1558 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1637/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Definition und Aufnahme von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten

Die Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 8. Juli 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Dem Tätigkeitsbericht der Arbeitsinspektorate (III-178 d.B.) zufolge soll der ArbeitnehmerInnenschutz in Zukunft weiterentwickelt und verbessert werden. Nachdem die Anzahl der Invaliditätspensionen in Folge psychischer und psychosomatischer Erkrankungen bereits seit Jahren stark ansteigt, soll nun gemäß Minister Hundstorfer die Evaluierung psychosozialer Gefährdungen und Belastungen am Arbeitsplatz vorangetrieben werden.

Diese Entwicklungen zeigen, dass sich die Arbeitswelt längst verändert hat – während es gelungen ist, durch verbesserte Technologien die Anzahl der Arbeitsunfälle einzudämmen, steigt auf der anderen Seite die Zahl der psychischen und psychosomatischen Erkrankungen rapide an. Stressforscher halten die Arbeitswelt für ungemütlicher als früher, der raue Wettbewerb lässt leistungsschwächere Menschen auf der Strecke. Handy und Internet verpflichten zur ständigen Verfügbarkeit. Verantwortung wird zunehmend von Vorgesetzten an MitarbeiterInnen abgegeben, vielfach ohne adäquaten Einkommensausgleich.

In Österreich leiden 47 Prozent der ArbeitnehmerInnen unter zu hohem Arbeitstempo. Im EU-Vergleich ist mehr als ein Viertel aller ArbeitnehmerInnen, 41 Millionen Beschäftigte, von Stress am Arbeitsplatz betroffen. Stress ist somit nach Rückenschmerzen auch das zweitgrößte berufsbedingte Gesundheitsproblem in der europäischen Union.

Bereits zwischen 50 und 6  Prozent der Fehlzeiten am Arbeitsplatz sind in Österreich auf Symptome von Stresserkrankungen zurückzuführen. 54 Prozent der Bevölkerung fühlen sich unter Zeitdruck. Jeder Mensch ist Belastungen und Stress ausgesetzt, doch wenn es über zu lange Zeit zu groß wird, wird die Überforderung gefährlich. In Österreich sind rund eine Million Menschen stark Burn-out-gefährdet. Die Betroffenen leiden meist unter chronischen Erschöpfungszuständen, Schlafstörungen und Depressionen.

Eine Berufskrankheit ist eine Krankheit, die durch die berufliche (versicherte) Tätigkeit verursacht worden ist und nach dem jeweils geltenden Recht auch formal als Berufskrankheit anerkannt ist. Zu den typischen Berufskrankheiten zählen derzeit Lärmschwerhörigkeit, Hautkrankheiten, Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats sowie Erkrankungen durch anorganische Stäube (Asbestose und Silikose). Psychische Erschöpfungszustände, wie das Burnout-Syndrom, psychische Störungen oder psychiatrische Erkrankungen zählen bislang nicht zu den Berufskrankheiten.

Bei der Anerkennung von Berufskrankheiten gilt das so genannte Listenprinzip: Die anerkannten Berufskrankheiten sind abschließend in einer amtlichen Liste aufgezählt. Krankheiten, die nicht in der Liste geführt werden, gelten – von Ausnahmen abgesehen – nicht als Berufskrankheiten und werden daher auch nicht durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger finanziell entschädigt.

Die Definition und Aufnahme von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten gemäß § 177 Abs. 1 des österreichischen Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) ist trotz der bereits seit längerem andauernden Veränderungen in der Arbeitswelt immer noch ausständig. Die so genannte Generalklausel im ASVG (gem. § 177 (2)), welche Ausnahmen von der Liste zulässt, ist von ihrem Ansatz her ebenfalls veraltet, z.B. wird der Faktor ‚Stress‘ komplett ausgeblendet.

Das österreichische ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (AschG) sieht eine Gefahrenevaluation mit dem Ziel der Prävention von Berufskrankheiten vor. Berufskrankheiten entstehen auf Grund von gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen und Arbeitsstoffen im Betrieb. Wenn diese und die gefährdeten Dienstnehmer erfasst und periodisch kontrolliert werden, können die Verantwortlichen das Risiko von gefährlichen Krankheiten abschätzen und dagegen vorbeugen. Dazu gehören die Untersuchung der Arbeitsbedingungen, die Untersuchung der gefährdeten Arbeitnehmer sowie organisatorische, technische und persönliche Schutzmaßnahmen im Betrieb. Auch im Bereich dieser Prävention werden psychosozialer Belastungen und Gefährdungen derzeit noch nicht berücksichtigt.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 23. November 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Birgit Schatz die Abgeordneten Ridi Maria Steibl, Ursula Haubner, Adelheid Irina Fürntrath-Moretti, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Erwin Spindelberger und Dr. Sabine Oberhauser, MAS sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (für den Antrag: F, G, B dagegen: S,V).

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Ridi Maria Steibl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2011 11 23

                                Ridi Maria Steibl                                                                Renate Csörgits

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau