1597 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über den Antrag 505/A(E) der Abgeordneten Mag. Kurt Gaßner, Fritz Grillitsch, Harald Jannach, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung der österreichischen Gentechnik­Anbauverbote

und

über den Antrag 481/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung der österreichischen Gentechnik-Anbauverbote

Die Abgeordneten Mag. Kurt Gaßner, Fritz Grillitsch, Harald Jannach, Dipl.­Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 505/A(E) am 26. Februar 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Europäische Kommission wird im Umweltministerrat am 2. März erneut zur Aufhebung der österreichischen Anbauverbote für die Gentechnik-Maislinien MON 810 (Monsanto) und T25 (Bayer) drängen. Sollte keine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedsländer gegen diesen Vorschlag stimmen, ist davon auszugehen, dass die Kommission die Anbauverbote im Alleingang aufheben wird. Es gibt ernst zu nehmenden wissenschaftliche Zweifel an der ökologischen Sicherheit von MON 810 (negative Auswirkungen auf Nichtziel-Organismen und die Bodengesundheit, Ausbildung von Resistenzen gegen das Bt-Toxin bei längerer Anwendung von Bt-Pflanzen bei Insekten).

Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Sicherheitsprüfung im Rahmen des derzeit laufenden Verfahrens zur Erneuerung der Zulassung von MON 810 und T 25 noch nicht abgeschlossen ist. Die EFSA hat diese Neubewertung gestoppt und von den Zulassungswerbern weitere Unterlagen angefordert. Umso verwunderlicher ist es, dass die EFSA alle wissenschaftlichen Argumente der Mitgliedsländer, die nationale Verbote eingeführt haben, als ‚keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die eine Unsicherheit der Produkte aufzeigen würden‘ bewertet hat. Dies, obwohl der Rat der Umweltminister am 4. Dezember 2008 einstimmig beschlossen hat, dass die gegenwärtige Praxis der Risikobewertung verbessert werden muss. Die Minister stellten insbesondere fest, dass die Langzeitfolgen von gentechnisch veränderten Pflanzen sowie ihre Auswirkungen auf sogenannte Nichtziel-Organismen besser abgeschätzt werden müssen (Art.3) und dies eine grundlegende Überprüfung der Leitlinien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erforderlich macht (Art. 2 und 3). Ferner wird in den Schlussfolgerungen festgehalten, dass den spezifischen regionalen und lokalen Besonderheiten bezüglich ihrer Ökosysteme, ihrer biologischen Vielfalt und verschiedener Anbausysteme Rechnung zu tragen ist. Ebenso wird die Berücksichtigung sozio-ökonomischer Auswirkungen hervorgehoben.

Die europäischen und in besonders hohem Ausmaß die österreichischen Bürgerinnen und Bürger wollen keine gentechnisch veränderten Pflanzen am Feld und keine gentechnisch veränderten Lebensmittel. Bei einer Aufhebung der Anbauverbote wäre es grundsätzlich möglich, die beiden eu-weit zum Anbau zugelassenen gentechnisch veränderten Maislinien in Österreich anzubauen. Die Gentechnikvorsorgegesetze der Länder bieten hier aber ein zweites Sicherheitsnetz. Und de facto träfe ein möglicher Anbau nur für die Linie MON810 zu, denn T25 wird in der EU nicht vertrieben und es gibt in der EU auch keine zugelassenen Sorten mit diesem Konstrukt. Dennoch setzt Österreich an allen Hebeln, die zur Verfügung stehen an, um die Abstimmung am Montag im Umweltministerrat zu gewinnen. Wenn sich dennoch keine qualifizierte Mehrheit ausgeht, wird Österreich die Kommission an deren eigene Erklärung erinnern, bei ‚sensiblen Materien‘ nicht gegen den überwiegenden Standpunkt im Rat Durchführungsmaßnahmen zu erlassen. Die Mehrheit der Mitgliedsländer wird die österreichischen Anbauverbote in der Abstimmung am Montag unterstützen.

Die von der Kommission propagierte sogenannte ‚Koexistenz‘ gentechnischer und gentechnikfreier Produktionsmethoden und Verarbeitungsstränge löst die Kommission nicht selbst, sondern bürdet diese Last den Mitgliedsstaaten auf. Eine verlässliche Regelung der ‚Ko-Existenz‘ ist aber insbesondere für Österreich mit kleinbäuerlichen Strukturen und einem hohen Anteil an biologisch wirtschaftenden Kleinbetrieben kaum machbar und zudem würde vom Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft kaum ein Betrieb profitieren. Die derzeit ausschließlich in der EU zugelassenen Gentechnikpflanzen der ersten Generation (Herbizid- oder Insektenresiste Pflanzen) eignen sich – wirtschaftlich – für industrielle Monokulturen, die bereits ohne Gentechnik die Umwelt nachhaltig gefährden und weltweit die bäuerliche Landwirtschaft in den Ruin führen.

Der österreichische Widerstand gegen die Aufhebung der Anbauverbote darf daher nicht aufgegeben werden und muss gegebenenfalls bis zum Europäischen Gerichtshof führen. Damit wollen wir der EU­Kommission im Dialog mit der WTO den Rücken stärken. Nationale Interessen sollen im europäischen Raum respektiert werden und im internationalen Vertragswerk geachtet werden.“

 

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 481/A(E) am 26. Februar 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Europäische Kommission wird im Umweltministerrat am 2. März erneut zur Aufhebung der österreichischen Anbauverbote für die Gentechnik-Maislinien MON 810 (Monsanto) und T25 (Bayer) drängen. Sollte keine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedsländer gegen diesen Vorschlag stimmen, ist davon auszugehen, dass die Kommission die Anbauverbote im Alleingang aufheben wird. Es wurde bereits mehrfach wissenschaftlich nachgewiesen, dass MON 810 negative Auswirkungen auf Nichtziel­Organismen und die Bodengesundheit hat sowie die Ausbildung von Resistenzen gegen das Bt­Toxin bei Insekten fördert.

Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die überfällige Sicherheitsprüfung im Verfahren zur Erneuerung der Zulassung von MON 810 und T 25 noch nicht einmal abgeschlossen ist. Die EFSA weist bisher alle wissenschaftlichen Argumente der Mitgliedsländer zurück, ohne eine unabhängige Risikobewertung zu etablieren oder zuzulassen. Dies, obwohl der Rat der Umweltminister am 4. Dezember 2008 einstimmig beschlossen hat, dass die gegenwärtige Praxis der Risikobewertung verbessert werden muss. Die Minister stellten insbesondere fest, dass die Langzeitfolgen von gentechnisch veränderten Pflanzen sowie ihre Auswirkungen auf sogenannte Nichtziel-Organismen besser abgeschätzt werden müssen (Art.3) und dies eine grundlegende Überprüfung der Leitlinien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erforderlich macht (Art. 2 und 3). Ferner wird in den Schlussfolgerungen festgehalten, dass den spezifischen regionalen und lokalen Besonderheiten bezüglich ihrer Ökosysteme, ihrer biologischen Vielfalt und verschiedener Anbausysteme Rechnung zu tragen ist. Ebenso wird die Berücksichtigung sozio-ökonomischer Auswirkungen hervorgehoben.

Wohl kaum eine andere EU-Institution ist umstrittener als die EFSA. Sie lässt mögliche langfristige Umweltauswirkungen außer Acht und bescheinigt selbst Produkten Unbedenklichkeit, die im Tierversuch negative Effekte gezeigt haben. Sie orientiert sich nahezu ausschließlich an von den Unternehmen vorgelegten Daten, führt keine eigenen Untersuchungen durch und lässt auch wissenschaftliche Erkenntnisse der Mitgliedstaaten nicht gelten. Dadurch wird das Vorsorgeprinzip grob verletzt und die Entscheidungen, ob Gentechnik-Produkte zugelassen werden, fallen ausschließlich zugunsten der zulassungswerbenden Firmen aus.

Die derzeitige EU-Gentechnikregulierung ist durch die vollständige rechtliche und wissenschaftliche Kontrolle der EU-Gentechnikbehörden sowie durch eine exzessive Wahrnehmung dieser Macht gekennzeichnet. Die industrienahen Behörden EFSA und EU-Kommission dominieren die Zulassungsverfahren. Unabhängige oder gar kritische Wissenschaft aus den Mitgliedstaaten bleibt außen vor. Die Entscheidungsprozesse in den EU-Gentechnikbehörden weisen damit eine strukturelle Schieflage zugunsten der Interessen internationaler Saatgutkonzerne auf.

Die europäischen und in besonders hohem Ausmaß die österreichischen Bürgerinnen und Bürger lehnen den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion entschieden ab. Gegen den Willen einer großen Bevölkerungsmehrheit wäre es bei einer Aufhebung der Anbauverbote für die beiden Gentechnik-Konstrukte in Österreich möglich, Gentechnik-Pflanzen anzubauen. Damit würden nationale Sicherheitsmaßnahmen außer Kraft gesetzt, ohne eine gründliche und unabhängige Bewertung im Lichte wissenschaftlicher Erkenntnisse zuzulassen.

Die von der Kommission propagierte sogenannte ‚Koexistenz‘ gentechnischer und gentechnikfreier Produktionsmethoden und Verarbeitungsstränge erweist sich als unlösbares Problem und bürdet der bäuerlichen und biologischen Landwirtschaft unzumutbare Risiken und Kosten auf. Industrielle Monokulturen, in denen die Gentechnik-Landwirtschaft zum Einsatz kommt, schädigen die Umwelt, gefährden die Gesundheit und führen weltweit die bäuerliche Landwirtschaft in den Ruin.

Der österreichische Widerstand gegen die Aufhebung der Anbauverbote darf daher nicht aufgegeben werden und muss gegebenenfalls bis zum Europäischen Gerichtshof führen.“

Der Gesundheitsausschuss hat die beiden oben erwähnten Entschließungsanträge in seiner Sitzung am 1. Dezember 2011 in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter zum Entschließungsantrag 505/A(E) fungierte Abgeordneter Mag. Johann Maier. Über den Entschließungsantrag 481/A(E) berichtete Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Johann Maier und Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber sowie der Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé.

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag 505/A(E) der Abgeordneten Mag. Kurt Gaßner, Fritz Grillitsch, Harald Jannach, Dipl.­Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Beibehaltung der österreichischen Gentechnik­Anbauverbote einstimmig angenommen.

Mit dieser Beschlussfassung gilt der Entschließungsantrag 481/A(E) der Abgeordneten Dipl.­Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Beibehaltung der österreichischen Gentechnik-Anbauverbote als miterledigt.

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Johann Maier gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2011 12 01

                              Mag. Johann Maier                                            Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau