1609 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 1759/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird

Die Abgeordneten Dr. Josef Cap, Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 18. November 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Mit der Ergänzung in § 31 Abs. 10 wird klargestellt, dass ein Rundfunkteilnehmer (das ist jedermann, der an einem Standort Rundfunkempfangseinrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 RGG betreibt oder betriebsbereit hält) dann jedenfalls zur Zahlung des ORF-Programmentgelts verpflichtet ist, wenn sein Standort mit den ORF-Programmen nach § 3 Abs. 1 terrestrisch analog oder digital im Format DVB-T versorgt wird. Dieser Anknüpfungspunkt der Programmentgeltspflicht korrespondiert mit dem in § 3 Abs. 3 und 4 geregelten terrestrischen Versorgungsauftrag des ORF und entspricht daher dem synallagmatischen Charakter des Programmentgelts im Sinne einer Gegenleistung für die erfolgte Bereitstellung der im öffentlich-rechtlichen Auftrag gelegenen Vollprogramme durch den Österreichischen Rundfunk (vgl. VfSlg. 7717/1975). Bei DVB-T gilt ein Standort dann als versorgt, wenn ein stationärer Empfang („fixed antenna reception“) im Sinne des Technischen Berichts des Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen ETSI TR 101 190 V.1.3.2. (Implementierungsleitlinien für terrestrische DVB-Dienste, Übertragungsaspekte), Punkt 9.1.2 und 9.2, möglich ist (vgl. für Fernsehen Punkt 9.1.4 „good coverage of a small area“). Im Bereich des analogen Hörfunks ist für die meisten österreichischen Gebiete für eine zufriedenstellende Versorgung auf die Empfehlung ITU-R BS.412-9 zu verweisen, die Werte für Städte und ländliche Gebiete beinhaltet (vgl. auch VwGH 2004/04/0219).Wie nach geltender Rechtslage kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß der Rundfunkteilnehmer die ORF-Programme auch tatsächlich „konsumiert“.

In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob eine Person Rundfunkteilnehmer im Sinne des RGG ist, d.h. an einem Standort (Gebäude) dauerhaft Geräte betreibt oder betriebsbereit hält, die irgendeine Form von Rundfunk (auch z.B. bloßen „ausländischen Rundfunk“ über analogen Satellit) wahrnehmbar machen. Ist dies nicht der Fall, besteht keine Gebühren- und auch keine Entgeltpflicht. Nur wenn jemand tatsächlich eine Rundfunkempfangseinrichtung an einem Standort (Gebäude) betreibt oder betriebsbereit hält, ist für den Fall, dass der Rundfunkteilnehmer nicht ohnedies bereits durch analoge Terrestrik (im UKW Hörfunk) oder über eine digitale Satellitenanlage oder mittels eines Anschlusses an ein Kabelnetz die in § 3 Abs. 1 ORF-G aufgezählten Programme des ORF empfangen kann, in einem zweiten Schritt zu prüfen, inwieweit sein Standort durch digitale terrestrische Übertragung (DVB-T) versorgt wird und daher der Empfang der Fernsehprogramme – so wie bisher etwa durch Anschluss einer Antenne – mittels entsprechender handelsüblicher Endgeräte (Digitaltuner) möglich ist. Diese zweistufige Prüfung entspricht auch der diesbezüglichen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 16.321/2001). Für mobile Rundfunkempfangseinrichtungen besteht wie bisher keine Gebührenpflicht, wenn sie nicht dauernd an einem Standort (Gebäude) betrieben werden.

Hinsichtlich des zugemuteten Aufwandes ist festzuhalten, dass derzeit entsprechende DVB-T Tuner (Set-Top-Boxen) bereits zu einem Preis von unter 30,- Euro verfügbar sind und auch ein etwaiges Modifizieren bestehender Antennen und dazugehörige Bauelemente keine unzumutbaren finanziellen Belastungen für den Rundfunkteilnehmer darstellen. Wenn der Empfang nur durch über dieses Ausmaß hinausgehende Maßnahmen seitens des Rundfunkteilnehmers realisiert werden könnte, besteht keine Pflicht zur Zahlung des Programmentgeltes.

Die Regelung findet ihre sachliche Rechtfertigung insbesondere in der Vollziehbarkeit, da es einen unverhältnismäßigen Kontrollaufwand bedeutet, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob seitens des Rundfunkteilnehmers konkret ORF-Programme empfangen werden. Der Verfassungsgerichtshof hat zudem in Hinblick auf die Rundfunkgebühren in seinem Erkenntnis vom 16.03.2006, G 85.86/35, ausgesprochen, dass bei geringfügigen finanziellen Belastungen dem Gesetzgeber insoweit ein gestalterischer Spielraum verbleibt, als er seine politischen Zielvorstellungen innerhalb bestimmter inhaltlicher Schranken verwirklichen kann. Im vorliegenden Fall ist in Zusammenschau ein Anknüpfen an der tatsächlich „vorhandenen“ terrestrischen Versorgung eines Standortes für die Programmentgeltpflicht auch im Sinne des synallagmatischen Charakters des Programmentgelts sachlich gerechtfertigt.

Für den Hörfunkbereich stellt sich die vorliegende Frage der Zumutbarkeit von Zusatzaufwendungen derzeit nicht, da eine Einstellung der analogen Übertragung derzeit nicht ins Auge gefasst ist.“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 1. Dezember 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Abgeordnete Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher die Abgeordneten Dieter Brosz, MSc, Mag. Harald Stefan, Stefan Petzner und Dr. Josef Cap.

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, dagegen: F, G, B) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2011 12 01

                    Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher                                                 Dr. Peter Wittmann

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann