1638 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Umweltausschusses

über die Regierungsvorlage (1468 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Chemikalien-gesetz 1996 geändert wird (ChemG-Novelle 2011)

Das Chemikalienrecht der Europäischen Union wurde in den letzten Jahren deutlich weiter entwickelt. Es umfasst nun neben den von den Mitgliedstaaten schon seit Jahren umgesetzten Richtlinien (insbesondere die die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung regelnde Stoff- und Zubereitungsrichtlinie und die Verbotsrichtlinie - in Österreich durch das Chemikaliengesetz (ChemG) 1996, die Chemikalienverordnung (ChemV) 1999 und die Chemikalienverbotsverordnung umgesetzt) auch neuere direkt geltende EU-Verordnungen, insbesondere die Verordnungen (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung (Registration), Bewertung (Evaluation), Zulassung (Authorisation) und Beschränkung chemischer Stoffe (Chemicals) („REACH-Verordnung“, im Folgenden: REACH-V) und (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung („Classification“), Kennzeichnung („Labelling“) und Verpackung („Packaging“) von Stoffen und Gemischen („CLP-Verordnung“, im Folgenden: CLP-V), wobei die Regelungen der Stoff- und der Zubereitungsrichtlinie schrittweise durch entsprechende Regelungen der CLP-V bis Mitte 2015 ersetzt werden.

Für das Chemikaliengesetz stellt sich daher die Aufgabe, diese bis zum Eintritt der vollen Umstellung (Juni 2015) nebeneinander bestehenden und anzuwendenden Regelungssysteme (oben genannte im ChemG umgesetzte Richtlinien und neuere direkt geltende EU-Verordnungen) für den Rechtsadressaten, insbesondere bezüglich ihrer Abgrenzung und des abgestuften Überganges vom alten auf das neue System in der Übergangsperiode, in Form von klaren, überschaubaren und nachvollziehbaren Regelungen transparent zu machen und ihm Sicherheit zu bieten, welche Regelungen jeweils anzuwenden sind. Auch müssen wichtige Teile des Chemikaliengesetzes mit dem neuen System bezüglich Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung (CLP-V) in Übereinstimmung gebracht werden.

Zur Durchführung und Vollziehung dieser EU-Verordnungen und zur Anpassung an das geltende Chemikaliengesetz in Österreich wurden durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 88/2009 vom 18. August 2009 zur Durchführung der REACH-V und Änderung des Chemikaliengesetzes 1996 erste, dringend erforderliche Begleitvorschriften für die REACH-V und CLP-V sowie dringende Anpassungsmaßnahmen erlassen; insbesondere wurde die nationale zuständige Behörde für die REACH-V festgelegt, die Durchführung ausgewählter Aufgaben, die durch die REACH-V den Mitgliedstaaten übertragen sind, ausdrücklich näher geregelt, sowie Überwachungs- und Strafbestimmungen erlassen. Dies geschah in der Form, dass aus Gründen der Dringlichkeit und Komplexität der Materie neben einer eingeschränkten Novellierung des Chemikaliengesetzes ein zweites, eigenes Bundesgesetz, das REACH-Durchführungsgesetz (REACH-DG) erlassen wurde, wodurch es zu einer Aufsplitterung der Rechtsmaterie Chemikalienrecht in zwei gesonderte Bundesgesetze kam.

Auf Grund von Erfahrungen in der Durchführung und Vollziehung der genannten Verordnungen (EG) und als Resultat des Erfahrungsaustausches im Rahmen von Arbeitsgruppen und Gremien auf Gemeinschaftsebene stellte sich heraus, dass mit den durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 88/2009 erlassenen Vorschriften nicht das Auslangen gefunden werden konnte, sondern dass insbesondere bezüglich der Durchführung weitere Ausführungsregelungen hinsichtlich der übertragenen REACH-Aufgaben sinnvoll und zweckmäßig sind.

Weiters sind entsprechende Maßnahmen, wie die Festlegung einer nationalen zuständigen Behörde für die CLP-V und Ausführungen zu den den Mitgliedstaaten durch die CLP-V übertragenen Aufgaben, noch nicht erfolgt; darüber hinaus ist eine Abgleichung mit den Instrumenten der Marktüberwachung gemäß Marktüberwachungsverordnung (EG) Nr. 765/2008 notwendig. Es ist auch erforderlich, die besonderen Regelungen im Umgang mit Giften, die sich seit Jahrzehnten bewährt haben, schrittweise an das neue Regime der CLP-V (Einstufung, Verpackung, Kennzeichnung) anzupassen und somit das bestehende Schutzniveau beizubehalten.

Ziel

Neben der schon oben dargestellten Schaffung von Rechtssicherheit für die Rechtsadressaten im Hinblick auf das jeweils anzuwendende Regelungsregime ist es Ziel dieser Novellierung des ChemG 1996 , einerseits die mit dem REACH-Durchführungsgesetz erfolgte Anpassung zu vertiefen, um die gewonnenen Erfahrungen einfließen zu lassen, andererseits eine konzeptionelle Anpassung an die CLP-V (zuständige Behörde, nähere Ausführungsregelungen zu den an die Mitgliedstaaten übertragenen Aufgaben) zu sichern. Weiters soll das gesamte Chemikalienrecht wieder durch ein einziges Bundesgesetz, das sowohl die EU-rechtlichen als auch die nationalen Elemente enthält, geregelt werden.

Bewährte Elemente des österreichischen Chemikalienrechtes sollen in adaptierter Form beibehalten werden, um das existierende Schutzniveau aufrecht zu erhalten. Dies betrifft im Wesentlichen die Maßnahmen zur Anwendung und Überwachung der Bestimmungen - einschließlich der EU-Verordnungen – in Form geeigneter Vollzugsinstrumente, die nähere Ausführung der Befugnisse der Vollzugsbehörden sowie die besonderen Regelungen im Umgang mit Giften. Weiters muss sichergestellt werden, dass die im Chemikalienrecht umgesetzten Regelungen der Stoff- und Zubereitungsrichtlinie bezüglich Einstufung Kennzeichnung und Verpackung, die teils im Chemikaliengesetz 1996 selbst und teils in der Chemikalienverordnung 1999 enthalten sind, bis zur vollständigen Umstellung (Juni 2015) beibehalten werden können. Eine Kompatibilität mit den Instrumenten des Marktüberwachungsrechts (EG Nr. 765/2008) soll weiters garantiert werden.

Inhalt, Problemlösung

Durch die Novellierung des Chemikaliengesetzes sollen die oben dargestellten Aspekte einer befriedigenden Lösung zugeführt werden, um den aktuellen Anforderungen des EU-Rechts voll zu entsprechen. Auf Grund des im obigen Abschnitt „Problem“ dargestellten Handlungsbedarfs werden zusätzliche nähere Ausführungsregelungen hinsichtlich der Durchführung der REACH-V und der CLP-V aufgenommen. Denn das REACH-Durchführungsgesetz enthielt einerseits nur eine Festlegung des Bundesministers als national zuständige Behörde für die REACH-V in Verbindung mit der allgemeinen Anordnung, dass der Bundesminister zur Wahrnehmung aller notwendigen Aufgaben berufen ist, soweit durch das Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, und andererseits nur für die Durchführung einiger in der REACH-V den Mitgliedstaaten (durch den Bundesminister wahrzunehmende) überlassenen Aufgaben nähere Ausführungen, wie beispielsweise die Nominierung von Personen für bestimmte nach der REACH-V eingerichtete Ausschüsse und die Erstellung von Beschränkungs- und Zulassungsdossiers.

So werden nun weitere wesentliche den Mitgliedstaaten übertragene Aufgaben im Zusammenhang mit der REACH-V und der CLP-V - wie zB die Stoffbewertung oder die Einbringung von Vorschlägen zur harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen – explizit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zugeordnet und dieser für die CLP-V als zuständige Behörde vom Gesetzgeber bestimmt. Zur Durchführung dieser Aufgaben kann sich der Bundesminister der Mitwirkung der Umweltbundesamt GmbH als Umweltschutzfachstelle des Bundes iSd § 6 des Umweltkontrollgesetzes bedienen und somit die fachliche Expertise des Umweltbundesamtes nützen. Weiters wird entsprechend den Vorstellungen der Europäischen Kommission das nationale Vollzugsinstrumentarium an das Marktüberwachungsrecht angepasst.

Im Interesse einer einheitlichen und für die Normadressaten übersichtlichen Chemikaliengesetzgebung sind daher die Inhalte des mit BGBl. I Nr. 88/2009 (Artikel I) erlassenen Bundesgesetzes zur Durchführung der REACH-Verordnung (im Folgenden: REACH-DG) in diese Novelle des Chemikaliengesetzes aufzunehmen und werden damit zu Bestandteilen des ChemG 1996 (das REACH-DG wird aufgehoben).

Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit und Anwenderfreundlichkeit und um eine klare Struktur des Chemikaliengesetzes wieder herzustellen, sollen an Stelle von zahlreichen und sehr detaillierten Novellierungsanweisungen die §§ 1 – 9 formal neu erlassen werden.

Darüber hinaus sollen die bewährten Vorschriften des Giftrechts beibehalten werden. Um das existierende Schutzniveau in Bezug auf Stoffe, die eine erhebliche Gesundheitsgefahr herbeiführen können, zu erhalten, ist es notwendig, die relevanten Bestimmungen entsprechend dem Stufenplan (unterschiedliche CLP-Anwendungstermine für Stoffe und Gemische – 1.12.2010 /1.6.2015) auf die neuen Kriterien der CLP-V, die den alten im Giftrecht erfassten Kriterien weitgehend entsprechen, umzustellen. Gleichzeitig werden bestimmte, durch das EU-Recht obsolet gewordene Meldepflichten (vor allem die Bestimmungen zur Giftliste) aufgehoben und dadurch Erleichterungen des administrativen Aufwandes für Behörden und Unternehmen erreicht. Weitere Erleichterungen sind im Bereich der Erlangung von Giftbezugsbewilligungen für bestimmte Gewerbe und land- und forstwirtschaftliche Betriebe vorgesehen, wobei eine Umstellung des gegenwärtigen Bewilligungssystems auf ein Meldesystem der betroffenen Wirtschaft ermöglicht werden soll. Bei diesen Maßnahmen wurde jedoch besonderes Augenmerk auf den weitgehenden Erhalt des gegenwärtigen Schutzniveaus gelegt, das mittlerweile seit Jahrzehnten in Österreich etabliert und allgemein akzeptiert ist.

 

Der Umweltausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage erstmals in seiner Sitzung am 09. November 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Ing. Hermann Schultes die Abgeordneten Hannes Weninger, Werner Neubauer, Mag. Rainer Widmann sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Christiane Brunner.

 

An der Debatte bei der Sitzung des Umweltausschusses am 11. Jänner 2012 beteiligten sich die Abgeordneten Ing. Hermann Schultes, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Harald Jannach, Martina Schenk, Hannes Weninger sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Ing. Hermann Schultes, Hannes Weninger und Mag. Christiane Brunner einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

 

„Erläuterungen:

Zu lit. a (§ 4 Abs. 2), lit. e (§ 17 Abs. 1) und lit. g (§ 45 Abs. 4)

Die Einvernehmensbindungen zu den in § 4 Abs. 2, § 17 Abs. 1 und § 45 Abs. 4 festgelegten Verordnungsermächtigungen werden durch ein Einvernehmen des Bundesministers für Gesundheit ergänzt, da diese Regelungen unter anderem auch die Auswirkungen von Chemikalien auf die menschliche Gesundheit als wichtigen Aspekt behandeln.

