 6 sind Unternehmer auszuschließen, die nicht die erforderliche Vertrauenswürdigkeit aufweisen, um Risiken für die Sicherheit der Republik Österreich auszuschließen. Dies muss nachweislich festgestellt worden sein (vgl. Art. 39 Abs. 2 lit. e der RL 2009/81/EG: „was mit Hilfe irgendeines Beweismittels […] nachgewiesen wurde“). „Geschützte Datenquellen“ sind etwa Daten von Nachrichten- oder Geheimdiensten und Personen, die für solche Institutionen (gegebenenfalls auch zeitweise) arbeiten („Informanten“). In diesem Fall kann der Ursprung der Information nicht offen gelegt werden, ohne die Datenquelle oder die Art und Weise, wie die Daten ermittelt wurden, preiszugeben. Bei geschützten Datenquellen gilt jedoch ebenso, dass die mangelnde Vertrauenswürdigkeit „nachweislich“ festgestellt wurde. In Erwägungsgrund 65 der RL 2009/81/EG heißt es dazu: „[…] Es sollte auch möglich sein, Wirtschaftsteilnehmer auszuschließen, wenn dem Auftraggeber gegebenenfalls auch aus geschützten Quellen stammende Informationen vorliegen, wonach sie nicht die erforderliche Vertrauenswürdigkeit aufweisen, um Risiken für die Sicherheit des Mitgliedsstaats auszuschließen. Diese Risiken können mit bestimmten Merkmalen der vom Bewerber gelieferten Produkte oder mit der Gesellschaftsstruktur des Bewerbers zusammenhängen.“

Zu Z 7 ist festzuhalten, dass der Ausschluss bei „Nicht-Erfüllung“ der Verpflichtung zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge vorgesehen ist. Wann dies der Fall ist, wird der Auftraggeber unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen haben (vgl. dazu auch die SA von GA Maduro in der Rs C-226/04 und C-228/04, La Cascina und Zilch). Wenn daher Sozialversicherungsbeiträge zB nicht sofort bezahlt wurden (etwa aus Versehen der Buchhaltung) und der Unternehmer deshalb bereits gemahnt wurde, so wird der Auftraggeber die Umstände des Falles näher prüfen müssen (ob dies ein Einzelfall war oder dies bereits häufig und systematisch passiert ist – vgl. dazu auch Prüfungsschema des § 62). Im Rahmen dieser Prüfung wird auch zu beachten sein, ob die Außenstände nur eine geringe Summe betreffen oder ob dies signifikante Beträge ausmacht (uU mit Gefahr für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmers, falls alle Außenstände zwangsweise eingetrieben werden). Hinzuweisen ist auf die Regelung in Abs. 3 Z 2, wonach von einem Ausschluss Abstand genommen werden kann, wenn nur geringe Rückstände bestehen.

Zu der in Abs. 3 Z 1 generell vorgesehenen Möglichkeit, von einem Ausschluss Abstand zu nehmen, wird auf die entsprechende Bestimmung in Art. 39 Abs. 1 3. UA der RL 2009/81/EG verwiesen. Als Ausnahmebestimmung ist Z 1 eng auszulegen. Als Beispiel kann folgende Situation genannt werden: der Auftraggeber muss dringend eine bestimmte Menge an Munition beschaffen, die Munition kann jedoch in ausreichender Menge und Verfügbarkeit nur von einem Unternehmer bezogen werden, der wegen Bestechung verurteilt wurde.

Im Falle des Abs. 3 Z 2 ist eine Einzelfallbetrachtung geboten. Die Beurteilung, ob „geringfügige“ Rückstände bestehen, ist insbesondere anhand folgender Kriterien zu beurteilen: handelt es sich um einen Ausstand in einem laufenden oder soeben erst beendeten Berechnungszeitraum (zB Quartal); wann entstand der Rückstand; handelt es sich um eine signifikante Rückstandshöhe im Vergleich zum konkret betroffenen Unternehmen (Beurteilung etwa anhand eines Vergleiches des Rückstandes im Verhältnis zu Umsatz des Unternehmens) u.ä.m.

Zu § 58 (Zeitpunkt des Vorliegens der Eignung):

§ 58 enthält differenzierte Regelungen, zu welchem Zeitpunkt die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bei den verschiedenen Verfahren vorliegen muss. Durch die Formulierung „muss … spätestens … vorliegen“ wird verdeutlicht, dass ab dem in Z 1 bis 4 genannten Zeitpunkt die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit vorliegen muss und in der Folge nicht mehr verloren gehen darf. Darüber hinaus enthält der Einleitungssatz des § 58 keine Verpflichtung des Auftraggebers zu einer ständigen Überprüfung, ob nach den in den Z 1 bis 4 genannten Zeitpunkten die Eignung seitens des Unternehmers noch vorliegt oder nicht. Nur sofern konkrete Anhaltspunkte für den Verlust eines Eignungselementes bestehen, ist der Auftraggeber gehalten, das Bestehen der Eignung zu verifizieren.

In Z 2 bedeutet „grundsätzlich“, dass die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bezogen auf jenen Leistungsgegenstand vorliegen muss, soweit er zum Zeitpunkt der Z 2 bekannt war; damit wird den im Verhandlungsverfahren typischen Änderungen des Leistungsgegenstandes bei der Verpflichtung zum Nachweis Rechnung getragen.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Regelung für den wettbewerblichen Dialog hinzuweisen (Z 4). Die Wahl des relativ späten Zeitpunkts (Aufforderung zur Angebotsabgabe) resultiert daraus, dass der Auftraggeber davor im Regelfall nur vage Vorstellungen über den Leistungsgegenstand hat und daher die Kriterien für die verlangte Eignung nur grob darlegen kann. Der Teilnehmerkreis in der Dialogphase soll aber nicht durch eine strenge Eignungsprüfung begrenzt werden (vgl. PPP, bei denen sich Konsortien erst während des Dialoges bilden usw.). Die Regelung hindert den Auftraggeber aber nicht daran, gewisse rudimentäre Eignungsanforderungen bereits bei der Einladung zur Teilnahme am Dialog zu verlangen.

Hinsichtlich der elektronischen Auktion ist darauf hinzuweisen, dass einschlägige Regelungen entbehrlich sind. Da die elektronische Auktion lediglich einen Verfahrensabschnitt darstellt, bestimmt sich der Zeitpunkt des Vorliegens der Eignung nach den Regelungen für das Verfahren, das vor Durchführung der Auktion abgewickelt wurde. Die Regelung betreffend die Direktvergabe findet sich in § 32 Abs. 4, betreffend die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung in § 33 Abs. 7 (§ 58 ist für diese Verfahren nicht anwendbar).

Zu § 59 (Eigenerklärung, Verlangen der Nachweise durch den Auftraggeber):

§ 59 enthält die Grundsatzbestimmung für die Eigenerklärung und für das Verlangen der Nachweise durch den Auftraggeber. Abs. 1 regelt die Festlegung der erforderlichen Nachweise durch den Auftraggeber. Gemäß Abs. 2 können Unternehmer ihre Eignung grundsätzlich auch durch die bloße Vorlage einer Eigenerklärung belegen; die tatsächliche Vorlage von Nachweisen soll damit – zumindest in einer ersten Phase – nicht die Regel sein bzw. soll die Vorlage von Nachweisen lediglich jene Bieter betreffen, die auch tatsächlich für die Zuschlagserteilung in Betracht kommen. Abs. 3 regelt, wann bzw. von wem die festgelegten Nachweise auch tatsächlich verlangt werden können bzw. müssen. Damit soll einerseits der Grundsatz der Vergabe nur an befugte, zuverlässige und leistungsfähige Unternehmer beibehalten, anderseits aber das aufwändige Produzieren von Nachweisen möglichst hintan gehalten werden. Die Regelung ist von dem Grundsatz getragen, dass der Auftraggeber darüber bestimmt, welche Nachweise von welchen Unternehmern er vorgelegt bekommen möchte. Dies ermöglicht es dem Auftraggeber auf seine unterschiedlichen Informationsbedürfnisse hinsichtlich einzelner Bewerber oder Bieter individuell reagieren zu können. Sofern daher bei bestimmten Unternehmern kein Informationsbedürfnis des Auftraggebers besteht (etwa weil der Auftraggeber zu diesen ständige Geschäftsbeziehungen pflegt und deswegen die Nachweise beim Auftraggeber in der von ihm festgelegten Qualität bzw. Aktualität bereits verfügbar sind), ist die Vorlage der Nachweise (außer im Fall des Zuschlagsempfängers gemäß Abs. 3) nicht erforderlich. Handelt es sich aber um einen dem Auftraggeber unbekannten Unternehmer, so folgt bereits aus den allgemeinen Grundsätzen, dass sich der Auftraggeber nicht mit der bloßen Eigenerklärung begnügen darf.

Gemäß Abs. 1 hat der Auftraggeber festzulegen, mit welchen Nachweisen Unternehmer ihre Eignung zu belegen haben (unter welchen Voraussetzungen ein Auftraggeber die Vorlage von Nachweisen tatsächlich „verlangen“ kann, bestimmt sich nach Abs. 3). Grundsätzlich entscheidet der Auftraggeber, welche Nachweismittel vom Unternehmer für die Eignung vorzulegen sind. Es ist nicht Inhalt des Gesetzes, Auftraggeber in ihrer Entscheidungsbefugnis zu beschneiden, darüber zu entscheiden, welcher Standard der wirtschaftlichen, finanziellen oder technischen Leistungsfähigkeit für die Teilnahme an Ausschreibungen erforderlich ist, sondern zu bestimmen, mit welchen Nachweisen oder Beweismitteln die finanzielle, wirtschaftliche oder technische Leistungsfähigkeit dargetan werden kann. Der zweite Satz stellt in diesem Zusammenhang eine Konkretisierung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Bei kleineren Auftragswerten ist es daher selbstverständlich nicht geboten, aufwendige Nachweismittel für die Eignung anführen zu müssen. Im Gegenteil: wie sich aus § 59 Abs. 1 zweiter Satz ergibt, müssen die geforderten Nachweise in einem ausgewogenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen. Dies impliziert, dass der Auftraggeber jedenfalls alle ihm erforderlich erscheinenden Nachweise, die im Zusammenhang mit dem konkreten Auftrag stehen, zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Unternehmers verlangen darf. Nachweise, die in keinem Zusammenhang mit dem Auftrag stehen, kann der Auftraggeber vom Unternehmer allerdings nicht verlangen.

Sämtliche vorgesehenen Nachweise können grundsätzlich kumulativ festgelegt werden. Hinsichtlich der Frage, wie aktuell die Nachweise sein müssen, obliegt die Entscheidung (im Rahmen des Abs. 1) allein dem Auftraggeber.

Der Auftraggeber hat im Zusammenhang mit der Vorlage von Nachweisen den Schutz von berechtigten Interessen der Unternehmer betreffend deren (technischen) Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zu berücksichtigen (vgl. dazu schon § 21). Eine entsprechende Berücksichtigung dieses Grundsatzes wird auch gemäß dem im Verfahren vor dem Bundesvergabeamt anzuwendenden § 17 Abs. 3 AVG zu erfolgen haben.

Die §§ 60, 61, 63 und 64 enthalten die Regelungen über zulässige Nachweise, welche von einem Unternehmer hinsichtlich seiner Eignung verlangt werden können. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist dazu zu bemerken, dass damit eine eigenständige Datenermittlung durch den Auftraggeber weitgehend hinfällig erscheint. Die Zurverfügungstellung entsprechender Daten durch die Bewerber oder Bieter selbst ist hingegen aus datenschutzrechtlicher Sicht unbedenklich.

Die festgelegten Eignungsnachweise müssen in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen enthalten sein.

Diese „Festlegung“ bedeutet jedoch nicht, dass die Bewerber oder Bieter diese Nachweise auch tatsächlich sofort vorlegen müssen. Gemäß Abs. 2 reicht es zumindest vorerst aus, wenn sie in einer „Eigenerklärung“ das Vorliegen der vom Auftraggeber geforderten Eignungsanforderungen bestätigen. Eine derartige Eigenerklärung muss sich gemäß dem Wortlaut des Abs. 2 konkret auf die vom Auftraggeber verlangten Eignungskriterien beziehen (arg. „die vom Auftraggeber verlangten Eignungskriterien … und die festgelegten Nachweise“). Die Eigenerklärung muss sich daher auf ein konkretes Vergabeverfahren eines bestimmten Auftraggebers beziehen. Eine in keiner Weise substantiierte Erklärung, „geeignet“ zu sein, ist unzureichend und keine Eigenerklärung im Sinne des Gesetzes. Ausdrücklich festgehalten wird im zweiten Satz des vorgeschlagenen Abs. 2, dass der Unternehmer die Befugnis(se), über die er konkret verfügt, anzugeben hat; die bloße Erklärung, „befugt“ zu sein, ist daher keinesfalls ausreichend. Schließlich muss der Bewerber oder Bieter in der Lage sein, die Nachweise im Laufe des Vergabeverfahrens ohne unnötigen Verzug vorzulegen, falls der Auftraggeber dies verlangt, und er muss eben dies in der Eigenerklärung bestätigen. Gemäß den Vorgaben des Abs. 2 wäre daher beispielsweise folgende Erklärung ausreichend: „Ich, ... [Name des Unternehmens], erkläre hiermit, dass ich die vom Auftraggeber … [Name des Auftraggebers] in der Ausschreibung AZ … verlangten Eignungskriterien erfülle und die darin festgelegten Nachweise auf Aufforderung unverzüglich beibringen kann. Ich verfüge über folgende Befugnis(se): 1) …, 2) …“.

Das Gesetz enthält keine ausdrücklichen Regelungen für den Fall, dass sich eine Eigenerklärung nachträglich als unrichtig herausstellt. Hinzuweisen ist zum einen auf mögliche zivilrechtliche Konsequenzen sowie zum anderen darauf, dass eine falsche Eigenerklärung sowohl den Tatbestand des § 57 Abs. 1 Z 8 erfüllen kann als auch – nach den Umständen des Einzelfalles – als schwere berufliche Verfehlung im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 5 angesehen werden kann. Stellt sich daher noch während eines laufenden Vergabeverfahrens heraus, dass die von einem Unternehmer vorgelegte Eigenerklärung (gänzlich oder teilweise) unrichtig ist, so führt dies zum Ausschluss des Unternehmers vom Vergabeverfahren, sofern nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses auf dessen Beteiligung ausnahmsweise nicht verzichtet werden kann (vgl. dazu § 57 Abs. 1 Z 5 oder 8 iVm § 57 Abs. 3 Z 1). Stellt sich erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens heraus, dass die vom Zuschlagsempfänger vorgelegte Eigenerklärung (gänzlich oder teilweise) unrichtig war, so berechtigt dies den Auftraggeber zur Anfechtung des Vertrages gemäß § 871 ABGB, denn in diesem Fall hat der Unternehmer seine im BVergGVS normierten Aufklärungspflichten verletzt (vgl. dazu § 871 Abs. 2 ABGB). Stellt sich in diesem Zusammenhang etwa heraus, dass die Abwicklung des Auftrages einen Verstoß gegen § 373a Abs. 1 GewO 1994 darstellen würde, so besteht sogar eine gewerberechtliche Verpflichtung des Auftraggebers zur Anfechtung des Vertrages, da der Auftraggeber ansonsten eine Verwaltungsübertretung gemäß § 367 Z 54 GewO 1994 begehen würde.

Der vorgeschlagene Abs. 2 verankert den Grundsatz, wonach Bewerber oder Bieter das Vorliegen der Eignung durch Eigenerklärungen belegen können. Es bleibt ihnen jedoch unbenommen, stattdessen die vom Auftraggeber festgelegten Nachweise vorzulegen oder auf eine Eintragung in einem Verzeichnis gemäß dem vorgeschlagenen § 59 Abs. 5 zu verweisen.

Die Regelung des Abs. 2 bezieht sich nicht auf eine allenfalls notwendige Sicherheitsüberprüfung (vgl. dazu § 69).

Abs. 3 enthält die Voraussetzungen, unter denen der Auftraggeber die Vorlage von Nachweisen durch die Unternehmer verlangen kann und sich somit nicht mit der Eigenerklärung zufrieden geben muss bzw. darf.

Wesentlich ist, dass der Auftraggeber sein Verlangen auf die Vorlage „bestimmter“ Nachweise beschränken kann. Es steht dem Auftraggeber – unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen – somit frei, nur einzelne Nachweise (etwa nur hinsichtlich einzelner Eignungsbestandteile wie der Zuverlässigkeit oder der technischen Leistungsfähigkeit bei ihm bekannten Unternehmern) oder alle festgelegten Nachweise (bei ihm unbekannten Unternehmern) zu verlangen.

Gemäß Abs. 3 kann eine Vorlage von Nachweisen nur von „bestimmten“ Bewerbern und Bietern verlangt werden. Dies bedeutet zum einen, dass das Informationsbedürfnis des Auftraggebers hinsichtlich der einzelnen Bewerber oder Bieter unterschiedlich sein kann (Unterschiede können etwa aus der Plausibilität der Eigenerklärung oder daraus resultieren, dass ein Auftraggeber die Eignung eines bestimmten Unternehmers aus Anlass eines anderen Vergabeverfahrens erst vor kurzem geprüft hat).

Zum anderen ergibt sich daraus aber, dass die Unternehmer, von denen die Vorlage der Nachweise verlangt wird, identifiziert sein müssen, da sie nur dann „bestimmt“ sind. Dies hat zur Folge, dass Nachweise grundsätzlich nicht mehr zwingend zu Beginn, sondern – je nach Verfahrensart – auch im späteren Verlauf des Verfahrens verlangt und vorgelegt werden können bzw. müssen (nach Festlegung durch den Auftraggeber). Hierbei wird je nach Verfahrensart zu differenzieren sein:

1.     Bei zweistufigen Verfahren hat der Auftraggeber verschiedene Möglichkeiten: er muss sich entscheiden, ob er von den Bewerbern in einem ersten Schritt lediglich die Vorlage jener Nachweise verlangt, die sich auf die Auswahlkriterien beziehen, oder ob er sich sofort alle ihm erforderlich erscheinenden Nachweise vorlegen lassen will, oder ob er die Vorlage der Nachweise erst vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe verlangt oder ob er sich erst vor Zuschlagserteilung vom Zuschlagsempfänger alle festlegten Nachweise vorlegen lässt (im letzteren Fall mit dem Risiko, dass – falls der Unternehmer die geforderten Nachweise nicht beibringt – die Zuschlagsentscheidung und das Nachweisverfahren mit dem Zweitgereihten wiederholt werden müssen).

2.     Beim Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung kann der Auftraggeber bereits vor Aufforderung zur Angebotsabgabe die Vorlage der Nachweise verlangen (in diesem Fall sind die präsumtiven Bieter bereits bestimmt).

In Abs. 3 wird danach differenziert, ob es sich um Aufträge im Ober- oder Unterschwellenbereich handelt (bei einer Vergabe in Losen ist für die Frage der Anwendung des Regime des Abs. 3 nicht der geschätzte Gesamtwert aller Lose maßgeblich, sondern der Wert des einzelnen Loses).

1.     Im Unterschwellenbereich kann die Vorlage von Nachweisen verlangt werden, wenn dies der Auftraggeber für erforderlich erachtet. Das Gesetz stellt keine Kriterien hinsichtlich der „Erforderlichkeit“ der Vorlage von Nachweisen (nach Auffassung des Auftraggebers) auf; der Auftraggeber hat diesbezüglich somit einen weiten Spielraum. Als erforderlich kann daher eine Vorlage etwa dann angesehen werden, wenn es sich um für den Auftraggeber unbekannte Unternehmer oder um sensible Leistungen handelt oder wenn es um die Vorlage der Nachweise vom präsumtiven Zuschlagsempfänger geht.

2.     Im Oberschwellenbereich trifft Abs. 3 hinsichtlich des Zuschlagsempfängers insofern eine Sonderregelung, als von diesem vor Zuschlagserteilung (in welcher Phase dies erfolgt, entscheidet der Auftraggeber) die Vorlage der festgelegten Nachweise jedenfalls zu verlangen ist.

Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass der Zeitpunkt des Vorliegens der Eignung gemäß § 58 von der vorgeschlagenen Neuregelung unberührt bleibt.

Die im Zuge des Vergabeverfahrens vorzulegenden Nachweise können entweder in Papierform oder aber auch in elektronischer Form (unter Beachtung der entsprechenden Erfordernisse wie zB in Bezug auf Echtheit und Richtigkeit) vorgelegt werden. Wenn Nachweise in elektronischer Form vorgelegt werden, ist auf das Erfordernis der Signatur gemäß § 35 Abs. 4 hinzuweisen.

Zur Dauer der vom Auftraggeber gemäß Abs. 4 festzusetzenden Frist zur Vorlegung von Nachweisen bzw. zur Vervollständigung oder Erläuterung vorgelegter Bescheinigungen vgl. die allgemeine Bestimmung betreffend die Festlegung von Fristen in § 49 Abs. 1. Hinzuweisen ist darauf, dass der Auftraggeber eine angemessene – somit auch eine durchaus kurze – Frist für die Vorlage bzw. Ergänzung der Nachweise festlegen kann (vgl. dazu den Wortlaut des Abs. 2 [„auf Aufforderung unverzüglich beibringen können“] und den systematischen Zusammenhang dieser Wortfolge mit Abs. 4 [„binnen einer angemessenen Frist“]). Aus einem systematischen Vergleich mit anderen Fristenregelungen des Gesetzes (vgl. etwa § 50, der für die Übermittlung zusätzlicher Unterlagen eine Frist von maximal sechs bzw. vier Tagen vorsieht) folgt, dass der Auftraggeber nicht gezwungen ist, längere Zeit zuzuwarten, bis der Unternehmer die geforderten Nachweise beischafft. Abhängig von der Art des durchgeführten Vergabeverfahrens ist somit auch eine sehr kurze Frist (etwa ein Tag) als angemessen anzusehen.

Die Regelung im Zusammenhang mit der Eigenerklärung sowie den Vorgaben für das Verlangen von Nachweisen bezieht sich nur auf das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Unternehmer. Die Regelungen beinhalten somit keine Schranken für Vergabekontrollbehörden, im Rahmen der Offizialmaxime diejenigen Ermittlungen durchzuführen, die sie für ihre Entscheidung – etwa im Zusammenhang mit der Antragslegitimation des Antragstellers – als erforderlich erachten.

Abs. 5 regelt, auf welche Weise außer durch die Vorlage der vom Auftraggeber geforderten Unterlagen selbst der Nachweis der Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit geführt werden kann. Der erste Satz ermöglicht den Nachweis durch die Eintragung in einem einschlägigen, allgemein zugänglichen Verzeichnis eines Dritten, wie beispielsweise der Österreichische Auftragnehmerkataster eines bildet. Der Auftraggeber muss die Erbringung des Eignungsnachweises mittels Katasterdienst akzeptieren, sofern (und soweit) die vom Auftraggeber geforderten Nachweismittel beim Diensteanbieter verfügbar sind und der Auftraggeber auf diese Nachweise unmittelbar (zB etwa online) zugreifen kann. Es wird darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit der unmittelbaren Abrufbarkeit dann nicht besteht, wenn der Auftraggeber nicht Mitglied bzw. Kunde des Katasterdienstes ist.

Zusätzlich soll klargestellt werden, dass diese Verpflichtung des Auftraggebers nur dann gilt, wenn (und soweit) diese Nachweise in der vom Auftraggeber gewünschten Aktualität verfügbar sind. Dabei ist es nicht notwendig, dass der Diensteanbieter alle Nachweise tagesaktuell zum Abruf bereit hält; vielmehr reicht es aus, wenn die Nachweise auf Aufforderung des Auftraggebers binnen angemessener Frist aktualisiert werden (auch § 59 Abs. 4 stellt auf ein Vorlegen bzw. Vervollständigen von Nachweisen „binnen einer angemessenen Frist“ ab). Die Möglichkeit, eine Aktualisierung beim Katasterdienst zu erwirken, hindert den Auftraggeber nicht, aktuelle Nachweise unmittelbar beim Bieter anzufordern. Der Bieter kann allerdings seinerseits auf die Eintragung im Verzeichnis verweisen, soweit die dort vorhandenen Nachweise binnen angemessener Frist aktualisiert werden.

Der zweite und dritte Satz des Abs. 5 ermöglichen es einem Unternehmer, andere Urkunden mit gleicher Aussagekraft beizubringen, sofern die geforderten Unterlagen aus einem gerechtfertigten Grund nicht beigebracht werden können.

Abs. 6 regelt den Nachweis der Befugnis durch Arbeits- und Bietergemeinschaften (vgl. dazu auch das Erkenntnis des VfGH 21.6.2004, B 531/02-8), wobei klargestellt wird, dass die Abs. 2 und 3 auch auf diesen Fall Anwendung finden.

Zu § 60 (Nachweis der Befugnis):

Die Regelung setzt Art. 40 der RL 2009/81/EG um.

Zur Klarstellung ist hervorzuheben, dass der Nachweis der Befugnis für in Österreich niedergelassene Unternehmer nach den in Österreich vorgesehenen Bescheinigungen zu erfolgen hat. Die Vorlage eines Firmenbuchauszuges reicht demnach nicht hin, die Gewerbeberechtigung nachzuweisen, weil bei der Eintragung ins Firmenbuch diese Angabe des Anmeldenden ungeprüft eingetragen wird.

§ 60 enthält keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Aktualität der Nachweise. Es obliegt daher dem Auftraggeber bekannt zu geben, wie alt derartige Nachweise maximal sein dürfen. Aus der Verwendung des Wortes „ist“ folgt aber, dass Nachweise aktuell sein müssen. Die Frist darf aber auch nicht zu kurz bemessen sein, da dies zu einer Diskriminierung führen könnte.

Nachweise hinsichtlich der beruflichen Befugnis ausländischer Unternehmer können gemäß Z 1 bei den in Anhang V genannten Berufsregistern angefordert werden.

Zu § 61 (Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit):

Die Regelung setzt Art. 39 Abs. 3 der RL 2009/81/EG um.

Klarzustellen ist im Zusammenhang mit § 65, dass eine Substitution der Zuverlässigkeit nicht möglich ist.

§ 61 enthält abschließend alle zulässigen Nachweise, welche von einem Unternehmer hinsichtlich seiner allgemeinen beruflichen Zuverlässigkeit verlangt werden können. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist dazu zu bemerken, dass damit eine eigenständige Datenermittlung durch den Auftraggeber weitgehend hinfällig erscheint. Die Zurverfügungstellung entsprechender Daten durch die Bewerber oder Bieter selbst ist hingegen aus datenschutzrechtlicher Sicht unbedenklich.

Der Inhalt der Auskunft aus der zentralen Verwaltungsstrafevidenz des Bundesministers für Finanzen gemäß Abs. 1 zweiter Satz beschränkt sich auf die Angabe, ob dem in der Anfrage genannten Unternehmer eine wesentliche Verletzung des AuslBG zuzurechnen ist oder nicht. Da der Inhalt der Auskunft nur die absolut erforderliche Mindestinformation für den Auftraggeber enthält, bestehen auch keine Bedenken aus datenschutzrechtlicher Sicht, zumal es der Unternehmer selbst in der Hand hat, durch Unterlassung der Bewerbung die Übermittlung der betreffenden Information an den Auftraggeber zu verhindern. Die dem Auftraggeber erteilte Auskunft ist kein Bescheid, sondern ein Realakt. Im Fall der automationsunterstützten Verarbeitung stehen die Rechtsbehelfe nach dem Datenschutzgesetz (insbesondere §§ 11 und 12) zur Verfügung, im Fall der nicht automationsunterstützten Verarbeitung gilt das Auskunftspflichtgesetz.

Die Auskunft, ob ein Bewerber, Bieter oder deren Subunternehmer beruflich zuverlässig ist, bezieht sich auf den Zeitpunkt der Auskunftserteilung durch das BMF. Aus praktischen Überlegungen soll die Auskunft nicht nur für ein Vergabeverfahren Gültigkeit besitzen. Falls der Auftraggeber den Zuschlag an einen Unternehmer erteilen will, hat er vorher eine diesbezügliche Auskunft einzuholen. Die Einschränkung auf „in Betracht kommende Bewerber, Bieter und deren Subunternehmer“ soll überflüssige Auskunftsersuchen betreffend aussichtslose Bewerber, Bieter und deren Subunternehmer vermeiden helfen und der Arbeitsüberlastung der auskunftserteilenden Stelle vorbeugen.

Es bleibt im gegebenen Zusammenhang festzustellen, dass die Beschäftigung von Inländern unter Verstoß gegen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften im Rahmen des § 57 (Ausschluss vom Vergabeverfahren) zu ahnden ist.

Das Gesetz enthält keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Aktualität der Nachweise gemäß Abs. 2 Z 1. Es obliegt daher dem Auftraggeber bekannt zu geben, wie alt derartige Nachweise maximal sein dürfen. Diese Frist darf aber jedenfalls nicht zu kurz bemessen sein, da dies zu einer Diskriminierung führen könnte.

Gemäß § 229a Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961 idgF, hat das Finanzamt auf Antrag des Abgabepflichtigen eine Rückstandsbescheinigung auszustellen. Diese Bescheinigung enthält den vollstreckbar aushaftenden Rückstand einschließlich jener Beträge, deren Einbringung gemäß § 231 BAO ausgesetzt wurde, oder die Feststellung, dass kein solcher Rückstand besteht. Der maßgebende Rückstand ist jener, der gemäß § 229 BAO als Gegenstand eines Rückstandsausweises in Betracht kommt. Gemäß § 231 BAO ausgesetzte Beträge gehören zum Rückstand im Sinn des § 229a BAO. Nicht hiezu gehören Abgabenschuldigkeiten, deren Einbringung gehemmt ist (zB bei Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO oder bei Zahlungserleichterungen nach § 212 BAO).

In Abs. 2 Z 2 wird verdeutlicht, dass auch äquivalente Dokumente eines Bewerbers oder Bieters einer anderen Vertragspartei des EWR-Abkommens anzuerkennen sind.

Besondere Nachweise für das Vorliegen einer schweren Verfehlung sind nicht normiert; auf Grund der Regelung in Abs. 3 kann diesbezüglich auch eine eidesstattliche Erklärung verlangt werden.

Die Notifikationsverpflichtung des Abs. 4 dient der Transparenz.

Zu § 62 (Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit):

§ 62 enthält eine Regelung, der zufolge ein Bieter trotz des Anscheins der Unzuverlässigkeit seine Zuverlässigkeit glaubhaft machen kann (vgl. dazu auch das Erkenntnis des VfGH vom 24. Juni 1998, G 462/97).

Der Auftraggeber kann für die Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit auch andere Umstände als die vorgelegten Nachweise bzw. die eingeholte Auskunft heranziehen (arg. „insbesondere“), wie etwa das aus einem früheren Vergabeverfahren stammende Wissen über das Vorliegen eines die Zuverlässigkeit des Unternehmers ausschließenden Umstandes. Ebenso können Erklärungen gemäß § 61 Abs. 3, die an Stelle eines Nachweises gemäß § 61 Abs. 2 verlangt werden, für die Beurteilung herangezogen werden.

Allerdings soll die Möglichkeit, trotz des Anscheins der Unzuverlässigkeit den Beweis der Zuverlässigkeit antreten zu können, auf bestimmte Tatbestände des § 57 Abs. 1 beschränkt werden. Eine Glaubhaftmachung der eigenen Zuverlässigkeit trotz eines eröffneten Insolvenzverfahrens (§ 57 Abs. 1 Z 2), bei vorliegender Liquidation bzw. Einstellung der gewerblichen Tätigkeit (§ 57 Abs. 1 Z 3) oder beim nachgewiesenen Mangel der erforderlicher Vertrauenswürdigkeit (§ 57 Abs. 1 Z 6) ist daher nicht möglich. Ebenso ist eine entsprechende Regelung für den Fall von Beitragsrückständen (§ 57 Abs. 1 Z 7) entbehrlich, da bestehende Beitragsrückstände ohnehin bis zum Ende der Angebotsfrist beglichen werden können und damit die Vorlage eines unbedenklichen Nachweises bewirkt werden kann (auch ist auf die Möglichkeit des Absehens vom Ausschluss gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 hinzuweisen). Auch im Falle falscher Erklärungen gemäß § 57 Abs. 1 Z 8 ist es nicht möglich, diese (falschen) Erklärungen zu entkräften, um trotzdem von einer Zuverlässigkeit des Bieters ausgehen zu können.

Abs. 2 enthält einen beispielhaften Katalog von Maßnahmen von konkreten technischen, organisatorischen oder personellen Maßnahmen, deren Nachweis die Glaubhaftmachung der Zuverlässigkeit bewirkt; dafür kommen vor allem innerbetriebliche Organisationsmaßnahmen und personelle Konsequenzen in Frage. Es versteht sich von selbst, dass die vom Bieter zu ergreifenden Maßnahmen sich in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen bewegen müssen (dies spielt besonders bei KMU eine Rolle). So wäre es etwa unverhältnismäßig, von einem Kleinunternehmer die Einführung eines kostspieligen Revisionswesens zu verlangen.

Ob die vom Unternehmer ergriffenen Maßnahmen als ausreichend erachtet werden, ist vom Auftraggeber gemäß Abs. 3 abschließend zu beurteilen. Der Auftraggeber hat eine Abwägung zwischen der Anzahl und Schwere der begangenen strafbaren Handlungen bzw. Verfehlungen, der Konsequenz des Ausschlusses vom Vergabeverfahren und der Eignung der getroffenen Maßnahmen vorzunehmen, wobei davon auszugehen ist, dass je schwerer das Vergehen war, ein desto strengerer Maßstab hinsichtlich der vom Unternehmer gesetzten Maßnahmen anzulegen ist. Um den Auftraggebern eine Hilfestellung bei der Beurteilung der Schwere der Bestrafung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG zu geben, werden beispielhaft zwei Kriterien, die bei der Beurteilung herangezogen werden können, genannt. Bei der Berücksichtigung der Zahl der illegal Beschäftigten kann man diese Zahl zur Anzahl der in dem betroffenen Unternehmen (legal) Beschäftigten in Relation setzen, um die Schwere des Vergehens beurteilen zu können. Zur Beurteilung der Schwere des Vergehens wird insbesondere auf die Zahl der rechtskräftigen Bestrafungen abzustellen sein.

Für die Beurteilung der Schwere der Straftat im Sinne des § 62 Abs. 3 kann auch auf die – gemäß den §§ 32 bis 34 des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl. Nr. 60/1974, sowie gemäß § 5 des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes – VbVG, BGBl. I Nr. 151/2005 – für die Strafbemessung bzw. die Bemessung der Verbandsgeldbuße maßgeblichen Aspekte zurückgegriffen werden, soweit diese Aspekte Rückschlüsse auf die berufliche (Un)Zuverlässigkeit des Unternehmers zulassen.

Zu § 63 (Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit):

Die Regelung setzt Art. 41 der RL 2009/81/EG um. Der in § 63 enthaltene Katalog der Nachweismittel ist nicht abschließend (arg. „insbesondere“; vgl. auch den Wortlaut „in der Regel“ in Art. 41 Abs. 1 der RL).

Allgemein ist festzuhalten, dass der dem Auftraggeber nachgewiesene Haftungsfonds dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des § 59 Abs. 1 letzter Satz entsprechen muss. Wie eine allfällige solidarische Haftung im Innenverhältnis gegebenenfalls aufgeteilt ist, ist Sache der Unternehmer.

Unter Bankerklärung gemäß Abs. 1 Z 1 ist die üblicherweise als „Bankauskunft“ bezeichnete Bonitätserklärung zu verstehen. Auch Auskünfte von Kreditschutzverbänden oder Auskunfteien kämen hier in Frage. Wesentlich erscheint die Kenntnis über das haftende Eigenkapital, ob dieses in Relation zur Größe des Auftrages steht und ob allenfalls eine Überschuldung vorliegt.

In Z 3 wird im Vergleich zur RL der zutreffendere Begriff der „Offenlegung“ der Bilanzen oder Bilanzauszügen verwendet (in der RL: „Veröffentlichung“). Eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden.

In Abs. 1 Z 5 ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Umsatzerklärung auch für einen kürzeren als den vorgesehenen Zeitraum abgegeben werden kann, wenn das Unternehmen noch nicht so lange besteht. Diese aus der RL stammende Regelung ist angesichts des demonstrativen Charakters der genannten Nachweismittel grundsätzlich enbehrlich, wird jedoch aus Transparenzgründen in das Gesetz übernommen.

Die festgelegten Nachweise müssen in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen angegeben werden.

Durch Abs. 2 wird Art. 41 Abs. 5 der RL 2009/81/EG umgesetzt. Als geeignete Nachweise sind insbesondere anzusehen: Angaben über die Anzahl der beschäftigten Dienstnehmer, Angaben über Unternehmensbeteiligungen, Angaben über Kapitalausstattung, Anlagevermögen, Grundbesitz.

Zu § 64 (Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit):

Die Regelung setzt Art. 42 der RL 2009/81/EG um.

Die Aufzählung der Nachweise in § 64 ist demonstrativ (arg. „insbesondere“ in der Einleitung von Abs. 5 bis 7; vgl. auch den Wortlaut „in der Regel“ in Art. 42 Abs. 1 der RL). Der Auftraggeber kann daher auch andere/weitere Nachweise verlangen (insbesondere etwa Referenzen über einen längeren als im Gesetz – vgl. dazu Abs. 5 Z 1, Abs. 6 Z 1 und Abs. 7 Z1 ‑ genannten Zeitraum). Welche Nachweise der Auftraggeber verlangt, liegt in seinem, lediglich durch das Sachlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgebot (vgl. § 59 Abs. 1) determinierten Ermessen. Dem Unternehmer kommt hingegen die Möglichkeit zu, seine technische Leistungsfähigkeit (zunächst) mittels Eigenerklärung belegen bzw. gemäß § 59 Abs. 5 zweiter und dritter Satz die geforderten Nachweise unter bestimmten Voraussetzungen durch andere zu ersetzen.

Der Auftraggeber hat in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen festzulegen, welche Nachweise für die technische Leistungsfähigkeit eines Unternehmers gegebenenfalls vorzulegen sind. Die Abs. 2 und 3 enthalten eine Regelung über die Vorlage von Referenzen, die gleichermaßen für alle Auftragsarten maßgeblich ist.

Leistungserbringungen als Subunternehmer können als Referenz angeführt werden (vgl. Abs. 2 letzter Halbsatz). „Nicht erhältlich“ sind Bescheinigungen z.B. dann, wenn der Leistungsempfänger aus welchem Grund auch immer nicht zur Ausstellung der Bescheinigung oder Abgabe der Erklärung bereit ist.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und der leichteren Handhabbarkeit sollen unter bewusster Inkaufnahme von Doppelregelungen die Nachweise nach Auftragsarten getrennt angeführt werden (und nicht das eher ungeordnete System der RL 2009/81/EG, die Nachweise zum Teil für alle, zum Teil aber nur für bestimmte Auftragsarten normiert, übernommen werden).

Hinzuweisen ist auch auf die Zulässigkeit des Erfordernisses der „spezifischen Erfahrung“ als Eignungskriterium: Das Kriterium der für die Erbringung der entsprechenden Leistungen erforderlichen beruflichen Befähigung, Fachkunde und Erfahrung ist im Hinblick auf die Prüfung der fachlichen Eignung der Unternehmer ein zulässiges Kriterium für die Bewertung der technischen Leistungsfähigkeit. Ist ein solches Kriterium in einer allgemein zugänglichen Rechtsvorschrift (vgl. dazu etwa das Rechtsinformationssystem des Bundes) vorgesehen, auf die die Bekanntmachung der Ausschreibung verweist, so ist es besonderen Anforderungen betreffend die Veröffentlichung in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen nicht unterworfen (vgl. dazu Rs 31/87, Beentjes).

Zu Abs. 5 Z 1, Abs. 6 Z 1 und Abs. 7 Z 1 ist festzuhalten, dass sich diese Liste von Referenzen zwar auf Referenzen bezieht, die im Zeitraum der letzten 5 Jahre erlangt wurden (d.h. Referenzen der maximal 5 vorhergehenden Jahre) bzw. erlangt werden konnten, sofern das Unternehmen erst seit kürzerer Zeit bestehen sollte. Aufgrund des demonstrativen Charakters der Abs. 5, 6 und 7 können jedoch (unter Wahrung des Sachlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgebotes) auch andere Zeiträume festgelegt werden.

Im Gesetz wird in Abs. 6 Z 3 und Abs. 7 Z 5 der allgemeinere Ausdruck „Ausbildungsnachweise“ anstelle der Diktion des Art. 42 Abs. 2 lit. e der RL 2009/81/EG („Studiennachweise“) verwendet.

Da eine Kontrolle nach Abs. 5 Z 6 bzw. Abs. 7 Z 4 natürlich nicht gegen den Willen der amtlichen Stelle durchgeführt werden kann, bzw. das BVergGVS eine derartige Stelle auch nicht zur Kontrolle verpflichten kann, ist ein Hinweis darauf, dass sich die betreffende Stelle dazu bereit erklären muss (vgl. den Wortlaut von Art. 42 Abs. 2 lit. d der RL 2009/81/EG), entbehrlich.

Zu Abs. 5 Z 10 wird auf § 18 Abs. 4 und die Erläuterungen dazu verwiesen.

Gemäß Abs. 8 kann der Auftraggeber bei Aufträgen, bei denen Verschlusssachen verwendet werden oder die Verschlusssachen erfordern und/oder beinhalten, vom Unternehmer den Nachweis einer entsprechenden Sicherheitsüberprüfung nach SPG oder Verlässlichkeitsprüfung nach MBG verlangen (vgl. dazu auch § 69 und die dazugehörigen Erläuterungen). Die Informationssicherheitskommission (vgl. dazu § 8 Informationssicherheitsgesetz, InfoSiG, BGBl I Nr. 23/2002) entscheidet über die Gleichwertigkeit von Sicherheitsüberprüfungen aus anderen Staaten. In diesem Zusammenhang ist auf diverse bilaterale Abkommen über den Austausch und gegenseitigen Schutz klassifizierter Informationen hinzuweisen (vgl. etwa BGBl. III Nr. 54/2007, BGBl. III Nr. 44/2008, BGBl. III Nr. 159/2008, BGBl. III Nr. 160/2008, BGBl. III Nr. 44/2009, BGBl. III Nr. 95/2009 und BGBl. III Nr. 6/2010).

Zu § 65 (Nachweis der Eignung durch andere Unternehmer):

Die Regelung setzt Art. 41 Abs. 2 und 3 sowie Art. 42 Abs. 2 und 3 der RL 2009/81/EG um. Vgl. zu dieser Frage auch die Rechtsprechung des EuGH (Rs C-389/92, Ballast Nedam I, C-5/97, Ballast Nedam II, C‑176/98, Holst, C‑314/01, Siemens und ARGE Telekom).

Ein Auftraggeber kann einen Unternehmer daher nicht wegen fehlender Leistungsfähigkeit ausschließen, wenn dieser zwar nicht selbst über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, aber nachweist, dass ihm die Mittel eines Dritten für die Auftragsausführung tatsächlich zur Verfügung stehen. Da diese Regelung beim Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit nicht unproblematisch erscheint, empfiehlt es sich für den Auftraggeber, bei der Substitution der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einen strengen Maßstab hinsichtlich der zu erbringenden Sicherstellungen anzulegen. Der Nachweis kann zB - wie in der RL ausgeführt - dadurch geführt werden, dass der Unternehmer die Zusage des Unternehmers oder der Unternehmer vorlegt, dass sie dem Unternehmer die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen (vgl. Art. 41 Abs. 2 und Art. 42 Abs. 2 der RL 2009/81/EG). Bei der Substitution der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit ist eine ausreichende Risikoabdeckung sicherzustellen – etwa in Form einer unbedingten Bankgarantie zugunsten des Auftraggebers.

§ 65 ermöglicht auch den Nachweis der Befugnis durch andere Unternehmer. Es ist darauf hinzuweisen, dass neben der vergaberechtlichen Zulässigkeit der Berufung auf die Befugnis Dritter auch zu prüfen ist, ob dies gegebenenfalls auch nach anderen gesetzlichen Regelungen (vgl. dazu insbesondere die gewerberechtlichen Vorschriften wie etwa § 32 GewO) zulässig ist.

Auch Arbeits- und Bietergemeinschaften können sich unter den gleichen Voraussetzungen auf die Kapazitäten ihrer Mitglieder oder anderer Unternehmer stützen, da sie gemäß § 3 Z 34 als „Unternehmer“ im Sinne des Gesetzes gelten.

Zu § 66 (Qualitätssicherungsnormen und Normen für Umweltmanagement)

Abs. 1 setzt Art. 43 und Abs. 2 setzt Art. 44 der RL 2009/81/EG um.

Bei den in Abs. 1 genannten einschlägigen europäischen Normen handelt es sich insbesondere um die Serie ÖNORM-EN ISO 9000; die unabhängigen akkreditierten Stellen, die den europäischen Zertifizierungs- und Akkreditierungsnormen entsprechen, sind insbesondere Stellen, die nach der Normenserie ÖNORM-EN 45 000 zertifiziert sind.

Es versteht sich von selbst, dass der Nachweis von Qualitätssicherungsmaßnahmen bzw. Umweltmanagementmaßnahmen in anderer Form (Abs. 1 bzw. 2 letzter Satz) vom Auftraggeber nur dann anerkannt werden muss, wenn es sich um gleichwertige Maßnahmen handelt.

Zu § 67 (Grundsätze der Ausschreibung):

§ 67 enthält die allgemeinen Grundsätze der Ausschreibung (zum Begriff der Ausschreibung vgl. § 3 Z 10 und die Erläuterungen dazu). Dazu ist noch folgendes festzuhalten: anders als das BVergG 2006 enthält das BVergGVS keine expliziten Regelungen über Ausschreibungsvarianten (vgl. dazu § 78 Abs. 6 bzw. § 2 Z 39 BVergG 2006). Daraus den Schluss zu ziehen, dass Ausschreibungsvarianten im Anwendungsbereich des BVergGVS nicht zulässig seien, ist jedoch verfehlt.

Die Ausschreibung soll die Bieter über den Inhalt des späteren Leistungsvertrages möglichst eingehend informieren. Wenn der Auftraggeber Angaben in den Ausschreibungsunterlagen unterlässt, so darf dies nicht zu Lasten des Bewerbers oder Bieters gehen.

Abs. 2 enthält eine spezielle Regelung betreffend den Zugang für Menschen mit Behinderung bzw. der Konzeption für alle Benutzer (auch bekannt unter dem Begriff „Design for all“).

Das Erfordernis der vergleichbaren Angebote sowie das Verbot der Übertragung nicht kalkulierbarer Risken gemäß Abs. 3 gilt für jede Art der Leistungsbeschreibung, somit auch bei funktionalen Leistungsbeschreibungen. Bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung können vom Bieter aber (gegebenenfalls umfangreiche) Vorarbeiten für die Preisermittlung verlangt werden. Grundsätzlich müssen aber alle für die Ausarbeitung der Angebote und die Abwicklung des Vertrages maßgebenden Umstände bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung so weit klar sein, dass die Beschreibung der Leistung genau erfolgen kann und auch die sonstigen Bestimmungen des Leistungsvertrages festgelegt werden können.

Der Bestimmung des Abs. 4 kommt vor dem Hintergrund des § 18 Abs. 5 besondere Bedeutung zu.

Abs. 5 verpflichtet den Auftraggeber zur Heranziehung von Sachverständigen und Gutachtern, soweit eine sachgerechte Vorbereitung der Ausschreibung auf Grund mangelnden Spezialwissens nicht möglich scheint oder der Auftraggeber (oder die vergebende Stelle) nicht über das erforderliche Fachpersonal verfügt. Abs. 5 legt jedoch explizit nicht fest, dass die Mitarbeiter des Auftraggebers, die mit der Vorbereitung der Ausschreibung befasst sind, ebenfalls die Qualifikationen eines Sachverständigen haben müssen. Lediglich für den Fall, dass externe Personen für die Vorbereitung der Ausschreibung als erforderlich erachtet werden, wird ein bestimmtes Ausbildungsniveau festgelegt. Selbstverständlich dürfen nur solche externe Personen herangezogen werden, deren Unbefangenheit außer Zweifel steht. Ein Recht auf Ablehnung wegen Befangenheit soll den Teilnehmern am Vergabeverfahren indes nicht zukommen.

In diesem Zusammenhang ist auch auf Erwägungsgrund 49 der RL 2009/81/EG hinzuweisen, der Folgendes ausführt: „Bevor ein Verfahren zur Vergabe eines Auftrags eingeleitet wird, können die Auftraggeber unter Rückgriff auf einen technischen Dialog eine Stellungnahme einholen bzw. entgegennehmen, die bei der Erstellung der Verdingungsunterlagen [Anm: in Österreich: Ausschreibungsunterlagen] verwendet werden kann, vorausgesetzt, dass diese Stellungnahme den Wettbewerb nicht ausschaltet.“ Der im Erwägungsgrund angesprochene „technische Dialog“ wird im BVergGVS unter dem Begriff „Vorarbeiten“ geregelt.

Abs. 6 enthält die Verpflichtung, die Ausschreibungsunterlagen ausschließlich elektronisch zur Verfügung zu stellen, sofern die vergebende Stelle über die technischen und sonstigen Voraussetzungen verfügt.

Zu § 68 (Inhalt der Ausschreibungsunterlagen):

Zu Abs. 1 ist festzuhalten, dass aus den Ausschreibungsunterlagen oder in der Bekanntmachung im Sinne der Transparenz klar und unmissverständlich hervorgehen muss, welchem Regelungsregime die konkrete Leistungsvergabe folgt, wer in concreto Auftraggeber und gegebenenfalls vergebende Stelle ist und welche Vergabekontrollbehörde für die Nachprüfung des konkreten Vergabeverfahrens zuständig wäre. Für die potentiellen Interessenten muss klar sein, wer Auftraggeber ist und somit letztlich den Auftrag vergibt.

Zur Bekanntmachung der geforderten Eignungsnachweise wird auf Erwägungsgrund 61 der RL 2009/81/EG verweisen, wo es heißt: „Die Prüfung der Eignung der Bewerber und deren Auswahl sollten unter transparenten Bedingungen erfolgen. Zu diesem Zweck sind nichtdiskriminierende Kriterien festzulegen, anhand deren die Auftraggeber die Bewerber auswählen können, sowie die Mittel, mit denen die Wirtschaftsteilnehmer nachweisen können, dass sie diesen Kriterien genügen. Im Hinblick auf die Transparenz sollte der Auftraggeber gehalten sein, bei einer Aufforderung zum Wettbewerb für einen Auftrag die Eignungskriterien zu nennen, die er anzuwenden gedenkt, sowie gegebenenfalls die Fachkompetenz, die er von den Wirtschaftsteilnehmern fordert, um sie zum Vergabeverfahren zuzulassen.“

Die Regelung des Abs. 3 setzt Art. 47 der RL 2009/81/EG um.

Erwägungsgrund 69 der RL 2009/81/EG führt im Zusammenhang mit den Zuschlagskriterien Folgendes aus: „Die Zuschlagserteilung sollte auf der Grundlage objektiver Kriterien erfolgen, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten und sicherstellen, dass die Angebote transparent und objektiv und unter wirksamen Wettbewerbsbedingungen bewertet werden. Dementsprechend sind nur zwei Zuschlagskriterien zuzulassen: das des ‚niedrigsten Preises’ und das des ‚wirtschaftlich günstigsten Angebots’.“

Der Auftraggeber kann frei zwischen dem Zuschlag auf das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot und dem Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis wählen.

Um bei der Zuschlagserteilung die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sicherzustellen, ist die – in der Rechtsprechung anerkannte – Verpflichtung zur Sicherstellung der erforderlichen Transparenz vorzusehen, damit sich jeder Bieter angemessen über die Kriterien und Modalitäten unterrichten kann, anhand deren das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird. Die Auftraggeber haben daher die Zuschlagskriterien und deren jeweilige Gewichtung anzugeben, und zwar so rechtzeitig, dass diese Angaben den Bietern bei der Erstellung ihrer Angebote bekannt sind. Die Auftraggeber können in begründeten Ausnahmefällen, die zu rechtfertigen sie in der Lage sein sollten, auf die Angabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien verzichten, wenn diese Gewichtung insbesondere aufgrund der Komplexität des Auftrags nicht im Vorhinein vorgenommen werden kann. In diesen Fällen sollten sie diese Kriterien in der absteigenden Reihenfolge ihrer Bedeutung angeben.

Grundsätzlich sind bei der Anwendung des Zuschlagsprinzips „technisch und wirtschaftlich günstigstes Angebot“ die Zuschlagskriterien gewichtet anzugeben, wobei die Gewichtung auch in Form einer Marge (Bandbreite der gewichteten Kriterien, innerhalb der sich der Wert eines Kriteriums befinden muss) möglich ist, um dem Auftraggeber unter bestimmten Voraussetzungen einen gewissen Spielraum zu ermöglichen. Die Größe der Marge wird abhängig von der Art der auszuschreibenden Leistung festzusetzen, in der Regel jedoch sehr klein sein. Wenn die Gewichtung auch im Wege einer Marge aus nachvollziehbaren Gründen nicht möglich ist, kann sich der Auftraggeber auf eine bloße Reihung beschränken; beweispflichtig für das Vorliegen solcher Gründe ist der Auftraggeber.

Beschließen die Auftraggeber, dem wirtschaftlich günstigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen, so bewerten sie die Angebote unter dem Gesichtspunkt des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Zu diesem Zweck legen sie die wirtschaftlichen und qualitativen Kriterien fest, anhand deren insgesamt das für den Auftraggeber wirtschaftlich günstigste Angebot bestimmt werden kann. Die Festlegung dieser Kriterien hängt insofern vom Auftragsgegenstand ab, als sie es ermöglichen müssen, das Leistungsniveau jedes einzelnen Angebots im Verhältnis zu dem in den technischen Spezifikationen beschriebenen Auftragsgegenstand zu bewerten sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis jedes Angebots zu bestimmen.

Damit die Gleichbehandlung gewährleistet ist, müssen die Zuschlagskriterien einen Vergleich und eine objektive Bewertung der Angebote ermöglichen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, versetzen die wirtschaftlichen und qualitativen Zuschlagskriterien wie auch die Kriterien über die Erfüllung der Umwelterfordernisse den Auftraggeber in die Lage, auf Bedürfnisse der betroffenen Allgemeinheit, so wie es in den Leistungsbeschreibungen festgelegt ist, einzugehen. Unter denselben Voraussetzungen kann ein Auftraggeber auch Kriterien zur Erfüllung sozialer Anforderungen anwenden. Hinsichtlich der Definition der Zuschlagskriterien, deren Charakteristika (enge Verbindung mit dem Auftragsgegenstand) und deren Auswahl und Zulässigkeit wird auf § 3 Z 22 und die Erläuterungen dazu verwiesen.

Gemäß Abs. 3 letzter Satz ist der Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erteilen, wenn der Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen keine Festlegungen betreffend das Zuschlagsprinzip getroffen hat.

Gemäß Abs. 5 kann der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen sogenannte Ausführungsbedingungen festlegen. In Abs. 5 zweiter Satz wird beispielhaft aufgezählt, welchen Inhalt solche Bedingungen haben können.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Erwägungsgründe 41, 42 und 45 der RL 2009/81/EG: „(41) Bedingungen für die Ausführungen eines Auftrags sind mit dieser Richtlinie vereinbar, sofern sie nicht unmittelbar oder mittelbar zu einer Diskriminierung führen und in der Bekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen angegeben sind. (42) Die Bedingungen für die Auftragsausführung können insbesondere Anforderungen der Auftraggeber an die Informations- und Versorgungssicherheit umfassen. Diese Anforderungen sind angesichts der Sensibilität der unter diese Richtlinie fallenden Ausrüstungsgegenstände von besonders großer Bedeutung und betreffen die gesamte Lieferkette. (45) Auf jeden Fall dürfen die Bedingungen für die Auftragsausführung nur die Ausführung des Auftrags selbst betreffen.“

Zu § 69 (Informationssicherheit):

§ 69 setzt Art. 22 der RL 2009/81/EG um.

Erwägungsgrund 67 der RL 2009/81/EG führt dazu aus: „Angesichts der Sensibilität des Verteidigungs- und Sicherheitsbereiches ist die Vertrauenswürdigkeit der Wirtschaftsteilnehmer, die öffentliche Aufträge erhalten, von elementarer Bedeutung. Diese hängt insbesondere von deren Fähigkeit ab, die Anforderungen der Auftraggeber an die Informations- und die Versorgungssicherheit zu erfüllen. Darüber hinaus sollte diese Richtlinie einen Auftraggeber nicht daran hindern, einen Wirtschaftsteilnehmer jederzeit im Laufe eines Vergabeverfahrens auszuschließen, wenn der Auftraggeber Kenntnis davon erhält, dass die Vergabe des gesamten oder eines Teils des Auftrags an diesem Wirtschaftsteilnehmer wesentliche Sicherheitsinteressen des betreffenden Mitgliedstaats gefährden könnte.“

Zu Abs. 1: Das Erfordernis einer Sicherheitsüberprüfung ist in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen bekannt zu geben. Es sind verschiedene Vorgangsweisen seitens des Auftraggebers denkbar: die Sicherheitsüberprüfung kann als Teilnahmevoraussetzung für das Vergabeverfahren konstruiert sein; es kann aber auch festgelegt werden, dass die Sicherheitsüberprüfung zum Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung oder erst bei der Auftragsausführung vorliegen muss. Der Auftraggeber hat bei der Festlegung der Anforderungen betreffend die Informationssicherheit jedenfalls das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten und die gelindeste zum Schutz der Informationssicherheit notwendige Maßnahme zu wählen (auch um Bieter nicht durch unangemessene und objektiv nicht erforderliche Hürden von der Teilnahme an Vergabeverfahren abzuschrecken).

Die Auflistung der möglichen Anforderungen in Abs. 2 ist demonstrativ (arg. „insbesondere“; vgl. auch Art. 22 Abs. 2 der RL 2009/81/EG: „unter anderem“).

Zu Abs. 3 wird auf die Ausführungen zu § 64 Abs. 8 und auf die Erwägungsgründe 43 und 68 der RL 2009/81/EG verwiesen: „(43) Zu Gewährleistung der Informationssicherheit kann Auftraggeber insbesondere verlangen, dass sich Auftragnehmer und Unterauftragnehmer verpflichten, Verschlusssachen vor nicht autorisiertem Zugriff zu schützen, und dass sie ausreichende Informationen zu ihrer Fähigkeit liefern, dies zu tun. Solange es keine gemeinschaftliche Regelung über Informationssicherheit gibt, ist es Sache der Auftraggeber oder der Mitgliedstaaten, diese Anforderungen im Einklang mit ihren nationalen Rechtsvorschriften festzulegen und zu entscheiden, ob sie nach den nationalen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats mit positivem Ergebnis durchgeführte Sicherheitsüberprüfungen als den von ihren eigenen zuständigen Behörden mit positivem Ergebnis durchgeführten Sicherheitsüberprüfungen gleichwertig ansehen. (68) Solange es keine gemeinschaftliche Regelung über die Informationssicherheit gibt, ist es Sache der Auftraggeber oder der Mitgliedstaaten, das Niveau der technischen Kapazität festzulegen, das diesbezüglich für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren erforderlich ist, und zu beurteilen, ob die Bewerber das geforderte Sicherheitsniveau erreicht haben. In vielen Fällen haben die Mitgliedstaaten bilaterale Sicherheitsübereinkünfte mit Bestimmungen über die gegenseitige Anerkennung nationaler Sicherheitsüberprüfungen abgeschlossen. Auch wenn derartige Übereinkünfte bestehen, können die Fähigkeiten von Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Informationssicherheit überprüft werden und diese Überprüfung sollte unter Einhaltung der Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit erfolgen.“

Abs. 4 und Abs. 5 setzen Art. 42 Abs. 1. UA 3 und 4 der RL 2009/81/EG um.

Die Begriffe „nationale Sicherheitsbehörde“ (National Security Authority – NSA) des Landes des Bewerbers oder die „designierte Sicherheitsbehörde“ (Designated Security Authority – DAS) dieses Landes“ bezeichnen jene ausländischen Sicherheitsbehörden, die im Sitzstaat des Bewerbers die Überprüfung durchführen sollen, ob die voraussichtlich genutzten Räumlichkeiten und Einrichtungen usw. den einzuhaltenden Sicherheitsvorschriften entsprechen oder nicht. Für Österreich fungiert die Informationssicherheitskommission (ISK) im BKA als NSA. Als DSA in Österreich für den militärischen Bereich wurde das Abwehramt von der ISK beauftragt (die beschriebene Situation mit einer NSA als Überbau und einer DSA für den militärischen Bereich existiert auch in anderen Mitgliedstaaten). Für eine Liste der NSAs in der Union vgl. Anlage C zum Beschluss des Rates vom 31. März 2011 über die Sicherheitsvorschriften für den Schutz von EU-Verschlusssachen, ABl. Nr. L 141 vom 27.5.2011, S. 17.

Zu § 70 (Versorgungssicherheit):

Die Regelung des § 70 setzt Art. 23 der RL 2009/81/EG um.

Die Auflistung der möglichen Anforderungen in Abs. 2 ist demonstrativ (arg. „insbesondere“; vgl. auch Art. 23 Abs. 2 der RL 2009/81/EG: „unter anderem“).

Erwägungsgrund 44 der RL 2009/81/EG führt dazu aus: „Die Anforderungen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit können sehr unterschiedlich sein und beispielsweise die internen Grundsätze, nach denen zwischen Tochter- und Muttergesellschaft in Bezug auf gewerbliche Schutzrechte verfahren wird, oder das Vorhandensein kritischer Wartungs-, Instandhaltungs- und Überholungskapazitäten zur Gewährleistung der Unterstützung während des Lebenszyklus einer angeschafften Ausrüstung einschließen.“

Zu § 71 (Alternativangebote):

Als Grundsatz gilt, dass Alternativangebote nur dann zulässig sind, wenn sie vom Auftraggeber zugelassen werden. Enthalten die Ausschreibungsunterlagen keine dahingehende Aussage, so sind Alternativangebote nicht zulässig. Bei Auftragsvergaben nach dem Billigstangebotsprinzip sind Alternativangebote jedenfalls ausgeschlossen (besonders verdeutlicht durch die Einleitung des Abs. 1 „Nur …“). Falls der Auftraggeber Alternativangebote zulässt, kann er weiters die Zulässigkeit einzelner Typen von Alternativangeboten (wirtschaftliche, rechtliche oder technische Alternativen) ohne weitere Voraussetzungen (d.h. auch ohne Begründung) ausschließen (vgl. dazu Abs. 1 Satz 2: „ob und welche Art von Alternativangeboten zugelassen sind“). Die Nichtzulassung von Alternativangeboten ist ebenfalls nicht begründungsbedürftig.

Sofern Alternativangebote zugelassen sind, gilt es folgendes zu beachten: Der Rechnungshof stellte fest, dass sich vielfach Alternativangebote einer seriösen Überprüfung auf ihre Vergleichbarkeit mit den übrigen Angeboten entziehen und dadurch die Bestbieterermittlung erschwert würde. Er empfahl deshalb, die Kriterien exakt festzulegen, nach denen Alternativangebote bei einer Angebotsprüfung zu bewerten sind.

Zu den Mindestanforderungen, die ein Alternativangebot erfüllen muss bzw. zur Vergleichbarkeit siehe auch die Aussagen des EuGH in der Rs C‑421/01,Traunfellner, wo der Gerichtshof festhielt, dass der Auftraggeber, wenn er Alternativangebote zulässt, verpflichtet ist, die Mindestanforderungen, die ein Alternativangebot erfüllen muss, zu erläutern. Eine bloße Verweisung auf eine nationale Rechtsvorschrift, in der lediglich zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Alternativangebot die Erbringung einer qualitativ gleichwertigen Leistung sicherstellen muss, entspricht dieser Vorgabe nicht. Nur durch die Erfüllung dieser Transparenzverpflichtung kann überprüft werden, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt wurde.

Mindestanforderungen „betreffen Eigenschaften oder Ergebnisse, die die ausgeschriebene Leistung kennzeichnen und denen die angebotene Leistung zu genügen hat“, sie konkretisieren die Erwartungen des Auftraggebers an die von ihm ausgeschriebene Leistung. Hat der Auftraggeber keine Angaben zu Mindestanforderungen gemacht, können Alternativangebote nicht berücksichtigt werden. (so GA Alber in seinen SA in der Rs C-421/01, Traunfellner, Rz 62 und 65).

Zu § 72 (Abänderungsangebote):

Abänderungsangebote sollen das in der Praxis bestehende Problem beheben, wie bei der Vergabe nach dem Billigstangebotsprinzip mit Angeboten umzugehen ist, die von der ausgeschriebenen Leistung in sehr geringem Ausmaß abweichen. Da bei einer Auftragserteilung auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis Alternativangebote nicht zulässig sind, wären derartige Angebote – ohne die Bestimmungen betreffend Abänderungsangebote – als nicht ausschreibungskonform auszuscheiden. Ein solches Ausscheiden ist aber in den Fällen als unzweckmäßig anzusehen, in denen die angebotene Leistung mit der vom Auftraggeber verlangten völlig gleichwertig ist. Da Abänderungsangebote technische Abweichungen nicht in einem Ausmaß beinhalten dürfen, wie sie bei Alternativangeboten zulässig sind, ist für die Prüfung, ob es sich bei einem konkreten Angebot noch um ein Abänderungsangebot handelt, ein strenger Maßstab anzulegen. Der durch die Regelung des Abs. 1 zweiter Satz eingeräumte Gestaltungsspielraum ermöglicht es dem Auftraggeber auch, Abänderungsangebote nur hinsichtlich einzelner – von ihm in den Ausschreibungsunterlagen zu bezeichnender – Positionen zuzulassen und gegebenenfalls bestimmte Mindestanforderungen vorzuschreiben.

Abweichend vom System des § 71 bei Alternativangeboten sind Abänderungsangebote, sofern der Auftraggeber nicht anderes festgelegt hat zulässig. Der Auftraggeber kann jedoch ohne Angabe von Gründen die Zulässigkeit von Abänderungsangebote ausschließen. Ein Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung für den Ausschluss von Abänderungsangeboten existiert nicht.

Zu § 73 (Allgemeine Bestimmungen betreffend Subunternehmerleistungen):

Mit den §§ 73 und 74 wird Art. 21 der RL 2009/81/EG umgesetzt.

§ 73 Abs. 1 statuiert den Grundsatz, dass Bieter ihre Subunternehmer frei wählen können. Dieser Grundsatz wird jedoch durch die Möglichkeiten des § 74 eingeschränkt.

Die Möglichkeit, die Weitergabe des gesamten Auftrages als unzulässig vorzusehen, ergibt sich aus dem Erkenntnis des EuGH in der Rs C-314/01, Siemens und ARGE Telekom, in der der Gerichtshof sich ausschließlich auf die Situation bezog, dass „Teile“ der Leistung nicht weitergegeben werden durften. In diesem Sinne bezieht sich auch Art. 21 der RL 2009/81/EG nur auf den „Teil des Auftrags“, den der Bieter gegebenenfalls im Wege von Unteraufträgen an Dritte zu vergeben gedenkt. Kaufverträge und die Weitergabe an verbundene Unternehmen sind von diesem Verbot ausgenommen.

Da ein Unternehmer den Nachweis der Eignung jedenfalls dadurch erbringen kann, dass er die tatsächliche Verfügbarkeit von Kapazitäten eines leistungsfähigen Dritten nachweist (siehe dazu § 65 sowie die Erläuterungen dazu), wäre eine Regelung, wonach die Erbringung des wesentlichen Leistungsteils durch den Auftragnehmer selbst zu erfolgen hat, unzulässig. Im Zusammenhang mit Generalunternehmerkonstruktionen ist darauf hinzuweisen, dass der Generalunternehmer (GU) der Vertragspartner des Auftraggebers ist und der GU seine – gegebenenfalls fehlende – Befugnis nach Maßgabe des § 65 nachweisen kann bzw. muss. Zulieferer sind keine Subunternehmer im Sinne des § 73 (vgl. dazu schon die Ausführungen zu § 3 Z 32).

Zu Abs. 3 ist anzumerken, dass die Nachweisführung hinsichtlich eines Subunternehmers in der Regel insoweit beschränkt ist, als dieser die für die Ausführung seines Leistungsteiles erforderliche Eignung besitzen muss. Im Falle der ausnahmsweisen gänzlichen Weitergabe der Leistung folgt daraus jedoch, dass die Eignung hinsichtlich der gesamten Leistung gegeben sein muss. Durch den Verweis auf § 59 Abs. 2 bis 4 gilt das System der Eigenerklärung (zunächst Vorlage einer Eigenerklärung, Vorlage von Nachweisen nur im Einzelfall auf Aufforderung) auch für Subunternehmer. Die Eigenerklärung bzw. die Nachweise über die Eignung des Subunternehmers sind dem Auftraggeber im Wege des Bieters vorzulegen. Ein Verweis auf § 59 Abs. 5 erübrigt sich, da sich diese Bestimmung (im Gegensatz zu den Abs. 2 bis 4) allgemein auf Unternehmer (und nicht auf Bewerber und Bieter) bezieht und daher auch für Subunternehmer gilt.

Die Festlegung des Auftraggebers gemäß Abs. 4, ob der Bieter alle oder nur die wesentlichen Teile des Auftrags, die der Bieter an Subunternehmer zu vergeben beabsichtigt, bekannt zu geben hat oder nicht, erfolgt vor dem Hintergrund der Regelung des § 92 Abs. 1 Z 3. Aus § 92 Abs. 1 Z 3 ergibt sich, dass der Bieter alle Teile des Auftrags, die er an Subunternehmer zu vergeben beabsichtigt, bekannt geben muss, wenn der Auftraggeber keine diesbezügliche Festlegung trifft. Sogenannte „notwendige“ Subunternehmer, das sind jene Subunternehmer, deren Leistungsfähigkeit für den Nachweis der Leistungsfähigkeit des Bieters erforderlich ist, müssen vom Bieter im Angebot jedenfalls angegeben werden (vgl. § 92 Abs. 1 Z 2). Der Subunternehmer muss jedenfalls über die für die Ausführung seines Teiles erforderliche Eignung verfügen.

Abs. 5 regelt die Möglichkeit des Auftraggebers, Subunternehmer abzulehnen. Der letzte Satzteil des Art. 21 Abs. 5 der RL 2009/81/EG („muss … darlegen, warum der Unterauftragnehmer seines Erachtens die Kriterien nicht erfüllt“) ist nicht umsetzungsbedürftig, da das Darlegen der Kriterien bereits durch die Begründungspflicht in § 73 Abs. 5 erfasst ist.

Die „Festlegungen“ des Auftragebers gemäß Abs. 6 sind weit zu verstehen und umfassen daher auch Entscheidungen gemäß § 73 Abs. 5.

Zu § 74 (Besondere Festlegungen betreffend Subunternehmerleistungen):

§ 74 räumt dem Auftraggeber die Möglichkeit ein, dem erfolgreichen Bieter bestimmte Verpflichtungen betreffend die Vergabe von Subunternehmerleistungen aufzuerlegen. Wenn der Auftraggeber keine diesbezüglichen Festlegungen in der Ausschreibung trifft, gelten für die Vergabe von Subunternehmerleistungen lediglich die allgemeinen Bestimmungen des § 73.

Erwägungsgrund 40 der RL 2009/81/EG führt dazu aus: „(40) Es sollte keine Diskriminierung potenzieller Unterauftragnehmer aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfolgen. Im Bereich der Verteidigung und Sicherheit kann es angebracht sein, dass die Auftraggeber den erfolgreichen Bieter verpflichten, bei der Vergabe von Unteraufträgen an Dritte einen transparenten und nicht diskriminierenden Wettbewerb durchzuführen. Diese Pflicht kann für alle Unteraufträge oder nur für bestimmte, vom Auftraggeber ausgewählte Unteraufträge gelten.

Darüber hinaus erscheint es angebracht, das Recht des Bieters auf Vergabe von Unteraufträgen durch die dem Mitgliedstaat eingeräumte Möglichkeit zu ergänzen, seinen Auftraggebern zu erlauben oder sie zu verpflichten zu verlangen, dass Unteraufträge, die einem bestimmten Mindestanteil des Auftragswerts entsprechen, an Dritte vergeben werden, wobei verbundene Unternehmen nicht als Dritte gelten. Wird ein derartiger Anteil verlangt, sollte der erfolgreiche Bieter Unteraufträge im Anschluss an einen transparenten und nicht diskriminierenden Wettbewerb vergeben, damit alle interessierten Unternehmen dieselben Chancen haben, die Vorteile der Untervergabe zu nutzen. Gleichzeitig sollte das ordnungsgemäße Funktionieren der Lieferkette des erfolgreichen Bieters nicht beeinträchtigt werden. Daher sollte der Prozentsatz, der auf Antrag des Auftraggebers durch Untervergabe an Dritte vergeben werden kann, den Gegenstand und den Wert des Auftrags angemessen widerspiegeln.

Im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens oder eines wettbewerblichen Dialogs mit Verpflichtungen zur Vergabe von Unteraufträgen können der Auftraggeber und die Bieter die Verpflichtungen oder Empfehlungen zur Vergabe von Unteraufträgen erörtern, um sicherzustellen, dass der Auftraggeber über die Auswirkungen der verschiedenen Möglichkeiten der Untervergabe, insbesondere über Kosten, Qualität oder Risiko, umfassend informiert wird. Vom erfolgreichen Bieter vorgeschlagene Unterauftragnehmer sollten in jedem Fall die Möglichkeit haben, an für die Vergabe von Unteraufträgen veranstalteten Wettbewerben teilzunehmen. […]“

Zu § 75 (Einhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Bestimmungen):

Im Einklang mit den einschlägigen Unionsregelungen (vgl. Art. 24 der RL 2009/81/EG) ist von allen Auftragnehmern die Einhaltung sämtlicher arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften zu verlangen, die für innerhalb Österreichs durchzuführende Arbeiten maßgeblich sind. Andernfalls wären bei Außerachtlassung der maßgeblichen arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften grobe Wettbewerbsverzerrungen möglich. Insbesondere ist im gegebenen Zusammenhang die Beachtung der einschlägigen arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften sowie der (zwingenden) kollektivvertragsrechtlichen Regelungen als feste Bestandteile des Vergabevertrages vorzusehen. Im Wege der Ausschreibung sind die künftigen Auftragnehmer zu verhalten, sich den Verpflichtungen, die sich aus den einschlägigen Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ergeben, zu unterwerfen. Diese Verpflichtungen beziehen sich im Wesentlichen auf arbeitsrechtliche, insbesondere lohnrechtliche, Bestimmungen und dienen dem Schutz der Arbeitnehmer in den Betrieben der Auftragnehmer. Die bis zur Beschlussfassung des Gesetzes ratifizierten und in Kraft getretenen ILO-Abkommen sollen in das Gesetz aufgenommen werden. Die Abkommen betreffen die Vereinigungsfreiheit, die Abschaffung der Zwangsarbeit, die Abschaffung der Kinderarbeit, den Mutterschutz und die Diskriminierung am Arbeitsplatz. Es ergeben sich daraus keine neuen Verpflichtungen, da alle Verpflichtungen bereits in die einschlägigen österreichischen Gesetze aufgenommen wurden.

Nach Zuschlagserteilung kann der Auftraggeber gegen den Auftragnehmer daher erforderlichenfalls die Einhaltung der genannten Regelungen auf Grund des Leistungsvertrages im Klagswege durchsetzen.

Zur Gewährleistung der dabei erforderlichen Transparenz ist in Abs. 2 vorgesehen, dass in der Ausschreibung jeweils anzugeben ist, bei welchen Stellen Auskünfte über die für die Durchführung des Auftrages maßgeblichen arbeits- und sozialrechtlichen Verpflichtungen erhältlich sind.

Auftraggeber können Vertragsklauseln über die Auftragsausführung festlegen (vgl. § 68 Abs. 5). Abs. 2 sieht demzufolge vor, dass bei der Durchführung eines Auftrages in Österreich die in Österreich geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften einzuhalten sind. Zu betonen ist, dass die solcherart verbindlichen Vorschriften zu keiner unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung von ausländischen Bietern führen dürfen.

Derartige Klauseln oder Bedingungen müssen in der Auftragsbekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen bekannt gegeben werden, damit alle Bewerber oder Bieter sie zur Kenntnis nehmen können. Diesem Erfordernis tragen insbesondere die letzten beiden Sätze des Abs. 2 Rechnung. Vertragsklauseln über die Auftragsausführung dürfen keine offene oder versteckte technische Spezifikation enthalten. Sie dürfen auch weder die Prüfung der fachlichen Eignung der Bieter auf der Grundlage ihrer wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit noch die Zuschlagskriterien betreffen. Angebote von Bietern, die solche Auftragsbedingungen nicht akzeptieren, entsprechen nicht den Ausschreibungsbestimmungen und sind gemäß § 105 Abs. 1 Z 5 auszuscheiden. Dagegen kann nicht verlangt werden, dass diese Auftragsausführungsbedingungen schon bei der Angebotsabgabe eingehalten werden.

Auf die einschlägige Judikatur des EuGH in diesem Bereich (vgl. C-164/99 sowie C-165/98) wird verwiesen.

Im Erwägungsgrund 46 der RL 2009/81/EG wird dazu Folgendes festgehalten: „Die im Bereich der Arbeitsbedingungen und der Sicherheit am Arbeitsplatz geltenden nationalen und gemeinschaftlichen Gesetze, Regelungen und Tarifverträge sind während der Ausführung eines Auftrags anwendbar, sofern derartige Vorschriften sowie ihre Anwendung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Für grenzüberschreitende Situationen, in denen Arbeitnehmer eines Mitgliedstaats Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat zur Ausführung eines Auftrags erbringen, enthält die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18 vom 21.1.1997 S. 1) die Mindestbedingungen, die im Aufnahmeland in Bezug auf die entsandten Arbeitnehmer einzuhalten sind. Enthält das nationale Recht entsprechende Bestimmungen, so kann die Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen als eine schwere Verfehlung oder als ein Delikt betrachtet werden, das die berufliche Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers in Frage stellt und dessen Ausschluss vom Verfahren zur Vergabe eines Auftrags zur Folge haben kann.“

Zu § 76 (Berichtigung der Ausschreibung):

Die Regelung dient vor allem dem Schutz der Bieter. Jede Veränderung der Ausschreibungsbedingungen ohne Benachrichtigung der Bieter ist geeignet, einerseits beim Bieter „vergebliche“ Aufwendungen zu erzeugen, andererseits zu einer Mangelhaftigkeit der Angebote mit den sich daran knüpfenden Folgen zu führen. Auch die Benachrichtigung der Bieter von Berichtigungen soll dazu beitragen, allfällige Kosten und damit verbunden allfällige Schadenersatzansprüche zu vermeiden.

Dieser Verpflichtung des Auftraggebers entspricht die Obliegenheit des Unternehmers gemäß § 90 Abs. 6, allfällige aus der Sicht des Unternehmers erforderliche Berichtigungen dem Auftraggeber umgehend mitzuteilen. Auf die Verpflichtung zur Verlängerung der Angebotsfrist gemäß § 49Abs. 2 ist ebenfalls hinzuweisen.

Zu § 77 (Festlegungen für die Abgabe elektronischer Angebote):

Wie im BVergG 2006 ist vorgesehen, dass - falls in der Ausschreibung keine Angaben über die Zulässigkeit der Abgabe von Angeboten auf elektronischem Weg enthalten sind - derartige Angebote unzulässig sind.

Zu Abs. 2 ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 96 Abs. 1 ein Bieter neben seinem elektronischen Angebot kein Angebot in Papierform abgeben darf.

Zu den §§ 78 bis 80 (Kommunikationswege, Dokumentenformate und Verschlüsselung):

Die Regelungen entsprechen den §§ 92 bis 94 BVergG 2006.

Gemäß § 78 hat der Auftraggeber nicht diskriminierend festzulegen, auf welchem Weg bzw. auf welchen Wegen elektronische Angebote bei ihm eingereicht werden können. Nicht erlaubt ist die Vorschreibung „exotischer“ (d.h. nicht allgemein gebräuchlicher) Kommunikationswege, weil dadurch der Marktzugang von Unternehmen unzulässig eingeschränkt werden könnte. Die gebräuchlichsten Formen der elektronischen Kommunikation stellen derzeit E-Mail und Internet (z.B. Elektronische Marktplätze, Vergabeplattformen) dar. Fast alle Unternehmer verfügen bereits standardmäßig über E-Mail und Internetzugang sodass die Vorschreibung dieser Kommunikationswege nicht zu Diskriminierungen führt.

Um sicher zu stellen, dass während der Übermittlung der elektronischen Angebote keine unerlaubten Zugriffe und Manipulationen erfolgen, hat der Auftraggeber die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, dass die Übertragung der elektronischen Angebote auf gesicherte Weise erfolgt.

Eine Übertragung ist als gesichert anzusehen, wenn die kryptographischen Sicherungsmethoden vom Sender bis zum tatsächlichen Empfänger wirksam werden (Ende-zu-Ende). Bei einer derartigen von Ende-zu-Ende gesicherten Verbindung ist sichergestellt, dass unberechtigte Dritte diesen Kommunikationsweg nicht kompromittieren können. Es gibt unterschiedliche Verfahren (z.B. SSL, TLS, PGP, etc.), eine derartige Ende-zu-Ende Verbindung umzusetzen. In jedem Fall müssen dabei die Daten nicht nur verschlüsselt sein, sondern es muss der Empfänger (und bei einer Kommunikation, die in beide Richtungen Daten übermittelt, z.B. HTTP/Internet, der Sender und der Empfänger) identifiziert sein. In der Regel wird dies durch ein Zertifikat zur Verschlüsselung auf der Server- und auf der Clientseite umgesetzt. Die dazu notwendigen Verfahren sind in allen Standard-Internetbrowsern umgesetzt. Es dürfen bei derartigen gesicherten Verbindungen nur hinreichend starke Schlüssel für die Identifikation und für die Verschlüsselung an sich eingesetzt werden (vgl. dazu auch die Erläuterungen zu § 80). Die Verschlüsselung auf den Kommunikationswegen wird sich im Allgemeinen von der verschlüsselten Ablage der Angebote unterscheiden. Sofern die restlichen Bedingungen und insbesondere auch die Sicherstellung, dass ein Zugriff auf die Dokumente erst ab Angebotsöffnung möglich ist, eingehalten werden können, wäre auch die Verwendung der gleichen Schlüssel und Methoden möglich.

Gemäß § 79 steht es dem Auftraggeber frei, entweder nur die Dokumentenformate anzugeben, die er entgegen nehmen kann (abhängig von seiner jeweiligen technischen Ausstattung), oder den Bietern (beispielsweise durch Download von einer zu bezeichnenden Website) die zu verwendende Software zur Verfügung zu stellen. Die Festlegung der zu verwendenden Dokumentenformate hat „nicht diskriminierend“ zu erfolgen, d.h. insbesondere, dass proprietäre Lösungen (zB für einen spezifischen Anwender entwickelte Dokumentenformate), die nur mit einem erheblichen (finanziellen) Aufwand beschafft werden können, ausgeschlossen sind. Für in einem einzigen Dokument erstellte Angebote und für Angebotshauptteile dürfen nur Dokumentenformate vorgeschrieben werden, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden können (zB PDF, XML, Datenträger gemäß der ÖNORM B 2063). Für sonstige Angebotsbestandteile (Unterlagen, Nachweise, Pläne usw.) können auch Dokumentenformate festgelegt werden, die nicht qualifiziert signierfähig sind. Legt der Auftraggeber keine Dokumentenformate fest oder legt er nur qualifiziert signierbare Dokumentenformate fest, so kann der Bieter die Dokumentenformate, die er für die Angebotserstellung benötigt (qualifiziert signierfähig oder sonstige), unter Beachtung der Regelung des § 97Abs. 1 (allgemeine Verfügbarkeit, nicht diskriminierende Formate) selbst festlegen.

Dass Angebote bzw. Angebotshauptteile mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und auch verschlüsselt werden müssen, entspricht den derzeit europaweit gepflogenen Standards (vgl. die Vergabeplattform des Bundes in Deutschland, http://www.evergabe-online.de). Die Verschlüsselung unterstützt insbesondere die Gewährleistung der Vertraulichkeit des Inhalts von Dokumenten, welche durch die alleinige Verwendung einer qualifizierten Signatur nicht gewährleistet ist, da der Dokumenteninhalt lesbar bleibt.

Dem technologieneutralen Ansatz des Gesetzes folgend, schreibt § 80 Abs. 1 selbst kein bestimmtes Ver- bzw. Entschlüsselungsverfahren vor. Das derzeit am häufigsten verwendete Ver- und Entschlüsselungsverfahren ist das so genannte „Public-Key-Verfahren“ (zB RSA). Dabei gibt der Auftraggeber den Bietern seinen öffentlichen Schlüssel bekannt bzw. das Trustcenter, bei dem dieser bezogen werden kann. Mit diesem sind die Angebote zu verschlüsseln. Die Entschlüsselung erfolgt mit dem geheimen privaten Schlüssel des Auftraggebers. Um sicher zu stellen, dass kein Zugriff auf diesen privaten Schlüssel vor Ablauf der Angebotsfrist erfolgt, kann dieser beispielsweise bei einem „elektronischen Notar“ hinterlegt werden. Auch die Verwahrung der entsprechenden Smartcards in einem Safe bis zum Ablauf der Angebotsfrist wäre denkbar. Daneben kann aber auch – sofern der Auftraggeber dies zulässt – ein symmetrisches Verschlüsselungsverfahren eingesetzt werden (Ver- bzw. Entschlüsselung mit einem identen geheimen Schlüssel). Jedenfalls muss durch die Organisation der Schlüssel die Geheimhaltung der Angebotsinhalte bis zur Angebotsöffnung sichergestellt sein. Zudem muss durch Prozeduren und Verfahren verhindert werden, dass zwei Parteien (Bieter) den gleichen Schlüssel verwenden können.

§ 80 Abs. 2 verlangt einen Verschlüsselungsstandard einer „starken Verschlüsselung“ gemäß dem jeweiligen Stand der Technik. Derzeit wird diesem Erfordernis bei einem asymmetrischen Verschlüsselungsverfahren mit einer Schlüssellänge von mindestens 1.024 Bits, bei einem symmetrischen Verfahren durch eine Schlüssellänge von mindestens 128 Bits entsprochen. Neben der Bitlänge der Schlüssel ist bei einem starken Verfahren zur Verschlüsselung aber auch noch die Zufälligkeit der erzeugten Schlüssel sicherzustellen. Ein Zufall ist dann für Verschlüsselung verwendbar, wenn sich das Ergebnis, in diesem Fall der Schlüssel, weder aus dem Zustand des Rechners noch aus vorhergehend oder nachfolgend erzeugten Zufallswerten ermitteln lässt. Die gemäß der Bestimmung zulässigen kryptographischen Zufallsfolgen haben daher folgende Eigenschaften: statistisch zufällige Verteilung, Unvorhersehbarkeit und Nicht-Reproduzierbarkeit.

Es existieren eine Vielzahl von Diensteanbietern, die derartige Verschlüsselungstechniken anbieten (vgl. etwa „Pretty Good Privacy (PGP)“, http://www.pgp.com).

Zu § 81 (Arten der Leistungsbeschreibung):

Die in dieser Form neue Bestimmung soll die beiden Arten der Leistungsbeschreibung, die konstruktive und die funktionale Leistungsbeschreibung generell definieren.

Zu § 82 (Grundsätze der Leistungsbeschreibung):

Durch die Formulierung der Abs. 1 und 2 sollen die Unterschiede zwischen der konstruktiven und der funktionalen Leistungsbeschreibung – insbesondere hinsichtlich des unterschiedlichen Vergleichsmaßstabes – deutlich zum Ausdruck gebracht werden.

Zweck einer detaillierten Leistungsbeschreibung ist es, die auf Grund der Ausschreibung einlangenden Angebote vergleichen und daraus das beste Angebot auswählen zu können. Dies setzt voraus, dass die Leistung für die Bieter kalkulierbar ist. Die Planung muss daher vor der Ausschreibung so weit abgeschlossen sein, dass Inhalt und Umfang der Leistung genau beurteilt werden können.

Die Präzisierung der Beschreibung der Leistung darf aber nicht so weit gehen, dass in der Ausschreibung, sofern nicht besondere Umstände dies rechtfertigen (vgl. § 83 Abs. 7 und 8), von vornherein Erzeugnisse eines bestimmten Unternehmers namentlich angeführt werden. Soweit nicht besondere Umstände wie die Wahrung der technischen Einheit bei der Erweiterung oder Instandhaltung von Systemen dies notwendig macht, würde die Ausrichtung der Leistungsbeschreibung nach bestimmten Firmenerzeugnissen den Grundsatz des freien Wettbewerbes verletzen.

Abs. 5 bezieht sich auf die Beschreibung der Leistung. Zur Klarstellung soll nicht auf „Folgekosten“ oder „Tätigkeiten“ Bezug genommen werden, sondern auf die „kostenwirksamen Faktoren“, die beim Auftraggeber durch die nachgefragte Leistung anfallen bzw. wirksam werden. Bilden daher zukünftige Folgekosten ein Zuschlagskriterium, so sind die damit in Verbindung stehenden Leistungen in der Leistungsbeschreibung anzuführen.

Zu § 83 (Technische Spezifikationen):

Die Regelung setzt Art. 18 der RL 2009/81/EG um.

In Erwägungsgrund 38 der RL 2009/81/EG heißt es dazu: „Die von den Auftraggebern erarbeiteten technischen Spezifikationen sollten es erlauben, die Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb zu öffnen. Hierfür muss es möglich sein, Angebote einzureichen, die die Vielfalt technischer Lösungsmöglichkeiten widerspiegeln. Damit dies gewährleistet ist, müssen einerseits technische Spezifikationen auf der Grundlage von Leistungs- und Funktionsanforderungen festgelegt werden. Andererseits müssen im Fall der Bezugnahme auf eine europäische Norm oder auf internationale oder nationale Normen, einschließlich Normen aus dem Verteidigungsbereich, Angebote auf der Grundlage anderer gleichwertiger Lösungen von den Auftraggebern geprüft werden. Diese Gleichwertigkeit kann insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an Interoperabilität und operative Wirksamkeit bewertet werden. Die Bieter sollten die Möglichkeit haben, die Gleichwertigkeit ihrer Lösungen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Nachweisen zu belegen. Die Auftraggeber müssen jede Entscheidung, dass die Gleichwertigkeit in einem bestimmten Fall nicht gegeben ist, begründen können. Im Übrigen bestehen internationale Normungsübereinkommen, die die Interoperabilität der Streitkräfte gewährleisten sollen und in den Mitgliedstaaten Gesetzeskraft haben können. Sollte eines dieser Übereinkommen anwendbar sein, können die Auftraggeber verlangen, dass die Angebote den in diesem Übereinkommen enthaltenen Normen entsprechen. Die technischen Spezifikationen sollten klar festgelegt werden, so dass alle Bieter wissen, was die Anforderungen des Auftraggebers umfassen.“

Zu den Normen bzw. Spezifikationen wird auf die Definitionen in § 3 Z 17, Z 20, Z 26, Z 33, Z 34 und Z 40 verwiesen.

Abs. 2 legt die Reihenfolge der Bezugnahme fest, falls technische Spezifikationen mit Hilfe von Normen festgelegt werden sollen. Entsprechend den Vorgaben der RL 2009/81/EG ist ein grundsätzlicher Vorrang der Bezugnahme auf zivile Standards normiert soweit nicht anderes durch nationale Vorschriften oder aufgrund (internationaler) Verpflichtungen angeordnet ist. In der Praxis der Beschaffung im Verteidigungsbereich werden überwiegend NATO-Normen verwendet. Im Bereich der NATO werden technische Normen – soweit nicht zivile Normen verwendbar sind - in der Regel in sogenannten STANAGs (Standardization Agreement, ein Standardisierungsübereinkommen aller oder einiger NATO-Vertragsparteien über die gänzliche oder teilweise Anwendung technischer Standards) für die (allgemeine) Verwendung festgelegt. STANAG-Richtlinien werden von der NATO Standardisation Agency (NSA) herausgegeben. Ein STANAG hat zum Ziel, dass seine ratifizierenden NATO-Mitglieder bei der Einführung und Beschaffung bestimmter Ausrüstung, bestimmten Materials oder auch bei der Einführung bestimmter Verfahrensweisen den gemeinsam beschlossenen Standard beachten. Dadurch soll eine möglichst einheitliche Ausrüstung aller NATO-Truppen in verschiedenen Bereichen erreicht werden. Als Beispiel können etwa STANAG 2233, NATO consignment and asset tracking by radio-frequency identification, oder STANAG 4184, Microwave Landing System (MLS) genannt werden (vgl. zu weiteren STANAGs http://nsa.nato.int/nsa/NSDDPubl/listpromulg.html). Österreich ist kein NATO Mitglied und kann daher nicht Partei eines STANAGs sein (in der Praxis werden STANAGs zum Teil durch Erlass intern verpflichtend gemacht und verlautbart). Dennoch stehen Normen gemäß STANAGs in der Hierarchie der zu verwendenden Normen über jenen Normen, die unter Abs. 2 Z 1 aufgelistet sind. Technische Normen aufgrund eines STANAGs sind „technische Anforderungen, die gemäß internationaler Normenvereinbarungen zur Garantie der in diesen Vereinbarungen geforderten Interoperabilität zu erfüllen sind“ (Abs. 2 Einleitung). Wie sich aus anderen Sprachfassungen erkennen lässt (vgl. etwa englisch: „without prejudice to ... technical requirements to be met by the Member State under international standardisation agreements in order to guarantee the interoperability required by those agreements”), ist nicht erforderlich, dass die Normenvereinbarungen selbst jedenfalls verbindlich sein müssen („to be met“ bzw., „zu erfüllen sind“ ist daher im folgenden Sinne zu verstehen: die Anforderungen des STANAGs müssen objektiv/inhaltlich erfüllt werden, um Interoperabilität des Geräts usw. zu erreichen). Oft verwenden Ausschreibungen auch sogenannte „NATO stock numbers“; in diesem Fall ist jedoch der Zusatz „oder gleichwertig“ oder „oder gleichwertig zertifiziert“ zu verwenden.

Die in Abs. 2 Z 1 lit. e angesprochenen „zivilen technischen Spezifikationen, die von der Industrie entwickelt wurden“ sind die sogenannten „Industriestandards“ (auch als „De-facto Standard“ oder „Quasi-Standard“ bezeichnet). Es handelt sich hierbei um einen technischen Standard (bei einer gewissen Problemstellung ein bestimmtes Regelwerk einzuhalten), der sich im Laufe der Jahre durch die Praxis vieler Anwender und verschiedener Hersteller als technisch nützlich und richtig erwiesen hat.

Der im BVergG 2006 gewählte Ansatz – Beschreibung der Leistung durch technische Normen oder in Form von Leistungs- und Funktionsanforderungen sowie jedwede Kombinationsform – gilt auch im Anwendungsbereich des BVergGVS. Die Leistungsbeschreibung mittels Leistungs- und Funktionsanforderungen bietet sich an, wenn der Auftraggeber lediglich das zu realisierende Ziel exakt definieren kann, die Wege zu dessen Realisierung jedoch nicht kennt oder von Unternehmern innovative Lösungsmöglichkeiten angeboten bekommen möchte. Hervorzuheben ist, dass jede Bezugnahme auf Normen, d.h. zB auch eine Bezugnahme auf Europäische Normen, mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen ist (vgl. Abs. 2 Schlussteil).

Abs. 5 enthält eine Spezialvorschrift für die Verwendung von Umweltzeichen als Referenzgröße für technische Spezifikationen. Als „anerkannte Stellen“ sind die Prüf- und Eichlaboratorien sowie die Inspektions- und Zertifizierungsstellen anzusehen, die den einschlägigen anzuwendenden europäischen Normen entsprechen. Dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung entsprechend müssen daher auch Bescheinigungen von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen anerkannten Stellen akzeptiert werden.

Auf die Bestimmung in Abs. 7, wonach eine Angabe von Warenzeichen, Patenten oder Typen sowie eines bestimmten Ursprungs mit dem Zusatz „oder gleichwertiger Art“ nur dann zulässig ist, wenn der Auftragsgegenstand nicht auf andere Weise durch hinreichend genaue, allgemein verständliche Bezeichnungen beschrieben werden kann, wird besonders hingewiesen.

Die Vorschreibung einer bestimmten Produktionsmethode wird durch diese Bestimmung in bestimmten Grenzen für zulässig erklärt (vgl. dazu auch die Definition der Technischen Spezifikation in § 2 Z 33 („… Produktionsprozesse und –methoden“).

Zu § 84 (Vertragsbestimmungen):

Für folgende Angaben sind erforderlichenfalls eigene Bestimmungen im Leistungsvertrag festzulegen:

           1. Erfüllungszeiten und allfällige Fixgeschäfte;

           2. Vertragsstrafen (Pönale);

           3. Sicherstellungen;

           4. Arten der Preise; bei veränderlichen Preisen sind – sofern entsprechende ÖNORMen nicht vorhanden und für anwendbar erklärt worden sind – die Regeln und Voraussetzungen festzulegen, die eine eindeutige Preisumrechnung ermöglichen;

           5. Mehr- oder Minderleistungen;

           6. Prämien;

           7. Vorauszahlungen;

           8. Anzuwendendes Recht und Gerichtsstand;

           9. Bestimmungen über Schiedsgerichtsbarkeit;

        10. Besonderheiten im Zusammenhang mit der technischen Ausführung;

        11. Abweichungen von allgemein anerkannten oder üblichen Ausführungsregeln;

        12. Art der Prüfung der Einhaltung bestimmter Vorschreibungen, zB hinsichtlich der Güte des Materials;

        13. Bedingungen insbesondere sozialen (wie zB frauen-, behinderten-, sozial- und beschäftigungspolitische Belange) oder ökologischen Inhaltes, die während der Erbringung der Leistungen zu erfüllen sind, sofern diese Bedingungen bereits in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen bekannt gemacht worden sind;

        14. Material, das im Zuge der Ausführung der Leistung anfällt (Eigentumsverhältnis, Verbringung, Verwendung, Vergütung);

        15. Verpackung;

        16. Erfüllungsort;

        17. Teil- und Schlussübernahme;

        18. Abrechnung, Rechnungslegung, Zahlung und Verzugszinsen;

        19. Leistungen zu Regiepreisen (zB Zulässigkeit, Nachweis);

        20. Rückstellung von Ausschreibungs- oder Angebotsunterlagen und von Ausarbeitungen gemäß § 23;

        21. Vergütung von besonderen Ausarbeitungen im Zuge der Angebotserstellung;

        22. Verwertung von Ausarbeitungen gemäß § 23;

        23. Gewährleistung und Haftung;

        24. Versicherungen.

Zu Z 13 wird etwa auf das Handbuch für ein umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen (KOM(2008) 400) sowie den Leitfaden für die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Beschaffungswesen ( SEK(2010) 1258 und SEK(2010) 1545) verwiesen.

Zu § 85 Grundsätze der Ausschreibung

§ 85 trifft eine Regelung über die im Rahmen eines Vergabeverfahrens im Unterschwellenbereich einzuhaltenden Regeln (vgl. dazu auch § 248 BVergG 2006). Sie beinhaltet eine abschließende Regelung der Vorgaben, die bei einer Ausschreibung im Unterschwellenbereich zu beachten sind und fasst somit alle maßgeblichen Vorgaben in einer Bestimmung zusammen.

Zu Abs. 3 ist darauf hinzuweisen, dass der Ausdruck „Konzeption für alle Benutzer“ auch unter der Bezeichnung „Design for all“ bekannt ist.

Zu den §§ 86 bis 89 (Ablauf einzelner Verfahrensarten):

Die §§ 86 bis 89 bilden einen eigenen Abschnitt, der die Regelungen betreffend den Ablauf des nicht offenen Verfahrens und des Verhandlungsverfahrens enthält.

§ 86 regelt die Auswahl der Teilnehmer im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung. Es ist darauf hinzuweisen, dass die minimale Anzahl von drei Teilnehmern im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung (vgl. § 86 Abs. 3) in bestimmten Fällen nicht schlagend werden kann. So ergibt sich etwa bereits aus den Tatbeständen der §§ 25 Z 5, 8 11 und 12 dass nur ein bestimmter Leistungserbringer in Frage kommen kann. In diesen Fällen kann das Verhandlungsverfahren naturgemäß nur mit dem allein in Frage kommenden Unternehmer abgewickelt werden. Darüber hinaus hat der EuGH in der Rs C‑138/08 Hochtief (vgl. Rz 44) festgehalten, dass ein Auftraggeber dann, wenn ein Auftrag im Verhandlungsverfahren vergeben wird und die Zahl der geeigneten Bewerber die für das betreffende Verfahren festgelegte Mindestgrenze nicht erreicht, das Verfahren gleichwohl fortsetzen kann, indem er den oder die geeigneten Bewerber zur Verhandlung über die Auftragsbedingungen auffordert (vgl. auch § 87 Abs. 5). Als „geeigneter Bewerber“ ist jeder Unternehmer anzusehen, der sich um eine Aufforderung zur Teilnahme an einem Verfahren beworben hat und der den für dieses Verfahren festgelegten wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen genügt. Wird ein Auftrag im Verhandlungsverfahren vergeben und erreicht die Zahl der geeigneten Bewerber nicht die für das betreffende Verfahren festgelegte Mindestgrenze, die nicht unter drei liegen darf, so kann gemäß der zitierten Rechtsprechung der Auftraggeber das Verfahren gleichwohl fortsetzen, indem er den oder die geeigneten Bewerber zur Verhandlung auffordert. Wäre dem nicht so, könnte, so der EuGH, das vom Auftraggeber festgestellte und definierte gesellschaftliche Bedürfnis, dem dieser mit der Vergabe des betreffenden Auftrags Rechnung tragen wollte, nicht mangels geeigneter Bewerber, sondern deshalb nicht befriedigt werden, weil deren Anzahl unter dieser Mindestgrenze läge. Erreicht daher in einem Verfahren die Zahl der geeigneten Bewerber nicht die für das betreffende Verfahren festgelegte Mindestgrenze, so ist davon auszugehen, dass der Auftraggeber, sofern die wirtschaftlichen und technischen Anforderungen für dieses Verfahren ordnungsgemäß festgelegt und gehandhabt wurden, gleichwohl einen echten Wettbewerb gewährleistet hat. Der Verweis auf die „dringlichen, zwingenden Gründe“ in § 86 Abs. 3 ist im Sinne des § 25 Z 3 und 4 zu verstehen. Für die Übermittlung der Aufforderung zur Angebotsabgabe im Sinne des § 86 Abs. 4 gilt die allgemeine Regelung des § 35 Abs. 1.

§ 87 setzt teilweise Art. 34 der RL 2009/81/EG um. Gemäß § 87 Abs. 2 können Teilnahmeanträge „nur“ elektronisch oder per Telefax gestellt werden. Der Widerspruch zwischen Art. 36 Abs. 3 der RL 2009/81/EG – keine Kenntnis vom Inhalt der Teilnahmeanträge vor Ablauf der Frist – und Art. 36 Abs. 6 der RL 2009/81/EG – telefonische und per Fax übermittelte Teilnahmeanträge – wird insofern „bereinigt“, als eine telefonische oder per Fax erfolgende Übermittlung eines Teilnahmeantrages nicht zugelassen wird, jedoch Interessenbekundungen auf diese Weise eingebracht werden können.

Die Auswahlkriterien (bei Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung und beim wettbewerblichen Dialog) sind gemäß Abs. 5 letzter Satz bekannt zu geben (vgl. dazu auch Art. 38 Abs. 3 der RL 2009/81/EG). Erwägungsgrund 62 der RL führt dazu aus: „Ein Auftraggeber kann die Zahl der Bewerber im nicht-offenen Verfahren und im Verhandlungsverfahren mit Veröffentlichung einer Bekanntmachung sowie beim wettbewerblichen Dialog begrenzen. Solch eine Begrenzung sollte auf der Grundlage objektiver Kriterien erfolgen, die in der Bekanntmachung anzugeben sind. Hinsichtlich der Kriterien betreffend die persönliche Lage des Wirtschaftsteilnehmers kann ein allgemeiner Verweis in der Bekanntmachung auf die in dieser Richtlinie genannten Fälle ausreichen.“ Der parallele Erwägungsgrund 40 zu RL 2004/18/EG enthält darüber hinaus auch folgende Aussage: „Diese objektiven Kriterien setzen nicht unbedingt Gewichtungen voraus.“ Aus dem Schweigen des Unionsgesetzgebers kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass diese Aussage im Anwendungsbereich der RL 2009/81/EG keine Gültigkeit hätte.

Es wird davon abgesehen, eine Höchstzahl der aufzufordernden Unternehmer festzulegen. Dies ist Sache des Auftraggebers und es liegt allein in dessen Ermessen, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht oder nicht. Aus diesem Grund wird nur die Mindestanzahl festgelegt (§ 87 Abs. 5). Zur zulässigen Unterschreitung der Mindestzahl vgl. die Erläuterungen zu § 86. Die Zahl der Unternehmer, die zur Angebotslegung aufgefordert werden, hat aber jedenfalls so groß zu sein, dass ein echter Wettbewerb gewährleistet ist. Dass Auswahlkriterien nicht zu gewichten sind, ergibt sich bereits aus der Definition in § 3 Z 22 lit. a (vgl. dazu auch die entsprechenden Erläuterungen und oben die Ausführungen zu Erwägungsgrund 62 der RL in Verbindung mit Erwägungsgrund 40 der RL 2004/18/EG).

Während § 87 Abs. 6 zweiter Satz das Festhalten der Begründung für die Bewerberauswahl betrifft, sind in der Niederschrift gemäß Abs. 4 auch die Gründe für den Ausschluss von Teilnahmeanträgen zu dokumentieren. Abs. 6 soll allein die Nachvollziehbarkeit der Auswahl gewährleisten. Ob dies ebenfalls in einer Niederschrift erfolgt, lässt das Gesetz offen (d.h. dies ist einer Entscheidung des Auftraggebers vorbehalten).

Wenn weniger Teilnahmeanträge als die vom Auftraggeber festgelegte Anzahl einlangen, dürfen gemäß Art. 38 Abs. 4 der RL 2009/81/EG Wirtschaftsteilnehmer, die sich nicht um die Teilnahme beworben haben oder Bewerber, die nicht über die geforderte Leistungsfähigkeit verfügen, nicht zum Verfahren zugelassen werden (siehe § 87 Abs. 7). Diese Einschränkung wird nur für den Oberschwellenbereich vorgesehen (vgl. im Gegensatz dazu auch § 87 Abs. 7 letzter Satz).

§ 88 Abs. 2 enthält das Verhandlungsverbot für nicht offene Verfahren. Klarzustellen ist, dass eine im Rahmen eines nicht offenen Verfahrens stattfindende Auktion nicht als Verhandeln im Sinne des Abs. 2 gilt. § 88 Abs. 3 beinhaltet implizit auch die Verpflichtung, dass die Namen der Bieter bis zur Angebotsöffnung geheim zu halten sind (arg. alle Bieter wurden zur Angebotsabgabe aufgefordert).

Zu den §§ 86 Abs. 4, 87 Abs. 8 und 88 Abs. 1 ist darauf hinzuweisen, dass Unternehmer nur in jener Form (als Einzelunternehmer als Bietergemeinschaft) ein Angebot legen dürfen, in der sie vom Auftraggeber zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden (vgl. dazu auch die Regelung des § 18 Abs. 2 vorletzter Satz).

Die Bestimmungen der §§ 86 Abs. 2, 88 Abs. 3 und 89 Abs. 7 gehen unter anderem auf die Empfehlung des Berichtes der Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Korruption im Vergabewesen (1999) Punkt 2.7 zurück, wonach die „vergebende Stelle … alle denkbaren organisatorischen und sonstigen Sicherungsmaßnahmen zu treffen [hat], um die Bieter- bzw. Interessentenliste geheim zu halten“.

§ 89 Abs. 1 Satz 1 legt fest, dass bei Verhandlungsverfahren mit einem oder mehreren Bietern zu verhandeln ist („hat … zu verhandeln“). Die Pflicht zum Verhandeln bezieht sich auf alle Bieter. Aus Satz 2 folgt, dass bei Verhandlungsverfahren mit nur einem Bieter keine Verhandlungspflicht besteht (arg. „darf“). Hinsichtlich Abs. 1 Satz 1 ergibt sich aus der im Verhältnis zu diesem als lex specialis zu qualifizierenden Bestimmung des Abs. 5, dass bei Verhandlungsverfahren mit mehreren Bietern der Auftraggeber im Fall der Abgabe von vollständig ausgearbeiteten und vergleichbaren Angeboten eine andere Vorgangsweise vorsehen kann (zur Zulässigkeit dieser differenzierenden Regelung siehe unten zu Abs. 5). Aus der Verhandlungspflicht des Abs. 1 Satz 1 folgt, dass zumindest eine Verhandlungsrunde durchzuführen ist (gemäß Abs. 2 wäre dies jedoch offen zu legen). Aus der Pflicht zum Verhandeln gemäß Abs. 1 Satz 1 folgt implizit, dass es dem Auftraggeber verwehrt ist, vor dem Verhandeln eine Auswahl zu treffen, mit welchem oder mit welchen Unternehmern er verhandeln wird. Eine derartige Vorgangsweise ist nur im Rahmen des Abs. 5 zulässig.

Abs. 2 statuiert die Einhaltung des Diskriminierungsverbotes während der Verhandlungsphase.

Da die Möglichkeit, ein Verhandlungsverfahren in mehreren Phasen abzuwickeln und die Zahl der Angebote zu verringern in der Richtlinie 2009/81/EG (Art. 26 Abs. 3) ausdrücklich vorgesehen ist, ist es zweckmäßig, nähere Regelungen dazu zu treffen.

Im Erwägungsgrund 63 heißt es dazu: „Im Rahmen … der Verhandlungsverfahren mit Veröffentlichung einer Bekanntmachung empfiehlt es sich, aufgrund der eventuell erforderlichen Flexibilität sowie der mit diesen Vergabemethoden verbundenen zu hohen Kosten den Auftraggebern die Möglichkeit zu bieten, eine Abwicklung des Verfahrens in sukzessiven Phasen vorzusehen, so dass die Anzahl der Angebote, die noch Gegenstand … der Verhandlungen sind, auf der Grundlage von vorher angegebenen Zuschlagskriterien schrittweise reduziert wird. Diese Reduzierung sollte – sofern die Anzahl der geeigneten … Bewerber es erlaubt – einen wirksamen Wettbewerb gewährleisten.“

Bei der Umsetzung der RL wurde versucht, die Formalisierung des Verhandlungsverfahrens auf ein Minimum zu beschränken, da es sich beim Verhandlungsverfahren um einen Verfahrenstyp handelt, der dem Auftraggeber einen gewissen Spielraum geben soll. Die vom Auftraggeber vorgenommenen Festlegungen über den Ablauf des Verhandlungsverfahrens können daher auch in abstrakter Weise erfolgen und müssen nicht auf ein konkretes Verfahren beschränkt sein. Außerdem soll dem Auftraggeber ein möglichst großer Gestaltungsspielraum eingeräumt werden (so könnte der Auftraggeber zB auch festlegen, dass er an die Festlegung, die Zahl der Teilnehmer zu reduzieren, nicht gebunden ist und entweder auf eine Reduktion gänzlich verzichten oder eine größere Zahl als geplant in die weiteren Verhandlungen einbeziehen kann).

§ 89 Abs. 3 zweiter Satz legt fest, dass der Auftraggeber die Anzahl der Angebote verringern kann. Unbeschadet der Pflicht zur ersten Verhandlungsrunde (siehe oben die Ausführungen zu § 89 Abs. 1 Satz 1) legt Abs. 3 zweiter Satz nicht fest, wann diese Verringerung stattfinden soll. Dies bleibt dem Auftraggeber überlassen, der daher die Zahl der Angebote vor und während der Verhandlungen verringern kann. Auch die Reduktion auf ein Angebot nach der ersten Verhandlungsrunde ist daher möglich.

Da die Bieter ein Interesse daran haben, zu erfahren, wie lange die Verhandlungen noch andauern werden, müssen sie gemäß § 89 Abs. 4 im Sinne der Transparenz vom Schluss der Verhandlungen (Bekanntgabe der letzten Verhandlungsrunde) jedenfalls vorab informiert werden.

§ 89 Abs. 5 enthält eine Sonderregelung im Verhältnis zu Abs. 1. Bei Verhandlungsverfahren mit mehreren Bietern kann der Auftraggeber mit nur einem Bieter (der das bestgereihte Angebot gelegt hat) unter zwei Voraussetzungen verhandeln: er muss diese Vorgangsweise angekündigt haben und es müssen vollständig ausgearbeitete und vergleichbare Angebote abgegeben worden sein. In diesem Fall dienen die Verhandlungen nicht einem Systemvergleich zwischen verschiedenen Ansätzen, sondern nur der Anpassung des offensichtlich besten Angebotes. Falls diese Verhandlungen (mit dem Bieter des bestgereihten Angebotes) nicht erfolgreich sein sollten, kann der Auftraggeber Verhandlungen mit den übrigen Bietern führen. Für diesen Fall könnte er auch die Festlegung treffen, dass er nach Scheitern der Verhandlungen mit dem Bieter des bestgereihten Angebotes mit dem Bieter des zweitgereihten Angebotes verhandelt usw. Die Zulässigkeit der Sonderregel des Abs. 5 ergibt sich aus Art. 38 Abs. 5 der RL 2009/81/EG, der sich auf Art. 26 Abs. 3 (somit auf die Regelungen über Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung) bezieht und somit nur eine Regelung für diese Verfahren trifft. Daraus folgt e contrario, dass es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, abweichende Regelungen für Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung (und für den Unterschwellenbereich) zu treffen. In diesem Sinne wird ein möglichst flexibles System in § 89 Abs. 5 aufgenommen. Durch Abs. 6 wird in Entsprechung der Judikatur des EuGH festgelegt, dass die bekannt gegebenen Zuschlagskriterien während der Verhandlungsphase nicht geändert werden dürfen, sofern nicht in den Ausschreibungsunterlagen anderes festgelegt wurde. Diese Verpflichtung zur Transparenz (vgl. dazu auch die Aussagen von GA Colomer in seinen SA in der Rs C-331/04) und um jede Diskriminierung auszuschließen fordert, dass allfällige Änderungen in der Anwendung der Zuschlagskriterien vorab fixiert und allen Teilnehmern am Verhandlungsverfahren bekannt gegeben wurden. Zu den so vorgesehenen Zuschlagskriterien darf weder ein Zuschlagskriterium hinzugefügt noch eines weggelassen werden. Auch die einmal fixierte Gewichtung muss beibehalten werden.

§ 89 Abs. 7 beinhaltet die Verpflichtung, dass die Namen der Bieter bis zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung geheim zu halten sind.

Zu den §§ 90 bis 94 (Allgemeine Regelungen für Angebote):

Der Grundsatz des § 90 Abs. 1, wonach der Bieter sich bei der Erstellung des Angebotes strikt an die Ausschreibungsunterlagen zu halten hat, gilt im Verhandlungsverfahren nicht, da bei dieser Verfahrensart über den gesamten Auftragsinhalt verhandelt werden darf und daher auch die Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen verändert werden können. Hinsichtlich der Abs. 4 und 5 des § 90 wird auf die Ausführungen zu den §§ 71 und 72 verwiesen. § 90 Abs. 6 enthält eine lex imperfecta, da keine unmittelbare Konsequenz aus der Verletzung der Mitteilungspflicht folgt. Eine nicht umgehende diesbezügliche Mitteilung wird jedoch als Obliegenheitsverletzung anzusehen sein, die bei einer allfälligen Nachprüfung vor einer Vergabekontrollbehörde von dieser zu bewerten sein wird.

§ 91 enthält die Regelung über die Form der Angebote, die Sonderregelungen betreffend elektronische Angebote finden sich in den §§ 96 ff. Die vorgeschriebene Form gemäß § 91 Abs. 1 kann die Papierform oder die elektronische Form sein. Ein Datenträgeraustausch ist nur bei Abgabe eines Angebotes in Papierform möglich. Abs. 2 enthält die Anordnung, dass Angebote vollständig (gemäß den Vorgaben der Ausschreibung) sein müssen (zur Konsequenz des Ausscheidens vgl. § 105 Abs. 1 Z 5). Die Verpflichtung, Angebote frei von Zahlen- und Rechenfehlern anzugeben, ist eine lex imperfecta. Es steht dem Auftraggeber jedoch frei, in die Ausschreibungsunterlagen diesbezügliche Regeln oder Sanktionen aufzunehmen (vgl. dazu etwa § 79 Abs. 6 BVergG 2006).

§ 92 regelt den Inhalt der Angebote. Zu Abs. 1 Z 1wird hinsichtlich der Bietergemeinschaften auf § 18 Abs. 2 verwiesen. Zur Regelung betreffend die Bekanntgabe von Subunternehmerleistungen in § 92 Abs. 1 Z 2 ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit, die Eignung durch Abgabe einer Eigenerklärung (§ 59) zu belegen, sich auch auf den Fall erstreckt, in dem sich der Bieter zum Nachweis seiner Eignung auf einen Subunternehmer stützt (dies gilt nicht für die Sicherheitsüberprüfung). Der Bieter muss daher allfällige – den Subunternehmer betreffende – Eignungsnachweise nicht gleich mit dem Angebot vorlegen; es ist vielmehr ausreichend, wenn er sie auf Aufforderung beibringen kann. § 92 Abs. 1 Z 3 legt fest, dass der Bieter grundsätzlich alle Teile des Auftrages bekannt zu geben hat, welche er an Subunternehmer zu vergeben beabsichtigt. Eine Einschränkung der Bekanntgabe aller Subunternehmer kann durch den Auftraggeber gemäß § 73 Abs. 4 erfolgen. Abs. 1 Z 4 dient insbesondere im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit dazu, dass der Auftraggeber von jeder Änderung in der Lieferantenkette („supply chain“) informiert werden muss. Gemäß § 92 Abs. 1 Z 6 sind erforderlichenfalls bei veränderlichen Preisen (zum Begriff vgl. die Definition in § 2 Z 26 lit. g BVergG 2006) Regeln und Voraussetzungen festzulegen, die eine einwandfreie Preisumrechung ermöglichen. Diese Angaben sind im Angebot aber nur dann erforderlich, wenn – wie allerdings üblich – kein Index-gebundener Preis verwendet wird.

§ 93 beinhaltet besondere Bestimmungen über den Inhalt eines Angebotes bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung. Die Bestimmung normiert die Anforderungen, welche die Angebote aus Gründen der geforderten Vergleichbarkeit erfüllen müssen. Darin kommt zum Ausdruck, dass die funktionale Leistungsbeschreibung von den Bietern unter Umständen Planungsleistungen (Entwurf und/oder Ausführungsunterlagen) und die Ausarbeitung wesentlicher Teile der Angebotsunterlagen verlangt, um ein Angebot legen zu können. Annahmen, von denen ein Bieter bei Erstellung des Angebotes ausging, weil beispielsweise zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe einzelne Teilleistungen nach Art und Menge noch nicht bestimmt werden konnten, sind gegebenenfalls an Hand von Plänen und Mengenermittlungen zu begründen. Soweit etwa in bestimmten Phasen eines Verhandlungsverfahrens noch keine vollständig ausgearbeiteten Angebote verlangt werden, sind gemäß Abs. 4 die Bestimmungen des § 93 nicht maßgeblich.

§ 94 sieht bei Angeboten in Papierform vor, dass diese fristgerecht in einem verschlossen Umschlag einzureichen sind.

Zu § 95 (Zuschlagsfrist):

Abs. 1 Satz 1 enthält die Berechnungsregel für die Zuschlagsfrist. Ausgehend von der Annahme, dass der Großteil der dem Gesetz unterliegenden Auftragsvergaben komplexer Natur ist, kann die Zuschlagsfrist, welche grundsätzlich kurz zu halten ist, bis zu sieben Monate betragen. Eine Verlängerung darf nur aus zwingenden Gründen erfolgen; die Gründe dafür sind entsprechend zu dokumentieren. Sofern keine Festlegungen über die Zuschlagsfrist in der Ausschreibung erfolgen, sieht das Gesetz eine Frist von zwei Monaten vor.

Abs. 2 enthält eine Klarstellung dahingehend, dass ein Bieter während der Zuschlagsfrist sein Angebot weder verändern noch zurückziehen darf. Der zweite Satz ermöglicht, dass Auftraggeber und Bieter übereinkommen, die Bindungswirkung des Angebotes zu verlängern. Dies wird insbesondere in den Fällen in Betracht kommen, in denen ein Auftraggeber aus gerechtfertigten Gründen die Prüfung der Angebote innerhalb der Zuschlagsfrist noch nicht abgeschlossen hat. Aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung folgt, dass der Auftraggeber alle im Vergabeverfahren verbliebenen Bieter zur Erstreckung der Bindungswirkung ihres jeweiligen Angebotes ersuchen muss und nicht bloß einzelne Bieter darum ersuchen kann. Umgekehrt kann aber auch ein Bieter von sich aus dem Auftraggeber gegenüber die Bindungswirkung seines Angebotes erstrecken.

Abs. 2 berührt nicht die Regelung des § 109 zweiter Satz: auch wenn der Auftraggeber den Bieter nicht um eine Erstreckung der Bindungswirkung ersucht hat, kann der Vertrag durch Zuschlagserteilung nach Ablauf der Zuschlagsfrist zustande kommen, wenn der Bieter erklärt, dass er den Auftrag annimmt.

Der Auftraggeber wird bei Bemessung der angemessenen Nachfrist gemäß Abs. 3 die Stillhaltefrist gemäß § 108 Abs. 1 und ein allfälliges, bereits anhängiges Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen haben. Eine Verlängerung der Zuschlagsfrist unter gleichzeitiger Fristsetzung für die Beibringung der genannten behördlichen Entscheidung bzw. des Nachweises kommt bei besonders dringlichen Verfahren nicht in Betracht und ist deshalb auszuschließen.

In Abs. 4 wird eine Fortlaufshemmung vorgesehen, damit dem Auftraggeber nach Abschluss des Nachprüfungsverfahrens die erforderliche Zeit für die Erteilung des Zuschlages verbleibt.

Zu § 96 (Allgemeine Bestimmungen für elektronisch übermittelte Angebote):

Die Bestimmungen betreffend elektronisch übermittelte Angebote ist vor dem Hintergrund diverser nationaler österreichischer aber auch europäischer Initiativen zu sehen, welche die Abwicklung eines möglichst hohen Prozentsatzes der Vergabeverfahren unter Rückgriff auf elektronische Medien (Internet) zum Ziel haben. Voraussetzung ist jedenfalls, dass der Auftraggeber über die erforderlichen Ressourcen verfügt (sowohl technisch betreffend Hard- und Software als auch personell in Form von ausreichend geschultem Personal), damit Angebote elektronisch übermittelt werden können. Macht der Auftraggeber (weil er zB über diese Ressourcen nicht verfügt) keine Angabe über die Zulässigkeit elektronischer Angebote, sind diese ausgeschlossen (vgl. § 77 Abs. 1 2. Satz). Bei der Übermittlung von Angeboten auf elektronischem Weg ist sicherzustellen, dass der Auftraggeber nicht vor dem vorgesehenen Zeitpunkt der Angebotsöffnung Kenntnis vom Inhalt des Angebotes nehmen kann. Dies kann zB dadurch erzielt werden, dass dem Auftraggeber der Zugriff auf das Angebot erst nach Ablauf der Angebotsfrist ermöglicht wird, oder durch Einschalten einer vertrauenswürdigen Stelle.

Abs. 1 enthält die Grundregel, dass ein Bieter neben seinem elektronisch eingereichten Angebot kein Angebot in Papierform abgeben darf. Bestimmte Angebotsbestandteile können jedoch in Papierform abgegeben werden, sofern sie nicht elektronisch verfügbar sind.

Die in Abs. 2 genannten Unterlagen, Urkunden, Bescheinigungen und Erklärungen können allenfalls auch in elektronischer Form übermittelt werden, sofern deren Beweiskraft jener der geforderten Unterlagen (Urkunden usw.) in Papierform gleichkommt.

Zu den §§ 97 bis 99 (Form, Verschlüsselung und qualifizierte Signatur des Angebotes, Sicheres Verketten von Angebotsbestandteilen und Verordnungsermächtigung):

Hat der Bieter das Angebot bzw. die Angebotsbestandteile nicht in einem der vom Auftraggeber festgelegten Dokumentenformate erstellt und/oder nach einem der bekannt gegebenen Verfahren verschlüsselt und/oder auf einem nicht zugelassenen Kommunikationsweg eingereicht, so handelt es sich um ein den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes und daher gemäß § 105 Abs. 1 Z 5 auszuscheidendes Angebot. Hat der Auftraggeber entgegen der Vorschrift des § 79 die zu verwendenden Dokumentenformate unzureichend festgelegt, so enthält § 97 Abs. 1 Regelungen für die vom Bieter zu verwendenden Dokumentenformate. Die im dritten Satz angesprochenen „sonstigen Angebotsbestandteile“ sind alle Angebotsbestandteile außer dem Angebotshauptteil. Für diesen trifft der zweite Satz die erforderliche Regelung. Aufgrund des letzten Satzes des Abs. 1 hat der Bieter dem Auftraggeber alle erforderlichen Mittel zur „Bearbeitung“ der Dokumentenformate zur Verfügung zu stellen. Eine auf die „Lesefunktion“ beschränkte Verpflichtung wäre nicht sachgerecht, da diesfalls der Auftraggeber zB Dokumentenformate nicht konvertieren (und nachfolgend in sein ERP-System integrieren) könnte.

§ 97 Abs. 2 enthält die (technologieneutrale) allgemeine Regelung betreffend die vom Bieter bei der Angebotserstellung zu beachtenden Grundsätze. Wie die Überprüfbarkeit der Vollständigkeit, Echtheit und Unverfälschtheit des Angebotes (insbesondere im Falle eines Angebotes mit mehreren Angebotsbestandteilen) mit der Qualität der qualifizierten elektronischen Signatur garantiert wird, wird bewusst offen gelassen (§ 98 zeigt lediglich eine Möglichkeit auf).

§ 97 Abs. 3 und 4 enthalten nähere Bestimmungen betreffend die Vorgangsweise bei der Abgabe von Angeboten und der dabei erforderlichen elektronischen Signatur. § 35 Abs. 4 sieht vor, dass eine elektronische Übermittlung von Angeboten und Dokumenten, die im Zusammenhang mit der Angebotsbewertung stehen, „unter Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur“ (bzw. gleichwertiger Techniklösungen) zu erfolgen hat. Es sind jedoch verschiedene technische Lösungen denkbar, wie diesem Erfordernis entsprochen werden kann. Die sichere Verkettung gemäß § 98 ist dabei eine Möglichkeit und wird insbesondere in jenen Fällen eingesetzt werden, in denen Angebotsbestandteile in Dokumentenformaten errichtet sind, die als solche nicht qualifiziert signierfähig sind. Um dennoch vergleichbare Garantien wie eine qualifizierte elektronische Signatur zu bieten, muss der Bieter eine Lösung finden, wie den Grundsätzen des Abs. 2 entsprochen werden kann. Der Auftraggeber muss in der Lage sein festzustellen, ob das aus mehreren Angebotsbestandteilen bestehende Angebot tatsächlich vollständig und unverfälscht eingelangt ist und ob das Angebot wirklich vom jenem Bieter stammt, der das Angebot eingereicht hat.

Abs. 5 trifft Vorkehrungen insbesondere für den Fall, dass Signaturen verwendet werden, die von Zertifizierungsdiensteanbietern mit Sitz außerhalb Österreichs erstellt wurden. Da derzeit europaweit (noch) kein Datenaustausch zwischen allen Diensteanbietern institutionalisiert ist und auch keine europaweite Liste der verfügbaren qualifizierten elektronischen Signaturen existiert, ist es erforderlich, dass der Bieter nach Aufforderung durch den Auftraggeber alle erforderlichen Informationen und Methoden zur Überprüfung der Signatur kostenfrei zur Verfügung stellt, anderenfalls beim Auftraggeber hohe Kosten auflaufen könnten.

§ 98 normiert eine Möglichkeit, wie bei einem aus mehreren Angebotsteilen bestehenden Angebot das Erfordernis der qualifizierten elektronischen Signatur erfüllt werden kann. Im Hinblick auf die rasante (und unvorhersehbare) technologische Entwicklung wird davon Abstand genommen, diesen Weg der qualifizierten elektronischen Signatur des Angebotes (= Angebotshauptteil und weitere Datensätze) zwingend vorzuschreiben (arg. „auch“ in § 98 Abs. 1). Insofern steht das Gesetz anderen Vorgangsweisen, die die geforderten Standards aufweisen (Gewährleistung der Echtheit, Unverfälschtheit und Vollständigkeit) nicht entgegen.

Durch die in § 3 Z 31 definierte Sichere Verkettung ist es auch möglich, andere Formate, die als solche nicht qualifiziert signiert werden können (zB Pläne udglm.) mit der Qualität der qualifizierten Signatur zu versehen. Als Verfahren zur Bildung des Hashwertes ist jenes einzusetzen, welches bei der qualifizierten Signatur des Angebotshauptteils zur Anwendung kommt. Damit wird der an sich offene Begriff des Hashwertes klar festgelegt und es entsteht weder für den Bieter noch für den Auftraggeber ein Zusatzaufwand, da die so bestimmte Methode ohnehin bei der Signatur zur Anwendung kommt.

Eine andere Möglichkeit der sicheren Verkettung wäre – sofern nur qualifiziert signierbare Formate verwendet werden –, im Angebotshauptteildokument ein Inhaltsverzeichnis in der oben beschriebenen Weise zu erstellen und alle weiteren Angebotsbestandteile selbst auch qualifiziert zu signieren. Dabei ist der Hashwert im Angebotsinhaltsverzeichnis ebenfalls notwendig, da sonst die Eindeutigkeit der Referenz des Dokumentes nicht mehr erhalten bleibt.

Durch die Verordnungsermächtigung in § 99 soll ein rasches Reagieren auf die laufenden Entwicklungen und Möglichkeiten auf dem Gebiet der Informationstechnologie sowie auf die diesbezüglichen unionsrechtlichen Vorgaben ermöglicht werden.

Zu § 100 (Entgegennahme, Verwahrung und Öffnung von Angeboten in Papierform):

In § 100 Abs. 4 wird ausdrücklich normiert, dass der Auftraggeber vom Inhalt der Angebote erst nach Ablauf der Angebotsfrist Kenntnis erhalten darf.

Bei einer formalisierten Angebotsöffnung (die per se nicht erforderlich aber vom Auftraggeber so vorgesehen werden kann) sind Bieter (oder deren Bevollmächtigte) anwesenheitsberechtigt. Abs. 5 4. Satz gilt nur bei formalisierten Angebotsöffnungen. Durch Abs. 5 Z 4 wird klargestellt, dass sich die Z 3 nicht auf neben dem Preis festgelegte Zuschlagskriterien bezieht. Diesbezügliche Angaben in den Angeboten stellen damit keine wesentlichen Erklärungen des Bieters im Sinne des § 100 Abs. 5 Z 3 dar, die jedenfalls zu verlesen sind. Durch die ausdrückliche Regelung der Z 4 für derartige quantifizierbare Angaben zu den Zuschlagskriterien sind diese Angaben nur dann zu verlesen, wenn dies der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen angekündigt hat.

Zu § 101 (Entgegennahme und Öffnung elektronisch übermittelter Angebote):

Ein Zeitstempel ist eine elektronische Bescheinigung, dass bestimmte elektronische Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen sind (vg. § 3 Z 43). Aus der Verpflichtung zur Dokumentation des rechtzeitigen Einganges von Angeboten ist jedoch keine Verpflichtung des Auftraggebers ableitbar, dass dieser sicherzustellen hat, dass auch keine Angebote mehr nach Ablauf der Angebotsfrist „eingereicht“ werden können (d.h. der Auftraggeber könnte zB durch elektronische Sperren oder sonstige technische Vorkehrungen Vorsorge dafür treffen, dass nach Ablauf der Angebotsfrist der Eingang von Angeboten nicht mehr möglich ist). Als „Eingang“ im Sinne des § 101 Abs. 1 ist der Eingang des Angebotes auf dem in der Bekanntmachung bzw. in den Ausschreibungsunterlagen genannten Server (elektronische Adresse) gemeint. Auftraggeber, die sich bei der Abwicklung von Vergabeverfahren interaktiver Lösungen (zB Web basierter Beschaffungsplattformen) bedienen, werden durch § 101 Abs. 1 zweiter Satz verpflichtet, die Zeit des Zeitstempels „interaktiv“ lesbar zu machen (zB online einzublenden). Hingegen sind Auftraggeber, die elektronische Angebote lediglich per E-Mail entgegen nehmen, dazu nicht verpflichtet. Entstehen beim Unternehmer (Bieter) Zweifel an der Richtigkeit der angezeigten Zeit, kann er den (vermeintlich nicht korrekten) Zeitstempel von anderen Diensteanbietern mit einem Zeitstempel versehen lassen und so den Beweis des zeitgerechten Einlangens seines Angebotes führen.

Im Zusammenhang mit dem Zeitstempel und der Entgegennahme der Angebote ist auch auf Folgendes hinzuweisen: Alle Angebote sind in der Reihenfolge ihres Einlangens in ein Verzeichnis einzutragen. Das Gesetz verlangt explizit nicht, dass eingelangte Angebote „gleich“ (im Sinne von „sofort“ oder „unverzüglich“) in ein Verzeichnis eingetragen werden müssen. Gleichwohl werden in der traditionellen Vergabepraxis (bei Angeboten in Papierform) die Angebote in aller Regel sofort in ein Verzeichnis eingetragen. Bei Angeboten, die auf elektronischem Weg eingereicht werden und deren Eingang durch einen Zeitstempel bestätigt wird, ist zu erwarten, dass dieser Verpflichtung oft nicht durch den Auftraggeber selbst, sondern durch einen von diesem beauftragten Dritten nachgekommen werden wird. Im Falle, dass neben traditionellen Angeboten in Papierform auch elektronische Angebote eingereicht werden können, wird der Auftraggeber unter Umständen daher von der tatsächlichen Reihenfolge des Einlangens der Angebote oft erst zu einem späten Zeitpunkt Kenntnis erhalten (vielleicht erst unmittelbar vor Angebotsöffnung). In diesem Fall wird das Verzeichnis erst zu dem Zeitpunkt zu erstellen sein, zu dem der Auftraggeber vollständige Kenntnis über die Anzahl und den Zeitpunkt des Einlangens aller Angebote hat.

Eine befugte Entschlüsselung der Angebote vor Ablauf der Angebotsfrist im Sinne des § 101 Abs. 3 kann etwa aufgrund einer Anordnung durch eine Vergabekontrollbehörde oder durch ein Gericht erforderlich sein. Für diesen (Ausnahme)Fall gilt, dass diese Entschlüsselung ausschließlich durch befugte Personen erfolgen darf und dass gewährleistet ist, dass diese Zugriffe dokumentiert werden (vgl. auch § 102 Z 3).

Zu § 102 (Speicherung elektronisch übermittelter Angebote)

§ 102 enthält nähere Bestimmungen betreffend die Speicherung elektronisch eingereichter Angebote.

Der Vorgabe der Z 2 kann beispielsweise durch Verwendung eines sicheren Servers oder elektronischer Zeitsperren entsprochen werden. Zur Klarstellung ist festzuhalten, dass „befugte“ Zugriffe (zB im Auftrag der Nachprüfungsbehörde) bis zur Öffnung der Angebote zulässig sind. Bei Verhandlungsverfahren können, da dieses Verfahren nicht formalisiert ist, selbstverständlich befugte Zugriffe auf die von den Bietern übermittelten Dokumente bzw. die Angebote erfolgen.

Die Zugriffsdokumentation der Z 3 ist vor dem Hintergrund allfälliger Nachprüfungsverfahren zu sehen und ergänzt die Verpflichtung der Z 2.

Zu §§ 103 (Prüfung der Angebote):

Abs. 1 enthält den Grundsatz, dass die Prüfung der Angebote nur durch fachkundige Personen erfolgen darf. In Abs. 2 wird in indikativer Form festgehalten, nach welchen Kriterien die Prüfung der Angebote erfolgt. Eine Prüfung im Hinblick auf die fünf aufgezählten Aspekte des Abs. 3 muss nur bei den für eine Zuschlagserteilung in Betracht kommenden Angeboten vorgenommen werden. Falls sich bei der Prüfung herausstellt, dass die Angemessenheit der Preise nicht vorliegen könnte, so gilt § 104 für die weitere Vorgangsweise.

Zu § 104 (Prüfung der Angemessenheit der Preise – vertiefte Angebotsprüfung):

Zu § 104 Abs. 1 ist darauf hinzuweisen, dass die Wortfolge „alternativ angeboten“ sowohl Alternativ- wie auch Abänderungsangebote erfasst.

Abs. 2 regelt die Maßstäbe, die der Prüfung zugrunde zu legen sind.

In Abs. 3 werden die zwei Fälle genannt, bei denen eine vertiefte Angebotsprüfung zu erfolgen hat.

Bei der vertieften Angebotsprüfung gemäß Abs. 4 kann insbesondere geprüft werden, ob im Preis aller wesentlichen Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze nachvollziehbar sind, ob der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis; vgl. dazu die Definitionen in § 2 Z 26 lit. b, e und f BVergG 2006) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen und ob die Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aufgrund der Erfahrung des Auftraggebers bzw. der prüfenden Sachverständigen erklärbar ist.

Zu Abs. 5 wird auf die Erkenntnisse des EuGH in den Rs C‑164/99 sowie C‑165/98 hingewiesen. Gemäß dem letzten Satz besteht für Auftraggeber im Unterschwellenbereich insofern eine Erleichterung, als das in Abs. 5 vorgesehene kontradiktorische Verfahren nicht in jedem Fall durchgeführt werden muss. Es muss jedenfalls die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen des Auftraggebers im Vergabeakt gewährleistet sein. Bei größeren Aufträgen im Unterschwellenbereich ist daher anzuraten, die Aufklärung durch den Bieter zumindest schriftlich zu dokumentieren. Die Regelung des letzten Satzes bedeutet jedoch nur, dass von dem in Abs. 5 vorgegebenen formalen Vorgangsweise (schriftlich) dispensiert wird; es bedeutet nicht, dass von der kontradiktorischen Aufklärung an sich Abstand genommen werden darf (vgl. dazu EuGH Rs C‑147/06 und C-148/06, SECAP). Dass für die Aufklärung gemäß Abs. 5 dem Bieter eine angemessene Frist einzuräumen ist, ergibt sich bereits aus der allgemeinen Regel des § 49 Abs. 1.

Hinzuweisen ist auch auf die auf den Oberschwellenbereich beschränkte Regelung des Abs. 6 betreffend Angebote, die auf Grund einer staatlichen Beihilfe einen ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis aufweisen; durch diese Regelung wird Art. 49 Abs. 3 der RL 2009/81/EG umgesetzt.

Zu § 105 (Ausscheiden von Angeboten):

§ 105 regelt das Ausscheiden von Angeboten. Die Ausscheidenstatbestände sind im Gesetz nicht taxativ normiert. Der EuGH hat dazu jedoch festgehalten, dass es dem Auftraggeber nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung und der Verpflichtung zur Transparenz untersagt ist, ein den Anforderungen der Ausschreibung genügendes Angebot unter Berufung auf Gründe abzulehnen (in der Terminologie des BVergGVS: auszuscheiden), die nicht in der Ausschreibung vorgesehen sind und die nach Einreichung dieses Angebots angeführt werden (Rs C-6/05, Medipac). Liegt ein gesetzlicher oder vom Auftraggeber festgelegter Ausscheidenstatbestand vor, so besteht eine Verpflichtung des Auftraggebers zum Ausscheiden des betreffenden Angebotes. Es liegt daher nicht im Ermessen des Auftraggebers, ob er von einem normierten oder festgelegten Ausscheidenstatbestand Gebrauch macht.

Die Z 1 § 105 Abs. 1 verweist auf die Ausschlusstatbestände des § 18 Abs. 5 (Vorarbeiten) sowie jene des § 57 Abs. 1. Abs. 1 Z 2 betrifft den Fall der fehlenden Eignung.

Zu Abs. 1 Z 3 ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass durch die Wortfolge „nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises“ auch das Vorliegen nicht plausibler Teilpreise erfasst ist, da diese zu einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises führen.

Als nicht ausschreibungskonform (Z 5) sind solche Angebote anzusehen, bei denen die technischen Spezifikationen gemäß § 83 bzw. die Anforderungen an Versorgungs- oder Informationssicherheit nicht erfüllt sind. Diese Angebote sind daher gemäß Abs. 1 Z 5 auszuscheiden und es hat eine Verständigung nach Abs. 3 zu erfolgen; von einer ausdrücklichen Umsetzung des in Art. 35 Abs. 2 lit. b der RL 2009/81/EG vorgesehenen besonderen Verständigungsverfahrens konnte daher abgesehen werden. Durch die Formulierung des letzten Halbsatzes in der Z 5 wird klargestellt, dass sich der letzte Halbsatz nur auf fehlerhafte oder unvollständige Angebote bezieht.

Maßgeblich für die Qualifikation als unbehebbarer Mangel ist, ob die nachträgliche Änderung des ursprünglichen Angebotes den Bieter gegenüber seinen Konkurrenten begünstigt. Dies würde den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter und den Transparenzgrundsatz verletzen (vgl. dazu VwGH 2003/04/0186 und EuGH Rs C-87/94). Durch die Formulierung des letzten Halbsatzes in der Z 5 wird klargestellt, dass sich der letzte Halbsatz nur auf fehlerhafte oder unvollständige Angebote bezieht.

Ein Angebot ist nach Abs. 1 Z 7 auszuscheiden, wenn die Zulässigkeit der grenzüberschreitenden Dienstleistung von einer behördlichen Entscheidung bestimmten Inhalts abhängig ist und diese Entscheidung nicht vorliegt (vgl. dazu schon die Ausführungen zu § 18 Abs. 1 und den Hinweis auf die Erläuterungen in 327 der BlgNR XXIV. GP, S. 14). Im – primär maßgeblichen – Anwendungsbereich der GewO 1994 ist dies bei bestimmten reglementierten Gewerben gemäß § 373a Abs. 5 Z 2 GewO 1994 der Fall, bei denen vom BMWFJ als zuständiger Behörde zu prüfen ist, ob auf Grund der mangelnden Berufsqualifikation des Dienstleistungserbringers aus der Tätigkeit eine schwerwiegende Beeinträchtigung von Gesundheit oder Sicherheit zu befürchten ist. Hat der Unternehmer eine Anzeige erstattet und erfolgt innerhalb der Entscheidungsfrist keine behördliche Reaktion, ist die Ausübung der Tätigkeit auch ohne das Vorliegen einer entsprechenden behördlichen Entscheidung zulässig; diesfalls kommt ein Ausscheiden des Angebotes auf Grund einer fehlenden behördlichen Entscheidung nicht in Betracht. Durch den Begriff „erforderlich“ in Z 7 lit. a werden somit sowohl die Fälle ausgeklammert, in denen eine behördliche Entscheidung von vornherein nicht erforderlich ist, als auch die Fälle, in denen eine behördliche Entscheidung zwar grundsätzlich erforderlich wäre, im konkreten Fall aber auf Grund des Ablaufs der behördlichen Entscheidungsfrist eben nicht mehr erforderlich ist.

Dem Fall der fehlenden – für die Zulässigkeit einer Tätigkeit konstitutiven – behördlichen Entscheidung wird in Z 7 lit. b der Fall gleichgehalten, in dem die Zulässigkeit der grenzüberschreitenden Dienstleistung vom Erwerb fehlender Kenntnisse und Fähigkeiten abhängig gemacht und dieser Erwerb nicht nachgewiesen wurde. Im Anwendungsbereich der GewO 1994 hat der BMWFJ dem Unternehmer die Ablegung einer Eignungsprüfung oder eines Anpassungslehrgangs aufzuerlegen, wenn eine Beeinträchtigung von Gesundheit oder Sicherheit auf Grund bestehender wesentlicher Unterschiede zwischen der beruflichen Qualifikation des Anzeigers und der in Österreich geforderten Ausbildung zu befürchten ist. Wurde eine Eignungsprüfung oder ein Anpassungslehrgang vorgeschrieben und wird der Nachweis des Erwerbs der fehlenden Kenntnisse nicht erbracht, ist das Angebot auszuscheiden.

Ein Angebot ist nach Z 7 lit. c auch dann auszuscheiden, wenn für die Ausübung einer Tätigkeit eine behördliche Entscheidung eingeholt werden muss, der Bieter aber nicht nachweist, dass er das darauf gerichtete Verfahren vor Ablauf der Angebotsfrist eingeleitet hat (also etwa bei „sensiblen“ reglementierten Gewerben eine Anzeige gemäß § 373a Abs. 4 GewO 1994 erstattet hat). Das Unterbleiben der rechtzeitigen Antragstellung führt somit zum Ausscheiden des Angebotes. Es kommt somit darauf an, dass der Antrag vor Ablauf der Angebotsfrist gestellt wurde, nicht darauf, ob der Nachweis der rechtzeitigen Antragstellung vor Ablauf der Angebotsfrist beigebracht worden ist. Die unterbliebene Beibringung des Nachweises ist somit ein verbesserungsfähiger Mangel, die unterbliebene oder verspätete Antragstellung hingegen nicht. Durch Z 7 lit. c wird der Auftraggeber der Verpflichtung enthoben, selbst Nachforschungen darüber anzustellen, ob der Bieter ein gebotenes Verfahren eingeleitet hat (ob die Dienstleistungsanzeige erstattet wurde, könnte auch im gemäß § 373a Abs. 5 letzter Satz GewO 1994 eingerichteten Dienstleisterregister vom Auftraggeber abgefragt werden). Darüber hinaus wird der Auftraggeber so nicht dazu angehalten, das Verstreichen der in § 373c Abs. 5 Z 3 GewO 1994 genannten Frist abwarten zu müssen.

Darüber hinaus ist die rechtzeitige Einleitung des Verfahrens gemäß dem vorgeschlagenen § 95 Abs. 3 insofern von Bedeutung, als nur ein Unternehmer, der eine entsprechende Anzeige vor Ablauf der Angebotsfrist erstattet hat, die Setzung einer Nachfrist gemäß dieser Bestimmung beantragen kann.

Schließlich ist gemäß Z 7 lit. d ein Angebot auch dann auszuscheiden, wenn dem Unternehmer die Ausübung der Tätigkeit mangels Vorliegens der Voraussetzungen mittels behördlicher Entscheidung untersagt wurde. Im Anwendungsbereich der GewO 1994 kann dies durch ein Verbot gemäß § 373a Abs. 1 dritter Satz oder eine befristete Untersagung gemäß § 373a Abs. 1 vierter Satz erfolgen. Zu diesem Tatbestand ist darauf hinzuweisen, dass für den Auftraggeber keine – über die ohnehin bestehende Verpflichtung zur Überprüfung der vergaberechtlichen Eignung hinausgehende – Pflicht besteht, aktiv Nachforschungen anzustellen, ob ein derartiges Verbot erlassen worden ist. Zweckmäßiger Weise werden derartige Nachforschungen nur dann erfolgen, wenn bereits Anhaltspunkte für das Bestehen eines behördlichen Verbots bestehen.

Wenn die Zulässigkeit der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen „lediglich“ von der Erfüllung gesetzlich normierter Voraussetzungen und nicht von einer behördlichen Entscheidung abhängt, besteht keine Verpflichtung zum Ausscheiden des Angebotes gemäß dem vorgeschlagenen § 105 Abs. 1 Z 7. Demgemäß besteht für den Auftraggeber auch keine Verpflichtung, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen aus eigenem Antrieb zu überprüfen. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass auch die berufsausübungsrechtlichen Regelungen in diesen Fällen keine zwingende ex-ante Prüfung vorsehen.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang allerdings auf § 367 Z 54 GewO 1994, dem zufolge eine Verwaltungsübertretung begeht, wer – ohne sein Verhalten durch triftige Gründe rechtfertigen zu können – sich durch einen anderen eine Tätigkeit besorgen lässt oder einen anderen zu einer Tätigkeit veranlasst, obwohl er wissen musste, dass der andere durch die Ausübung dieser Tätigkeit eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 begeht, oder dies nach seinem Beruf oder seiner Beschäftigung bei Anwendung entsprechender Aufmerksamkeit wissen konnte. Da Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des § 373a Abs. 1 GewO 1994 gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 zu bestrafen sind, erstreckt sich § 367 Z 54 GewO 1994 auch auf den Fall, dass ein Auftraggeber einen Vertrag mit einem Unternehmer abschließt, von dem er wissen musste oder konnte, dass dieser nicht zur Ausübung der Tätigkeit in Österreich berechtigt ist, weil eine der Voraussetzungen des § 373a Abs. 1 GewO 1994 nicht vorliegt.

Wenn ein Auftraggeber daher über Informationen verfügt, die nahelegen, dass ein Unternehmer nicht zur Ausübung der Tätigkeit in Österreich berechtigt ist, so kann er vom Unternehmer Aufklärung verlangen. (Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Auftraggeber weiß, dass die betreffende Tätigkeit im Niederlassungsstaat des Unternehmers nicht reglementiert ist, und er Anhaltspunkte dafür hat, dass der Unternehmer die Tätigkeit erst seit kurzem – jedenfalls noch keine zwei Jahre hindurch – ausübt.) Bleibt die Aufklärung aus oder kann der Unternehmer nicht nachvollziehbar darlegen, dass er die Voraussetzungen des § 373a Abs. 1 GewO 1994 erfüllt, dann kann der Auftraggeber den Unternehmer gemäß § 105 Abs. 2 ausscheiden.

Festzuhalten bleibt aber, dass in vergaberechtlicher Hinsicht keine Prüfpflicht für den Auftraggeber besteht. Er muss somit nicht aktiv nachforschen, ob ein Unternehmer die Voraussetzungen des § 373a Abs. 1 GewO 1994 erfüllt. Umgekehrt besteht allerdings eine Verpflichtung des Unternehmers, allfällige Unklarheiten auszuräumen. Letztlich obliegt es der Verantwortung des Auftraggebers, einzuschätzen, ob er im Sinne des § 367 Z 54 GewO 1994 davon Kenntnis haben musste oder haben konnte, dass eine Ausübung der Tätigkeit durch den Unternehmer einen Verstoß gegen § 373a Abs. 1 GewO 1994 darstellen würde. In gewerberechtlicher Hinsicht besteht in diesem Fall die Pflicht zum Ausscheiden, da der Auftraggeber ansonsten eine Verwaltungsübertretung gemäß § 367 Z 54 GewO 1994 begehen würde.

Gemäß Abs. 2 kann der Auftraggeber Angebote von Bietern ausscheiden, die es unterlassen haben, innerhalb der ihnen gestellten Frist die verlangten Aufklärungen zu geben oder deren Aufklärung einer nachvollziehbaren Begründung entbehrt. Dies stellt bloß eine Möglichkeit zum Ausscheiden dar, die es dem Auftraggeber ermöglichen soll, Angebote weiterhin zu prüfen, obwohl der Bieter (aus welchen Gründen immer) Aufklärungen unterlassen oder nicht nachvollziehbar begründet hat. Hinzuweisen ist darauf, dass § 57 Abs. 1 Z 8 eine lex specialis zu Abs. 2 enthält.

Die Regelung des Abs. 3 resultiert daraus, dass das Ausscheiden eine gesondert anfechtbare Entscheidung darstellt (siehe § 3 Z 16 lit. a sowie die Erläuterungen dazu). Um eine Bekämpfbarkeit zu ermöglichen, ist eine Verständigungspflicht vorzusehen. Die Regelung des Abs. 3 enthält hingegen keine Vorgabe für den Auftraggeber, wann er diese Entscheidung zu treffen hat bzw. wie er den zeitlichen Ablauf der Angebotsprüfung zu gestalten hat. Wenn bei einem Verhandlungsverfahren mit mehreren Phasen nach Abschluss einer Phase ein Bieter nicht mehr zur Überarbeitung seines Angebotes aufgefordert bzw. zu weiteren Verhandlungen eingeladen wird, stellt dies jedenfalls eine nach außen wirksame Entscheidung dar. Diesfalls muss der Auftraggeber den betreffenden Bieter vom Ausscheiden unverzüglich verständigen. Je nach Leistungsgegenstand bzw. Art und Ablauf der Angebotsprüfung kann die Entscheidung über das Ausscheiden aber auch erst in unmittelbarem zeitlichem Konnex mit der Zuschlagsentscheidung getroffen werden. Das Gesetz enthält auch ansonsten keine Aussage über den zeitlichen Ablauf der Angebotsprüfung und damit über den Zeitpunkt des Ausscheidens, es kann somit auch sein, dass die Bekanntgabe der Ausscheidensentscheidung gleichzeitig mit der Zuschlagsentscheidung erfolgt.

Für den Fall, dass die Zeitspanne zwischen der Verständigung vom Ausscheiden und der Bekanntgabe der Zuschlags- bzw. der Widerrufsentscheidung kürzer ist als die Anfechtungsfristen im Nachprüfungsverfahren, wird auf die Sonderregelung in § 320 Abs. 2 BVergG 2006 verwiesen.

Zu § 106 (Wahl des Angebotes für den Zuschlag):

Der Auftraggeber kann frei wählen, ob der Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot oder dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt wird (vgl. auch § 68 Abs. 3 und die entsprechenden Erläuterungen).

Abs. 2 kommt für Nachprüfungsverfahren große Bedeutung zu.

Zu § 107 (Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung):

Die in § 107 geregelten Voraussetzungen, unter denen die Mitteilung einer Zuschlagsentscheidung unterbleiben kann, setzen Art. 57 der RL 2009/81/EG um. Danach haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass gegen eine Zuschlagsentscheidung innerhalb bestimmter Fristen ein wirksames Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden kann; Art. 58 sieht von dieser Stillhaltefrist bestimmte, taxative Ausnahmen vor.

Hinzuweisen ist darauf, dass ein Bieter gemäß Abs. 1 dann als im Vergabeverfahren verblieben gilt, wenn sein Angebot nicht ausgeschieden wurde bzw. das Ausscheiden des Angebotes noch nicht bestandsfest geworden ist (Art. 57 Abs. 2 der RL 2009/81/EG zweiter Unterabsatz spricht von einem „endgültigen“ Ausschluss). Dies ist der Fall, wenn das Ausscheiden des Angebotes von der zuständigen Vergabekontrollbehörde für rechtmäßig erkannt wurde oder wenn es keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann.

§ 107 Abs. 2 setzt Art. 58 der RL 2009/81/EG wie folgt um:

1.     Gemäß Z 1 besteht keine Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung, wenn der Zuschlag dem einzigen oder dem einzigen im Vergabeverfahren verbliebenen Bieter erteilt werden soll (zum Begriff „verblieben“ vgl. die Ausführungen zu Abs. 1). Es macht somit keinen Unterschied, ob ein Vergabeverfahren überhaupt nur mit einem Teilnehmer durchgeführt wird oder ob nur ein Bieter im Vergabeverfahren verbleibt.

2.     Z 2 enthält Ausnahmetatbestände .für Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung aus dringlichen Gründen (z.B. Krisen, unvorhergesehenes Ereignis) bzw. bestimmten Sonderfällen (börsenotierte Waren, Einkauf zu besonderen günstigen Bedingungen bei Geschäftseinstellung oder Insolvenz, Bereitstellung von Transportkapazitäten für Streit- oder Sicherheitskräfte u.a.m.). Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass gemäß Art. 58 lit. a der RL 2009/81/EG von der Wahrung der Stillhaltefrist und damit von der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung immer dann abgesehen werden kann, wenn ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt werden kann. Die in Z 2 erfassten Fälle sind von dieser Ausnahmebestimmung erfasst und damit unionsrechtlich zulässig.

3.     Z 3 sieht vor, dass eine Mitteilung der Zuschlagsentscheidung dann unterbleiben kann, wenn eine Leistung auf Grund einer Rahmenvereinbarung vergeben werden soll. Dies ist auf Grund des Art. 58 lit. c der RL 2009/81/EG unionsrechtlich zulässig. Hinzuweisen ist allerdings auf die folgenden Unterabsätze dieser Bestimmung, denen zufolge dann, wenn von dieser Ausnahmebestimmung Gebrauch gemacht wird, eine Unwirksamkeit des derart abgeschlossenen Vertrages – bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen – vorzusehen ist. Der vorgeschlagene § 107 Abs. 2 Z 3 ist daher in Zusammenhang mit den Feststellungskompetenzen des Bundesvergabeamtes gemäß § 312 Abs. 3 Z 5 (in Verbindung mit Z 6 und 7) BVergG 2006 zu sehen.

4.     Abs. 2 enthält für den Auftraggeber die Option, von der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung abzusehen, aber keine diesbezügliche Verpflichtung (arg. „eine Verpflichtung … besteht nicht“). Der Verweis auf die §§ 107 bis 110 in § 130 Abs. 6 Z 4 letzter Satz ist insofern einschränkend zu sehen, als die bezogenen Bestimmungen für die Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung nur dann maßgeblich sind, wenn eine solche – auf freiwilliger Basis – erfolgt.

Zu § 108 allgemein (Stillhaltefrist und Zuschlagserteilung):

Art. 60 Abs. 2 der RL 2009/81/EG fordert keine ausnahmslose absolute Nichtigkeit, sondern spricht davon, dass ein Vertrag (unter anderem) bei einem Verstoß gegen die Stillhaltefrist zwar grundsätzlich für unwirksam erklärt werden muss, aber an die Stelle der Unwirksamkeit auch die Verhängung so genannter „alternativer Sanktionen“ treten kann.

Dieser von der RL eingeräumte Gestaltungsspielraum soll vor dem Hintergrund der bereits geltenden Rechtslage (BVergG 2006) und auf Grund von Sachlichkeitserwägungen in differenzierter Form umgesetzt werden:

1.     Die Einhaltung der Stillhaltefrist gemäß dem vorgeschlagenen § 108 Abs. 1 sowie die Wahrung des Suspensiveffekts gemäß § 328 Abs. 5 Z 1 BVergG 2006 (welcher gemäß § 135 für Rechtsschutzverfahren nach diesem Bundesgesetz gilt) stellen Verpflichtungen dar, die ausnahmslos zu beachten sind. Es scheint zum einen wenig zweckmäßig, derartige Verstöße in einem gesonderten behördlichen Verfahren feststellen zu lassen und die rechtlichen Folgen – nämlich die Nichtigkeit des Vertrages – von einer entsprechenden behördlichen Feststellung abhängig zu machen. Zum anderen sind weder der Auftraggeber noch der Zuschlagsempfänger bei derartigen Verstößen in einem solchen Ausmaß schützenswert, dass die absolute Nichtigkeit als Rechtsfolge überschießend wäre. Schließlich wäre es aus der Sicht der nicht zum Zug gekommenen Bieter nur schwer verständlich, wieso sie bei einer unbestreitbaren Rechtsverletzung erst ein gesondertes Rechtsschutzverfahren einleiten müssen, um ihre rechtlichen Interessen zu wahren. Das Konzept der absoluten Nichtigkeit wird daher für den Fall der Missachtung der Stillhaltefrist (ebenso wie für den Fall der Missachtung des Suspensiveffekts) in gleicher Weise wie im BVergG 2006 geregelt.

2.     Anders stellt sich die Lage bei einer Verletzung der Pflicht zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung dar. Da von dieser Verpflichtung Ausnahmen bestehen, kann die Frage, ob die Mitteilung rechtmäßiger oder rechtswidriger Weise unterblieben ist, umstritten sein. Es scheint daher zweckmäßig, diese Frage in einem behördlichen Verfahren klären zu lassen und erst an eine diesbezügliche Feststellung die Rechtsfolge der „Vernichtung“ (bzw. der Aufhebung) anzuknüpfen (siehe dazu § 334 BVergG 2006). Durch den vorgeschlagenen § 108 wird daher für den Fall eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung vom Konzept der absoluten Nichtigkeit abgegangen. Dies ist unionsrechtlich zulässig und begegnet auch innerstaatlich keinen Bedenken, da auch das Konzept der Aufhebung als Folge einer entsprechenden Feststellung einer Vergabekontrollbehörde den Vorgaben eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung trägt.

Zu § 108 Abs. 1:

§ 108 Abs. 1 erster Satz sieht vor, dass der Auftraggeber den Zuschlag bei sonstiger Nichtigkeit nicht innerhalb der Stillhaltefrist erteilen darf.

Die Länge der Stillhaltefrist setzt Art. 57 Abs. 2 der RL 2009/81/EG wie folgt um:

1.     Bei einer Übermittlung der Zuschlagsentscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax – die innerstaatlich auf Grund des vorgeschlagenen § 35 Abs. 1 erster Satz den Regelfall darstellt – beträgt die Frist zehn Tage.

2.     Bei einer – innerstaatlich auf Grund des vorgeschlagenen § 35 Abs. 1 erster Satz nur ausnahmsweise zulässigen – brieflichen Übermittlung beträgt die Frist 15 Tage.

3.     Die Stillhaltefrist verkürzt sich im Unterschwellenbereich auf sieben Tage.

Während Art. 57 Abs. 2 der RL 2009/81/EG davon spricht, dass die Frist ab dem Tag gerechnet wird, der auf den Tag folgt, an dem die Zuschlagsentscheidung abgesendet wird, sieht § 108 Abs. 1 vor, dass die Stillhaltefrist mit der Absendung der Zuschlagsentscheidung beginnt. Dass der Tag des fristauslösenden Ereignisses bei der Berechnung der (in Tagen zu berechnenden) Frist nicht mitgerechnet wird, ergibt sich innerstaatlich bereits aus § 48 Abs. 3 zweiter Satz und muss daher in diesem Zusammenhang nicht erneut normiert werden.

Wann von der Mitteilung einer Zuschlagsentscheidung ausgegangen werden kann, ist unter Rückgriff auf die Definition des § 3 Z 46 zu beurteilen. Gemäß dieser Definition handelt es sich bei der Zuschlagsentscheidung um die an den Bieter abgegebene (nicht verbindliche) Absichtserklärung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. Dies stellt somit den Mindestinhalt einer Zuschlagsentscheidung im Sinne dieses Bundesgesetzes dar. Sofern daher die im vorgeschlagenen § 107 Abs. 1 zweiter Satz enthaltenen weiteren Vorgaben (zB Gründe für die Ablehnung des Angebotes, Vorteile des erfolgreichen Angebotes) nicht (oder nicht ausreichend) in der Zuschlagsentscheidung enthalten sind, kann dies zur Anfechtbarkeit der (somit rechtswidrigen) Zuschlagsentscheidung führen, ändert aber nichts daran, dass eine Zuschlagsentscheidung an sich vorliegt, die auch den Beginn der Stillhaltefrist gemäß dem vorgeschlagenen § 108 Abs. 1 auslöst.

§ 108 Abs. 1 stellt nicht darauf ab, ob eine Verpflichtung zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß § 107 Abs. 1 besteht oder nicht (vgl. dazu etwa auch § 107 Abs. 2). Auslösendes Ereignis für die Stillhaltefrist ist demnach ausschließlich, ob der Auftraggeber (freiwillig oder aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung) eine Zuschlagsentscheidung absendet oder nicht. Daraus folgt, dass auch die freiwillige Bekantgabe der Zuschlagsentscheidung mit der gesetzlichen Konsequenz einer Stillhaltefrist verbunden ist (deren Verletzung die in § 108 Abs. 1 genannte Folge der absoluten Nichtigkeit nach sich zieht).

Zu § 108 Abs. 2:

Während Abs. 1 primär Fragen im Zusammenhang mit der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung regelt, betrifft Abs. 2 die Mitteilung der Zuschlagserteilung (somit des abgeschlossenen Vertrages). Durch Abs. 2 wird dem Auftraggeber die Möglichkeit eingeräumt, den im Vergabeverfahren zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung (des Vertragsabschlusses) verbliebenen Bietern mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt wurde. Ob der Auftraggeber von der ihm durch Abs. 2 eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht oder nicht, liegt in seinem freien Ermessen.

Die Bedeutung dieser Regelung ergibt sich aus § 332 Abs. 3 BVergG 2006 (welcher gemäß § 135 für Rechtsschutzverfahren nach diesem Bundesgesetz gilt), der – in Umsetzung des Art. 62 Abs. 1 der RL 2009/81/EG (bzw. Art. 2f der RL 2007/66/EG) – die Frist regelt, innerhalb der ein Feststellungsantrag gemäß § 331 Abs. 1 Z 2 bis 4 BVergG2006 einzubringen ist. Diese Frist kann von grundsätzlich sechs Monaten (ab Vertragsschluss) auf 30 Tage reduziert werden, wenn der Auftraggeber (unter anderem) den verbliebenen Bietern mitteilt, wem der Zuschlag erteilt wurde.

Diese Möglichkeit, den im Vergabeverfahren zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung verbliebenen Bietern den Zuschlagsempfänger mitzuteilen, ist somit Voraussetzung für die Fristverkürzung und wird deshalb im Zusammenhang mit der Zuschlagserteilung ausdrücklich vorgesehen. Eine Verpflichtung zur Mitteilung des Zuschlagsempfängers wird dadurch nicht normiert. Da der Vertrag gemäß § 2 Z 47 der Schriftform bedarf, liegt es am Auftraggeber, den Zeitpunkt der Zuschlagserteilung auch entsprechend zu dokumentieren. Allfällige Unklarheiten im Zusammenhang mit der Bestimmung dieses Zeitpunktes gehen deshalb zu seinen Lasten. Wenn der Auftraggeber von der eingeräumten Möglichkeit keinen Gebrauch macht, normiert § 331 Abs. 1 Z 2 bis 4 BVergG 2006 für Feststellungsanträge grundsätzlich eine sechsmonatige Frist.

Art. 62 Abs. 1 lit. a zweiter Anstrich der RL 2009/81/EG sieht vor, dass eine entsprechende Mitteilung eine Zusammenfassung der einschlägigen Gründe gemäß Art. 35 Abs. 2 (vorbehaltlich Abs. 3) der RL 2009/81/EG enthält. Der Umsetzung dieser Vorgabe dient der vorgeschlagene Abs. 2 zweiter Satz.

Zu den §§ 109 und 110 (Wirksamkeit des Zuschlages, Form des Vertragsabschlusses):

Im Fall der Überschreitung der Zuschlagsfrist kommt gemäß § 109 2. Satz das Vertragsverhältnis rst mit der schriftlichen Erklärung des Bieters, dass er den Auftrag annimmt, zustande.Diese schriftliche Erklärung des Bieters gemäß § 109 2. Satz ist keine Auftragsbestätigung im Sinne des § 110 Abs. 1.

Der Zuschlag ist durch Auftragsschreiben zu erteilen (§ 110 Abs. 1 1. Satz). Ein Auftrag kommt auch zustande, wenn die Auftragsbestätigung (oder eine Gegenfertigung) nicht erfolgt, da diese lediglich deklaratorischen Charakter hat. Hinzuweisen ist auf die Regelung in § 95 Abs. 2, wonach ein Bieter die Bindungswirkung über den Ablauf der Zuschlagsfrist hinaus verlängern kann. Da § 109 gemäß § 32 Abs. 1 bei einer Direktvergabe und gemäß § 33 Abs. 1 bei einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung nicht gilt, kann in diesem Fall das Vertragsverhältnis auch mündlich zustande kommen.

Für Direktvergaben sind keine expliziten Festlegungen hinsichtlich der Form des Vertragsabschlusses erforderlich, da § 110 für diese Vergabeverfahren nicht gilt (vgl. § 32 Abs. 1 und § 33 Abs. 1). Es gelten daher bei Direktvergaben die allgemeinen Regeln des Zivilrechts. Unabhängig davon kann der Auftraggeber zB intern bestimmte formale Vorgangsweisen auch bei Direktvergaben vorschreiben.

Zu den §§ 111 bis 113 (Grundsätzliches, Dokumentationspflichten und Archivierung bei mit elektronischen Mitteln durchgeführten Vergabeverfahren):

§ 111 legt fest, dass ein Vergabeverfahren ausschließlich auf zwei Weisen beendet werden kann: durch Zuschlagserteilung oder durch Widerruf. Somit erfasst der Begriff „Beendigung des Vergabeverfahrens“ sowohl den Widerruf wie auch die Zuschlagserteilung. Hinzuweisen ist auf die Grundsatzbestimmung in § 17 Abs. 4 zweiter Satz, wonach ein Auftraggeber nicht verpflichtet ist, ein Vergabeverfahren durch Zuschlag zu beenden. Ausarbeitungen sind nach Möglichkeit zurückzustellen (dies ist zB. nicht der Fall bei zerstörerischen Proben).

Zu § 111 Abs. 2 ist auch auf die Erläuterungen zu § 21 Abs. 5 zu verweisen: im Fall der zerstörerischen Prüfung von Mustern und Proben (bestimmungsgemäßer bzw. vereinbarter Gebrauch) findet eine Rückgabe der Proben usw.) daher nur nach nach Möglichkeit statt.

§ 112 setzt Art. 37 der RL 2009/81/EG um und normiert den Inhalt des Vergabevermerkes. Bei Verfahren im Unterschwellenbereich kann gemäß § 112 Abs. 3 von der Erstellung eines Vergabevermerks oder eines Vermerkes über den Widerruf eines Vergabeverfahrens abgesehen werden, wenn die relevanten Informationen ohne großen Aufwand aus der Vergabedokumentation ersichtlich sind. Die Regelung dient der Vereinfachung des im Unterschwellenbereich geltenden Vergaberegimes und soll unnötige Transaktionskosten seitens der Auftraggeber und vergebenden Stellen vermeiden.

§ 113 entspricht § 137 BVergG 2006. Die Vorschrift betreffend die Archivierung aller sachdienlichen Unterlagen ist vor allem im Hinblick auf die Gewährleistung des Rechtschutzes der Bieter, aber auch im Interesse der Auftraggeber erforderlich. Auf die Vorschrift des § 35 Abs. 7 ist in diesem Zusammenhang aufmerksam zu machen.

Bei Vergabeverfahren, in denen Angebote sowohl in Papierform als auch in elektronischer Form eingereicht werden können, richtet sich die Dauer der Archivierungsverpflichtung für elektronisch eingereichte Angebote nach § 113. Falls jedoch weitergehende (d.h. längere) interne bzw. sonstige längere gesetzliche Archivierungsverpflichtungen bestehen (vgl. 10 Jahre für elektronische Akte der Bundesministerien gemäß § 25 der Büroordnung 2004; für Unternehmen die steuerlichen Aufbewahrungsfristen), so richtet sich die Archivierungsfrist nach diesen Vorschriften. Für Angebote in Papier ist § 113 nicht anwendbar, für diese Angebote gelten allenfalls die erwähnten sonstigen internen bzw. gesetzlichen Aufbewahrungsregelungen.

Die Aufbewahrungsfrist gemäß § 113 ersetzt nicht die Pflicht zur Aufbewahrung der Bücher und Aufzeichnungen gemäß § 132 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961 idgF.

Zu § 114 (Gründe für den Widerruf eines Vergabeverfahrens):

Ein Widerruf des Vergabeverfahrens ist in jedem Fall zulässig, wenn sachliche Gründe dies rechtfertigen. Dies können einerseits Umstände sein, die bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung vorhanden waren, die der Auftraggeber aber nicht wusste (zB erst nachträglich zur Kenntnis gelangte mangelnde budgetäre Bedeckung; die Angebotspreise liegen trotz sorgfältiger Auftragswertschätzung über dem Ansatz; eine Vorfrage wurde rechtskräftig anders entschieden; ein rechtswidriges Zuschlagskriterium, das die Ausschreibung zumindest in dieser Form ausgeschlossen hätte), andererseits Konstellationen, in denen nachträglich (d.h. nach der Ausschreibung) wesentliche Änderungen von für das Vergabeverfahren relevanten Umständen vorliegen. Im Hinblick auf die einschlägige ständige Judikatur des EuGH (Rs C-27/98, C-92/00 und C‑244/02) ist darauf hinzuweisen, dass an die Bestimmung kein strenger Maßstab anzulegen ist, denn nach dem EuGH ist der Widerruf eines Vergabeverfahrens nicht vom Vorliegen schwerwiegender oder gar außergewöhnlicher Umstände abhängig. (Der EuGH in der Rs C‑244/02 ausgesprochen, dass aus den vergaberechtlichen Richtlinien „nicht hervorgehe, dass die in dieser Richtlinie implizit anerkannte Befugnis des öffentlichen Auftraggebers, auf die Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags, für den eine Ausschreibung stattgefunden habe, zu verzichten, auf Ausnahmefälle begrenzt sei oder in jedem Fall voraussetze, dass schwerwiegende Gründe angeführt würden.“ Weiters hat der EuGH ausgeführt, „dass ein Auftraggeber, der beschließe, die Ausschreibung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu widerrufen, den Bewerbern und Bietern zwar die Gründe für seine Entscheidung mitteilen müsse, dass er danach aber nicht verpflichtet sei, das Vergabeverfahren zu Ende zu führen.“) Ein Widerruf ist demnach zulässig, wenn der Auftraggeber die Leistung generell oder in der ausgeschriebenen Form nicht mehr benötigt, Änderungen in den Ausschreibungsunterlagen etwa auf Grund neuer Technologien notwendig werden, die budgetäre Bedeckung nachträglich wegfällt, die Bieteranzahl bzw. Bieterstruktur sich während der Angebotsfrist wesentlich verändert (Extremfall: alle Bieter schließen sich zu einer Arbeits- oder Bietergemeinschaft zusammen), kein oder nur ein Teilnahmeantrag einlangt usw. Ein Widerruf ist etwa auch bei festgestellten generell überhöhten Preisen zulässig, wenn der Auftraggeber etwa Preisabsprachen vermutet (aber nicht beweisen kann) oder wenn er Grund zur Annahme hat, dass die Preise aus anderen Gründen nicht die korrekten Marktpreise widerspiegeln (zB unvorhersehbare Verknappung von Ressourcen). Damit ist es dem Auftraggeber insbesondere möglich, im Wege einer neuerlichen Ausschreibung vermuteten Preisabsprachen zu begegnen. In jenen Fällen in denen die Mitteilung über die Widerrufsentscheidung (uU kurz) vor Ablauf der Bewerbungs- oder Angebotsfrist erfolgte und im darauf folgenden Nachprüfungsverfahren die Widerrufsentscheidung für nichtig erklärt wurde, kann ein (nochmaliger) Widerruf sachlich gerechtfertigt sein, wenn aufgrund der Widerrufsentscheidung Unternehmer es unterlassen haben, Angebote zu legen bzw. auszuarbeiten oder Unternehmer keine Teilnahmeanträge eingereicht haben (zur Vermeidung von aus ihrer Sicht frustrierten Aufwendungen) und der Auftraggeber deshalb eine zu geringen bzw. eingeschränkten wirtschaftlichen Wettbewerb befürchtet.

Hinzuweisen ist aber auch darauf, dass die entsprechenden Bestimmungen auch dem Schutz der Bieter dienen. Jeder Widerruf eines Vergabeverfahrens ist geeignet, beim Bieter „vergebliche“ Aufwendungen zu erzeugen. Die Bindung des Widerrufes eines Vergabeverfahrens an bestimmte – wenn auch nicht allzu strenge – Voraussetzungen soll dazu beitragen, allfällige Kosten und damit verbunden allfällige Schadenersatzansprüche zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Gründe gemäß § 114 auch dann vorliegen können, wenn diese durch den Auftraggeber selbst schuldhaft (zB grob fahrlässig) verursacht wurden (vgl. dazu auch die Fallkonstellation im Verfahren C-244/02). In diesem Fall ist der Widerruf zulässig, der Auftraggeber wird aber unter Umständen nach § 142 Abs. 3 schadenersatzpflichtig.

Zu § 115 (Bekanntgabe der Widerrufsentscheidung, Stillhaltefrist, Unwirksamkeit des Widerrufs):

Die Regelung des § 115 beinhaltet grundsätzlich (zur Ausnahme vgl. Abs. 7) ein zweistufiges System (Widerrufsentscheidung/Widerrufserklärung).

Der EuGH hat in der Rs C‑15/04, Koppensteiner (unter Verweis auf seine Entscheidung in der Rs C‑92/00, Hospital Ingenieure) klar zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidung über den Widerruf der Ausschreibung zu den Entscheidungen gehört, für die ein Nachprüfungsverfahren eingeführt werden muss und die – im Fall der Rechtswidrigkeit – aufhebbar sein müssen.

Ähnlich wie beim Zuschlag gibt der Auftraggeber zuerst bekannt, dass er beabsichtigt, das Verfahren zu widerrufen. Da die Widerrufsentscheidung eine gesondert anfechtbare Entscheidung darstellt, hat der Auftraggeber die Gründe, aus denen er beabsichtigt, das Verfahren zu widerrufen, mitzuteilen, damit die Bieter über die für ihre Entscheidung über einen allfälligen Nachprüfungsantrag notwendigen Informationen verfügen.

Aus § 35 Abs. 1 erster Satz ergibt sich der Grundsatz der Übermittlung auf elektronischem Weg oder per Telefax. Wenn eine nachweisliche Übermittlung der Entscheidung elektronisch oder mittels Telefax nicht möglich ist, so liegt ein begründeter Ausnahmefall im Sinne des § 35 Abs. 1 vor und es ist eine briefliche Übermittlung zulässig.

Ist die Verständigung aller Unternehmer nicht möglich (z.B. im Fall des Widerrufes vor Ablauf der Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge), so hat der Auftraggeber die Widerrufserklärung gemäß Abs. 2 in derselben Art bekannt zu machen wie die Ausschreibung.

Abs. 3 sieht eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Bekanntgabe der Widerrufsentscheidung für den Fall vor, dass kein Angebot eingelangt oder keine Bieter im Vergabeverfahren verblieben sind (siehe zum „verbleibenden“ Bieter die Erläuterungen zu § 107 Abs. 1). In diesem Fall existiert auch keine Stillhaltefrist.

Abs. 4 normiert die Verpflichtung zur Einhaltung der Stillhaltefrist und deren Länge. Die Stillhaltefrist beträgt bei einer Übermittlung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax sowie bei einer Bekanntmachung zehn Tage, bei einer Übermittlung auf brieflichem Weg 15 Tage. Im Unterschwellenbereich beträgt sie sieben Tage. Zum Fristbeginn wird auf die Erläuterungen zu § 108 Abs. 1 verwiesen.

Abs. 5 sieht eine „Durchbrechung“ der Stillhaltefrist vor, wenn eine Beschaffung aus dringlichen, zwingenden Gründen erforderlich ist (denkbar wäre etwa, dass bei Gefahr im Verzug eine Beschaffung in einem Ausmaß vorgenommen wird, das zur Überbrückung der Frist, bis über die Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung entschieden wurde, erforderlich ist). Das Verbot der Öffnung bereits eingelangter Angebote in Abs. 5 zweiter Satz bezieht sich ausschließlich auf Angebote im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Verfahren und nicht auf Angebote in einem neuen (parallel eingeleiteten) Verfahren betreffend dringliche Beschaffungen.

Abs. 6 normiert die Verpflichtung zur Mitteilung bzw. Bekanntmachung der Widerrufserklärung.

Gemäß Abs. 7 muss der Auftraggeber im Unterschwellenbereich das zweistufige Verfahren gemäß Abs. 1 bis 6 nicht einhalten, sondern kann – ohne Bekanntmachung oder Mitteilung einer bekämpfbaren Widerrufsentscheidung und ohne Abwarten einer Stillhaltefrist – unmittelbar den Widerruf erklären und das Vergabeverfahren dadurch beenden. Die Entscheidung über die Vorgangsweise obliegt dem freien Ermessen des Auftraggebers. Aus dem Wortlaut der betreffenden Bestimmungen ergibt sich aber, dass ein Auftraggeber – ohne dazu verpflichtet zu sein – das Verfahren der Abs. 1 bis 6 auch im Unterschwellenbereich einhalten und eine gesondert anfechtbare Widerrufsentscheidung erlassen kann. Dies kann etwa dann sinnvoll sein, wenn das Vorliegen eines sachlichen Grundes im Sinne des § 114 fraglich ist und der Auftraggeber die Gefahr möglicher Schadenersatzansprüche hintanhalten möchte. Wird nämlich im Unterschwellenbereich der Widerruf unmittelbar erklärt, so kann ein Bieter die Feststellung beantragen, dass die Erklärung des Widerrufs rechtswidrig war, etwa weil kein sachlicher Grund für einen Widerruf vorlag. Wird hingegen vor der Erklärung des Widerrufs eine gesondert anfechtbare Widerrufsentscheidung erlassen, so muss diese angefochten werden, da ansonsten ein Feststellungsantrag gemäß § 332 Abs. 5 BVergG 2006 unzulässig wäre. Der Auftraggeber hat die im Vergabeverfahren verbliebenen Unternehmer (das sind jene Unternehmer, die ihre Teilnahme noch nicht selbst beendet haben oder deren Teilnahme am Verfahren noch nicht rechtskräftig beendet worden ist), soweit dies möglich ist, unverzüglich und nachweislich zu verständigen. Letzteres („soweit dies möglich ist“) stellt auf den Fall ab, dass dem Auftraggeber der Kreis der verbliebenen Unternehmer bekannt ist (z.B. nach Abschluss der Auswahl im zweistufigen Verfahren). Ist die Verständigung aller im Vergabeverfahren verbliebenen Unternehmer nicht möglich (z.B. im Fall des Widerrufes vor Ablauf der Frist zur Abgabe von Teilnahmeanträgen), so hat der Auftraggeber die Widerrufserklärung im Internet bekannt zu machen.

Die getroffene Regelung ändert zwar nichts daran, dass die Widerrufsentscheidung grundsätzlich eine gesondert anfechtbare Entscheidung ist, allerdings werden die Fälle, in denen eine solche Widerrufsentscheidung getroffen werden muss, eingeschränkt. Wenn der Auftraggeber ohne vorherige Widerrufsentscheidung unmittelbar den Widerruf des Vergabeverfahrens erklärt, dann kommt ein Nachprüfungsverfahren per se nicht mehr in Frage, da sich das Verfahren damit in der Phase nach Erklärung des Widerrufs befindet. Für den Auftraggeber bedeutet dies, dass er seine Absicht (nämlich entweder eine anfechtbare Widerrufsentscheidung zu erlassen oder den Widerruf zu erklären) hinreichend klar zum Ausdruck bringen muss. Wenn sich der Auftraggeber für die Erlassung einer Widerrufsentscheidung entscheidet, dann richtet sich der Rechtsschutz nach den entsprechenden Regelungen des 4. Teils des BVergG 2006 bzw. den entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen. Die für das Verfahren der Nachprüfung einer Widerrufsentscheidung maßgeblichen Regelungen bleiben somit unberührt.

Zur Regelung für den Unterschwellenbereich siehe auch VfSlg 17.867/2006, in dem der VfGH festgehalten hat, dass seiner Auffassung nach die Aussagen des EuGH in den Rs C‑92/00, HI Hospital Ingenieure, und C‑15/04, Koppensteiner, „nicht auf Vergaben im Unterschwellenbereich übertragen werden können, da das Gemeinschaftsrecht, insbesondere auch die Rechtsmittel-Richtlinie, keine Anordnungen für den Unterschwellenbereich trifft. Zwar gelten allgemeine gemeinschaftliche Grundsätze, wie etwa das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG, auch für den Unterschwellenbereich, doch ist die Frage der Anfechtbarkeit der Entscheidung des Auftraggebers, eine Ausschreibung zu widerrufen, nicht von diesen allgemeinen Grundsätzen erfasst. … Wie bereits in diesen Erkenntnissen [Anmerkung: VfSlg. 16.027/2000 und 16.445/2002] zum Ausdruck kam, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, für Vergaben im Unterschwellenbereich einen gleich umfänglichen Rechtsschutz wie in Fällen des Oberschwellenbereichs zu gewähren. Wenn der ….. Landesgesetzgeber daher den Rechtsschutz beim Widerruf der Ausschreibung auf Feststellung und Schadenersatz beschränkt und keine Nachprüfung zulässt, so ist dies für den Oberschwellenbereich auf Grund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts unbeachtlich. Im Unterschwellenbereich ist die gesetzliche Regelung hingegen wirksam, begegnet aber keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.“

Die Widerrufserklärung (Abs. 8) ist gewissermaßen das „Pendant“ zur Zuschlagserteilung; es ist die Erklärung, mit der das Vergabeverfahren beendet wird und die Bieter aus ihrer Bindung entlassen werden.

Durch Abs. 9 soll die Situation, dass der Auftraggeber ein Verfahren zur Vergabe eines Auftrages weder durch Zuschlag noch durch Widerruf beendet, sondern einfach keine Akte mehr setzt, einer vergaberechtlichen Sanktion unterworfen werden. Da es bei einem derartigen „Aussitzen“ keine außenwirksame Entscheidung des Auftraggebers gibt, an die angeknüpft werden könnte, wird eine besondere Feststellungskompetenz der Vergabekontrollbehörden vorgesehen. Voraussetzung für eine derartige Feststellung ist zum einen, dass eine erhebliche Überschreitung der Zuschlagsfrist vorliegt. Bei der Beurteilung, ob eine „erhebliche“ Überschreitung der Zuschlagsfrist vorliegt, hat die Vergabekontrollbehörde auf die konkreten Umstände des Einzelfalles Bedacht zu nehmen, insbesondere daher auf die Anzahl der vom Auftraggeber zu prüfenden Angebote, die Komplexität der vom Auftraggeber vorzunehmenden Angebotsprüfungen u.a.m. Weiters ist Voraussetzung, dass der Bieter (der den Feststellungsantrag stellt) den Auftraggeber förmlich um Fortführung des Verfahrens ersucht hat und der Auftraggeber diesem Ersuchen nicht entsprochen hat. Schließlich ist zu prüfen, ob der Auftraggeber das Verfahren nach Ablauf der Zuschlagsfrist in angemessener Weise fortgeführt hat. Wenn der Auftraggeber bei einer großen Anzahl von Bietern bereits viele Bieter ausgeschieden hat, die verbliebenen Bieter wiederum um eine Erstreckung der Bindungswirkung gemäß § 95 Abs. 2 ersucht hat, so sind das Indizien dafür, dass der Auftraggeber das Verfahren auch nach Ablauf der Zuschlagsfrist in angemessener Weise fortführt.

Bei Vorliegen eines (rechtskräftigen) Feststellungsbescheides ist ex lege von einer Widerrufserklärung auszugehen; der Antragsteller kann daher Schadenersatzansprüche geltend machen. Eine Aufhebbarkeit ist nicht möglich, da keine „Entscheidung“ des Auftraggebers vorliegt, die aufgehoben werden könnte.

Die Regelung des § 115 gilt sinngemäß auch für den Abbruch einer elektronischen Auktion (vgl. § 125 Abs. 8).

Zu den §§ 116 bis 122 (Bestimmungen über die Vergabe von Subaufträgen):

Die §§ 116 bis 122 setzen die Art. 50 bis 54 der RL 2009/81/EG um.

Gemäß § 74 kann der Auftraggeber den erfolgreichen Bieter in der Ausschreibung dazu verpflichten, alle oder bestimmte Subaufträge bzw. einen bestimmten Prozentsatz des Auftrags in einem transparenten Verfahren an Dritte zu vergeben (vgl. auch die Erläuterungen zu § 74). Die §§ 116 bis 122 regeln das Verfahren, das der Bieter in diesem Fall einzuhalten hat. Hat der Auftraggeber keine diesbezügliche Regelung in der Ausschreibung getroffen, so gelten betreffend Subunternehmerleistungen die allgemeinen Regelungen des § 73: der Bieter kann seine Subunternehmer frei wählen und ist diesbezüglich auch an kein besonderes Verfahren gebunden.

Zu § 116 (Allgemeines und Grundsätze):

Abs. 1 enthält die Grundsatzbestimmung, wonach für die Subauftragsvergabe durch erfolgreiche Bieter, die keine Auftraggeber im Sinne des § 4 sind, ausschließlich die Bestimmungen der §§ 116 bis 122 gelten – dies aber nur dann, wenn der Auftraggeber die Bieter in der Ausschreibung ausdrücklich dazu verpflichtet hat. Aus dieser Anordnung zusammen mit dem System des Gesetzes (das bei Auftraggebern nicht zwischen der Vergabe von Aufträgen und Subaufträgen differenziert) ergibt sich, dass Auftraggeber gemäß § 4 bei der Vergabe von Subaufträgen die „regulären“ Bestimmungen des Gesetzes zu beachten haben; eine darüber hinausgehende, gesonderte Umsetzung von Art. 54 der RL 2009/81/EG ist nicht erforderlich.

Das in den §§ 116 bis 122 geregelte spezifische Regime für die Vergabe von Subaufträgen gilt daher nur für die Vergabe von Subaufträgen durch Bieter, die selbst keine Auftraggeber sind und unter der Voraussetzung, dass sie der Auftraggeber zur Einhaltung dieser Vorschriften verpflichtet hat. Dies ist auch für das Verständnis der nachstehenden Erläuterungen zu beachten.

Auf Grund der Regelung des Abs. 1 ist auch klargestellt, dass bei der Subauftragsvergabe gemäß den §§ 116 bis 122 der vergabespezifische Rechtsschutz nicht gilt.

Abs. 2 verpflichtet die Bieter, bei der Vergabe von Subaufträgen die unionsrechtlichen Grundsätze einzuhalten.

Abs. 3 legt fest, dass die Mitglieder von (erfolgreichen) Arbeits- und Bietergemeinschaften im Verfahren um den Hauptauftrag keine „Dritten“ im Sinne des Abs. 1 sind. Dies bedeutet, dass eine Erteilung von Subaufträgen an die einzelnen Mitglieder der (erfolgreichen) Arbeits- und Bietergemeinschaft nicht möglich ist, um der Verpflichtungen gemäß § 74 zu entsprechen.

Gleiches gilt in Bezug auf mit dem (erfolgreichen) Bieter (des Hauptauftrages) verbundene Unternehmer (zu deren Definition vgl. § 3 Z 36). Aufgrund der bestehenden engen Verflechtung zwischen dem Bieter und diesen Unternehmen gelten letztere auch nicht als „Dritte“ an die Subaufträge vergeben werden können, um den Verpflichtungen des § 74 nachzukommen.

Alle Bieter haben ihrem Angebot eine Liste der solcherart (entweder in Form einer Arbeits- und Bietergemeinschaft oder im Sinne des § 3 Z 36) mit ihnen verflochtenen Unternehmer beizufügen. Mit der Verpflichtung, diese Liste stets aktuell zu halten, ist eine automatische Information des Auftraggebers auch nach Angebotsabgabe und während des laufenden Vergabeverfahrens sichergestellt.

Zu § 117 (Schwellenwerte):

Im Oberschwellenbereich hat der erfolgreiche Bieter bei der Vergabe von Subaufträgen eine Bekanntmachung zu veröffentlichen. Bei der Bestimmung des Schwellenwertes ist der geschätzte Auftragswert des einzelnen zu vergebenden Subauftrages maßgeblich. Für die Berechnung des geschätzten Auftragswertes gelten die §§ 11 bis 15.

Zu § 118 (Bestimmungen über Bekanntmachungen):

Abs. 1 regelt den Inhalt der Bekanntmachungen über die Vergabe von Subaufträgen. Gemäß Abs. 2 gelten die Bekanntmachungsbestimmungen der §§ 42 bis 44 für den Oberschwellenbereich. Es gilt daher auch die verpflichtende Verwendung des CPV sowie die Regelung des § 44 über die allfällige Bekanntmachung in einem weiteren vom Bundeskanzler bzw. der jeweiligen Landesregierung festzulegenden Publikationsorgan zusätzlich zur Bekanntmachung auf Unionsebene (vgl. dazu auch die Erläuterungen zu § 44).

Gemäß Abs. 3 ist eine Bekanntmachung nicht erforderlich, wenn die Voraussetzungen des § 25 für die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung erfüllt sind.

Zu § 119 (Eignungskriterien für Subauftragnehmer):

§ 119 setzt Art. 53 Abs. 1 der RL 2009/81/EG um und regelt die Eignung der Subauftragnehmer. Die festzulegenden Eignungskriterien bestehen dabei zu einem aus den vom Auftraggeber festgelegten Eignungskriterien und zum anderen aus den Kriterien, die der erfolgreiche Bieter selbst für erforderlich erachtet. Für alle vom erfolgreichen Bieter in der Bekanntmachung angegebenen Eignungskriterien gilt, dass sie objektiv und nicht diskriminierend sein dürfen und im Einklang mit jenen Kriterien stehen müssen, die der Auftraggeber für die Auswahl der Bieter für den Hauptauftrag angewandt hat (§ 119 Abs. 2).

Abs. 3 stellt eine Konkretisierung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Dies impliziert zunächst, dass zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Unternehmers nur Nachweise verlangt werden dürfen, die im Zusammenhang mit dem konkreten Subauftrag stehen. Nachweise, die in keinem Zusammenhang mit dem Subauftrag stehen, kann der erfolgreiche Bieter vom Unternehmer nicht verlangen. Die geforderten Nachweise müssen darüber hinaus in einem ausgewogenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen (vgl. Abs. 3 zweiter Satz). Bei kleineren Auftragswerten wäre das Verlangen einer aufwendigen Nachweisführung daher unzulässig.

Zu § 120 (Besondere Bestimmungen für Subaufträge auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung):

Die Regelung des § 120 setzt Art. 52 Abs. 6 der RL 2009/81/EG um. Gemäß § 120 Abs. 1 kann ein erfolgreicher Bieter die Anforderung des § 74 (d.h. die Verpflichtung durch den Auftraggeber, bei der Vergabe von Subaufträgen das transparente Verfahren der §§ 116 ff einzuhalten) auch dadurch erfüllen, dass er Subaufträge auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung vergibt, welche wiederum nach den Bestimmungen der §§ 116 ff abgeschlossen wurde.

Die Absätze 2 bis 4 konkretisieren die Voraussetzungen, unter denen eine Subauftragsvergabe auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung zulässig ist.

Zu § 121 (Ausnahme von der Verpflichtung zur Vergabe eines Subauftrages):

§ 121 setzt Art. 53 Abs. 2 der RL 2009/81/EG um und ist im Zusammenhang mit § 74 Abs. 2 zu sehen, wonach der Auftraggeber den erfolgreichen Bieter verpflichten kann, einen bestimmten Prozentsatz des Auftrages an Dritte zu vergeben. Gemäß § 121 kann der erfolgreiche Bieter nämlich nicht dazu verpflichtet werden, einen Subauftrag zu vergeben, wenn keiner der am Subvergabeverfahren teilnehmenden Unternehmer bzw. keines der im Subvergabeverfahren eingereichten Angebote den Vorgaben der Bekanntmachung über die Vergabe des Subauftrages erfüllt und es daher dem erfolgreichen Bieter unmöglich wäre, die Anforderungen des Hauptauftrages zu erfüllen. Dies muss der erfolgreiche Bieter dem Auftraggeber zu dessen Zufriedenheit nachweisen.

Zu § 122 (Zivilrechtliche Bestimmungen):

Die Sonderregelungen betreffend die Vergabe von Subaufträgen gemäß § 116ff lassen das allgemeine schadenersatzrechtliche Regime (insbesondere daher Ansprüche des Auftraggebers gegen den erfolgreichen Bieter) unberührt.

Zu § 123 (Nicht prioritäre Dienstleistungsaufträge)

§ 123 enthält abschließend die Regelungen für die Vergabe von nicht prioritären Dienstleistungen im Ober- und Unterschwellenbereich. Abs. 1 enthält eine taxative Aufzählung jener Bestimmungen die bei der Vergabe dieser Dienstleistungen zu beachten sind.

In Entsprechung der unionsrechtlichen Vorgaben soll dem Auftraggeber bei der Beschaffung von nicht prioritären Dienstleistungen ein möglichst großer Freiraum zukommen. Während auf die Vergabe von prioritären Dienstleistungen nach Anhang III die Richtlinienbestimmungen und demzufolge auch das Gesetz grundsätzlich anzuwenden ist, sind bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen nach Anhang IV bloß bestimmte Regelungen zu beachten. Die Begründung dafür liegt darin, dass – was schon die Unterscheidung zwischen prioritären und nicht prioritären Dienstleistungen auf Unionsebene deutlich macht und sie in der Begründung auch trägt – sich nicht prioritäre Dienstleistungen in der Regel nicht in derselben Art und Weise für ein Vergabeverfahren eignen wie prioritäre Dienstleistungen (z.B. Dienstleistungen im sozialen Bereich vgl. Kategorie 25 von Anhang IV) und aufgrund ihrer Eigenart grundsätzlich keine grenzüberschreitende Bedeutung haben (so auch EuGH Rs C-507/03, Kommission gegen Irland). Für die Zuordnung von Dienstleistungsaufträgen, deren Gegenstand sowohl prioritäre wie auch nicht prioritäre Dienstleistungen sind, ist für die Bestimmung des anzuwendenden Vergaberegimes im Rahmen einer Gesamtbeurteilung auf das wertmäßige Überwiegen abzustellen (vgl. § 8 Abs. 3 und Rs C-411/00, Swoboda).

Maßgeblich sind für die Vergabe nicht prioritärer Dienstleistungen daher – neben den Bestimmungen über Auftraggeber, der Definition der Dienstleistungsaufträge, den Abgrenzungsregelungen und Ausnahmebestimmungen, den Regelungen über die Schwellenwerte sowie den Grundsatzbestimmungen – insbesondere die Bestimmung über die statistischen Verpflichtungen bzw. über die technischen Spezifikationen. Gemäß Abs. 2 Satz 1 kommt dem Auftraggeber kommt bei der Vergabe eines Auftrages über nicht prioritäre Dienstleistungen ein großer Gestaltungsspielraum zu: Er hat nicht prioritäre Dienstleistungen in einem transparenten und den Grundsätzen des Unionsrecht Rechnung tragenden Verfahren zu vergeben. Die Formulierung des zweiten Satzes, durch den dem primärrechtlich gebotenen Transparenzgebot entsprochen werden soll, lehnt sich an das Erkenntnis des EuGH in der Rs C-324/98, Telaustria, an. Durch die bewusst offene Formulierung findet keine Einschränkung auf die im Gesetz vorgesehenen Verfahrenstypen statt (arg. „in einem Verfahren …“). Daraus folgt, dass es dem Auftraggeber frei steht, ein Verfahren zu kreieren, das den Anforderungen des Gesetzes Rechnung trägt. Diese Freiheit des Auftraggebers wird jedoch in zweifacher Hinsicht eingeschränkt: erstens ist die Vergabe von nicht prioritären Dienstleistungsaufträgen in einem formlosen und nicht transparenten (d.h. ex ante bekannt gegebenen) Verfahren unmittelbar an einen Unternehmer ausschließlich bis zum Schwellenwert für Direktvergaben zulässig (so Abs. 3) und zweitens sind an den Verfahren zur Vergabe nicht prioritärer Dienstleistungsaufträge „grundsätzlich mehrere Unternehmer“ (d.h. mehr als ein Unternehmer) zu beteiligen. „Grundsätzlich“ bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die in Abs. 2 Satz 3 statuierten Ausnahmen von der Regel, dass mindestens zwei Unternehmer am Verfahren zu beteiligen sind. In Ausnahmesituationen ist die Vergabe nicht prioritärer Dienstleistungen daher auch in einem nicht transparenten Verfahren mit nur einem Unternehmer zulässig (vgl. dazu insbesondere die Tatbestände der §§ 25 und 31 Abs. 1; für geistige Dienstleistungen vgl. § 31 Abs. 2). Als Ausnahme vom Grundsatz sind die Voraussetzungen eng auszulegen (vgl. dazu auch die Erläuterungen zu § 9). Transparent ist ein Verfahren nach Auffassung der Kommission und des EuGH insbesondere dann, wenn eine Bekanntmachung (im Internet, in lokalen, regionalen, nationalen, internationalen Medien) erfolgte und diese Bekanntmachung jene grundsätzlichen Informationen enthielt, die potentiell interessierten Unternehmen die Beurteilung ermöglichte, ob ein bestimmter Auftrag für sie von Interesse sein könnte. Besteht aufgrund der Beurteilung des Auftraggebers ein grenzüberschreitendes Interesse an einem zu vergebenden Auftrag, so greift die unionsrechtliche Transparenzverpflichtung. Dieser ist durch eine Bekanntmachung in dem (für den jeweiligen Vollziehungsbereich festgelegten) zentralen elektronischen Publikationsmedium nachzukommen (Abs. 4). Abs. 4 2. Satz enthält die unionsrechtlich gebotene Verpflichtung zur ex post Bekanntmachung (vgl. Art. 17 iVm Art. 30 Abs. 3 der RL).

Auch für Aufträge über die Vergabe von nicht prioritären Dienstleistungen ist der vergabespezifische Rechtsschutz maßgeblich. Abs. 5 definiert die gesondert anfechtbaren Entscheidungen im Kontext des § 123 (der Wortlaut lehnt sich an die Einleitung von § 3 Z16 lit. a und VfSlg. 16.462/2002 - „…. geht es um die nach außen als „Entscheidungen“ in Erscheinung tretenden Teilakte des vergebenden Organs im Vergabeverfahren und somit stets um die Nichtigerklärung privatrechtlicher Willenserklärungen des Auftraggebers“ - an). Da der Auftraggeber ein eigenes (neues) Verfahren, das den Grundsätzen des Abs. 2 entspricht, kreieren kann, ist eine Auflistung der gesondert anfechtbaren Entscheidungen (in der Art von § 3 Z 16) nicht möglich.

Abs. 6 bis 8 enthalten grundsätzliche Regelungen betreffend die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung, die Stillhaltefrist und den Widerruf (freie Wahlmöglichkeit zwischen einem zwei- und einstufigen Widerrufsverfahren).

Abs. 9 regelt die Verpflichtung zur Erstellung eines Vergabevermerkes. Bei Vergaben unterhalb eines Gesamtauftragswertes von 200 000 Euro besteht die Möglichkeit, einen verkürzten Vergabevermerk zu erstellen.

Zu den §§ 124 bis 127 (Bestimmungen betreffend die Durchführung von elektronischen Auktionen)

Diese Beschaffungsmethode eignet sich vor allem bei atomistisch strukturierten Märkten und hat den Vorteil, dass der Auftraggeber in kürzester Zeit ohne übermäßig großen Aufwand eine Vielzahl von Unternehmer im wirtschaftlichen Wettbewerb gegeneinander antreten lassen kann. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die derzeit verfügbare Auktionssoftware bei sonstigen elektronischen Auktionen (d.h. Auktionen mit mehreren Zuschlagskriterien) Grenzen hinsichtlich der Komplexität der zu beschaffenden Leistung setzt. Mit anderen Worten: nicht hoch standardisierbare Leistungen können im Wege einer sonstigen Auktion nicht vergeben werden, da eine den Anforderungen des Gesetzes entsprechende Vorgangsweise technisch nicht gewährleistet werden kann.

Erwägungsgrund 22 der RL 2009/81/EG führt zu den elektronischen Auktionen Folgendes aus: „Die Auftraggeber sollten die Möglichkeit haben, Techniken der Online-Beschaffung einzusetzen, sofern bei ihrer Verwendung die Vorschriften dieser Richtlinie und die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz eingehalten werden. Elektronische Auktionen stellen eine Technik dar, die sich noch stärker verbreiten wird; deshalb sollten diese Auktionen im Gemeinschaftsrecht definiert und speziellen Vorschriften unterworfen werden, um sicherzustellen, dass sie unter uneingeschränkter Wahrung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz ablaufen. Dazu ist vorzusehen, dass diese elektronischen Auktionen nur Aufträge für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen betreffen, für die präzise Spezifikationen erstellt werden können. Dies kann insbesondere bei wiederkehrenden Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen der Fall sein. Zu demselben Zweck muss es auch möglich sein, die jeweilige Rangfolge der Bieter zu jedem Zeitpunkt der elektronischen Auktion festzustellen. Der Rückgriff auf elektronische Auktionen bietet den Auftraggebern die Möglichkeit, die Bieter zur Vorlage neuer, nach unten korrigierter Preise aufzufordern, und - sofern das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag erhalten soll - auch andere als die preisbezogenen Angebotskomponenten zu verbessern. Zur Wahrung des Grundsatzes der Transparenz dürfen allein diejenigen Komponenten Gegenstand elektronischer Auktionen sein, die auf elektronischem Wege - ohne Eingreifen und/oder Beurteilung seitens des Auftraggebers – automatisch bewertet werden können, d.h. nur die Komponenten, die quantifizierbar sind, so dass sie in Ziffern oder in Prozentzahlen ausgedrückt werden können. Hingegen sollten diejenigen Aspekte der Angebote, bei denen nichtquantifizierbare Komponenten zu beurteilen sind, nicht Gegenstand von elektronischen Auktionen sein. Folglich sollten bestimmte Bau- und Dienstleistungsaufträge, bei denen eine geistige Leistung zu erbringen ist, wie z.B. die Konzeption von Bauleistungen, nicht Gegenstand von elektronischen Auktionen sein.“

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden die allgemeinen Bestimmungen auf zwei Paragrafen aufgeteilt. Die elektronische Auktion kann im Ober- wie auch im Unterschwellenbereich verwendet werden. Weiters sei darauf hingewiesen, dass es sich bei der elektronischen Auktion nicht um einen eigenständigen Verfahrenstyp, sondern um einen Teil eines Vergabeverfahrens handelt (Ermittlung des Bestangebotes). Daher ist auch nicht zu regeln, welche sonstigen Bestimmungen des Gesetzes für eine elektronische Auktion anwendbar sind. Dies richtet sich nämlich danach, in welchen Verfahrenstyp die elektronische Auktion eingebettet ist. Die §§ 124ff beinhalten daher nur die für die tatsächliche Durchführung der elektronischen Auktion maßgeblichen Sonderbestimmungen. Aus dem Regelungsmodell für elektronische Auktionen ergibt sich ferner auch, dass für eine elektronische Auktion keine eigene Bekanntmachung vorzunehmen ist; vielmehr ist in der Bekanntmachung über das zugrunde liegende Verfahren (in das die elektronische Auktion integriert ist) gemäß § 38 Abs. 5 ein Hinweis darauf aufzunehmen, dass das Angebot dem der Zuschlag erteilt werden soll im Wege einer elektronischen Auktion ermittelt werden soll.

Bei einer elektronischen Auktion sind die Ausschreibungsunterlagen jedenfalls im Internet bereit zu stellen. Der festgelegte Inhalt der Auktionsordnung (§ 124 Abs. 3) ist ein Mindestinhalt, d.h. der Auftraggeber könnte darüber hinausgehende Festlegungen treffen. Zu dem in § 124 Abs. 3 Z 4 verwendeten Begriff der „Obergrenzen“ ist auszuführen, dass auch die Angabe einer maximalen Marge, innerhalb der die der Auktion unterliegenden Angebotsteile während der Auktion in zulässiger Weise verändert werden dürfen, denkbar ist. Den vielfältigen Verständigungspflichten (z.B. gemäß § 125 Abs. 1, 4 und 7) könnte der Auftraggeber z.B. dadurch nachkommen, dass er direkt die von den Entscheidungen betroffenen Unternehmer elektronisch verständigt, oder die Entscheidungen auf einer bekannt gegeben Internetseite – anonymisiert (vgl. § 125 Abs. 9) – bekannt macht.

Aus der Stellung der elektronischen Auktion im Vergabeverfahren (als Phase derselben) ergibt sich, dass die im vorangehenden Vergabeverfahren eingereichten Angebote vor der Durchführung der Auktion einer ersten Angebotsbewertung zu unterziehen sind (§ 124 Abs. 4).

Da während der Durchführung der Auktion die Identität der Teilnehmer nicht bekannt gegeben werden darf, trifft § 125 Abs. 2 Vorsorge dafür, dass in den der Auktion vorangehenden Verfahren die Identität der Bieter nicht im Rahmen der Angebotsöffnung offen gelegt werden darf. Implizit folgt daraus, dass eine (ohnehin freiwillige) formalisierte Angebotsöffnung in diesen Fällen nicht zulässig ist.

§ 125 beinhaltet die konkreten Vorgaben für die Durchführung einer elektronischen Auktion.

Unter einer Auktionsphase gemäß § 125 Abs. 4 Z 3 bzw. Abs. 5 ist etwa eine Runde zur Abgabe von Angeboten zu verstehen. Zum Abbruch der Auktion aus sachlichen Gründen (§ 125 Abs. 4 Z 4) wird auf die Erläuterungen zu § 114 verwiesen. Um den nicht erfolgreichen Bietern die Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob die Bekanntgabe des erfolgreichen Bieters – die als Zuschlagsentscheidung gilt – bekämpft werden soll, sind auch die Gründe für die Ablehnung ihres jeweiligen Angebotes mitzuteilen (vgl. Abs. 7).

§ 126 und § 127 enthalten besondere Regelungen über die zwei Grundtypen der Auktion. Zu den §§ 126 Abs. 2 und 127 Abs. 2 ist hinzuzufügen, dass durch diese Bestimmungen klargestellt wird, dass z.B. neben dem Preis auch die Preisentwicklung (etwa als Graphik) bekannt gegeben werden könnte.

Im Zusammenhang mit der sonstigen elektronischen Auktion (§ 127) ist auf folgenden Aspekt besonders hinzuweisen. Bei dieser Auktionsform werden neben dem Preis auch andere Elemente des Angebotes der Auktion unterworfen. Damit dies (im Wege der Auktionssoftware) möglich ist, ist es unabdingbare Voraussetzung, dass die nicht preislichen Elemente, die der Auktion unterzogen werden sollen, kategorisierbar sein müssen, d.h. sie müssen einer Messung und einer Zuordnung von (numerischen) Werten bzw. einer Monetarisierung zugänglich sein. Daher ist im Gesetz vorgesehen, dass jene mathematische Formel, die für die Reihung der Angebote maßgeblich ist, anzugeben ist. Dadurch wird erreicht, dass die Angebotsbewertung automatisch (durch die Auktionssoftware) erfolgt. Ein Eingreifen des Auftraggebers in diesen Bewertungsprozess darf somit in keiner Phase der Auktion möglich sein.

Zu den §§ 128 bis 130 (Bestimmungen für den Abschluss von Rahmenvereinbarungen und die Vergabe von Aufträgen auf Grund einer Rahmenvereinbarung):

Die §§ 128 bis 130 setzen insbesondere Art. 29 der RL 2009/81/EG um. Das Instrument der Rahmenvereinbarung soll den Auftraggeber in die Lage versetzen, Leistungen in sich schnell entwickelnden bzw. verändernden Märkten zu den jeweils aktuellen besten Bedingungen zu beziehen. Zur Definition der Rahmenvereinbarung vgl. § 23 Abs. 5 und die diesbezüglichen Erläuterungen, zur Beurteilung, wann zulässigerweise auf eine Rahmenvereinbarung zurückgegriffen werden kann siehe § 27 und die Erläuterungen dazu. Dem Instrument der Rahmenvereinbarung kommt insbesondere bei Beschaffungen durch zentrale Beschaffungsstellen (vgl. dazu § 3 Z 44 und § 9 Abs. 1 Z 16ff) große Bedeutung zu.

Gemäß Art. 29 Abs. 2 der RL 2009/81/EG hat der Abschluss von Rahmenvereinbarungen gemäß den „Verfahrensvorschriften dieser Richtlinie“ zu erfolgen. Sofern daher die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sind, ist nach der Richtlinie auch der Abschluss von Rahmenvereinbarungen in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zulässig. Für das BVergGVS (Ober- wie Unterschwellenbereich) richtet sich daher die Zulässigkeit der Verfahren zum Abschluss von Rahmenvereinbarungen nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes, d.h. somit nach den §§ 24ff. In der ersten Stufe wird eine Rahmenvereinbarung nach Durchführung eines „regulären“, allerdings fiktiven, weil ohne Zuschlag endenden Vergabeverfahrens mit einem oder mit mehreren Unternehmern abgeschlossen. In bestimmten Verfahren kommt aufgrund der Anwendungsvoraussetzungen jedoch nur der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer in Betracht (vgl. dazu etwa § 25 Z 5). Zu betonen ist, dass die Rahmenvereinbarung den Auftraggeber nicht bindet, die von der Rahmenvereinbarung erfassten Leistungen oder Leistungsgruppen jedenfalls von den Parteien der Rahmenvereinbarung für die Dauer derselben zu beziehen (vgl. dazu schon die Ausführungen zu § 23 Abs. 5). Der Abschluss einer Rahmenvereinbarung folgt somit den allgemeinen Regelungen des BVergGVS, ergänzt durch die Sonderbestimmung des § 129. Für die Vergabe von Aufträgen auf der Basis einer Rahmenvereinbarung gelten hingegen ausschließlich die §§ 128ff sowie die in diesen Bestimmungen verwiesenen Paragrafen.

Sofern nicht ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung in Anspruch genommen werden kann, ist der beabsichtigte Abschluss einer Rahmenvereinbarung bekannt zu machen. Die Bekanntmachung hat im Oberschwellenbereich gemäß dem durch Verordnung der Kommission festgelegten Standardformular zu erfolgen. Für den Unterschwellenbereich hat die Bekanntmachung gemäß dem Muster des Anhanges VIII zu erfolgen. Ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern beabsichtigt, so ist den Unternehmern die Anzahl der Unternehmer bekannt zu geben, die am Verfahren teilnehmen werden (§ 129 Abs. 1). Sofern eine Bekanntmachung erfolgt ist, hat der Auftraggeber gemäß § 129 Abs. 2 jenen Unternehmern, die ihr Interesse an einer spezifischen („bestimmten“) Rahmenvereinbarung bekundet haben, auf deren Antrag die Ausschreibungsunterlagen ohne Verzug, längstens jedoch binnen sechs Tagen nach Eingang des diesbezüglichen Antrages zu übermitteln (z.B. elektronisch). Der Ausdruck „elektronisch zur Verfügung zu stellen“ ermöglicht den Auftraggebern auch, die Ausschreibungsunterlagen auf einer Website zum Herunterladen anzubieten. Die interessierten Unternehmer sind von dieser Möglichkeit zu verständigen.

Sollte für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung ein nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung oder ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung gewählt werden, werden in der Regel die Angebotsunterlagen zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht (vollständig) zur Verfügung stehen. Da unter „Ausschreibung“ auch die Bekanntmachung in zweistufigen Verfahren zu verstehen ist (vgl. § 3 Z 10), sind im Fall der soeben genannten Verfahren, die gegebenenfalls noch nicht vollständigen Unterlagen von der Verpflichtung des § 129 Abs. 2 erfasst. Die erst nachträglich vervollständigten Teile der Ausschreibungsunterlagen sind den Antragstellern jedenfalls unverzüglich (und ohne weiteren gesonderten Antrag) zu übermitteln oder zur Verfügung zu stellen. § 129 Abs. 2 trifft eine somit ergänzende Sonderregelung zu § 50 Abs. 1.

Wie bereits erwähnt, erfolgt die Bestimmung der Partei(en) nach Durchführung eines „regulären“, allerdings fiktiven Vergabeverfahrens gemäß den allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes für die Durchführung eines nicht offenen Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung oder eines Verhandlungsverfahrens. Der Abschluss der Rahmenvereinbarung erfolgt gemäß den Festlegungen des Auftraggebers mit jenem Unternehmer (bzw. jenen Unternehmern), der (die) das (bzw. die) am besten bewertete(n) Angebot(e) gelegt hat (bzw. haben). Durch die bewusst offen gehaltene Wortwahl („am besten bewertete(s)“) wird weder das Zuschlagsprinzip „technisch und wirtschaftlich günstigstes Angebot“ noch das Prinzip „Angebot mit dem niedrigsten Preis“ festgelegt. Die Wahl des Zuschlagsprinzips obliegt allein dem Auftraggeber (vgl. dazu die §§ 68 Abs. 3 und 85 Abs. 7). Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass das vor dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung durchgeführte fiktive Vergabeverfahren (ohne Zuschlagserteilung) von einer Präqualifikation an Hand von Eignungs- oder Auswahlkriterien zu unterscheiden ist. Bei einer Rahmenvereinbarung wird nur jener Bieter bzw. werden nur jene Bieter Partei der Rahmenvereinbarung, der bzw. die anhand des Zuschlagskriteriums/der Zuschlagskriterien das bzw. die vorläufig am besten bewertete(n) Angebot(e) gelegt hat (haben). Soll eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern abgeschlossen werden, so müssen gemäß § 129 Abs. 3 (vgl. auch Art. 29 Abs. 4 der Richtlinie 2009/81/EG) mindestens drei Parteien daran beteiligt sein, sofern eine ausreichend große Zahl von Unternehmern die Eignungskriterien erfüllt hat und eine ausreichend große Zahl von zulässigen Angeboten die Zuschlagskriterien erfüllt. Der letzte Halbsatz der zitierten Richtlinienbestimmung („sofern … eine ausreichend große Zahl von zulässigen Angeboten die Zuschlagskriterien erfüllt“) ist dahingehend zu verstehen, dass es darauf ankommt, ob eine „ausreichend große Anzahl von zulässigen Angeboten abgegeben wurde“ (vgl. „insofar as there is a sufficient number … of admissible tenders which meet the award criteria“; “dans la mesure où il y a un nombre suffisant … d'offres recevables répondant aux critères d'attribution”). Denn sofern Angebote zulässig sind, ist es für die Frage der Mindestanzahl jener Unternehmer, mit denen eine Rahmenvereinbarung abzuschließen ist, unerheblich, ob sie die Zuschlagskriterien (besser oder schlechter) „erfüllen“ (was letztendlich in der Bewertung der Angebote zum Ausdruck kommt). Es gibt – auch nach Ansicht der Kommission – jedenfalls kein zulässiges Angebot, das die Zuschlagskriterien nicht „erfüllt“ (und deswegen mit dem betroffenen Unternehmer keine Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden könnte). Aus diesem Grund übernimmt Abs. 3 nicht den einschlägigen, aber missverständlichen Wortlaut der Richtlinie.

Aus Art. 35 Abs. 2 lit. c der RL 2009/81/EG ergibt sich, dass auch den nicht berücksichtigten Bietern bei Abschluss einer Rahmenvereinbarung die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebotes (der ausgewählten Angebote) mitzuteilen sind. Da sich die Entscheidung, mit welchem Unternehmer bzw. mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll – bis zu ihrer außenwirksamen Mitteilung – im internen Bereich des Auftraggebers abspielt und dieser den Zeitpunkt seiner Entscheidung frei wählen kann, ist das Erfordernis einer „unverzüglichen“ Bekanntgabe bzw. die Festsetzung einer diesbezüglichen Frist entbehrlich.

Die Entscheidung des Auftraggebers, mit welchem Unternehmer bzw. mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, stellt im System des BVergGVS zwar eine gesondert anfechtbare Entscheidung (vgl. dazu § 3 Z 16) nicht aber eine Zuschlagsentscheidung dar. Letztere erfolgt erst im Zuge des Abrufes aus der abgeschlossenen Rahmenvereinbarung. Aufgrund des § 107 Abs. 2 Z 3 (vgl. dazu auch die diesbezüglicher Erläuterungen) besteht keine Verpflichtung mehr, die Zuschlagsentscheidung bei Leistungsabrufen aus einer Rahmenvereinbarung mitzuteilen. Damit die Effektivität des Rechtsschutzsystems im Zusammenhang mit Rahmenvereinbarungen nicht unterlaufen wird (z.B. durch Abschluss einer Rahmenvereinbarung und sofortigem Abruf der Leistungen bzw. eines Leistungsteiles), ist analog zu einer „regulären“ Auftragsvergabe ein Stillhaltesystem bereits beim Abschluss der Rahmenvereinbarung vorgesehen (vgl. dazu § 129 Abs. 4). Da der Abschluss der Rahmenvereinbarung keine Zuschlagsentscheidung darstellt (siehe dazu schon oben), sind die jeweiligen Bestimmungen über eine freiwillige Bekanntgabe bzw. Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung auch nur sinngemäß anwendbar. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass - analog zur Regelung betreffend den Zuschlag bei einer „regulären“ Auftragsvergabe - dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen den Abschluss einer Rahmenvereinbarung aufschiebende Wirkung zukommt, bzw. der Auftraggeber bei sonstiger Nichtigkeit die Rahmenvereinbarung nicht bis zur Entscheidung über einen derartigen Antrag abschließen darf (vgl. § 135 iVm § 328 Abs. 5 BVergG 2006; vgl. ferner auch die Bestimmung des § 329 Abs. 2 BVergG 2006).

Die standardmäßige Laufzeit von Rahmenvereinbarungen beträgt nach § 129 Abs. 6 sieben Jahre, in sachlich gerechtfertigten Ausnahmefällen kann auch eine längere Laufzeit vorgesehen werden. Die Gründe für eine längere Laufzeit sind entsprechend zu dokumentieren. Eine sieben Jahre übersteigende Laufzeit wäre etwa dann sachlich gerechtfertigt, wenn nur aufgrund der längeren Laufzeit die längerfristige Versorgung mit Ersatzteilen für Waffensysteme garantiert werden könnte (vgl. dazu z.B. den Einsatzzeitraum von Panzern, militärischem Fluggerät usw.). Zu beachten ist jedenfalls, dass der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einer sieben Jahre übersteigenden Laufzeit einen Ausnahmefall darstellt, dessen Inanspruchnahme restriktiv zu handhaben ist. In Erwägungsgrund 21 der RL 2009/81/EG wird zur Laufzeit im Zusammenhang mit einer Rahmenvereinbarung folgendes festgehalten: „Nach diesen Vorschriften kann ein Auftraggeber, wenn er eine Rahmenvereinbarung gemäß den Vorschriften dieser Richtlinie … abschließt, während der Laufzeit der Rahmenvereinbarung Aufträge auf der Grundlage dieser Rahmenvereinbarung entweder durch Anwendung der in der Rahmenvereinbarung enthaltenen Bedingungen oder, falls nicht alle Bedingungen im Voraus in dieser Vereinbarung festgelegt wurden, durch erneute Eröffnung des Wettbewerbs zwischen den Parteien der Rahmenvereinbarung in Bezug auf die nicht festgelegten Bedingungen vergeben. Bei der Wiedereröffnung des Wettbewerbs sollten bestimmte Vorschriften eingehalten werden, um die erforderliche Flexibilität und die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze, insbesondere des Grundsatzes der Gleichbehandlung, zu gewährleisten. Aus diesen Gründen sollte die Laufzeit der Rahmenvereinbarung begrenzt werden und sieben Jahre nicht überschreiten dürfen, außer in von den Auftraggebern ordnungsgemäß begründeten Fällen.“

Da eine Rahmenvereinbarung ein Instrument der Auftragsvergabe darstellt, in dem die Bedingungen für die konkrete Leistungserbringung erst nachträglich fixiert oder nachträglich modifiziert werden können, kommt § 130 Abs. 1 als spezieller Ausformulierung des Diskriminierungsverbotes für diesen Bereich besondere Bedeutung zu. „Substanzielle“ Änderungen der Bedingungen einer Rahmenvereinbarung wären etwa Änderungen des Leistungsgegenstandes, die wesentlich andere Angebote (für den Abschluss der Rahmenvereinbarung) oder einen stark veränderten Bewerber- oder Bieterkreis (für den Abschluss der Rahmenvereinbarung) zur Folge gehabt hätten. Der Begriff ist im Licht der Judikatur des EuGH zu „wesentlichen“ Änderungen auszulegen (vgl. dazu etwa Rs C-337/98, Kommission gegen Frankreich, Rs C-496/99 P, CAS Succhi di Fruuta, Rs C-91/08, Wall AG, Rs C-160/08, Kommission gegen Deutschland, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur). Keine substantiellen Änderungen wären etwa „Technologiesprünge“ (zB Abruf der neuesten Computergeneration).

Aus § 130 Abs. 2 zweiter Satz folgt, dass, sofern eine Rahmenvereinbarung für mehrere Auftraggeber abgeschlossen werden soll, alle aus der Rahmenvereinbarung abrufberechtigten Auftraggeber festzulegen sind. Dies kann entweder in der Bekanntmachung oder auf sonstige, geeignete Weise (entweder in den Ausschreibungsunterlagen oder in einer zugänglichen Liste) erfolgen. Nach Ansicht der Kommission bildet die Rahmenvereinbarung ein sowohl auf Auftraggeber- wie auch auf Auftragnehmerseite „geschlossenes System“. Ausschließlich jene(r) Auftraggeber und jene(r) Unternehmer, die von Beginn an Partei(en) der Rahmenvereinbarung waren, können aus dieser Leistungen abrufen.

Im Zusammenhang mit § 130 Abs. 3 bis 6 (Einsatz von Rahmenvereinbarungen mit einem oder mehreren Unternehmern) ist allgemein auf die Problematik der Berücksichtigung von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) im Zusammenhang mit der Vergabe von Aufträgen hinzuweisen. Durch die Bündelung der Nachfrage und durch die Konzentration des Beschaffungswesens bei zentralen Beschaffungsstellen sollen Einsparungspotentiale bei der Beschaffung aktiviert werden. Ein besonders wichtiges Instrument von zentralen Beschaffungsstellen zur Verfolgung ihrer Ziele sind Rahmenverträge und Rahmenvereinbarungen. Letztere eignen sich ganz besonders, da mit Rahmenvereinbarungen ein Pool von qualifizierten Unternehmern gebildet werden kann, innerhalb dessen während der Laufzeit der Rahmenvereinbarung ein intensiver Wettbewerb unter gleichzeitiger Anpassung des Leistungsgegenstandes an aktuelle Entwicklungen (Technologiesprünge) durchgeführt werden kann. In ihrem „Aktionsplan zur Umsetzung und Anwendung der Rechtsvorschriften über die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge“ vom 13.12.2004 (abrufbar unter: http://europa.eu.int/comm/internal_market/publicprocurement/docs/eprocurement/actionplan/actionplan_ de.pdf) hält die Kommission fest: „Die Kommission fordert alle Mitgliedstaaten auf, das Gesetzgebungspaket in seiner Gesamtheit lückenlos umzusetzen. Die Regierungen sollten jedoch in der Lage sein, die Anwendung der neuen elektronischen Werkzeuge und Techniken im Laufe der Zeit anzupassen. Sie sollten insbesondere die Gefahr einer überzogenen oder missbräuchlichen Zentralisierung der Beschaffungen, einer falschen Anwendung elektronischer Auktionen und einer Präferenz für geschlossene Beschaffungssysteme (beispielsweise Rahmenvereinbarungen) gegenüber offenen Systemen im Auge behalten. Solche Praktiken können die Vorteile einer Effizienzsteigerung zunichte machen.“ Mit seiner Entschließung vom 26. Jänner 2005 (E 88-NR/XXII.GP) äußerte der Nationalrat etwa nachdrücklich den Wunsch, im Zusammenhang mit Beschaffungen der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) Leistungsvergaben so zu organisieren, dass sich auch Klein- und Mittelbetriebe an den Beschaffungen der BBG beteiligen können. Bei Rahmenvereinbarungen könnte dies etwa durch den örtlich und zeitlich gestaffelten Abruf in kleinen Volumina umgesetzt werden. Durch den Abruf eines Auftrages in Losen kann die Rahmenvereinbarung dazu beitragen, die Teilnahme von KMU an Beschaffungsverfahren zu fördern. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die beschriebene (gestaffelte) Gestaltung der konkreten Ausschreibung oder der Abruf in Losen sinnvoller Weise nur dann zum Einsatz kommen darf, wenn dies nach dem Leistungsgegenstand und den Leistungsspezifikationen der konkret nachgefragten Leistung für den Auftraggeber objektiv nachvollziehbar sachlich gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus sieht § 74 verschiedene Möglichkeiten der zwingenden Subvergabe vor. Auch dieses Instrument kann dazu eingesetzt werden, die Teilnahme an KMU zu fördern.

Gemäß der Definition der Rahmenvereinbarung können an dieser „einer oder mehrere Auftraggeber“ beteiligt sein. Soweit nachstehend (betreffend die Verfahren zur Vergabe von Aufträgen gemäß § 130 Abs. 3 bis 6) allein der Singular im Zusammenhang mit dem Begriff „Auftraggeber“ verwendet wird, gelten die Ausführungen ebenso für Rahmenvereinbarungen, bei denen auf Auftraggeberseite mehrere Auftraggeber beteiligt sind.

§ 130 Abs. 3 regelt die Vergabe von Aufträgen bei Rahmenvereinbarungen mit einem einzigen Unternehmer. Sofern in der Rahmenvereinbarung selbst alle erforderlichen Bedingungen für die Auftragsvergabe festgelegt wurden, kann der Auftraggeber unmittelbar aus der Rahmenvereinbarung die konkret benötigte Leistung abrufen und den Zuschlag erteilen. In diesem Fall erfolgt der Zuschlag auf jenes Angebot, das der Unternehmer für den Abschluss der Rahmenvereinbarung gelegt hat. Es besteht hierbei keine Möglichkeit, das Angebot durch den Unternehmer modifizieren zu lassen. Der unmittelbare Abruf seitens des Auftraggebers gemäß Abs. 3 Z 1 ist grundsätzlich jedoch nur in einem angemessenen, sachlich gerechtfertigten zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss der Rahmenvereinbarung zulässig. Dies folgt insbesondere aus dem Grundsatz des Missbrauchsverbotes gemäß § 129 Abs. 5, der – bei sich ändernden Rahmenbedingungen – es dem Auftraggeber verwehrt, während der (gesamten) Laufzeit der Rahmenvereinbarung die Leistungen stets auf der Basis der ursprünglichen, zum Abschluss der Rahmenvereinbarung führenden Angebote abzurufen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit, eine „missbräuchliche“ Verwendung der Rahmenvereinbarung dadurch zu vermeiden, dass in der Rahmenvereinbarung eine Preisanpassungsklausel (mit Bindung an objektive Indices) aufgenommen wird. Der „angemessene zeitliche Zusammenhang“ ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles und hängt nicht zuletzt auch vom Auftragsgegenstand ab. Bei Leistungen mit einer ständigen Preisfluktuation (vgl. Rohölprodukte) wird dieser Zeitraum kürzer anzusetzen sein, als bei Leistungen mit stabileren Preisen.

Zu betonen ist, dass der Auftraggeber – obwohl die Bedingungen für einen unmittelbaren Abruf aus der Rahmenvereinbarung gemäß § 130 Abs. 3 Z 1 vorliegen würden – auch die Möglichkeit hat, den Unternehmer gemäß Abs. 3 Z 2 aufzufordern, sein ursprüngliches Angebot „zu verbessern“.

Sofern in der Rahmenvereinbarung selbst nicht alle erforderlichen Bedingungen für die Auftragsvergabe festgelegt wurden, hat der Auftraggeber (bei einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer) gemäß § 130 Abs. 3 Z 2 vorzugehen. Gemäß dem Wortlaut der Richtlinie „kann der Auftraggeber den an der Rahmenvereinbarung beteiligten Wirtschaftsteilnehmer schriftlich konsultieren und dabei auffordern, sein Angebot erforderlichenfalls zu vervollständigen“ (Art. 29 Abs. 3 zweiter UA RL 2009/81/EG). Ein Vergleich mit der Regelung des Abs. 4 2. UA der RL (iZm dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern) zeigt, dass der Wortlaut des Abs. 3 2. UA der RL unvollständig ist und große Unschärfen aufweist. Drei Situationen sollen erfasst werden: der Auftraggeber kann den Unternehmer zur Vorlage eines „verbesserten“ Angebotes auffordern 1. auf der Basis der ursprünglichen Bedingungen der Rahmenvereinbarung (wenn der Auftraggeber etwa – trotz Vorliegens der Voraussetzungen – nicht von der Möglichkeit des Abs. 3 1. UA Gebrauch machen möchte), 2. sofern nicht alle Bedingungen für die Vergabe der Aufträge in der Rahmenvereinbarung selbst festgelegt sind, auf der Basis der vom Auftraggeber vervollständigten Bedingungen der Rahmenvereinbarung und 3. gegebenenfalls nach anderen, in den Ausschreibungsunterlagen der Rahmenvereinbarung genannten Bedingungen. In diesem Sinne wird daher § 130 Abs. 3 Z 2 strukturiert.

§ 130 Abs. 4 bis 6 regeln die Vergabe von Aufträgen im Zusammenhang mit Rahmenvereinbarungen mit mehreren Unternehmern. Sofern in der Rahmenvereinbarung selbst alle erforderlichen Bedingungen für die Auftragsvergabe festgelegt wurden, kann der Auftraggeber unmittelbar aus der Rahmenvereinbarung die konkret benötigte Leistung abrufen und den Zuschlag erteilen. Das Gesetz legt in Abs. 4 Z 1 (in Übereinstimmung mit Art. 29 Abs. 4 2. UA erster Spiegelstrich der Richtlinie) nicht ausdrücklich fest, dass der Zuschlag „auf das beim Abschluss der Rahmenvereinbarung am besten bewertete Angebot zu erteilen ist“. Die Richtlinie regelt bewusst nicht die Frage des Auswahlmodus hinsichtlich jener Partei der Rahmenvereinbarung, der in der 2. Phase der Zuschlag erteilt werden soll. Dem Auftraggeber steht es daher frei, in der Rahmenvereinbarung derartige Festlegungen zu treffen (zB: „im Falle der Vergabe eines Auftrages gemäß Abs. 4 Z 1 erfolgt der Zuschlag auf das beim Abschluss der Rahmenvereinbarung am besten bewertete Angebot“). Der Auswahlmodus hat jedenfalls den allgemeinen Grundsätzen des Vergaberechts zu entsprechen, d.h. er muss insbesondere nicht diskriminierend, transparent und nach objektiv nachprüfbaren Kriterien gestaltet sein. Die Kommission wies darauf hin, dass etwa ein Vorgehen nach dem „Kaskadenprinzip“ diesen Anforderungen entsprechen würde. In diesem Fall würde zuerst jener Unternehmer kontaktiert werden, der das beim Abschluss der Rahmenvereinbarung am besten bewertete Angebot gelegt hat. Sofern dieser nicht in der Lage wäre (z.B. die entsprechenden Ressourcen stehen für den konkreten Zeitraum nicht zur Verfügung) könnte der zweitgereihte Unternehmer kontaktiert werden usw. Allerdings kann die Anwendung des „Kaskadenprinzips“ auch die Gefahr von wettbewerbswidrigen Absprachen der Parteien der Rahmenvereinbarung zu Lasten des Auftraggebers in sich bergen. Eine Vorgangsweise aufgrund des Loses erfüllt die oben genannten Anforderungen an das Auswahlverfahren nicht. Es empfiehlt sich, die Vorgangsweise für den Fall eines Nachprüfungsverfahrens genauestens zu dokumentieren. Da der Auswahlmodus dem Transparenzgebot entsprechen muss, ist er in den Ausschreibungsunterlagen entsprechend bekannt zu geben.

Im Fall des § 130 Abs. 4 Z 1 besteht keine Möglichkeit, das Angebot durch den betreffenden Bieter modifizieren zu lassen. Der unmittelbare Abruf seitens des Auftraggebers gemäß Abs.4 Z 1 ist ferner grundsätzlich nur in einem angemessenen, sachlich gerechtfertigten zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss der Rahmenvereinbarung zulässig. Dies folgt insbesondere aus dem Grundsatz des Missbrauchsverbotes gemäß § 129 Abs. 5, der es – bei sich ändernden Rahmenbedingungen – dem Auftraggeber verwehrt, während der (gesamten) Laufzeit der Rahmenvereinbarung die Leistungen stets auf der Basis der ursprünglichen zum Abschluss der Rahmenvereinbarung führenden Angebote abzurufen. Der „angemessene zeitliche Zusammenhang“ ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles und hängt nicht zuletzt auch vom Auftragsgegenstand ab (zu den Beispielen und zur Möglichkeit der Verwendung von Preisanpassungsklauseln vgl. oben die Ausführungen zu § 130 Abs. 3 Z 1).

Sofern in der Rahmenvereinbarung selbst nicht alle erforderlichen Bedingungen für die Auftragsvergabe festgelegt wurden, hat der Auftraggeber (bei einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern) gemäß § 130 Abs. 4 Z 2 in Verbindung mit Abs. 5 und 6 vorzugehen. Gemäß dem Wortlaut der Richtlinie erfolgt die Vergabe von Aufträgen „sofern nicht alle Bedingungen in der Rahmenvereinbarung festgelegt sind, nach erneutem Aufruf der Parteien zum Wettbewerb zu denselben Bedingungen, die erforderlichenfalls zu präzisieren sind, oder gegebenenfalls nach anderen in den Verdingungsunterlagen der Rahmenvereinbarung genannten Bedingungen“ nach dem Verfahren des Art. 29 Abs. 4 2. UA zweiter Spiegelstrich lit. a bis d. Abs. 4 2. UA der Richtlinie erfasst somit 2 Situationen: der Auftraggeber kann die Unternehmer zur Vorlage eines „verbesserten“ Angebotes auffordern 1. auf der Basis der vom Auftraggeber vervollständigten Bedingungen der Rahmenvereinbarung oder 2. gegebenenfalls nach anderen, in den Ausschreibungsunterlagen der Rahmenvereinbarung genannten Bedingungen. Im zuletzt genannten Fall ist ausschließlich das Sonderverfahren gemäß den lit. a bis d für die Zuschlagserteilung in der 2. Phase vorgesehen. Erfolgte keine Festlegung in der Rahmenvereinbarung, so hat der Auswahlmodus für die Wahl des erfolgreichen Angebotes den allgemeinen Grundsätzen des Vergaberechts zu entsprechen, d.h. er muss insbesondere nicht diskriminierend, transparent und nach objektiv nachprüfbaren Kriterien gestaltet sein. Aus dem Grundsatz der Transparenz folgt, dass falls der Auswahlmodus erst nach Abschluss der Rahmenvereinbarung endgültig fixiert wird (durch die Vervollständigung der Bedingungen gemäß Abs. 5 Z 1), dies erstens vor einem erneuten Aufruf zum Wettbewerb zu erfolgen hat und zweitens der endgültige Modus den Parteien der Rahmenvereinbarung bekannt zu geben ist. Die Regelungen des Gesetzes und der RL wurden bewusst sehr offen gehalten und das Verfahren nicht strikt reglementiert. Abgabe neuer Angebote kann daher auch heißen: Übermittlung der elektronischen Kataloge der Unternehmer. In diesem Sinne handelt es sich um eine „offene“ Regelung, die diesbezüglich, anders als bei den regulären Verfahren, keine detaillierten Regelungen betreffend die Angebotsabgabe enthält. Es versteht sich allerdings von selbst, dass die Grundsätze gemäß § 17 Abs. 1 jedenfalls gelten. Das Zuschlagsverfahren in dieser 2. Phase könnte auch in Form einer elektronischen Auktion abgewickelt werden (siehe § 124 Abs. 1).

Im Zusammenhang mit § 130 Abs. 3 bis 6 ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Begriffe „vervollständigte Bedingungen“ oder „andere Bedingungen“ im Zusammenhang mit der 2. Phase des Wettbewerbes weit zu verstehen sind. Weder die Richtlinie noch das BVergGVS verlangen etwa, dass der Preis oder dessen Gewichtung bereits in der Rahmenvereinbarung fixiert werden muss. Die Rahmenvereinbarung muss „lediglich“ die wesentlichen Grundparameter fixieren und die Regeln und Inhalte allfälliger zukünftiger (anderer) Festlegungen (Ergänzungen, Modifikationen) beinhalten. „Bedingungen“ im Sinne des Gesetzes können daher auch Zuschlagskriterien oder deren Gewichtung sein. Es ist daher auch möglich, dass die Zuschlagskriterien für den Abschluss der Rahmenvereinbarung und die Zuschlagskriterien für die Vergabe der auf der Rahmenvereinbarung beruhenden Aufträge nicht ident sind (z.B. Abschluss der Rahmenvereinbarung auf der Basis des Zuschlagsprinzips „technisch und wirtschaftlich günstigstes Angebot“, Vergabe der Aufträge auf das „Angebot mit dem niedrigsten Preis“). Unabdingbare Voraussetzung ist jedoch, dass dies in den Ausschreibungsunterlagen der Rahmenvereinbarung bekannt gegeben wurde.

In einer Rahmenvereinbarung kann auch eine Gruppe von Leistungsgegenständen zusammengefasst werden (zB Munition verschiedenen Kalibers). Falls der Auftraggeber aus dieser Gruppe nur bestimmte Leistungsgegenstände „abrufen“ möchte, so muss er für die 2. Phase nur jene Parteien schriftlich (elektronisch) kontaktieren, die tatsächlich in der Lage sind, die konkret nachgefragte Leistung zu erbringen (also zB Munition eines bestimmten Kalibers angeboten haben). Gleiches gilt auch für jenen Fall, in dem ein oder mehrere Auftraggeber eine Rahmenvereinbarung über Servicedienstleistungen an bestimmten Geräten (zB Panzer) abgeschlossen haben. In diesem Fall sind in der 2. Phase nur jene Parteien der Rahmenvereinbarung zu kontaktieren, die die nachgefragte Serviceleistung (Überprüfung des Panzers der Marke X) auch tatsächlich erbringen können. Die beschriebene Vorgangsweise kann sowohl in einem Verfahren gemäß § 130 Abs. 4 Z 1 wie auch in einem Verfahren gemäß Abs. 4 Z 2 in Verbindung mit Abs. 5 und 6 erfolgen.

Im Zusammenhang mit der Regelung des Abs. 6 Z 4 ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 107 Abs. 2 Z 3 keine Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung besteht und deswegen auch keine Stillhaltefrist einzuhalten ist. Für den Fall der freiwilligen Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung vgl. die Ausführungen zu § 108 Abs. 1.

Gemäß Abs. 7 kann ein Verfahren zum Abruf aus einer Rahmenvereinbarung gemäß Abs. 3 bis 6 aus sachlichen Gründen widerrufen werden.

Zu den §§ 131 bis 134 (wettbewerblicher Dialog):

Die Regelungen ergehen in Umsetzung des Art. 27 der RL 2009/81/EG.

Erwägungsgrund 48 der RL 2009/81/EG lässt sich zum wettbewerblichen Dialog Folgendes entnehmen: „Für Auftraggeber, die besonders komplexe Vorhaben durchführen, kann es – ohne dass ihnen dies anzulasten wäre – objektiv unmöglich sein, die Mittel zu bestimmen, die ihren Bedürfnissen gerecht werden können, oder zu beurteilen, was der Markt an technischen bzw. finanziellen oder rechtlichen Lösungen bieten kann. Dies kann insbesondere bei der Durchführung von Projekten der Fall sein, die die Integration oder Kombination vielfältiger technologischer oder operativer Fähigkeiten erfordern, oder die auf einer komplex strukturierten Finanzierung basieren, deren finanzielle und rechtliche Konstruktion nicht im Voraus vorgeschrieben werden kann. Da ein solcher Auftrag nicht präzise genug festgelegt werden kann, um den Bietern die Erstellung ihrer Angebote zu ermöglichen, wäre die Anwendung des nichtoffenen Verfahrens oder des Verhandlungsverfahrens mit Veröffentlichung einer Bekanntmachung nicht praktikabel. Es sollte daher ein flexibles Verfahren vorgesehen werden, das sowohl den Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsteilnehmern aufrechterhält als auch die Verpflichtung der Auftraggeber, mit den einzelnen Bewerbern alle Aspekte des Auftrags zu erörtern. Dieses Verfahren darf allerdings nicht in einer Weise angewandt werden, die den Wettbewerb insbesondere dadurch einschränkt oder verfälscht, dass grundlegende Elemente der Angebote geändert oder dem ausgewählten Bieter neue wesentliche Elemente vorgeschrieben werden oder andere Bieter als der mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot einbezogen werden.“

Um ein für den Auftraggeber möglichst formfreies Verfahren zur Verfügung zu stellen, werden – neben dem 1., 3. und 4. Teil – nur einzelne Regelungen des 2. Teiles für anwendbar erklärt. Durch die Regelung des § 131 Abs. 2 wird festgelegt, dass im Verfahren des wettbewerblichen Dialoges eine Zuschlagserteilung auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis nicht in Frage kommt. Zur Definition des wettbewerblichen Dialogs siehe § 23 Abs. 6 sowie die Erläuterungen dazu, zur Wahl des wettbewerblichen Dialogs (Anwendungsvoraussetzungen) siehe § 28 sowie die Erläuterungen dazu.

Die Regelung des § 132 Abs. 1 dient der Umsetzung des Art. 27 Abs. 2 der RL 2009/81/EG. Da dem Auftraggeber während der Dialogphase ein maximaler Spielraum eingeräumt werden soll, sind an die Formulierung der Bedürfnisse keine übertriebenen Anforderungen zu stellen. Da es dem Auftraggeber offen stehen soll, auf Änderungen in der Problemstellung, die sich auf Grund der Dialogphase ergeben, zu reagieren, ohne dafür eine Berichtigung vorzunehmen, ist es ausreichend, wenn die Bedürfnisse lediglich in allgemeiner Art und Weise formuliert werden.

Zu § 132 Abs. 2 ist Folgendes anzumerken: Nach dem Konzept der RL (vgl. dazu Art. 34) ist die nähere Beschreibung (erst) mit der Aufforderung zur Teilnahme am Dialog bekannt zu geben (und muss somit nicht bereits der Bekanntmachung beigefügt werden; in der Bekanntmachung wären diesfalls jene Informationen anzuführen, die allfällig interessierten Unternehmern die Beurteilung ermöglichen würde, ob dieses Verfahren für sie von Interesse sein könnte). Das führt dazu, dass dem Auftraggeber ein gewisser Spielraum eingeräumt wird, ob er bestimmte Aspekte, nämlich die nähere Erläuterung seiner Bedürfnisse bzw. die Zuschlagskriterien früher (in der Bekanntmachung) und somit allen oder erst später (in der Beschreibung) und somit nur den ausgewählten Bewerbern bekannt gibt. Weiters führt dies auch dazu, dass im zuletzt genannten Fall die Bewerber erst nach der Aufforderung zur Teilnahme ihre Lösungen ausarbeiten können, da eine solche Ausarbeitung ohne nähere Erläuterung der Bedürfnisse des Auftraggebers nicht möglich ist – siehe dazu Abs. 9 Z 6.

§ 132 Abs. 2 Z 6 sieht vor, dass die Festlegungen des Auftraggebers über die Zahlung von Prämien den potentiellen Interessenten möglichst frühzeitig zur Kenntnis gebracht werden sollten (vgl. auch Art. 27 Abs. 8 der RL 2009/81/EG), wobei hinzuweisen ist, dass Prämien nicht verpflichtend (arg. „ob“) gleichwohl aber sehr zu empfehlen (bzw. de facto sogar notwendig) sind. Der Auftraggeber hat hierbei zu bedenken, dass gerade bei diesem Verfahren den Teilnehmern hohe Kosten bereits im Vorbereitungsstadium erwachsen können. Prämien oder Ausgleichszahlungen könnten in diesem Zusammenhang gewährleisten, dass der Teilnehmerkreis nicht bereits von Beginn an so eingeschränkt ist, dass kein richtiger Wettbewerb gewährleistet ist (vgl. dazu auch Abs. 6). Dies wurde bereits in der bisherigen Praxis als Problem erkannt: Das Vorsehen von adäquaten Zahlungen erhöht zweifelsfrei die Attraktivität eines Verfahrens (insbesondere bei der Abwicklung eines PPP-Projektes im Wege eines wettbewerblichen Dialogs) und gewährleistet (in einem gewissen Rahmen) eine ausreichende Anzahl an Interessenten.

Die Regelungen des § 132 Abs. 3 bis 8 orientieren sich in ihrem Aufbau an § 87 und sind auch inhaltlich den Regelungen über zweistufige Verfahren nachgebildet. Auf die entsprechenden Erläuterungen zu § 87 wird verwiesen.

Zu den Bestimmungen über die Aufforderung zur Teilnahme am wettbewerblichen Dialog in § 132 Abs. 9 ist auf Art. 34 der RL 2009/81/EG hinzuweisen. Zwar ist in Art. 27 Abs. 4 der RL festgelegt, dass die Zuschlagskriterien in der Bekanntmachung oder in der Beschreibung anzugeben sind, Art. 34 Abs. 5 lit. e der RL bestimmt darüber hinaus, dass „die Gewichtung der Zuschlagskriterien oder gegebenenfalls die absteigende Reihenfolge der Bedeutung dieser Kriterien“ in der Aufforderung zur Teilnahme am Dialog enthalten sein müssen. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass die Zuschlagskriterien im Zuge der Aufforderung zur Angebotsabgabe noch präzisiert, angepasst oder ergänzt werden können (im Hinblick auf die Ergebnisse der Erörterungen, vgl. § 133 Abs. 1). Die Reihung oder Gewichtung der Zuschlagskriterien kann daher noch Veränderungen durch die Ergebnisse des Dialogs unterworfen sein. Aus § 132 Abs. 9 Z 6 ergibt sich, dass die Teilnehmer am Dialog vor Beginn der Dialogphase ihren Lösungsvorschlag vorzulegen haben. Da den Bewerbern die Beschreibung (und somit allenfalls die nähere Erläuterung der Bedürfnisse des Auftraggebers) erst mit der Aufforderung zur Teilnahme übermittelt wird, können sie in der Regel auch erst nach diesem Zeitpunkt ihre Lösung ausarbeiten und dem Auftraggeber vorlegen. Umgekehrt ist es aber auch notwendig, einen Endzeitpunkt für die Vorlage von (neuen) Lösungsvorschlägen zu normieren, da es ansonsten einem Bewerber, dessen Lösung nicht weiter berücksichtigt wird, möglich wäre, zu jedem Zeitpunkt mit einer neuen Lösung wieder an den Auftraggeber heranzutreten (die dieser wiederum prüfen müsste usw.) – es ist daher erforderlich, hier eine gewisse Schranke einzuziehen. Die Regelung steht auch in Zusammenhang mit der Bestimmung des § 133 Abs. 3, wonach der Auftraggeber mit jedem Teilnehmer grundsätzlich nur die von ihm vorgelegten Lösung (bzw. Lösungen) erörtern darf. Hinzuweisen ist weiters auch darauf, dass eine Lösung auf Grund der Ergebnisse des Dialogs abgeändert werden kann; allerdings darf eine Abänderung nicht so weit gehen, dass eine gänzlich andere Lösung vorgelegt wird.

Die Regelung des § 133 dient der Umsetzung von Art. 27 Abs. 3 bis 5 und des Art. 38 Abs. 5 der RL 2009/81/EG. Ziel der nicht weiter reglementierten Dialogphase ist es, die Lösung oder die Lösungen, die für den Auftraggeber am besten geeignet sind, zu ermitteln. Die nähere Gestaltung der Dialogphase obliegt allein dem Auftraggeber, zu beachten sind in dieser Phase des wettbewerblichen Dialoges allein die Bestimmungen des § 133 und die allgemeinen Grundsätze. In der Dialogphase besteht für den Auftraggeber die Möglichkeit, aufgrund der Erkenntnisse der Dialogphase, die Beschreibung seiner Bedürfnisse und Anforderungen anzupassen (insbesondere daher auch die Zuschlagskriterien). Allfällige Änderungen der Beschreibung sind allen (in der jeweiligen Phase des Dialoges noch verbliebenen) Teilnehmern am Dialog bekannt gegeben (zur Bekanntgabeverpflichtung vgl. GA Colomer SA vom 8.9.2005 in der Rs C-331/04, ATI EAC).

Die Vorschrift des Abs. 3 steht zum einen in Zusammenhang mit der Regelung des Abs. 4: Lösungsvorschläge von Teilnehmern dürfen nur mit deren Zustimmung weitergegeben und somit zum Gegenstand des Dialogs mit den jeweils anderen Teilnehmern gemacht werden. Zum anderen steht die Vorschrift aber auch in Zusammenhang mit § 132 Abs. 9 Z 6, wonach die Lösungsvorschläge bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegen müssen, um ein ständiges „Nachschieben“ völlig neuer Lösungsvorschläge zu unterbinden („vorgelegt“ im Sinne des § 133 Abs. 3 bedeutet somit: rechtzeitig vorgelegt). Schließlich ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass ein Bewerber, dessen einzige Lösung nicht weiter berücksichtigt wird, nicht weiter am Dialog teilnehmen kann.

Die Nichtberücksichtigung von Lösungen gemäß § 133 Abs. 5 erfolgt gemäß Art. 38 Abs. 5 der RL 2009/81/EG auf Grund der Zuschlagskriterien. Da Zuschlagskriterien keine Ausschlusskriterien sind, kann eine derartige Entscheidung des Auftraggebers nur auf einer Einschätzung dahingehend basieren, welche Lösung(en) zur Erfüllung seiner Bedürfnisse seiner Ansicht nach nicht am besten geeignet sind. Zu Abs. 5 ist auch auf § 3 Z 16 lit. a sublit. ee zu verweisen, wonach die Verständigung von der Nichtberücksichtigung einer Lösung eine gesondert anfechtbare Entscheidung ist. Aus Abs. 5 folgt, dass, falls der Auftraggeber einen Lösungsansatz in der Dialogphase ausscheidet (weil er etwa im Vergleich zu anderen Lösungsansätzen zu teuer ist), alle Unternehmer, die denselben Lösungsansatz angeboten haben, mit diesem nicht weiter am Dialog teilnehmen können. Zu § 133 Abs. 6 ist auf Folgendes hinzuweisen: Art. 27 Abs. 5 der RL 2004/18/EG sieht vor, dass der Auftraggeber den Dialog so lange fortsetzt, bis er die Lösung bzw. die Lösungen ermitteln kann, mit denen seine Bedürfnisse erfüllt werden können. Demgegenüber sieht Art. 27 Abs. 3 vor, dass es Ziel des Dialogs ist, die Mittel (Lösungen) zu ermitteln, mit denen die Bedürfnisse des Auftraggebers „am besten“ erfüllt werden können. Auch die in der Richtlinie explizit vorgesehene Möglichkeit, Lösungen anhand der Zuschlagskriterien zu eliminieren, kann – da es sich bei Zuschlagskriterien nicht um Ausschlusskriterien handelt, sondern um Kriterien, die schlechter oder besser erfüllt werden – nur dahingehend verstanden werden, dass der Auftraggeber während der Dialogphase auch Lösungen, die zwar prinzipiell geeignet sind, seine Bedürfnisse zu erfüllen (aber eben schlechter als andere Lösungen), ausscheiden kann. Daher soll im Zuge der Umsetzung klargestellt werden, dass der Dialog so lange fortgesetzt werden kann, bis die bestgeeigneten Lösungen oder die bestgeeignete Lösung ermittelt worden ist (sind).

Für die Zahl der letztlich zur Angebotsabgabe aufzufordernden Teilnehmer ergibt sich daraus Folgendes: Der Auftraggeber hat mindestens drei Bewerber zur Teilnahme aufzufordern. Er kann die Zahl der Lösungen während der Dialogphase reduzieren. Da auch in der Schlussphase ein echter Wettbewerb gewährleistet sein muss (so auch Art. 38 Abs. 5 letzter Satz der RL 2009/81/EG), sind grundsätzlich jedenfalls zwei Teilnehmer zur Angebotsabgabe aufzufordern. Etwas anderes gilt gemäß Art. 38 Abs. 5 der RL zum einen dann, wenn keine ausreichende Anzahl von Lösungen vorliegt. Daher ist die Einholung nur eines Angebotes jedenfalls dann zulässig, wenn ein Dialog nur mit einem Teilnehmer geführt wurde (etwa weil alle anderen Teilnehmer ein anderes Lösungskonzept vorlegten und dieses in der Dialogphase nicht mehr weiter berücksichtigt wurde). Zum anderen ist es auf Grund des Wortlautes des Art. 27 Abs. 5 („die Lösung bzw. die Lösungen“) auch möglich, die Zahl der zu erörternden Lösungen auf eine zu verringern, wenn zwar mehrere Lösungen prinzipiell geeignet sind, aber bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Dialogphase klar ist, dass nur eine Lösung als bestgeeignete Lösung in Frage kommt.

Der Auftraggeber hat den Abschluss der Dialogphase und die Grundzüge der ausgewählten Lösung oder Lösungen allen Teilnehmern am Dialog unverzüglich bekannt zu geben. Der Grund für die Bekanntgabe der ausgewählten Lösung oder der Lösungen an alle (daher auch an die in früheren Phasen des Dialoges bereits nicht weiter berücksichtigten) Teilnehmer des Dialoges liegt darin, dass diesen bekannt gegeben werden soll, welche Lösung(en) ausgewählt wurde. Falls nämlich der Auftraggeber nach Nichtberücksichtigung einer Lösung aufgrund des Dialoges sich in weiterer Folge doch der (zuvor noch) nicht berücksichtigten Lösung annähert, sollen die davon betroffenen Unternehmer die Möglichkeit haben, diese Entscheidung zu bekämpfen. Unternehmer deren Lösung in der Dialogphase nicht berücksichtigt wurde, haben daher theoretisch zwei Möglichkeiten gegen die Nichtberücksichtigung der von ihnen ausgearbeiteten Lösung vorzugehen. Der Abschluss der Dialogphase kann jedoch von den in der Dialogphase nicht weiter berücksichtigten Unternehmern denkmöglicher Weise nur mit der Begründung bekämpft werden, dass die nunmehr ausgewählte(n) Lösung(en) mit der vom Unternehmer ursprünglich vorgelegten, in der Dialogphase aber nicht weiter berücksichtigten Lösung übereinstimmen. Da die Auswahl der Lösung bzw. der Lösungen bereits mit der Bekanntgabe über den Abschluss der Dialogphase bekämpfbar ist, ist es ausreichend, wenn der Auftraggeber gemäß § 134 Abs. 1 die verbliebenen Teilnehmer zur Angebotslegung auffordert. Jeder Teilnehmer kann nur „auf der Grundlage“ der von ihm selbst vorgelegten Lösung (Lösungen) ein Angebot legen. Dies bedeutet jedoch keine Einschränkung: da die verbliebene(n) Lösung(en) offenbar dem Grunde nach geeignet sind, die Bedürfnisse des Auftraggebers am besten zu erfüllen (anderenfalls die Lösung bereits in der Dialogphase ausgeschieden worden wäre), bilden sie – jedenfalls zum Teil – die Grundlage jener endgültigen (gegebenenfalls vervollständigten oder angepassten) Beschreibung, die der Auftraggeber im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe übermittelt. Der (nicht ausgeschiedene) Lösungsansatz bildet daher (zumindest teilweise) die „Grundlage“ für das zu erstellende Angebot.

Um das Instrument des wettbewerblichen Dialogs handhabbar zu machen, ist es jedenfalls erforderlich, dass der Auftraggeber im Zuge der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Möglichkeit hat, die Beschreibung entsprechend den Ergebnissen der Erörterungen während der Dialogphase anzupassen. Diese Möglichkeit soll aber nicht unbegrenzt eingeräumt werden, daher sollen die Schranken für die Angebotsänderung nach Angebotsabgabe (keine Änderung grundlegender Elemente gemäß Art. 27 Abs. 6 zweiter UA der RL 2009/81/EG) auch für dieses Stadium vorgesehen werden. Eine zulässige Änderung wäre etwa die Präzisierung der Gewichtung der Zuschlagskriterien. Die Anpassung muss allerdings auf der Grundlage der Ergebnisse der Erörterungen erfolgen. Unzulässig wäre es demnach, im Zuge der Aufforderung zur Angebotsabgabe in die Beschreibung Aspekte aufzunehmen, die in der Dialogphase nicht erörtert worden sind, oder Abänderungen in Richtung einer Lösung vorzunehmen, die bereits ausgeschieden wurde. Eine Abänderung der Beschreibung ist dann als unzulässig anzusehen, wenn die abgeänderte Beschreibung dazu führen würde, dass einzelne Lösungen, die im Zuge der Dialogphase nicht weiter berücksichtigt worden sind, nunmehr als bestgeeignet anzusehen wären (vgl. dazu auch die Judikatur des EuGH zur „wesentlichen“ Änderung Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur, uam.).

Aus § 134 Abs. 1 letzter Satz ergibt sich, dass für die Beschreibung im Zuge der Aufforderung zur Angebotsabgabe hinsichtlich ihrer Detailliertheit höhere Anforderungen gelten als für die Beschreibung, die im Zuge der Aufforderung zur Teilnahme (§ 132 Abs. 9) zur Verfügung gestellt wird. Zur Klarstellung ist im Zusammenhang mit § 134 Abs. 3 festzuhalten, dass der wettbewerbliche Dialog ein Verfahren sui generis darstellt (vgl. dazu auch Erwägungsgrund 48 der RL 2009/81/EG „sollte deshalb ein flexibles Verfahren vorgesehen werden“). Daraus folgt, dass der wettbewerbliche Dialog – auch in der Phase der Angebotsabgabe und der Vergabe des Auftrages – nicht den Regeln über den Ablauf eines nicht offenen oder eines Verhandlungsverfahrens folgt. Die einzigen Grenzen hinsichtlich der allfälligen Änderung von Angeboten enthält Abs. 3 selbst, d.h. die Änderungen in dieser Phase des wettbewerblichen Dialoges dürfen nicht so weit gehen, dass dies zu einer Änderung der grundlegenden Elemente des Angebots oder der Beschreibung führen würde, sodass dadurch der Wettbewerb verfälscht oder eine Diskriminierung eintreten würde.

Zur Regelung des Abs. 4 ist auf § 107 Abs. 2 Z 1 hinzuweisen, wonach keine Verpflichtung zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung besteht, wenn der Zuschlag an den Unternehmer erteilt werden soll, der nach Durchführung der Dialogphase als einziger zur Angebotslegung aufgefordert worden ist. Zu Abs. 3 und 5 ist auf Erwägungsgrund 48 der RL 2009/81/EG zu verweisen, der dazu festhält: „Dieses Verfahren darf allerdings nicht in einer Weise angewandt werden, die den Wettbewerb insbesondere dadurch einschränkt oder verfälscht, dass grundlegende Elemente der Angebote geändert oder dem ausgewählten Bieter neue wesentliche Elemente vorgeschrieben werden oder andere Bieter als der mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot einbezogen werden.“

Zu den §§ 135 bis 137 (Rechtsschutz vor dem Bundesvergabeamt):

§ 135 ordnet die Anwendung des 4. Teiles des BVergG 2006 (Rechtsschutzregelungen) auch für Vergaben im Anwendungsbereich des BVergGVS an. Dadurch wird die Kognitionsbefugnis des Bundesvergabeamtes (BVA) auf Vergabeverfahren im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich ausgedehnt (korrekter wäre es jedoch, von „wieder hergestellt“ zu reden: da der Verteidigungs- und Sicherheitsbereich ehedem unter das BVergG 2006 fiel, findet – technisch gesehen – keine Ausdehnung der Zuständigkeiten statt, sondern der status quo ante vor Erlassung des BVergGVS wird wieder hergestellt). Zu den Regelungen des Rechtsschutzbereiches vgl. daher die §§ 291ff BVergG 2006 und die dazu gehörigen Erläuterungen, insbesondere in 1171 BlgNR XXII. GP, 127 BlgNR XXIII. GP und 327 BlgNR XXIV. GP.

§ 135 ordnet ferner an, dass Verweisungen im 4. Teil des BVergG 2006 als Verweisungen auf „dieses Bundesgesetz“ bzw. die „entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes“ (d.h. das BVergGVS) gelten. Damit erfasst diese Anordnung zwei Typen von Verweisungen: Einerseits wird im 4. Teil des BVergG generell auf dieses verwiesen (vgl. z.B. § 312 Abs. 3 Z 1 „… ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz …“), diese Verweise sind wie folgt zu verstehen: „… ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz [i.e. das BVergGVS] ….“. Andererseits enthält der 4. Teil des BVergG 2006 vielfältige konkrete Verweise auf Regelungen des 2. und 3. Teil des Gesetzes (vgl. etwa § 312 Abs. 3 Z 4 „… ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß den §§ 131 bzw. 272 erteilt wurde“); in diesem Fall gilt die Verweisung als Verweisung auf die entsprechende Parallelregelung des BVergGVS (im oben erwähnten Fall wäre dies § 107). In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass einige dieser Verweise im 4. Teil des BVergG 2006 „ins Leere gehen“, da keine entsprechenden Parallelbestimmungen im BVergGVS existieren (vgl. z.B. § 312 Abs. 3 Z 5 in dem auf die Regelung des § 158 Abs. 2 bis 5 iZm dem dynamischen Beschaffungssystem verwiesen wird; im Bereich des BVergGVS existieren keine Regelungen betreffend das dynamische Beschaffungssystem, da dieses im Anwendungsbereich des Gesetzes unzulässig ist).

§ 136 enthält zusätzliche organisationsrechtliche Vorschriften, die neben den Vorschriften des BVergG 2006 für Nachprüfungsverfahren im Anwendungsbereich des BVergGVS gelten. Abs. 1 bestimmt, dass die Mitglieder des BVA die entsprechende Klassifikationsstufe haben müssen, die jene Information erfordern, die im Zusammenhang mit einem Nachprüfungsverfahren gegebenenfalls involviert sind. Aus § 136 Abs. 1 iZm § 313 BVergG 2006 folgt, dass dem Bundesvergabeamt – wenn es dies fordert – jedenfalls und uneingeschränkt alle entscheidungsrelevanten (und somit auch klassifizierten) Unterlagen auszufolgen bzw. zur Verfügung zu stellen sind. Eine Berufung auf eine Sicherheits- oder Klassifikationsstufe die der Übermittlung der Information zum Schutz von Geheimnissen entgegensteht, kommt daher nicht in Betracht. Das Bundesvergabeamt hat selbst in entsprechender Weise für den Schutz vertraulicher bzw. klassifizierter Informationen zu sorgen. Dies wird – gegenüber den anderen Verfahrensparteien - insbesondere durch die Gewährung einer bloß eingeschränkten Akteneinsicht gemäß § 17 AVG zu erfolgen haben (vgl. dazu auch Rs C-450/06, Varec).

Nach Abs. 2 sind in der Geschäftsordnung des BVA Bestimmungen über den Umgang mit und den Schutz von klassifizierten Dokumenten und Informationen zu treffen. Die Vorgaben des InfoSiG, der InfoSiV und der GehSVO erfordern besondere Verwahrungsvorschriften für klassifizierte Dokumente und Akte – unabhängig davon, ob es sich um Papier bzw. Elektronische Akten handelt. Unter klassifizierte Dokumente fallen beispielsweise Verhandlungsprotokolle, Bescheide etc. Darüber hinaus sind unter anderem besondere abhörsichere Räumlichkeiten für Verhandlungen vorzusehen (vgl. dazu näher § 6 des InfoSiG). Es ist nicht erforderlich, dass das BVA selbst bauliche Vorsorge für besonders abgesicherte Verhandlungsorte oder Archivräumlichkeiten zu treffen hat. Es besteht auch die Möglichkeit, dass das BVA auf bereits bestehende, den Anforderungen entsprechende Räumlichkeiten zugreifen kann und durch entsprechende Maßnahmen (Vereinbarungen) sich den „Zugriff“ auf diese Räumlichkeiten sichert.

Das Ziel des § 136 Abs. 3 kann z.B. durch zusammenfassende oder gekürzte Wiedergabe des Bescheides bzw. von Bescheidpassagen, die keinen Rückschluss auf die geheimhaltungsbedürftigen Informationen erlauben, erreicht werden.

Gemäß Abs. 4 muss das Bundesvergabeamt dafür sorgen, dass für die Behandlung von Rechtsschutzverfahren gemäß BVergGVS eine entsprechende Anzahl an Mitgliedern (vgl. zu diesem Begriff § 292 Abs. 1 BVergG 2006) zur Verfügung steht, die die vorgeschriebene Sicherheitsstufe für den Umgang mit klassifizierten Informationen aufweist. Diesem gesetzlichen Auftrag kann das Bundesvergabeamt in unterschiedlicher Weise nachkommen. Als „entsprechende Anzahl“ gilt, solange die Zahl der Verfahren in diesem Bereich das derzeit übliche Ausmaß an Verfahren pro Senatsvorsitzenden nicht signifikant übersteigt, zumindest ein erkennender Senat plus einer adäquaten Anzahl von Vertretern für die Mitglieder dieses Senates. Hinsichtlich der erforderlichen Sicherheitsstufe bestehen ebenfalls Optionen: einerseits könnte eine entsprechende Anzahl an Mitgliedern die Freigabe für die höchste Sicherheitsstufe aufweisen (die demzufolge alle Verfahren mit klassifizierten Informationen behandeln könnten), es könnten aber auch Senate mit unterschiedlichen Sicherheitsstufen gebildet werden (in diesem Fall wäre die „entsprechende Anzahl“ der Senate demgemäß größer). Falls die erforderliche Anzahl an solcherart qualifizierten Mitgliedern des Bundesvergabeamtes nicht zur Verfügung steht, sieht das Gesetz eine Sicherheitsüberprüfung bzw. Verlässlichkeitsprüfung der für Kontrollverfahren gemäß dem BVergGVS zuständigen Senatsmitglieder (plus der erforderlichen Anzahl an Vertretern) vor, wobei die nach SPG bzw. MBG erforderlichen Zustimmungen zur Sicherheitsüberprüfung bzw. Verlässlichkeitsprüfung durch das Gesetz substituiert werden.

Nach Abs. 5 ist bei der zukünftigen Bestellung von Mitgliedern darauf zu achten, dass die erforderliche Anzahl an bereits überprüften Personen für das Bundesvergabeamt zur Verfügung steht. Daher kann die (positiv durchgeführte) Sicherheitsüberprüfung bzw. Verlässlichkeitsprüfung als Bestellungsvoraussetzung vorgesehen werden.

Abs. 6 bildet die Grundlage, dass das Bundesvergabeamt Infrastruktureinrichtungen des Bundes (insbesondere daher von anderen Zentralstellen wie dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport sowie dem Bundesministerium für Inneres) nutzen kann. Als Infrastruktureinrichtungen gelten insbesondere Aktenlager und Räumlichkeiten für Verhandlungen, die die für die Behandlung von klassifizierten Informationen erforderlichen Sicherheitseinrichtungen aufweisen. Da die Errichtung bzw. Adaptierung derartiger Infrastruktureinrichtungen kostspielig ist, sollen bereits bestehende Einrichtungen für das BVA nutzbar gemacht werden. Eine Dienststelle kann ein Ersuchen des Bundesvergabeamtes jedoch ablehnen, falls dieses Ersuchen zu unzumutbaren Belastungen (signifikanten Mehrkosten, erhebliche organisatorische Probleme usw.) für die ersuchte Dienststelle führen würde (z.B. es stünde aufgrund des betroffenen Aktenvolumens zu wenig Lagerraum für die ersuchte Dienststelle zur Verfügung, Blockade der Räumlichkeiten für Verhandlungen über einen sehr langen Zeitraum und entsprechender Bedarf an diesen Räumlichkeiten seitens der ersuchten Behörde). Der „erforderliche Umfang der Nutzung“ ergibt sich aus dem Nutzungsbedarf, der durch das entsprechende Verfahren entsteht.

§ 137 trifft zusätzliche verfahrensrechtliche Regelungen, die bei Verfahren im Anwendungsbereich des BVergGVS zu beachten sind. Abs. 1 bis 4 trifft in Anlehnung an die Regelung des § 67e AVG eine Regelung über den Ausschluss der Öffentlichkeit, von Beteiligten, Parteien und deren Vertreter. § 137 Abs. 1 erfordert eine Differenzierung im Einzelfall (arg. „soweit“ in Satz 1 und „insoweit“ in Satz 2). ist je nach Situation zu differenzieren: so ist unter Umständen ein Totalausschluss der Öffentlichkeit nicht notwendig, gegebenenfalls kann auch ein teilweiser (= zeitweiliger) Ausschluss genügen. § 137 Abs. 1 ist grundsätzlich eng auszulegen. Es ist jedoch jedenfalls zu vermeiden, dass durch eine bloße Antragstellung (etwa auf Nachprüfung oder auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung) der Zugang zu klassifizierter Information ermöglicht werden könnte. Dies könnte insbesondere in Verfahren über den Anwendungsbereich des BVergGVS eine Rolle spielen: geht der Auftraggeber davon aus, dass ein Vergabeverfahren gemäß Art. 346 AEUV keinem Vergaberegime unterliegt, dann können bei der Beurteilung der Frage, ob Art. 346 AEUV korrekt in Anspruch genommen wurde, hochsensible Informationen eine Rolle spielen. In solcherart gelagerten Fällen dürfen nur Personen an Verhandlungen (bzw. an Abschnitten derselben) teilnehmen, die eine entsprechende Sicherheitsstufe aufweisen.

Um einen reibungslosen Ablauf der Verfahren vor dem BVA zu gewährleisten, haben gemäß Abs. 5 Anträge (Nachprüfungsanträge, Feststellungsanträge und Anträge auf Erlassung einer EV) Angaben darüber zu enthalten, welche Vertreter des Antragstellers die konkret erforderliche Geheimhaltungsstufe aufweisen. Abs. 6 trifft eine dazu parallele Verpflichtung für den Auftraggeber, unverzüglich Vertreter bekannt zu geben, die die erforderliche Geheimhaltungsstufe aufweisen.

Nach Abs. 7 gilt für die Erlassung einer EV im Anwendungsbereich des BVergGVS eine verlängerte Frist.

Abs. 9 enthält eine Parallelregelung zu §318 Abs. 2 BVergG 2006 betreffend die Gebührenbefreiung.

Zu § 138 (Korrekturmechanismus und Verfahren der Republik Österreich mit der Kommission):

Die Regelung dient unter anderem zur Umsetzung des in Art. 63 der RL 2009/81/EG vorgesehenen Korrekturmechanismus und stellt eine spezifische Ausformulierung des Grundsatzes des Art. 4 Abs. 3 AEUV („Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit“) dar. Gemäß diesen Bestimmungen trifft die Mitgliedstaaten eine Verpflichtung zur Mitwirkungspflicht und die Pflicht, den Organen der Union die Erfüllung der diesen obliegenden Aufgaben zu erleichtern.

Aus der Formulierung des Abs. 1 „in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens im Zusammenhang mit diesem Bundesgesetz“ folgt, dass durch § 138 die innerstaatliche Vorgangsweise in allen Verfahren geregelt wird, in denen die Kommission die Republik zur Stellungnahme in Angelegenheiten des Auftragswesens (vgl. dazu Art. 14b B-VG) auffordert (zur Ausnahme vgl. § 35): dies betrifft daher insbesondere Verfahren (insbesondere Beschwerde- und Auskunftsersuchen der Kommission) im Vorfeld von Vertragsverletzungsverfahren, Verfahren iZm dem Korrekturmechanismus der RL und Verfahren nach den Art. 258, 260 und 348 AEUV. Verfahren nach Art. 348 AEUV könnte insbesondere Vergabeverfahren betreffen, die nach Auffassung der Republik Österreich (aber nicht nach Auffassung der Kommission) unter die Ausnahmeregelung des Art. 346 AEUV fallen.

Abs. 2 enthält die bei den oben genannten Verfahren einzuhaltende Vorgangsweise.

Abs. 3 beinhaltet die Verpflichtung der Auftraggeber, der vergebenden Stellen und allfällig betroffener Unternehmer entsprechende Unterlagen für die Erstellung der Stellungnahme der Republik zur Verfügung zu stellen. Betroffene Unternehmer sind auch jene Unternehmer, deren Verhalten im Zusammenhang mit einem in Abs. 1 genannten Verfahren stehen kann (wer dies sein kann, ergibt sich etwa aus dem Schreiben der Kommission). Die gemäß Z 1 vorzulegenden Unterlagen sind daher auch in einem sehr weiten Sinn zu verstehen.

Zu § 139 (Schadenersatzansprüche):

Der EuGH hat in der Rs C-314/09, Strabag, festgehalten, dass die Richtlinie 89/665/EWG (und folglich auch die Parallelregelungen der RL 92/13/EWG und 2009/81/EG) dahin auszulegen ist, „dass sie einer nationalen Regelung, die den Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes eines öffentlichen Auftraggebers gegen Vergaberecht von der Schuldhaftigkeit des Verstoßes abhängig macht, auch dann entgegensteht, wenn bei der Anwendung dieser Regelung ein Verschulden des öffentlichen Auftraggebers vermutet wird und er sich nicht auf das Fehlen individueller Fähigkeiten und damit auf mangelnde subjektive Vorwerfbarkeit des behaupteten Verstoßes berufen kann.“ Vor diesem Hintergrund wird als Voraussetzung für die Zuerkennung von Schadenersatz ein „hinreichend qualifizierter“ Verstoß gegen das BVergGVS oder die auf der Grundlage des BVergGVS erlassenen Verordnungen statuiert. Zum Verständnis des Begriffes „hinreichend qualifiziert“ wird auf die Judikatur des EuGH zur Staatshaftung (vgl. u.a. Rs C-46/93 und C-48/93, Brasserie du Pécheur) verwiesen: „[…] besteht […] das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht als hinreichend qualifiziert anzusehen ist, darin, dass ein Mitgliedstaat oder ein Gemeinschaftsorgan die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat. Insoweit gehören zu den Gesichtspunkten, die das zuständige Gericht gegebenenfalls zu berücksichtigen hat, das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des Ermessensspielraums, den die verletzte Vorschrift den nationalen oder Gemeinschaftsbehörden belässt, die Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder nicht vorsätzlich begangen oder der Schaden vorsätzlich oder nicht vorsätzlich zugefügt wurde, die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums und der Umstand, dass die Verhaltensweisen eines Gemeinschaftsorgans möglicherweise dazu beigetragen haben, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise unterlassen, eingeführt oder aufrechterhalten wurden. Jedenfalls ist ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht offenkundig qualifiziert, wenn er trotz des Erlasses eines Urteils, in dem der zur Last gelegte Verstoß festgestellt wird, oder eines Urteils im Vorabentscheidungsverfahren oder aber einer gefestigten einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des fraglichen Verhaltens ergibt, fortbestanden hat.“ (Rz 55 bis 57 des Urteils in der Rs C-46/93 und C-48/93).

Der EuGH hielt jedoch auch fest, dass die (bisherige) Rechtsprechung des Gerichtshofs für Rechtsbehelfe im Bereich des öffentlichen Auftragswesens keine genaueren Kriterien benannt hat, auf deren Grundlage der Schaden festzustellen und zu bemessen ist (so EuGH in der Rs C-568/08, Combinatie Spijker). In Ermangelung einschlägiger Unionsvorschriften ist es daher Sache jedes Mitgliedstaates, unter Beachtung des Äquivalenz‑ und des Effektivitätsgrundsatzes in seiner internen Rechtsordnung die Kriterien zu bestimmen, auf deren Grundlage der Schaden aufgrund eines Verstoßes gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens festzustellen und zu bemessen ist. Ein Schadenersatzanspruch besteht sohin dann, wenn die vergaberechtliche Bestimmung, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an Bewerber oder Bieter bezweckt, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so bemisst sich die Art bzw. Höhe des Schadenersatzes nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln des österreichischen Rechts.

Vor diesem Hintergrund werden die schadenersatzrechtlichen Regelungen wie folgt gefasst:; aus Gründen der besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit werden die Regelungen betreffend den Beteiligungskostenersatz von den Regelungen betreffend den Ersatz des Erfüllungsinteresses getrennt. Abs. 1 und 2 betreffen ersteren und Abs. 3 und 4 letzteren.

Somit haben übergangene Bewerber und Bieter grundsätzlich Anspruch auf den Ersatz der Beteiligungskosten. Dieser Anspruch besteht jedoch nicht, wenn die Vergabekontrollbehörde festgestellt hat, dass sie bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätten (vgl. dazu Abs. 1 und 2 und ferner auch den Wortlaut von Art. 1 Abs. 7 der RL 92/13/EWG). Alternativ dazu hat der Bieter, auf dessen Angebot der Zuschlag hätte erteilt werden müssen (d.h. der Best- bzw. Billigstbieter) Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses (vgl. Abs. 3). Voraussetzung für die Geltendmachung bei den ordentlichen Gerichten ist auch hier, dass das Bundesvergabeamt oder die jeweils zuständige Vergabekontrollbehörde nicht festgestellt hat, dass der Bieter auch bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte. Eine echte Chance auf Zuschlagserteilung ist jedoch für die Zuerkennung des Erfüllungsinteresses nicht ausreichend, vielmehr muss der Geschädigte im weiteren Verfahren vor den ordentlichen Gerichten nachweisen, dass er tatsächlich den Zuschlag hätte erhalten müssen (vgl. dazu etwa auch OGH 24.1.2006, 10 Ob 9/05d mwN der Judikatur). Die Feststellung durch die Vergabekontrollbehörde dient daher im Falle des Abs. 4 lediglich dazu, jene Bieter, die keinesfalls Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses haben können (etwa weil sie ganz weit hinten gereiht waren), bereits im Feststellungsverfahren vom Schadenersatzanspruch auszuschließen, um damit von vornherein zwecklose, kostenintensive Schadenersatzprozesse vor den ordentlichen Gerichten zu vermeiden.

Schadenersatz steht im Übrigen nicht zu, wenn der Geschädigte den Schaden durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung sowie durch Stellen eines Nachprüfungsantrages hätte abwenden können.

Im Zusammenhang mit Abs. 1 bis 4 ist auf § 142 (Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Verfahren über Schadenersatzansprüche) und die Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anrufung der ordentlichen Gerichte zur Erlangung von Schadenersatz gemäß § 142 Abs. 2 hinzuweisen (siehe allerdings auch § 142 Abs. 3). Außerdem ist klarzustellen, dass weitergehende (d.h. über die Ansprüche des Abs. 1 hinausgehende oder alternativ zustehende) Ansprüche gemäß den allgemeinen Bestimmungen des Zivilrechts von der Regelung des Abs. 1 unberührt bleiben und vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden können (vgl. dazu auch OGH 7 Ob 200/00p).

In Abs. 5 wird klargestellt, dass die darin angeordnete Solidarhaftung mit dem Organ des Auftraggebers nur insoweit besteht, als das Organ dem Auftraggeber nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz haftet; die darin vorgesehene Haftungsmilderung für Dienstnehmer des Auftraggebers bleibt somit unberührt.

Zu § 140 (Rücktrittsrecht des Auftraggebers):

Die Regelung enthält ein besonderes Rücktrittsrecht des Auftraggebers und geht auf ein Gutachten der Kommission zur Erstattung von Vorschlägen für den verstärkten Schutz vor Missbräuchen bei der Vergabe und Durchführung öffentlicher Aufträge zurück.

Zu § 141 (sonstige Rechtsvorschriften):

Soweit die §§ 139 und 140 keine besonderen Vorschriften enthalten, gelten die allgemeinen Vorschriften des Zivilrechtes.

Zu § 142 (Zuständigkeit und Verfahren):

Wie bereits seit Erlassung des BVergG 1993 werden, einer Anregung des Bundesministeriums für Justiz folgend, Schadenersatzklagen in Vergabesachen bei den Gerichtshöfen erster Instanz konzentriert, wobei Abs. 1 besondere Regelungen über die örtliche Zuständigkeit enthält.

In Abs. 2 ist vorgesehen, dass eine Schadenersatzklage nur dann zulässig ist, wenn eine Feststellung der jeweils zuständigen Vergabekontrollbehörde erfolgt ist, dass ein Verstoß gegen das Vergaberecht erfolgt ist. Die möglichen Feststellungen der Vergabekontrollbehörden werden aus Gründen der leichteren Lesbarkeit ziffernmäßig aufgegliedert. Die zwingende Durchführung eines Feststellungsverfahrens vor der Vergabekontrollbehörde als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Schadenersatzklage soll einer übermäßigen Arbeitsbelastung der Gerichte vorbeugen.

Verletzungen des Vergaberechts verpflichten nicht nur zum Schadenersatz, sondern können auch einen Verstoß gegen § 1 UWG 1984 begründen (Vorsprung durch Rechtsbruch; vgl. etwa 4 Ob 260/04w; 4 Ob 86/05h). Die Zivilgerichte haben in diesen Fällen als Vorfrage zu prüfen, ob gegen Vergaberecht verstoßen wurde. Das begründet die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, da Unterlassungsansprüche nach § 1 UWG 1984 oft parallel zu den vor den Vergabekontrollbehörden ergriffenen Rechtsbehelfen geltend gemacht wurden. Im Interesse der Rechtssicherheit wird daher das System des Abs. 2 auch auf Unterlassungsklagen wegen unlauteren Wettbewerbs erstreckt. Eine Klage auf Unterlassung vergaberechtswidrigen und zugleich auch wettbewerbswidrigen Verhaltens ist daher nur zulässig, wenn die jeweils zuständige Vergabekontrollbehörde zuvor einen Verstoß gegen das BVergGVS festgestellt hat.

Durch § 142 Abs. 3 wird für eine Konstellation eine Ausnahme von dem erwähnten Grundsatz des Abs. 2 normiert. Wenn der Auftraggeber die Ausschreibung widerrufen hat, der Widerruf gemäß den Vorgaben des BVergGVS zwar rechtmäßig, aber durch den Auftraggeber zu vertreten ist (zB: der Auftraggeber hat ein rechtswidriges Zuschlagskriterium festgelegt, die Ausschreibung wurde erfolgreich bekämpft und der Auftraggeber muss daher widerrufen), dann soll es zulässig sein, eine Schadenersatzklage zu erheben, ohne zuvor eine entsprechende Feststellung durch die Vergabekontrollbehörde zu beantragen. Grund für diese Ausnahmebestimmung ist, dass die Vergabekontrollbehörden nur über Verstöße gegen das BVergGVS sowie die dazu ergangenen Verordnungen absprechen, nicht aber darüber, ob ein Verhalten des Auftraggebers – wenn auch vergaberechtlich gesehen rechtmäßig – so doch aus anderen Gründen eine hinreichend qualifizierte Verletzung darstellte (z.B. grober Fahrlässigkeit bei der budgetären Bedeckung). Diese Entscheidung obliegt somit den ordentlichen Gerichten.

Abs. 4 ist der Regelung des § 11 des Amtshaftungsgesetzes nachgebildet.

Zu § 143 (Wirkung eines aufhebenden Erkenntnisses auf den abgeschlossenen Vertrag):

Die Bestimmung stellt klar, dass die Aufhebung eines Bescheides einer Vergabekontrollbehörde durch den VfGH oder den VwGH keine Auswirkungen auf einen bereits abgeschlossenen Vertrag. § 143 durchbricht insoweit das System des § 334 BVergG 2006. Die Rechtfertigung dafür liegt darin, dass es sich einerseits um eingegrenzte Sonderfälle handelt und andererseits die Entscheidungen der erwähnten Höchstgerichte im Regelfall lange nach Ablauf der in § 332 (vgl. dazu auch Art. 62 der RL 2009/81/EG vorgesehenen absoluten Höchstfrist von 6 Monaten nach Widerruf oder Zuschlag ergehen und eine Nichtigerklärung in diesen Fällen unverhältnismäßige Folgen haben könnte. Dem betroffenen Bieter steht in diesen Fällen somit „nur“ ein Anspruch auf Schadenersatz zu.

Zu § 144 (Strafbestimmungen):

Die Regelung entspricht § 344 BVergG 2006 wobei die Höhe der maximal zu verhängenden Geldstrafe aufgrund der Sensibilität der betroffenen Vergabeverfahren und im Hinblick auf die mit Vertragsverletzungsverfahren möglicherweise verbundenen schwerwiegenden finanziellen Implikationen für die Republik Österreich (vgl. dazu insbesondere Art. 260 AEUV und das diesbezügliche Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst GZ BKA-670.746/0019-V/7/2010) mit 50 000 Euro festgesetzt wird.

Wie die bisherige Praxis gezeigt hat, kommt der Einhaltung der Statistikverpflichtungen, der Mitteilungs- und Berichtspflichten sowie der Einhaltung der Auskunftspflichten im Vergabekontrollverfahren und in Vertragsverletzungsverfahren besonders große Bedeutung zu. So werden etwa im Rahmen eines nationalen Kontrollverfahrens Auskünfte und Vorlagen von Unterlagen benötigt. Von solchen Anordnungen sind oft „Private“ betroffen, deren Organe nicht gemäß Art. 20 B-VG weisungsgebunden sind (zB private Produzenten u.a.). Oft sind bestimmte Auskünfte, etwa über den aktuellen Stand des Vergabeverfahrens, nur von diesen direkt zu erfahren und nicht von dem dahinter stehenden Auftraggeber. Wegen der relativ kurzen Entscheidungsfristen der Vergabekontrollbehörden kann daher die Möglichkeit, Auskünfte erst nach Intervention beim letztverantwortlichen Auftraggeber zu erhalten, zu unzumutbaren Verzögerungen führen. Gleiches gilt für die Vorlage von Unterlagen oder die Erteilung von Auskünften im Rahmen eines Auskunftsersuchens oder eines Beschwerde- oder Vertragsverletzungsverfahrens, das die Kommission gegen die Republik Österreich eingeleitet hat. Aus diesem Grund soll eine Strafbestimmung sowohl für den Bereich des Korrekturmechanismus als auch für den nationalen Rechtsschutzbereich sowie zur Absicherung der Statistikverpflichtungen vorgesehen werden.

Zu § 145 (Inkrafttreten):

§ 145 Abs. 1 beinhaltet die Inkrafttretensbestimmung.

Abs. 2 enthält eine Übergangsbestimmung betreffend das Regime der zentralen elektronischen Publikationsmedien. Bis zum Inkrafttreten der Verpflichtung, jeweils ein (einziges) elektronisches Publikationsmedium für den jeweiligen Vollziehungsbereich festzulegen, reicht die Festlegung eines Mediums (sohin auch eines Printmediums) aus. Dieser Verpflichtung wird bereits derzeit nachgekommen (vgl. dazu die diversen Publikationsmedienverordnungen des Bundes und der Länder).

Abs. 3 enthält die Übergangsbestimmungen betreffend bereits eingeleitete bzw. anhängige Verfahren. Auch aus diesen Bestimmungen lässt sich das Verhältnis des BVergGVS zum BVergG 2006 erschließen. Wie auch die Richtlinie 2009/81/EG (vgl. dazu den Vorschlag zur RL, KOM(2007) 766, S. 2 und 4) geht das BVergGVS davon aus, dass die seinem Anwendungsbereich unterliegenden Vergabeverfahren bisher unter die Bestimmungen des BVergG 2006 (bzw. der RL 2004/18/EG) fielen. Aus diesem Grund sind auch Übergangsbestimmungen betreffend „Altverfahren“ bzw. bereits eingeleitete bzw. beim BVA anhängige Verfahren erforderlich.

Zu den §§ 148 bis 150 (Vollziehung, Verweisungen, Bezugnahme auf Rechtsakte der Europäischen Union):

§ 148 enthält die Vollziehungsklausel und diverse Ermächtigungen zu Änderungen der Anhänge des Gesetzes.

§ 150 enthält die  geforderte Bezugnahme auf die durch das BVergGVS umgesetzten bzw. berücksichtigten Rechtsakte der Europäischen Union (insbesondere daher den gemäß Art. 72 Abs. 1 2. UA der RL geforderten Verweis auf die RL 2009/81/EG).

Zu Anhang V:

Die im Anhang angeführten Register und Bescheinigungen dienen lediglich der Information. Ihre Nennung hat keine konstitutive Wirkung und präjudiziert daher nicht die Frage der unionsrechtlichen Vereinbarkeit dieser Register/Bescheinigungen mit den Grundfreiheiten des AEUV.

 

Zu Artikel 2:

Zu Z 1 bis 7 (Inhaltsverzeichnis):

Diese redaktionellen Anpassungen sind auf Grund der neuen §§ 41a und 201a und des neuen Abs. 2 in § 177, auf Grund der Anpassung der Terminologie an den Vertrag von Lissabon sowie auf Grund der Neufassung der §§ 337 und 338 erforderlich.

Zu Z 8 (§ 2 Z 10):

Die Definition der Ausschreibung wird um die Information über die zu vergebende Leistung sowie über den weiteren Verfahrensablauf bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb ergänzt. Damit ist gewährleistet, dass ein Unternehmer auch bei einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb gemäß § 331 Abs. 1 Z 1 die Feststellung beantragen kann, dass der Zuschlag rechtswidriger Weise nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde.

Zur Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb siehe ferner die Erläuterungen zu den Z 9, 25, 29, 64 und 66.

Zu Z 9 (§ 2 Z 16 lit. a sublit. oo):

Die neue sublit. oo normiert als gesondert anfechtbare Entscheidungen bei einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb die Wahl des Vergabeverfahrens und die Bekanntmachung (letztere betrifft die in den §§ 41a Abs. 3 bzw. 201a Abs. 4 angeführten Bekanntmachungselemente). Neben der Wahl des Vergabeverfahrens (die auch bei der „klassischen“ Direktvergabe gesondert anfechtbar ist) sind daher nur die Festlegungen über den Leistungsgegenstand, den Erfüllungsort und die Leistungsfrist wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze gemäß § 19 Abs. 1 anfechtbar (eine Anfechtung der Bezeichnung des Auftraggebers, der Bezeichnung des Verfahrens bzw. des Hinweises, wo nähere Informationen über das weitere Verfahren verfügbar sind kommt nicht in Betracht).

Nach der Bekanntmachung ist keine gesondert anfechtbare Entscheidung mehr vorgesehen (so gibt es bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb insbesondere auch keine Zuschlagsentscheidung, die angefochten werden könnte). Verstößt der Auftraggeber im weiteren Verfahren etwa gegen die vom ihm festgelegten objektiven, nicht diskriminierenden und mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängenden Kriterien gemäß § 41a Abs. 4 bzw. § 201a Abs. 5, kann ein Unternehmer nach Zuschlagserteilung gemäß § 331 Abs. 1 Z 1 die Feststellung beantragen, dass der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigen Angebot erteilt wurde.

Zur Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb siehe ferner die Erläuterungen zu den Z 8, 25, 29, 64 und 66.

Zu Z 10 (§ 2 Z 19, Anhang IX A. Z 19 und 22, B. Z 17 und 20 und C. Z 16, 18 und 21, Anhang XI A. I. Z 4, Anhang XII I. in der Überschrift und Z 4 lit. b, Anhang XIII Z 15, Anhang XIV Z 11 und Anhang XVI Z 1 lit. a bis c), 15 (§ 10 Z 4 bis 6), 22 (§§ 19 Abs. 1 erster Satz, 145 Abs. 1 erster Satz, 178 Abs. 1 zweiter Satz und 187 Abs. 1 erster Satz), 32 (Abschnittsüberschrift vor § 44), 34 (Überschriften zu den §§ 49, 50, 210 und 211), 43 (§§ 77 Abs. 2 erster Satz, 234 Abs. 2 zweiter Satz, 312 Abs. 2 Einleitungssatz, 312 Abs. 3 Z 1 und Abs. 4 Z 1, 331 Abs. 1 Z 1, 2, 3, und 5, 336 Abs. 1 und 341 Abs. 2 Z 1, 2, 3 und 5), 44 (§ 80 Abs. 4 zweiter Satz, Abs. 5 zweiter Satz und Abs. 6 dritter Satz, § 237 Abs. 4 zweiter Satz, Abs. 5 zweiter Satz und Abs. 6 dritter Satz, Überschrift zu § 351, § 351 Einleitungssatz, § 80 Abs. 4 dritter Satz, Abs. 5 dritter Satz und Abs. 6 vierter Satz, § 237 Abs. 4 dritter Satz, Abs. 5 dritter Satz und Abs. 6 vierter Satz), 46 (§§ 98 Abs. 2 und 247 Abs. 4), 57 (§ 175 Z 3 bis 5), 60 (§§ 179 Abs. 2 Z 1 und 334 Abs. 3), 67 (Abschnittsüberschrift vor § 205), 75 (§ 270 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 dritter Satz), 79 (§ 293 Abs. 1 erster Satz), 92 (§ 336 Abs. 3 Einleitungssatz), 100 (§ 349 Abs. 2 erster Satz) und 104 (Anhang XII II. Z 16 und Anhang XVIII in der Überschrift):

Die Bezeichnungen des BVergG werden an die neue Terminologie nach dem Vertrag von Lissabon (insbesondere Europäische Union bzw. Unionsrecht) angepasst.

Zu Z 11 (§ 2 Z 40 erster Satz):

Mit dieser Änderung wird die Umbenennung des Handelsgesetzbuches in Unternehmensgesetzbuch nachvollzogen.

Zu Z 12 (§ 2 Z 48 Einleitung), Z 16 (§ 10 Z 19 und 20) und Z 58 (§ 175 Z 23 und 24):

Die Einleitung zu § 2 Z 48 wird dahingehend ergänzt, dass nunmehr auch ausländische zentrale Beschaffungsstellen (d.h. öffentliche Auftraggeber, die diese zentrale Beschaffungsfunktion für andere Auftraggeber ausüben) in die Definition miteinbezogen werden.

Parallel dazu werden die Ausnahmetatbestände des § 10 bzw. des § 175 entsprechend ergänzt, sodass bei beiden Beschaffungsformen im Wege einer ausländischen zentralen Beschaffungsstelle (Großhändlermodell bzw. Vollmachtsmodell) die Ausnahmebestimmungen des BVergG 2006 Anwendung finden. Hinzuweisen ist darauf, dass beim Großhändlermodell („purchase to resale“, vgl. § 10 Z 19 bzw. § 175 Z 23) richtlinienkonforme Regelungen sowohl im materiellen Bereich wie auch im Rechtsschutzbereich befolgt werden bzw. zur Verfügung stehen müssen. Beim Vollmachtsmodell ist hingegen nur erforderlich, dass die ausländische zentrale Beschaffungsstelle die richtlinienkonformen Regelungen (des jeweils anzuwendenden nationalen Rechts) im materiellen Bereich befolgen muss. Da die Handlungen der zentralen Beschaffungsstelle in diesem Fall dem beauftragenden (österreichischen) Auftraggeber zugerechnet werden, greift in diesem Fall der Rechtsschutzmechanismus gemäß der österreichischen Rechtsordnung.

Zu den Z 13, 17, 54, 59 und 77 (§§ 3 Abs. 6, 11, 141 Abs. 1, 177 Abs. 2 und 280 Abs. 1):

Die §§ 3 Abs. 6 und 177 Abs. 2 setzen Art. 3 lit. b der RL 2009/33/EG (sog. „clean car“ – Richtlinie) um. Danach haben Betreiber von öffentlichen Personenverkehrsdiensten im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages im Sinne der VO (EG) Nr. 1370/2007 (sog. „PSO-VO“) im Oberschwellenbereich das Regime der RL 2009/33/EG beim Kauf von Straßenfahrzeugen zu beachten. Wie bereits in den Erläuterungen 327 BlgNR XXIV. GP mehrfach darauf hingewiesen wurde, erfasst der Begriff des „öffentlichen Dienstleistungsauftrages“ gemäß der Definition des Art. 2 lit. i der PSO-VO nicht nur Konzessionen und Dienstleistungsaufträge im Sinne des BVergG 2006 sondern auch „Vergaben“ in Form eines Gesetzes oder eines Bescheides. Diese „Vergabeformen“ unterliegen jedoch nicht dem Anwendungsbereich des BVergG 2006, das (wie auch die VergabeRL) auf den Abschluss eines „Vertrages“ abstellt. Demzufolge unterliegen auch andere Erscheinungsformen von staatlichen Interventionen im Personenverkehr (wie insbesondere die häufig vorkommenden Zuschussverträge ohne einklagbare Leistungsverpflichtung des Verkehrsunternehmers) nicht dem BVergG 2006.

Der Verpflichtung zur Anschaffung von sauberen Straßenfahrzeuge (insbes. daher auch von Bussen) ist gemäß den §§ 3 Abs. 6 und 177 Abs. 2 durch eine vertragliche (und daher auch einklagbare) Klausel im Vertrag mit dem Betreiber der PSO - Dienstleistung nachzukommen.

In den §§ 11, 141 Abs. 1 und 280 Abs. 1 wird durch einen Verweis auf § 3 Abs. 6 bzw. § 177 Abs. 2 die zitierte Bestimmung der „clean car“ - Richtlinie im Bereich Dienstleistungskonzessionen und nicht prioritäre Dienstleistungsaufträge umgesetzt.

Zu den Z 14, 16 und 58 (§ 10 Z 2 und 18 und § 175 Z 21 und 22):

Zu § 10 Z 2 ist festzuhalten, dass diese Ausnahme vom BVergG 2006 grundsätzlich nicht explizit notwendig ist (da bereits das Primärrecht diese Verfahren vom Vergaberegime der Union ausnimmt), aber schon bisher aus Transparenzgründen im BVergG 2006 aufschien. Die Neufassung ergibt sich auch durch die Umstellung auf den AEUV. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Z 2 auf Vergabeverfahren (zum Verständnis dieses Begriffes vgl. § 1 Abs. 1 Z 1 und 2) Bezug nimmt und daher – anders als das BVergGVS – z.B. auch Wettbewerbe und Konzessionen vom Anwendungsbereich des BVergG 2006 ausschließt. Art. 346 AEUV steht dem nicht entgegen.

§ 10 Z 18 sowie § 175 Z 21 setzen Art. 70 und 71 der RL 2009/81/EG um und passen die klassischen wie auch die Sektorenregelungen an das Regime der zitierten RL an. Ziel der Ausnahmebestimmungen ist, dass Aufträge im Anwendungsbereich des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich (BVergGVS) nicht (auch) dem Anwendungsbereich des BVergG 2006 unterliegen und dass vom BVergGVS ausgenommene Aufträge nicht (wieder) unter das Regime des BVergG 2006 fallen.

Allgemein ist noch festzuhalten, dass durch das Inkrafttreten des BVergGVS dem Anhang VI des BVergG 2006 (Verzeichnis der Waren im Bereich der Verteidigung) insoweit teilweise materiell derogiert wird, als jene in Anhang VI genannten Güter, die zugleich auch Militärgüter oder sensible Ausrüstung im Sinne des BVergGVS sind (vgl. dazu die Definitionen dieser Begriffe in § 3 Z 25 und 30 iVm Anhang I des BVergGVS), hinkünftig dem Regime des BVergGVS unterliegen.

Zu § 175 Z 22: Gemäß dem Beschluss 2010/142/EU der Kommission vom 3. März 2010 (vgl. dazu BGBl. II Nr. 72/2011) gilt die Richtlinie 2004/17/EG nicht für die in Z 22 genannten Aufträge im Postsektor (zur Erfüllung der Freistellungsvoraussetzungen vgl. die Erwägungsgründe der Entscheidung). Obwohl Wettbewerbe in Art. 1 des Beschlusses nicht explizit genannt werden, gilt die Freistellung gleichwohl auch für diese (vgl. dazu Art. 62 Z 2 der Richtlinie 2004/17/EG und Erwägungsgrund 15 des Beschlusses). Obwohl die Ausnahmebestimmung grundsätzlich nicht erforderlich ist (vgl. § 179, der die Freistellung ex lege anordnet), soll sie aus Transparenzgründen in das Gesetz selbst aufgenommen werden.

Zu Z 17 (§ 11) und Z 59 (§ 177 Abs. 1):

Aufgrund der zahlreichen redaktionellen Änderungen in § 11 (Ergänzung des Verweises auf § 3 Abs. 6, terminologische Anpassung des Wortlautes an den Vertrag von Lissabon und Übernahme des Schwellenwertes für Direktvergaben) wurde § 11 gänzlich neu gefasst. Aus demselben Grund wurde auch § 177 Abs. 1 (terminologische Anpassung des Wortlautes an den Vertrag von Lissabon und Übernahme des Schwellenwertes für Direktvergaben) gänzlich neu gefasst.

Das neue Verfahren der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb wurde nicht in § 11 bzw. § 177 berücksichtigt, da das bestehende Regime bereits eine äußerst flexible und an den Vorgaben des Unionsrechts orientierte Vorgangsweise bei der Vergabe von Konzessionsverträgen zulässt. Unabhängig davon könnte ein Auftraggeber jedoch ohnehin ein an § 41a bzw. § 201a orientiertes Vergabeverfahren durchführen.

Im Übrigen bleiben die §§ 11 und 177 Abs. 1 unverändert, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen in 327 BlgNR XXIV. GP, 127 BlgNR XXIII. GP und 1171 BlgNR XXII. GP verwiesen wird.

Zu Z 18 (§§ 12 Abs. 1 Einleitungssatz, Abs. 2 Einleitungssatz und Abs. 3 erster Satz, 14 Abs. 3 zweiter Satz, 15 Abs. 4 zweiter Satz und Abs. 5 zweiter Satz, 16 Abs. 5 zweiter Satz und Abs. 6 zweiter Satz, 126 Abs. 4 erster Satz, 180 Abs. 1 Einleitungssatz, Abs. 2 und Abs. 3 erster Satz, 182 Abs. 3 zweiter Satz, 183 Abs. 4 zweiter Satz und Abs. 5 zweiter Satz, 184 Abs. 5 zweiter Satz und Abs. 6 zweiter Satz ):

Die (Sub-)Schwellenwerte sind derzeit im BVergG 2006 insoweit uneinheitlich geregelt, als teilweise ein Hinweis auf die (nicht einzurechnende) Umsatzsteuer enthalten ist und teilweise nicht. Diese Unterscheidungen haben in der Praxis verschiedentlich zu Unsicherheiten geführt. Da § 13 Abs. 1 und § 181 Abs. 1 bereits als allgemeine Regel festlegen, dass bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes die Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen ist, ist der Hinweis „ohne Umsatzsteuer“ bei den einzelnen (Sub-)Schwellenwerten entbehrlich und kann entfallen. Eine Änderung der geltenden Rechtslage wird dadurch nicht herbeigeführt.

In § 126 Abs. 4 ist der Hinweis auf die Umsatzsteuer ebenfalls entbehrlich, da bereits gemäß § 2 Z 26 lit. a bzw. d die Umsatzsteuer im Gesamtpreis nicht enthalten ist. Auch hier bleibt die Rechtslage unverändert.

Zu Z 19 (§ 14 Abs. 2):

Mit der Änderung wird ein Umsetzungsfehler im ersten Satz korrigiert (vgl. dazu den Wortlaut von Art. 9 Abs. 4 der RL 2004/18/EG). Der zweite Satz wird sprachlich angepasst.

Hingewiesen wird darauf, dass eine entsprechende Änderung für den Sektorenbereich auf Grund der Rechtslage auf Unionsebene (vgl. Art 17 Abs. 4 der RL 2004/17/EG) nicht erforderlich ist.

Zu Z 20 (§§ 15 Abs. 5 und 16 Abs. 6) und Z 61 (§§ 183 Abs. 5 und 184 Abs. 6):

Die Bestimmungen, wann ein Los im Wege der Direktvergabe vergeben werden kann, werden an die neuen Schwellenwerte (50 000 bzw. 75 000 Euro) für die Direktvergabe angepasst.

Zu Z 21 (§§ 18 Abs. 1 und 186 Abs. 1):

Die Verordnungsermächtigungen werden sprachlich vereinfacht sowie insofern erweitert, als eine Festsetzung anderer Schwellen- oder Loswerte nunmehr auch zulässig ist, wenn dies im Interesse einer wirtschaftlicheren Vorgangsweise bei der Vergabe von Aufträgen zweckmäßig ist: etwa zur Adaption der Schwellen- oder Loswerte im Unterschwellenbereich an die Inflation, Anpassung von Schwellenwerten, um vereinfachte Verfahren zuzulassen sodass die Transaktionskosten in ökonomisch vertretbaren Relationen gehalten werden können. Weiters werden die jeweiligen Schwellenwerte für die neu eingeführte Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb aufgenommen.

Zu Z 23 (§ 25 Abs. 1) und Z 62 (§ 192 Abs. 1):

Die Aufzählung der Verfahrensarten wird um die nunmehr neu eingeführte Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb ergänzt (vgl. den vorgeschlagenen § 41a bzw. § 201a).

Zu Z 24 (§ 25 Abs. 10) und Z 63 (§ 192 Abs. 9):

Bei der Direktvergabe ist es nunmehr zulässig, zum Zwecke der Markterkundung Angebote einzuholen (die Einholung von unverbindlichen Preisauskünften war bereits bisher zulässig, vgl. § 41 Abs. 3 bzw. § 201 Abs. 3). Ein Zwang dies zu tun, besteht freilich nicht (arg. „gegebenenfalls“). Damit soll der Forderung der Praxis Rechnung getragen werden, auch bei kleinen Aufträgen Vergleichsangebote einholen zu können, ohne damit sofort ein förmliches Vergabeverfahren durchführen zu müssen. Es kann auch lediglich ein Angebot eingeholt werden. Das Wesen der Direktvergabe als formloses Vergabeverfahren wird durch diese Neuerung nicht verändert. Es bleibt Auftraggebern aber unbenommen, intern entsprechende (abweichende) Festlegungen zu treffen (insbesondere ab welchen Werten mehrere bzw. eine bestimmte Mindestanzahl von Angeboten/Preisauskünften einzuholen sind).

Zu Z 25 (§ 25 Abs. 11) und Z 64 (§ 192 Abs. 10):

§ 25 Abs. 11 und § 192 Abs. 10 enthalten die Definition der neuen Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb. Es handelt sich dabei um ein eigenes, von der „klassischen“ Direktvergabe gemäß § 25 Abs. 10 bzw. § 192 Abs. 9 verschiedenes Verfahren. Wie auch aus dem Titel („Direktvergabe“) erkennbar ist, handelt es sich um ein formloses Verfahren, das heißt es wird eine Leistung formfrei von einem ausgewählten Unternehmer gegen Entgelt bezogen.

Die Formulierung „nach Einholung von einem oder mehreren Angeboten“ stellt klar, dass es im Ermessen des Auftraggebers liegt, wie viele Angebote er einholen möchte. Er kann – ohne weitere Begründung – auch nur ein Angebot einholen (etwa nach einer Bewerberauswahl ausschließlich nach Referenzen). Es bleibt dem Auftraggeber freilich unbenommen, intern einen bestimmten Auftragswert festzulegen, ab dem eine bestimmte Anzahl von Angeboten jedenfalls eingeholt werden muss. Im Übrigen wird auf die Erläuterungen zu Z 29 und Z 66 verwiesen.

Zu Z 26 (§ 31 Abs. 2):

Eine elektronische Auktion war bisher im Fall der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens nach vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich gemäß § 38 Abs. 1 nicht zulässig. Mit der vorgeschlagenen Änderung wird § 31 Abs. 2 um diese Möglichkeit ergänzt.

Zu Z 27 (§ 38 Abs. 2 Z 4), Z 39 (§§ 68 Abs. 1 Z 2 und 229 Abs. 1 Z 2), Z 40 (§ 68 Abs. 2) und Z 70 (§ 229 Abs. 2 Z 3):

Die Bestimmungen werden an das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 29/2010, angepasst. Der Begriff Insolvenzverfahren umfasst als Oberbegriff Sanierungs- und Konkursverfahren.

Zu Z 28 (§ 41) und Z 65 (§ 201):

§ 41 Abs. 1 und § 201 Abs. 1 enthalten wie bisher eine abschließende Aufzählung aller für die Direktvergabe geltenden Bestimmungen. Neu eingefügt wurden § 18 Abs. 1 bzw. § 186 Abs. 1 (Verordnungsermächtigung des Bundeskanzlers zur Änderung der Schwellen- oder Loswerte) und § 19 Abs. 2 bis 4 bzw. § 187 Abs. 2 bis 4. Zusätzlich zu den bereits bisher geltenden Grundsätzen des § 19 Abs. 1 bzw. § 187 Abs. 1 gelten daher der Grundsatz der völkerrechtlich zulässigen unterschiedlichen Behandlung von Drittstaatangehörigen, das Verbot der gebietsmäßigen Beschränkung oder der Beschränkung der Teilnahme auf einzelne Berufsstände sowie der Grundsatz, dass Vergabeverfahren nur dann durchzuführen sind, wenn die Absicht besteht, die Leistung auch tatsächlich zu Vergabe zu bringen. Das Wesen der Direktvergabe als formloses Verfahren wird durch die nunmehr ausdrückliche Geltung dieser Grundsätze nicht verändert.

Wie bereits schon zur Stammfassung hingewiesen wurde (vgl. dazu 1171 BlgNR XXII. GP), enthalten § 41 bzw. § 201 eine Ermächtigung für Auftraggeber bei Vorliegen der einschlägigen Tatbestandsvoraussetzungen das vereinfachte Verfahren der Direktvergabe durchführen zu können (aber nicht zu müssen; vgl. dazu auch den Wortlaut in Abs. 2 „ist nur zulässig“). Der EuGH hält in ständiger Rechtsprechung jedoch fest, dass die Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung, eine Verpflichtung zur Transparenz beinhalten. Kraft dieser Verpflichtung zur Transparenz muss der Auftraggeber zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden. Sofern daher ein potentielles grenzüberschreitendes Interesse von Unternehmern besteht, existiert diese Verpflichtung zur Transparenz nach der Judikatur des EuGH auch schon für wertmäßig kleine Aufträge (vgl. dazu das Urteil in der Rs C-220/06, AP, vom 18.12.2007). Es hat stets eine Einzelfallbeurteilung hinsichtlich des potentiellen grenzüberschreitenden Interesses zu erfolgen (so EuGH Rs C-507/03, Kommission/Irland, verb Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP). Im Licht dieser Rechtsprechung des EuGH hat daher der Auftraggeber, der eine Direktvergabe durchführen möchte, zu prüfen, ob nicht aufgrund der Umstände des Einzelfalles eine Direktvergabe (ohne vorherige Transparenz) ausnahmsweise nicht doch unzulässig wäre. Falls das konkrete Vorhaben (trotz seines geringen Auftragswertes) potentiell für Unternehmer aus anderen Mitgliedstaaten von Interesse sein könnte, dann besteht nach der Judikatur eine Verpflichtung zur (ex ante) Transparenz (vgl. dazu etwa Rs C-507/03, Kommission/Irland, verb Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP). Als Kriterien zur Beurteilung des potentiellen grenzüberschreitenden Interesses hat der EuGH in seiner bisherigen Judikatur den (geschätzten) Auftragswert, den Ort der Leistungserbringung bzw. –nutzung und die (technische) Besonderheit der Leistung angeführt (vgl. dazu verb Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP, Rs C-347/06, ASM Brescia). Als Faustregel kann für die Beurteilung des (potentiellen) grenzüberschreitenden Interesses herangezogen werden: je höher der Wert, je näher der Leistungs- oder Nutzungsort an einer (Staats)Grenze und je spezifischer der Auftragsgegenstand desto eher besteht ein grenzüberschreitendes Interesses. Melden sich „ausländische“ Unternehmen bei einem Auftraggeber hinsichtlich eines bestimmten Auftrages oder wurde – wenn auch freiwillig ‑ eine EU weite Bekanntmachung geschaltet, dann nimmt der EuGH jedenfalls ein grenzüberschreitendes Interesse an (vgl. Rs C-226/09, Kommission gegen Irland).

Gemäß Abs. 2 ist die Direktvergabe bis zu einem Schwellenwert von 50 000 Euro bzw. im Sektorenbereich bis zu 75 000 Euro zulässig.

Die Regelung in § 41 Abs. 2 Z 2, wonach aus Unionsmitteln kofinanzierte Projekte unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der Direktvergabe vergeben werden können, entfällt. Die Bestimmung war missverständlich und führte in der Praxis zu zahlreichen Problemen. Ob Aufträge im Rahmen eines kofinanzierten Projektes nach den Bestimmungen des BVergG 2006 ausgeschrieben werden müssen, bestimmt sich nach den allgemeinen vergaberechtlichen Regeln: es ist daher insbesondere zu prüfen, ob ein Auftrag im Sinne des BVergG 2006 vorliegt.

Abs. 3 wird im Lichte der Neuregelung der §§ 25 Abs. 10 und 192 Abs. 9 (Definition der Direktvergabe) insofern ergänzt, als auch die gegebenenfalls eingeholten Angebote entsprechend dokumentiert werden müssen. Hinsichtlich der Dokumentationspflichten wird auf die Erläuterungen zu § 42 Abs. 2 verwiesen (im Sektorenbereich findet sich die Grundregel betreffend die Dokumentationspflichten in § 201 Abs. 5; zum Verständnis vgl. auch diesbezüglich die Erläuterungen zu § 42 Abs. 2).

Abs. 4 wird sprachlich an das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 29/2010, angepasst. Der Begriff Insolvenzverfahren umfasst als Oberbegriff Sanierungs- und Konkursverfahren. Der erste Satz des Abs. 4 entfällt, da er lediglich eine Wiederholung eines – auch für die Direktvergabe geltenden – Grundsatzes gemäß § 19 Abs. 1 bzw. § 187 Abs. 1 darstellt.

Zu Z 29 (§ 41a):

Mit der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung soll ein neues Verfahren geschaffen werden, das die Vorteile einer möglichst formfreien Vergabe mit der – unter Umständen auch schon bei wertmäßig kleinen Aufträgen – unionsrechtlich gebotenen Transparenz verbindet.

Der EuGH hält in ständiger Rechtsprechung fest, dass die Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung, eine Verpflichtung zur Transparenz beinhalten. Kraft dieser Verpflichtung zur Transparenz muss der Auftraggeber zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden. Besteht an einem Auftrag ein grenzüberschreitendes Interesse, so steht das völlige Fehlen einer Ausschreibung (ex ante Transparenz) mit den Grundsätzen des Unionsrechts nicht im Einklang (vgl. dazu etwa das Urteil in der Rs C-324/98, Telaustria oder das Urteil in der Rs C-458/03, Parking Brixen). Sofern daher ein potentielles grenzüberschreitendes Interesse von Unternehmern besteht, existiert diese Verpflichtung zur Transparenz nach der Judikatur des EuGH auch schon für wertmäßig kleine Aufträge (vgl. dazu das Urteil in der Rs C-220/06, AP, vom 18.12.2007). Es hat stets eine Einzelfallbeurteilung hinsichtlich des potentiellen grenzüberschreitenden Interesses zu erfolgen (so EuGH Rs C-507/03, Kommission/Irland, verb Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP). Für Aufträge bis 130 000 bzw. 500 000 Euro wird mit der Möglichkeit der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung dieser Judikatur Rechnung getragen (zur Rechtslage auf Unionsebene und die Kriterien für die Beurteilung des grenzüberschreitenden Interesses vgl. auch die Ausführungen in Z 28 zu § 41 und § 201).

Mit § 41a sind sämtliche Bestimmungen, die für die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung gelten, in einem Paragraphen zusammengefasst. Abs. 1 enthält eine taxative Aufzählung der Bestimmungen, die bei einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung anzuwenden sind. Für die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung gelten somit (neben den Regelungen des § 41a selbst) der 1. Teil (Regelungsgegenstand und Begriffsbestimmungen) mit Ausnahme des § 2 Z 20 (Definitionen von Auswahl-, Beurteilungs-, Eignungs- und Zuschlagskriterien), die Definition des Auftraggebers (§ 3 Abs. 1), die Definition der Auftragsarten (§§ 4 bis 6), die Abgrenzungsregelungen (§ 9), die Ausnahmen vom Geltungsbereich (§ 10), die Bestimmungen über die Berechnung des geschätzten Auftragswertes (§§ 13 bis 16), die Verordnungsermächtigung des Bundeskanzlers zur Änderung der Schwellenwerte (§ 18 Abs. 1), die Grundsätze des Vergabeverfahrens (§ 19 Abs. 1 bis 4), die Definition der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung in § 25 Abs. 11, die Dokumentationsverpflichtung gemäß § 42 Abs. 3, die Grundsätze für die Übermittlung von Unterlagen oder Informationen zwischen Auftraggebern und Unternehmer in § 43 Abs. 1 und 2, der Grundsatz, dass das Verfahren mit Zuschlag oder Widerruf endet (§ 135 Abs. 1), die Regelung des Widerrufs durch eine Feststellung einer Vergabekontrollbehörde in § 140 Abs. 9 sowie der 4. bis 6. Teil (Rechtsschutz, außerstaatliche Kontrolle und zivilrechtliche Bestimmungen, Straf-, Schluss und Übergangsbestimmungen).

Abgesehen von diesen Bestimmungen ist das Verfahren der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung frei gestaltbar. Es handelt sich um eine „Direktvergabe“, die zwar mit Transparenzvorschriften angereichert ist, aber dennoch ein weitgehend formfreies Verfahren für kleine bis mittelgroße Aufträge darstellen soll. Es liegt daher im Ermessen des Auftraggebers, das Verfahren einstufig oder zweistufig zu gestalten, mit den Bietern zu verhandeln oder auch im Laufe des Verfahrens die Anzahl der Bieter zu reduzieren. Eingeschränkt wird dieses Ermessen des Auftraggebers durch die Verpflichtung des Abs. 4, wonach der Auftraggeber bereits zu Beginn festlegen muss, nach welchen Kriterien er den oder die Unternehmer auswählt vom dem oder denen er ein Angebot einholt und nach welchem oder welchen Kriterien er das erfolgreiche Angebot bestimmt. Diese Festlegung ist den interessierten Unternehmern vorab bekannt zu geben (diese Kriterien bilden einen notwendigen Teil jener Informationen, die vom Auftraggeber zur Verfügung zu stellen sind und deren Fundort er gemäß Abs. 3 Z 3 bekannt geben muss). Der Begriff „Kriterien“ (somit der Plural) wird in diesem Kontext verwendet, um - totum pro parte - alle denkbaren Situationen im Kontext des § 41a zu erfassen. Falls ein Auftraggeber daher ein einstufiges Verfahren ohne Selektionsmechanismus mit dem Preis als einzigem Kriterium für die Auswahl des erfolgreichen Angebotes durchführt, dann gibt es in diesem Verfahren nur ein einziges Kriterium, über das zu informieren ist. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Grundsätze des § 19, dessen Abs. 1 bis 4 auch für die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung gelten. Der Auftraggeber ist daher insbesondere auch an das Gleichbehandlungsgebot und das Verbot der Diskriminierung gebunden.

Wie auch für die „klassische“ Direktvergabe gilt auch für die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung ein eingeschränkter Rechtsschutz. Gesondert anfechtbare Entscheidungen (und damit einem Nachprüfungsverfahren zugänglich) sind bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung gemäß § 2 Z 16 lit. a sublit. oo lediglich die Wahl des Vergabeverfahrens und die Bekanntmachung (vgl. dazu schon oben die Ausführungen zu § 2 Z 16 lit. a sublit. oo). Es ist insbesondere, da es sich um eine Direktvergabe handelt, keine Bekanntgabe einer Zuschlagsentscheidung vorgesehen. Der Zuschlag kann daher nur ex post mittels Feststellungsantrag überprüft werden.

§ 41a Abs. 2 ist als Ermächtigung an Auftraggeber zu verstehen, bis zu einem geschätzten Auftragswert von 130 000 bzw. 500 000 Euro die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung in Anspruch nehmen zu können, aber nicht zu müssen. Es wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Möglichkeit der Auftragsvergabe in einem Verhandlungsverfahren gemäß § 38 Abs. 1, in einem Verfahren ohne Bekanntmachung gemäß den §§ 37 und 38 Abs. 2 (bis zu einem Auftragswert von 60 000, 80 000 bzw. 120 000 Euro) und im Wege einer Direktvergabe gemäß § 41 (bis zu einem Auftragswert von 50 000 Euro) verwiesen. Es bleibt Auftraggebern auch unbenommen, intern einen niedrigeren Wert festzulegen, bis zu dem die Inanspruchnahme einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung zulässig wäre.

Gemäß Abs. 3 ist die beabsichtigte Vergabe eines Auftrags mittels Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung in dem vom Bundeskanzler bzw. der jeweiligen Landesregierung festgelegten elektronischen Publikationsmedium bekannt zu machen (vgl. dazu § 55 Abs. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 1). Die Mindestinhalte der Bekanntmachung sind in Abs. 3 angeführt; darüber hinaus gelten für die Bekanntmachung keine weiteren Vorschriften mit Ausnahme der Regelung des § 55 Abs. 3 betreffend die zeitliche Verfügbarkeit der Bekanntmachungsinhalte.

Gemäß Abs. 3 Z 3 ist in die Bekanntmachung ein Hinweis aufzunehmen, wo nähere Informationen über die zu vergebende Leistung sowie über den weiteren Verfahrensablauf verfügbar sind (notwendiger Bekanntmachungsinhalt ist somit der Fundort dieser Informationen; dabei wird es sich in der Regel um eine Website des Auftraggebers handeln). Die Informationen über den weiteren Verfahrensablauf müssen dabei zumindest die Kriterien enthalten, anhand derer die allenfalls vorgesehene Auswahl des bzw. der Unternehmer erfolgt und anhand derer das erfolgreiche Angebot bestimmt wird (siehe dazu auch die Erläuterungen zu Abs. 4). Der Auftraggeber kann darüber hinaus (freiwillig) weitere Festlegungen betreffend den Verfahrensablauf treffen (beispielsweise über in Aussicht genommene Verhandlungsrunden o.ä.).

Gemäß Abs. 4 hat der Auftraggeber objektive, nicht diskriminierende und mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende Kriterien festzulegen, anhand derer die allenfalls vorgesehene Auswahl des Unternehmers bzw. der Unternehmer erfolgt, von dem bzw. denen Angebote eingeholt werden, und anhand derer das erfolgreiche Angebot bestimmt wird. Es wird ferner in Abs. 4 bewusst auf die Verwendung der Begriffe „Auswahlkriterien“ und „Zuschlagskriterien“ verzichtet, da die diesbezüglichen Regelungen des BVergG 2006 sowie die strikte Trennung zwischen unternehmerbezogenen und angebotsbezogenen Kriterien bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung nicht anwendbar sind. Der Auftraggeber ist daher bei der Festlegung der genannten Kriterien weitgehend frei und nur an die Grundsätze des § 19 und die Verpflichtung der Auftragsbezogenheit gebunden. Letzteres bedeutet, dass der Auftraggeber nur Kriterien heranziehen darf, die einen Konnex zum Auftragsgegenstand aufweisen. Dies bezieht sich sowohl auf unternehmerbezogene als auch angebotsbezogene Anforderungen.

Die Verwendung des Plural bei „Kriterien“ in Abs. 4 bedeutet (totum pro parte) dabei nicht, dass jedenfalls mehrere Kriterien für die Auswahl des Unternehmers bzw. der Unternehmer, von dem bzw. denen Angebote eingeholt werden, oder für die Bestimmung des erfolgreichen Angebotes festgelegt werden müssen. Der Auftraggeber kann daher auch nur ein Kriterium festlegen. Für die Bestimmung des erfolgreichen Angebotes ergibt sich jedoch aus den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes in Zusammenschau mit den haushaltsrechtlichen Grundsätzen (Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit; vgl. dazu insbesondere die Art. 126b Abs. 5, 127 Abs. 1, 127a Abs. 1 und 127b Abs. 3 B-VG), dass es sich bei Verwendung eines einzigen Kriteriums nur um den Preis handeln kann.

Jedenfalls müssen (ein oder mehrere) Kriterien für die Bestimmung des erfolgreichen Angebotes festgelegt werden. Die Festlegung von Kriterien (bzw. eines Kriteriums) für die Auswahl des Unternehmers bzw. der Unternehmer ist dagegen nur dann notwendig, wenn der Auftraggeber eine Auswahl der Unternehmer für eine zweite Stufe des Verfahrens überhaupt vorgesehen hat (arg „allenfalls vorgesehene“).

Der Auftraggeber kann das Verfahren seinen Bedürfnissen entsprechend ein- oder zweistufig gestalten. Er kann etwa (in einer Art „offenem Verfahren“) in der Bekanntmachung bzw. den Unterlagen gemäß Abs. 3 Z 3 sofort Angebote verlangen und dem billigsten/besten den Zuschlag erteilen (allenfalls nach weiteren Verhandlungen); er kann aber auch zunächst einen oder mehrere Unternehmer (etwa auf Grund von Referenzen oder etwa auch „die ersten fünf“) auswählen und erst in einem zweiten Schritt Angebote einholen. Abweichend vom sonstigen System des Gesetzes bzgl. Auswahl- und Zuschlagskriterien können bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung auch schon bei der Auswahl der Unternehmer angebotsbezogene Kriterien (z.B. der Preis) herangezogen werden. Der Auftraggeber kann beispielsweise festlegen, dass die interessierten Unternehmer gleich in einem ersten Schritt Angebote legen sollen, um mit den Bietern der drei besten/billigsten Angebote zu verhandeln und in einem weiteren Schritt das beste/billigste Angebot auszuwählen. Der Auftraggeber kann die Anzahl der auszuwählenden Unternehmer dabei auch mit einer Maximalzahl festlegen.

Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Definition der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung gemäß § 25 Abs. 11, wonach der Auftraggeber nicht verpflichtet ist, mehrere Angebote einzuholen (vgl. dazu auch die Erläuterungen zu Z 25 [§ 25 Abs. 11]). Es muss jedoch zumindest ein Angebot eingeholt werden, dem der Zuschlag erteilt werden kann.

Abs. 5 enthält die Verpflichtung des Auftraggebers, den am Verfahren beteiligten Unternehmern mitzuteilen, wem zu welchem Preis der Zuschlag erteilt wurde. Es sollen dabei jene Unternehmer vom Ausgang des Verfahrens informiert werden, die sich ernsthaft um den Auftrag bemüht haben. Das sind jene Unternehmer, die sich auf Grund der Bekanntmachung – im Einklang mit den Angaben in der Bekanntmachung und dem vom Auftraggeber festgelegten Verfahrensablauf – beworben haben und/oder ein Angebot gelegt haben. Unternehmer, die lediglich Informationen über den Leistungsgegenstand oder den Verfahrensablauf angefordert oder heruntergeladen und keine weiteren Schritte gesetzt haben, sind jedenfalls nicht von der Mitteilungspflicht des Auftraggebers umfasst. Beim Gesamtpreis handelt es sich um die Auftragssumme ohne Umsatzsteuer (vgl. § 2 Z 26 lit a bzw. d).

Die Bestimmung des Abs. 5 hat die Konsequenz, dass Feststellungsanträge der beteiligten Unternehmer spätestens binnen sechs Wochen ab Bekanntmachung einzubringen sind (und nicht erst binnen sechs Monaten, vgl. § 332 Abs. 2).

Dass die Leistung auch bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung nur von einem befugten, leistungsfähigen und zuverlässigen Unternehmer bezogen werden darf, ergibt sich bereits aus Abs. 1 der die Anwendbarkeit der Grundsätze gemäß § 19 Abs. 1 vorsieht (deshalb wäre eine idente Regelung in Abs. 6 überflüssig). Daraus resultiert – wie auch bei der Direktvergabe gemäß § 41 – jedoch nicht, dass die Bestimmungen des 5. Abschnittes (Eignung der Unternehmer) anwendbar sind; auch ergibt sich daraus nicht, dass jedenfalls eine nähere Eignungsprüfung durchgeführt werden muss. Über die Art und Weise der Eignungsprüfung entscheidet allein der Auftraggeber (daher entscheidet auch er über die Frage, ob eine Abfrage wegen Verletzung des AuslBG erfolgt oder nicht). Wenn keine Anhaltspunkte bestehen, die auf das Nichtvorliegen der Eignung schließen lassen, kann – wie auch bei der (klassischen) Direktvergabe – etwa der äußere Anschein eines befugten Gewerbebetriebes für die Annahme des Vorliegens der Eignung hinreichend sein.

Abs. 7 enthält eine Regelung für den Widerruf einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung. Gemäß § 135 Abs. 1 ist das Verfahren entweder durch Zuschlag oder durch Widerruf zu beenden. Diese Verpflichtung kann von einem Bieter mittels Feststellungsantrag durchgesetzt werden (vgl. die §§ 331 Abs. 4, 312 Abs. 5 und 140 Abs. 9). Der Auftraggeber kann das Verfahren jederzeit widerrufen, wenn sachliche Gründe dafür bestehen. Aus Abs. 7 ergibt sich, dass der Widerruf einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung einstufig gestaltet ist, d.h. es ist keine Bekanntgabe der Widerrufsentscheidung vorgesehen (eine solche Entscheidung wäre im Übrigen gemäß § 2 Z 16 lit. a sublit. oo auch nicht in einem Nachprüfungsverfahren überprüfbar). Die Erklärung des Widerrufs ist jedoch den Unternehmern mitzuteilen, die sich um eine Teilnahme am Verfahren beworben oder ein Angebot gelegt haben (siehe dazu auch die Ausführungen oben zu Abs. 5). Bei einem allfälligen Widerruf vor Eingang der Bewerbungen bzw. Angebote kann der Auftraggeber mangels Kenntnis der interessierten Unternehmer ohnehin keine entsprechende Verständigung durchführen. In diesem Fall wären Bewerber und Bieter eben nach Einlangen ihrer Bewerbung bzw. ihres Angebotes vom Widerruf zu verständigen. Die §§ 138 ff gelten (mangels Verweis in § 41a Abs. 1) für die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung nicht.

Die Vergabe eines Auftrages mittels Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung kann auch mittels elektronischer Auktion erfolgen. Ein derartiges Verfahren muss den Grundsätzen des § 19 Abs. 1, den Regelungen des § 43 Abs. 1 und 2 sowie den Bestimmungen des § 41a genügen; die Regelungen der §§ 146ff sind nicht anwendbar. Es sind aber auch andere Formen und Verfahren des e-tendering möglich, sofern sie den erwähnten Regelungen entsprechen.

Gemäß § 2 Z 16 lit. a sublit. oo sind bei einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung die Wahl des Vergabeverfahrens und die Bekanntmachung gesondert anfechtbar (vgl. dazu auch die Erläuterungen zu Z 9). Bei der Wahl der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung beträgt die Anfechtungsfrist gemäß § 321 Abs. 2 sieben Tage. Für Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibung gilt die Regelung des § 321 Abs. 4: Die Anfechtungsfrist verlängert sich bis sieben Tage vor Ablauf der Angebots- bzw. Teilnahmefrist, sofern diese Frist mehr als 17 bzw. 22 Tage beträgt. Im Kontext der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung ist die Teilnahmefrist jene Frist, innerhalb derer sich die Unternehmer gemäß den Angaben in der Ausschreibung um eine Teilnahme am Verfahren bewerben müssen.

Zu Z 30 (§ 42 Abs. 2):

Bei einer Direktvergabe ist nunmehr, sofern der Dokumentationsaufwand wirtschaftlich vertretbar ist, auch die Prüfung der Preisangemessenheit schriftlich festzuhalten. Dabei reicht ein summarischer Verweis. So reicht etwa der Verweis auf im internen System des Auftraggebers zur Verfügung gestellte Kataloge, da deren Preisangemessenheit üblicherweise bereits vor Aufnahme in das System geprüft wurde. Bei sehr kleinen Aufträgen kann die Dokumentation der Preisangemessenheit in der Regel entfallen.

Bei Auftragsvergabe im Rahmen von EU-Strukturfondsprogrammen schreiben häufig die EU-Strukturfondsprogramme vor, dass auch im Bereich der Direktvergabe die Prüfung der Preisangemessenheit zu dokumentieren ist. Derartige Verpflichtungen bleiben von der vorliegenden Bestimmung unberührt.

Zu Z 31 (§ 42 Abs. 3):

§ 42 Abs. 3 normiert eine Dokumentationsverpflichtung für alle wesentlichen Festlegungen und Vorgänge bei einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung. Dies umfasst etwa Festlegungen für den Verfahrensablauf, die Anwendung des Auswahlmechanismus oder eine kurze Erläuterung, warum ein bestimmtes Angebot ausgewählt wurde.

Es sind keine aufwendigen Dokumentationen notwendig, es reicht vielmehr ein kurzes Festhalten der wesentlichen Inhalte. Sofern Festlegungen oder Vorgänge bereits eindeutig aus dem Vergabeakt ersichtlich sind, sind sie bereits entsprechend festgehalten und ist daher eine gesonderte Dokumentation nicht erforderlich (so sollten etwa die Kriterien gemäß Abs. 4 in der Regel bereits eindeutig aus den zur Verfügung gestellten Unterlagen über den weiteren Verfahrensablauf ersichtlich sein). Zum Begriff der „Schriftlichkeit“ (der auch die Darstellung in elektronischer Form umfasst) wird auf die Definition in § 2 Z 30 verwiesen.

Zu Z 33 (§§ 44 Abs. 3, 205 Abs. 4, 349 Abs. 2 erster und zweiter Satz, 134 Abs. 3 und 275) und Z 98 (§ 349 Abs. 1 Z 1):

Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung werden eine Reihe von Zuständigkeiten der Bundesregierung auf den Bundeskanzler übertragen. Es handelt sich dabei um § 44 Abs. 3 und § 205 Abs. 4 (Verpflichtung der Bundesregierung unter bestimmten Voraussetzungen eine Verordnung betreffend zusätzliche Angaben in statistischen Aufstellungen zu erlassen), § 134 Abs. 3 und § 275 (Verpflichtung der Bundesregierung nähere Bestimmungen zum Vertragsabschluss auf elektronischem Weg durch Verordnung zu erlassen) und § 349 Abs. 2 (Verordnungsermächtigung der Bundesregierung betreffend die Änderung bestimmter Anhänge). Hinsichtlich § 116 und § 262 Abs. 2 (Verordnungsermächtigung betreffend die Abwicklung von Vergabeverfahren auf elektronischem Weg) bleibt jedoch die Zuständigkeit der Bundesregierung bestehen.

Die Vollzugsklausel in § 349 wird entsprechend angepasst.

Zu Z 35 (§ 52 Abs. 1 und 2) und Z 68 (§ 216 Abs. 1 und 2):

Anstatt der bisherigen Kann-Bestimmung ist nunmehr vorgesehen, dass der Bundeskanzler bzw. die Landesregierungen jedenfalls ein (einziges) zusätzliches Publikationsmedium für Bekanntmachungen im Oberschwellenbereich festzulegen haben. Das Publikationsmedium muss elektronisch sein. Zusätzlich zur europäischen Ausschreibungsdatenbank TED soll es daher 10 zentrale Publikationsplattformen in Österreich geben. Dem jeweiligen Verordnungsgeber steht es dabei (im Oberschwellenbereich, zum Unterschwellenbereich siehe § 55 Abs. 2) frei, diese zusätzliche Publikation in einem österreichischen Medium entweder als Verpflichtung oder aber lediglich als Option für die Auftraggeber zu normieren.

Durch die Einführung zentraler Publikationsplattformen auf nationaler bzw. Länderebene soll einerseits im Sinne der Diskussion in der Arbeitsgruppe „Verwaltungsreform“ ein effektiver wirtschaftlicher Wettbewerb zugunsten der Auftraggeber gefördert und andererseits potentiellen Bietern das Auffinden österreichischer Ausschreibungen erleichtert werden. Zu diesem Zweck wäre es auch sinnvoll, wenn der jeweilige Verordnungsgeber die Aufnahme von Links auf die jeweils neun anderen Publikationsplattformen verpflichtend vorsieht.

In den Verordnungen sind nähere Festlegungen sowohl hinsichtlich der Übermittlung der Bekanntmachung vom Auftraggeber an das Publikationsmedium als auch hinsichtlich der im Zuge der Übermittlung und der Veröffentlichung durch das Publikationsmedium zu beachtenden Modalitäten zu treffen. Die in der jeweiligen Verordnung getroffenen näheren Festlegungen können sich daher nicht nur an den Auftraggeber, sondern auch an das festzulegende Publikationsmedium richten. Festgelegt werden können etwa ein Vorrang für bestimmte Übermittlungsarten, eine Verpflichtung zur Bestätigung des Eingangs der Bekanntmachung oder Anforderungen an die Veröffentlichung in zeitlicher oder technischer Hinsicht.

Wie bisher steht es den Auftraggebern darüber hinaus frei, ihre Bekanntmachungen in zusätzlichen, weiteren Publikationsorganen zu veröffentlichen (vgl. die unveränderten §§ 52 Abs. 3 und 216 Abs. 3).

Abs. 2 wird sprachlich an die Änderungen des Abs. 1 angepasst.

Auf die Übergangsbestimmung des § 345 Abs. 15 Z 2 wird hingewiesen.

Zu Z 36 (§§ 54 Abs. 6 zweiter Satz und 217 Abs. 7 zweiter Satz):

Bei der Bekanntmachung vergebener Aufträge soll hinsichtlich des Preises die Terminologie vereinheitlicht werden. Wie auch in § 41a Abs. 5 und § 201a Abs. 6 ist daher der Gesamtpreis (das ist die Auftragssumme ohne Umsatzsteuer, vgl. § 2 Z 26 lit a bzw. d) bekannt zu geben.

Zu Z 37 (§ 55 Abs. 2 bis 6) und Z 69 (§ 219 Abs. 2 bis 6):

Die §§ 55 und 219 enthalten die Bekanntmachungsbestimmung für den Unterschwellenbereich.

Im Gegensatz zum Oberschwellenbereich ist die Veröffentlichung der Bekanntmachungen im vom Bundeskanzler bzw. der jeweiligen Landesregierung festgelegten Publikationsmedium im Unterschwellenbereich verpflichtend. Dass lediglich ein einziges elektronisches Publikationsmedium (für Bekanntmachungen im Ober- und Unterschwellenbereich) eingerichtet werden darf, ergibt sich aus dem Verweis in Abs. 2 auf § 52 Abs. 1 bzw. § 216 Abs. 1.

Durch die Einführung zentraler Publikationsplattformen auf nationaler bzw. Länderebene soll einerseits im Sinne der Empfehlung der Arbeitsgruppe „Verwaltungsreform“ ein effektiver wirtschaftlicher Wettbewerb zugunsten der Auftraggeber gefördert und andererseits potentiellen Bietern das Auffinden österreichischer Ausschreibungen erleichtert werden.

Darüber hinaus steht es den Auftraggebern wie bisher frei, ihre Bekanntmachungen in zusätzlichen, weiteren Publikationsorganen zu veröffentlichen (etwa lokal verbreiteten Printmedien; vgl. Abs. 4).

Die Abs. 5 und 6 werden an die Neuregelung des Abs. 2 angepasst. Die freiwillige Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung (Abs. 5) bzw. des vergebenen Auftrags (Abs. 6) hat demnach in dem gemäß § 52 Abs. 1 bzw. § 216 Abs. 1 vom Bundeskanzler bzw. der jeweiligen Landesregierung festgelegten elektronischen Publikationsmedium zu erfolgen. Beim Gesamtpreis in Abs. 6 handelt es sich um die Auftragssumme ohne Umsatzsteuer (vgl. § 2 Z 26 lit a bzw. d). Im Falle einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern sind gemäß Abs. 6 Name und Anschrift aller erfolgreichen Bieter bekannt zu machen.

Auf die Übergangsbestimmung des § 345 Abs. 15 Z 2 wird hingewiesen.

Zu Z 38 (§ 67 erster Satz):

Mit der Änderung des § 67 erster Satz wird Auftraggebern die Möglichkeit eingeräumt, bei der Beschaffung von gewissen Standardleistungen im Unterschwellenbereich die Mindestangebotsfristen und die Teilnahmefristen zu verkürzen. Die Fristverkürzungsmöglichkeit besteht nur bei Lieferleistungen, nicht jedoch – wie im Begutachtungsverfahren gefordert – bei Bau- oder Dienstleistungsaufträgen. Der Neuregelung liegt die Überlegungen zu Grunde, dass Angebote oder Teilnahmeanträge über die Erbringung von Standard-Lieferleistungen im Regelfall keine aufwendigen Arbeiten erfordern und eine Beibehaltung der starren Fristen in solchen Fällen möglicherweise zu unnötigen Verfahrensverlängerungen führen könnte. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Grundsätze für die Bemessung und Verlängerung von Fristen gemäß § 57 auch hier gelten; den Bewerbern und Bietern muss daher – unter Bedachtnahme der Umstände des Einzelfalles – ausreichend Zeit für die Erstellung der Angebote bzw. Teilnahmeanträge verbleiben. Es ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob bzw. in welchem Umfang eine Fristverkürzung nach § 67 angemessen ist. Auf die Dokumentationspflicht gemäß § 67 zweiter Satz wird hingewiesen.

Waren mit allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmalen sind Produkte, die nicht für die Bedürfnisse des Auftraggebers adaptiert werden müssen, sondern ohne weitere Anpassungen „off the shelf“ („von der Stange“) bezogen werden können. Es handelt sich hierbei um seriengefertigte Produkte, die in großer Stückzahl völlig gleichartig aufgebaut verkauft werden und bei denen keine Anpassungen an die Bedürfnisse des Individualkunden vorgenommen werden. Dies kann sowohl bei einfachen Waren (z.B. Toilettenpapier) wie auch bei komplexeren Waren (z.B. Softwareprodukte, die als Standardprodukt „in der Schachtel“ gekauft werden können) der Fall sein. Im Gegensatz dazu ist bei Bau- oder Dienstleistungen im Regelfall – wenn auch vielleicht nur in einem sehr geringfügigen Ausmaß – eine Adaption an die Bedürfnisse des Auftraggebers erforderlich. Vor diesem Hintergrund soll die Fristverkürzungsmöglichkeit nur für jenen Leistungstyp eingeräumt werden, der keinerlei Adaption erfordert und von der Stange oder aus dem Katalog bezogen werden kann.

Zu Z 41 (§ 70 Abs. 3 zweiter Satz) und Z 71 (§ 231 Abs. 3 zweiter Satz):

Mit § 70 Abs. 3 zweiter Satz und § 231 Abs. 3 zweiter Satz wird die Frage neu geregelt, wann der (Sektoren)Auftraggeber vom Zuschlagsempfänger auch bei Vorliegen einer Eigenerklärung jedenfalls die festgelegten Nachweise verlangen muss. Bisher war dies bereits bei einem Auftragswert von 120 000 bzw. 250 000 Euro (bei Bauaufträgen) und 80 000 bzw. 150 000 Euro (bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen) der Fall; nach dem neuen Abs. 3 zweiter Satz ist die Vorlage der Nachweise vom Zuschlagsempfänger erst bei Aufträgen im Oberschwellenbereich zwingend geboten (wie bisher ist bei einer Vergabe in Losen für die Frage der Anwendung des Regime des Abs. 3 nicht der geschätzte Gesamtwert aller Lose maßgeblich, sondern der Wert des einzelnen Loses). Das System des § 70 bzw. § 231 bleibt im Übrigen unverändert.

Die Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Nachweise verlangt werden, liegt – insbesondere auch bei größeren Aufträgen im Unterschwellenbereich – grundsätzlich in der Verantwortung der vergebenden Stelle (vgl. dazu schon auch die Erläuterungen in 327 BlgNR XXIV. GP, 18f). Es können mittels interner Anweisungen (z.B. per Erlass) auch generell niedrigere Schwellenwerte festgelegt werden, ab deren Erreichen jedenfalls die Vorlage der entsprechenden Nachweise vom Zuschlagsempfänger zu verlangen sind.

Zu Z 42 (§ 75 Abs. 8):

In der Praxis hat sich die zeitliche Einschränkung der Nachweise von Referenzaufträgen auf Referenzen der vergangenen drei (bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen) bzw. fünf Jahre (bei Bauaufträgen) teilweise als zu restriktiv erwiesen. Im Unterschwellenbereich soll daher der Auftraggeber ermächtigt werden, diese Zeitspanne in den Ausschreibungsunterlagen auf bis zu 10 Jahre zu verlängern, wenn ihm dies in Anbetracht des konkreten Beschaffungsvorganges sinnvoll erscheint. Falls daher der durchschnittliche Lebenszyklus eines Gerätes oder einer baulichen Anlage länger als die erwähnten Regelzeiträume für Referenzen beträgt, empfiehlt sich eine entsprechende Verlängerung. Eine unbeschränkte oder zu lang bemessene Maximaldauer für Referenzzeiträume wird nicht vorgesehen, da nach einer gewissen Zeitspanne (in der keine neuen Referenzen erworben werden und in der personelle und organisatorische Änderungen stattfinden können) „Altreferenzen“ keine Aussagekraft mehr darüber aufweisen, ob der die Referenz vorlegende Unternehmer noch die selbe Qualität der Leistung erbringen kann wie zum damaligen Leistungszeitpunkt.

Zu Z 45 (§ 83 Abs. 3) und Z 72 (§ 240 Abs. 3):

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung der §§ 83 Abs. 3 und 240 Abs. 3 gilt das System des § 70 bzw. § 231 (zunächst Vorlage einer Eigenerklärung, Vorlage von Nachweisen nur im Einzelfall auf Aufforderung) nunmehr auch für Subunternehmer. Die Eigenerklärung bzw. die Nachweise über die Eignung des Subunternehmers sind – wie bisher – dem Auftraggeber im Wege des Bieters vorzulegen.

Ein Verweis auf § 70 Abs. 5 bzw. § 231 Abs. 5 erübrigt sich, da sich Abs. 5 (im Gegensatz zu den Abs. 2 bis 4) jeweils allgemein auf Unternehmer (und nicht nur auf Bewerber und Bieter) bezieht und daher bereits jetzt für Subunternehmer gilt.

Zu Z 47 (§ 102 Abs. 3), Z 48 (§ 103 Abs. 6), Z 73 (§ 250 Abs. 3) und Z 74 (§ 252 Abs. 6 erster Satz):

Mit der vorgeschlagenen Änderung werden die Bestimmungen betreffend die Anzahl der Teilnehmer im Verhandlungsverfahren und im nicht offenen Verfahren im Unterschwellenbereich flexibilisiert. Im Übrigen ist hinsichtlich der Frage der zulässigen Unterschreitung der Mindestanzahl von Teilnehmern an Vergabeverfahren auch auf die Rechtsprechung des EuGH (Rs C-148/08, Hochtief) zu verweisen.

Im Einzelnen ergeben sich folgende Änderungen:

Beim nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung darf die Anzahl der Teilnehmer gemäß § 102 Abs. 3 zweiter Satz nicht unter drei liegen (bisher: nicht unter fünf).

Beim Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Unterschwellenbereich soll die Anzahl der Teilnehmer gemäß § 102 Abs. 3 vierter Satz grundsätzlich nicht unter drei liegen; Ausnahmen aus sachlichen Gründen sind zulässig. Die Gründe für diese Unterschreitung sind vom Auftraggeber festzuhalten. Die Neuregelung für das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung entspricht damit der bereits bestehenden Regelung für den Sektorenbereich.

Beim nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich darf die Anzahl der Teilnehmer gemäß § 103 Abs. 6 zweiter Satz nicht unter drei liegen (bisher: nicht unter fünf).

Beim Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich soll die Anzahl der Teilnehmer gemäß § 103 Abs. 6 vierter Satz grundsätzlich nicht unter drei liegen; Ausnahmen aus sachlichen Gründen sind zulässig. Die Gründe für die Unterschreitung sind vom Auftrageber festzuhalten. Die Neuregelung für das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung entspricht damit der bereits bestehenden Regelung für den Sektorenbereich.

Für den Oberschwellenbereich ergeben sich durch die Neuregelung keine Änderungen.

Im Sektorenbereich wird die Mindestteilnehmerzahl im nicht offenen Verfahren mit Bekanntmachung im Unterschwellenbereich ebenfalls auf drei reduziert.

Zu Z 49 (§ 125 Abs. 5 letzter Satz, § 126 Abs. 1 letzter Satz und § 268 Abs. 3 letzter Satz):

Im Lichte der angestrebten Entbürokratisierung des Unterschwellenbereiches kann nunmehr im gesamten Unterschwellenbereich von einer verbindlichen schriftlichen Aufklärung im Zuge der vertieften Angebotsprüfung bzw. bei Mangelhaftigkeit der Angebote abgesehen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Auftraggeber im Unterschwellenbereich von jeglicher Aufklärungspflicht befreit wird und derartige Angebote ohne weitere Erläuterungen durch den Bieter ausschließen kann (vgl. dazu auch das Urteil des EuGH in den verbundenen  Rs C-147/06 und C-148/96, SECAP). Es ist jedoch keine gemäß den §§ 125 Abs. 5, 126 Abs. 1 und 268 Abs. 3 formalisierte Vorgangsweise erforderlich. Es liegt vielmehr im Ermessen des Auftraggebers, in welcher Art und Weise er Aufklärung durch den Bieter verlangt. Es muss die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen des Auftraggebers im Vergabeakt gewährleistet sein. Bei größeren Aufträgen im Unterschwellenbereich ist jedoch anzuraten, die Aufklärung durch den Bieter zumindest schriftlich zu dokumentieren.

Zu Z 50 (§ 131 Abs. 1 zweiter Satz, § 272 Abs. 1 zweiter Satz):

Hinsichtlich der Änderung der §§ 131 Abs. 1 zweiter Satz und 272 Abs. 1 zweiter Satz wird auf die Erläuterungen zu Z 36 verwiesen.

Zu Z 51 (§ 132 Abs. 1 zweiter Satz) und Z 76 (§ 273 Abs. 1 zweiter Satz):

Mit dem Entfall des Verweises auf § 131 Abs. 1 bzw. § 272 Abs. 1 wird nun nicht mehr darauf abgestellt, ob eine Verpflichtung zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß § 131 Abs. 1 bzw. § 272 Abs. 1 besteht oder nicht. Auslösendes Ereignis für die Stillhaltefrist ist demnach ausschließlich, ob der Auftraggeber (freiwillig oder aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung) eine Zuschlagsentscheidung absendet oder nicht. Daraus folgt, dass auch die freiwillige Bekantgabe der Zuschlagsentscheidung mit der gesetzlichen Konsequenz einer Stillhaltefrist verbunden ist (deren Verletzung die in § 132 Abs. 1 bzw. § 273 Abs. 1 genannte Folge der absoluten Nichtigkeit nach sich zieht).

Zu Z 52 (§ 135 Abs. 1):

Mit der Änderung wird ein Redaktionsversehen korrigiert.

Zu Z 53 (§ 136 Abs. 3):

Es kann nunmehr im gesamten Unterschwellenbereich von der Erstellung eines Vergabevermerks oder eines Vermerkes über den Widerruf eines Vergabeverfahrens abgesehen werden, wenn die relevanten Informationen ohne großen Aufwand aus der Vergabedokumentation ersichtlich sind. Die Neuregelung dient der weiteren Vereinfachung des im Unterschwellenbereich geltenden Vergaberegimes und soll unnötige Transaktionskosten seitens der Auftraggeber und vergebenden Stellen vermeiden.

Zu Z 54 (§ 141) und Z 77 (§ 280):

Aufgrund der Anzahl redaktionellen Änderungen in Abs. 1 (Ergänzung des Verweises auf § 3 Abs. 6 bzw. § 177 Abs. 2), Abs. 2 (terminologische Anpassung des Wortlautes an den Vertrag von Lissabon) und Abs. 3 (Übernahme des Schwellenwertes für Direktvergaben) wurden die §§ 141 und 280 gänzlich neu gefasst.

Zu Abs. 3 wird hingewiesen, dass das neue Verfahren der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb nicht in § 141 bzw. § 280 berücksichtigt wurde, da das bestehende Regime bereits eine äußerst flexible und an den Vorgaben des Unionsrechts orientierte Vorgangsweise bei der Vergabe von nicht prioritären Dienstleistungen zulässt. Unabhängig davon könnte ein Auftraggeber jedoch ohnehin ein an § 41a bzw. § 201a orientiertes Vergabeverfahren bereits aufgrund der Regelung des Abs. 2 durchführen.

Im Übrigen bleiben die Abs. 1 bis 4 und Abs. 5 erster Satz in § 141 und § 280 unverändert, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen in 327 BlgNR XXIV. GP, 127 BlgNR XXIII. GP und 1171 BlgNR XXII. GP verwiesen wird.

Zu den Abs. 5 bis 8: Wie das Bundesvergabeamt in seiner Judikatur ausführte (vgl. BVA 16.3.2011, N/0011-BVA/10/2011-40), gelten die Verpflichtungen über die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung und die Begründungspflicht derselben auch für nicht-prioritäre Dienstleistungen. Durch die vorgeschlagenen Regelungen wird daher den Anforderungen des Unionsrechts entsprochen.

Zu Z 55 (§ 153) und Z 78 (§ 285):

Mit der vorgeschlagenen Änderung wird ein Versehen bereinigt und klargestellt, dass die Bestimmungen betreffend die Eignung der Unternehmer (§§ 68 bis 77 bzw. 228 bis 234) auch für den offenen Wettbewerb gelten (für den nicht offenen Wettbewerb galten sie bereits bisher auf Grund des Verweises in § 154 Abs. 3 bzw. § 286 Abs. 3).

Zu Z 56 (§ 173 Abs. 3 und 4):

Abs. 3 setzt Art. 9 Abs. 2 der RL 2004/17/EG um und enthält eine Zuordnungsregel bei sog. Mischaufträgen, das sind im vorliegenden Kontext Aufträge, die einerseits den Sektorenregelungen und andererseits den „klassischen“ Vergaberegeln unterliegen. Ist es in diesem Fall nicht möglich, den Hauptgegenstand des (unteilbaren) Vertrages zu bestimmen, so folgt das Vergaberegime den strengeren Regeln für „klassische“ Auftragsvergaben.

Abs. 4 enthält eine spezielle Ausformulierung des Umgehungsverbotes für Mischaufträge (vgl. dazu auch Art. 9 Abs. 1 2. UA der RL 2004/17/EG).

Zu Z 66 (§ 201a):

§ 201a regelt die Direktvergabe nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb für Sektorenauftraggeber. Abweichend von der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung für öffentliche Auftraggeber ist – entsprechend dem bestehenden System im Sektoren-Unterschwellenbereich – der Aufruf zum Wettbewerb auf zwei Arten möglich: entweder durch die individuelle Bekanntmachung des zu vergebenden Auftrags (diese Bekanntmachung ist in Abs. 4 geregelt und entspricht dem § 41a Abs. 3 für öffentliche Auftraggeber) oder durch Bekanntmachung über das Bestehen eines Prüfsystems. Betreibt daher ein Sektorenauftraggeber ein Prüfsystem gemäß § 232, so kann der Sektorenauftraggeber einen Auftrag mittels Direktvergabe nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb an einen Teilnehmer des Prüfsystems vergeben. In diesem Fall hat der Sektorenauftraggeber alle für den jeweiligen Auftragsgegenstand qualifizierten Teilnehmer des Prüfsystems zu kontaktieren und sie – je nach gewünschter Verfahrensgestaltung – zur Abgabe einer Bewerbung bzw. zur Angebotslegung aufzufordern.

Im Übrigen entspricht das Verfahren des § 201a der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung für öffentliche Auftraggeber gemäß § 41a; es wird daher auf die Erläuterungen zu Z 29 (§ 41a) verwiesen.

Gemäß Abs. 2 ist die Direktvergabe nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb im Sektorenbereich bis zu einem geschätzten Auftragswert von 200 000 bzw. 500 000 Euro zulässig.

Abs. 7 enthält eine § 42 Abs. 3 entsprechende Dokumentationspflicht. Es wird auf die Erläuterungen zu Z 31 verwiesen.

Zu Z 80 (§ 301 Abs. 2):

Der Aufwands- und Reisekostenersatz für die sonstigen Mitglieder des Bundesvergabeamtes soll jährlich an den Verbraucherpreisindex angepasst werden.

Zu Z 81 (§ 312 Abs. 3 Z 2) und Z 89 (§ 331 Abs. 1 dritter Satz):

Die Ergänzung des Verweises auf die Z 4 und 5 (in § 312 Abs. 3 Z 2) bzw. Z 3 und 4 (in § 331 Abs. 1 dritter Satz) erfolgt aufgrund der Überlegung, dass auch in den Konstellationen der neu verwiesenen Ziffern, Schadenersatzansprüche denkbar sind und eine entsprechender Gegenantrag mit Feststellung, dass der Antragsteller keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte, Sinn macht.

Zu Z 82, Z 85, Z 86, Z 88 und Z 90 (§§ 318 Abs. 1 Z 1 fünfter Satz, 321 Abs. 4 erster und zweiter Satz, 322 Abs. 3, 325 Abs. 2 und 332 Abs. 4):

Die Bezeichnungen Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen bzw. Bekanntmachung sollen einheitlich durch den Überbegriff „Ausschreibung“ – der gemäß der Definition in § 2 Z 10 die Bekanntmachung, den Aufruf zum Wettbewerb, die Ausschreibungs-, Wettbewerbs- und Auktionsunterlagen, die Beschreibung der Bedürfnisse und Anforderungen beim wettbewerblichen Dialog und die Informationen über die zu vergebende Leistung sowie über den weiteren Verfahrensablauf bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb umfasst – ersetzt werden.

Zu Z 83 (§ 318 Abs. 1 Z 2):

Damit erfolgt eine bloß redaktionelle Umstellung auf den aktuellen Verbraucherpreisindex.

Zu Z 84 (§ 318 Abs. 1 Z 7):

Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung soll statt zwei Gebührensätzen ein einziger Mischsatz für den Fall der Antragsrückziehung vorgesehen werden.

Zu Z 87 (§ 323 Abs. 1):

Nach dem bisherigen Wortlaut sollten alle „nicht offenkundig unzulässigen Nachprüfungsanträge“ unverzüglich im Internet bekannt gemacht werden. Diese ursprünglich intendierte Grobprüfung warf in der Praxis jedoch Probleme auf, unter welchen Umständen ein Antrag „nicht offenkundig unzulässig“ sei und führte zu unterschiedlichen Vorgangsweisen innerhalb des Bundesvergabeamtes. Aus diesem Grund soll dieser Passus entfallen. Hinkünftig sind somit ausnahmslos alle Anträge unverzüglich bekannt zu machen.

Zu Z 91 (5. Teil, Entfall der Überschriften):

Auf Grund des Entfalls des derzeitigen § 337 (Bescheinigungsverfahren) bestünde das 1. Hauptstück (Außerstaatliche Kontrolle) nur mehr aus einem Paragraphen. Die Unterteilung des 5. Teils in Hauptstücke wird daher aufgelöst.

Zu Z 93 (§§ 337 und 338):

Der derzeitige § 337 entfällt, da das Bescheinigungsverfahren mit der Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge abgeschafft wurde. Der bisherige § 338 Abs. 1 und 2 bildet den (neuen) § 337; § 338 (neu) entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 338 Abs. 3.

Der EuGH hat in der Rs C-314/09, Strabag, festgehalten, dass die Richtlinie 89/665/EWG (und folglich auch die Parallelregelungen der RL 92/13/EWG und 2009/81/EG) dahin auszulegen ist, „dass sie einer nationalen Regelung, die den Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes eines öffentlichen Auftraggebers gegen Vergaberecht von der Schuldhaftigkeit des Verstoßes abhängig macht, auch dann entgegensteht, wenn bei der Anwendung dieser Regelung ein Verschulden des öffentlichen Auftraggebers vermutet wird und er sich nicht auf das Fehlen individueller Fähigkeiten und damit auf mangelnde subjektive Vorwerfbarkeit des behaupteten Verstoßes berufen kann.“ Vor diesem Hintergrund wird der bisherige Begriff „schuldhaft“ durch die Wortfolge „hinreichend qualifiziert“ ersetzt. Zum Verständnis des Begriffes „hinreichend qualifiziert“ wird auf die Judikatur des EuGH zur Staatshaftung (vgl. u.a. Rs C-46/93 und C-48/93, Brasserie du Pécheur) verwiesen: „[…] besteht […] das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht als hinreichend qualifiziert anzusehen ist, darin, dass ein Mitgliedstaat oder ein Gemeinschaftsorgan die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat. Insoweit gehören zu den Gesichtspunkten, die das zuständige Gericht gegebenenfalls zu berücksichtigen hat, das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des Ermessensspielraums, den die verletzte Vorschrift den nationalen oder Gemeinschaftsbehörden belässt, die Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder nicht vorsätzlich begangen oder der Schaden vorsätzlich oder nicht vorsätzlich zugefügt wurde, die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums und der Umstand, dass die Verhaltensweisen eines Gemeinschaftsorgans möglicherweise dazu beigetragen haben, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise unterlassen, eingeführt oder aufrechterhalten wurden. Jedenfalls ist ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht offenkundig qualifiziert, wenn er trotz des Erlasses eines Urteils, in dem der zur Last gelegte Verstoß festgestellt wird, oder eines Urteils im Vorabentscheidungsverfahren oder aber einer gefestigten einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des fraglichen Verhaltens ergibt, fortbestanden hat.“ (Rz 55 bis 57 des Urteils in der Rs C-46/93 und C-48/93).

Der EuGH hielt jedoch auch fest, dass die (bisherige) Rechtsprechung des Gerichtshofs für Rechtsbehelfe im Bereich des öffentlichen Auftragswesens keine genaueren Kriterien benannt hat, auf deren Grundlage der Schaden festzustellen und zu bemessen ist (so EuGH in der Rs C-568/08, Combinatie Spijker). In Ermangelung einschlägiger Unionsvorschriften ist es daher Sache jedes Mitgliedstaates, unter Beachtung des Äquivalenz‑ und des Effektivitätsgrundsatzes in seiner internen Rechtsordnung die Kriterien zu bestimmen, auf deren Grundlage der Schaden aufgrund eines Verstoßes gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens festzustellen und zu bemessen ist. Ein Schadenersatzanspruch besteht sohin dann, wenn die vergaberechtliche Bestimmung, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an Bewerber oder Bieter bezweckt, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so bemisst sich die Art bzw. Höhe des Schadenersatzes nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln des österreichischen Rechts.

Im Übrigen bleiben die Regelungen des Schadenersatzes materiell unverändert; aus Gründen der besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit werden jedoch die Regelungen betreffend den Beteiligungskostenersatz und den Ersatz des Erfüllungsinteresses getrennt gefasst.

Wie bisher haben daher übergangene Bewerber und Bieter Anspruch auf den Ersatz der Beteiligungskosten, allerdings nur dann, wenn die Vergabekontrollbehörde nicht festgestellt hat, dass sie bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätten (vgl. dazu Abs. 1 und 2 und ferner auch den Wortlaut von Art. 1 Abs. 7 der RL 92/13/EWG). Alternativ dazu hat – ebenso wie bisher – der Bieter, auf dessen Angebot der Zuschlag hätte erteilt werden müssen (d.h. der Best- bzw. Billigstbieter) Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses (vgl. Abs. 3). Voraussetzung für die Geltendmachung bei den ordentlichen Gerichten ist auch hier, dass das Bundesvergabeamt oder die jeweils zuständige Vergabekontrollbehörde nicht festgestellt hat, dass der Bieter auch bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte. Eine echte Chance auf Zuschlagserteilung ist jedoch für die Zuerkennung des Erfüllungsinteresses nicht ausreichend, vielmehr muss der Geschädigte im weiteren Verfahren vor den ordentlichen Gerichten nachweisen, dass er tatsächlich den Zuschlag hätte erhalten müssen (vgl. dazu etwa auch OGH 24.1.2006, 10 Ob 9/05d mwN der Judikatur). Die Feststellung durch die Vergabekontrollbehörde dient daher im Falle des Abs. 4 lediglich dazu, jene Bieter, die keinesfalls Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses haben können (etwa weil sie ganz weit hinten gereiht waren), bereits im Feststellungsverfahren vom Schadenersatzanspruch auszuschließen, um damit von vornherein zwecklose, kostenintensive Schadenersatzprozesse vor den ordentlichen Gerichten zu vermeiden.

Schadenersatz steht im Übrigen wie bisher nicht zu, wenn der Geschädigte den Schaden durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung sowie durch Stellen eines Nachprüfungsantrages hätte abwenden können.

Zu Z 94 (§ 341 Abs. 1) und Z 99 (§ 349 Abs. 1 Z 5):

Die Verweise werden an die Änderungen in den §§ 337 und 338 angepasst.

Zu Z 95 (§ 341 Abs. 3 erster Satz):

Im Lichte des Urteils des EuGH in der Rs C-314/09, Strabag, wird § 341 Abs. 3 erster Satz dahingehend geändert, dass eine Schadenersatzklage bereits bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen andere (als die die Zulässigkeit des Widerrufs regelnden) Bestimmungen des BVergG 2006, die hierzu ergangenen Verordnungen oder gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht verursacht wurde. Vgl. dazu auch die Erläuterungen zum Verständnis der Wortfolge „hinreichend qualifiziert“ in Z 93 (§ 337).

Zu Z 96 (§ 344 Abs. 1):

Im Hinblick auf die mit Vertragsverletzungsverfahren möglicherweise verbundenen schwerwiegenden finanziellen Implikationen für die Republik Österreich (vgl. dazu insbesondere Art. 260 AEUV und das diesbezügliche Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst GZ BKA-670.746/0019-V/7/2010) wird der Maximalbetrag für eine Geldstrafe nach § 344 erhöht.

Zu Z 101 (§ 351 Z 8) und Z 102 (§ 351 Z 13):

Die bisherige Standardformularverordnung wurde durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 842/2011 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005, ABl. Nr. L 222 vom 27. August 2011, S. 1, ersetzt. Die Schwellenwerte wurden durch die Verordnung (EG) Nr. 1177/2009, ABl. Nr. L 314 vom 01.12.2009, S. 64, neu festgesetzt.

Zu Z 103 (§ 351 Z 17 bis 19):

§ 351 enthält nunmehr auch den Umsetzungshinweis betreffend die RL 2009/81/EG. Betreffend den Umsetzungshinweis zu RL 2009/52/EG ist folgendes auszuführen: Art. 7 Abs. 1 lit. b der zitierten RL sieht den Ausschluss von Vergabeverfahren gemäß der RL 2004/18/EG in jenen Fällen vor, in denen Arbeitgeber, die als Bewerber oder Bieter in einem Vergabeverfahren auftreten und ihre Verpflichtungen nach der RL 2009/52/EG verletzt haben (d.h. illegal Drittstaatsangehörige beschäftigt haben). Eine gesonderte Umsetzung (im Sinne einer Änderung des BVergG 2006) der Bestimmung ist nicht erforderlich, da der geltende Wortlaut des § 68 Abs. 1 Z 5 bereits eine entsprechende Sanktion ermöglicht. Unabhängig davon ist jedoch ein Umsetzungshinweis im Rahmen des BVergG 2006 (vgl. Art. 17 Abs. 1 der RL 2009/52/EG) erforderlich.

Weiters wird der Beschluss 2010/142/EU der Kommission vom 3. März 2010 in die Aufzählung der bezogenen Rechtsakte der Europäischen Union aufgenommen.