Zu lit. b § (6 Abs. 4), lit c (§ 6 Abs. 5) und lit. d (§ 7 Abs. 3)

Hinsichtlich der Erstellung von Dossiers für die Einführung von Beschränkungen und Verboten, für die Aufnahme von Stoffen in das Zulassungsverfahren, sowie für die harmonisierte Einstufung von Chemikalien soll auch das Bundesministerium für Gesundheit in einem frühen Stadium in Form eines Einvernehmens eingebunden werden, da auch hier  Aspekte der menschlichen Gesundheit eine Rolle spielen.

Zu lit. f (§ 25 Abs. 3)

In Hinkunft sollen die Sicherheitsdatenblätter dem für Agenden der Arbeitsmedizin zuständigen Bundesminister für Gesundheit im Bedarfsfall zur Verfügung gestellt werden. Weiters wird der Begriff „Abnehmer“,  der durch die REACH-Verordnung als nachgeschalteter Anwender oder Händler, d.h. als gewerblich oder industriell tätige Person definiert ist, unter Berücksichtigung des gemäß § 25 Abs. 3 der Chemikalienverordnung 1999 bisher geltenden Rechts durch den Begriff „Käufer“ ersetzt. Mit dieser Änderung soll klar gestellt werden, dass – für den Fall, dass für ein für die allgemeine Öffentlichkeit bestimmtes Produkt (Stoff oder Gemisch) ein Sicherheitsdatenblatt vorgeschrieben ist – jeder Käufer eines solchen gefährlichen Produktes auch zukünftig auf Anfrage Zugang zum Sicherheitsdatenblatt haben soll. Selbstverständlich bleibt dadurch Artikel 31 Abs. 1 der REACH-V (obligatorisches Zur-Verfügung-Stellen des SDB für Abnehmer) unberührt.

Zu lit. h (§ 54 Abs. 4)

Inhalt und Umfang der in diesem Satz angesprochenen Meldungen bestimmen sich grundsätzlich nach EU-rechtlichen Vorgaben. Derzeit ist festgelegt, dass die Übermittlung von Daten für alle gefährlichen Zubereitungen zu erfolgen hat. Die EU-Kommission nimmt gemäß Art. 45 der CLP-Verordnung bis zum 20. Jänner 2012 eine Überprüfung vor, um die Möglichkeit einer Harmonisierung der verlangten Informationen (einschließlich der Festlegung des Formats) zu beurteilen, und wird, falls erforderlich, entsprechende Bestimmungen zu dieser Meldepflicht festlegen. Die nun zu streichende Passage „und auch bestimmte gefährliche Gemische von der Meldung ausnehmen“ war nur aufgenommen worden, um für den Fall der Festlegung von Ausnahmen durch EU-Recht entsprechend für eine diesbezügliche Anpassung auf nationaler Ebene gerüstet zu sein. Im Hinblick auf die Tatsache, dass dieser Fall jedoch durch die Formulierung „der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann … nähere Bestimmungen über …  und Umfang der Meldungen festlegen“ bereits abgedeckt ist, erübrigt sich die oben genannte Passage („und auch bestimmte gefährliche Gemische von der Meldung ausnehmen“).

Zu lit i (§ 54 Abs. 5)

Da auch die beiden Bundesministerien (Gesundheit / Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) in ihren Bereichen mit Risikomanagement-Maßnahmen in Bezug auf gefährliche Chemikalien befasst sind, erscheint ihre Einbindung in den Informationstransfer, der der Verbesserung dieser Maßnahmen dienen soll, sinnvoll.

Zu lit. j und k (§ 78 Abs. 2 und 2a)

Hier wird lediglich eine formale Korrektur (Ergänzung!) vorgenommen, da sowohl das BMWFJ als auch das BMASK im Text der Novelle das Einvernehmen für eine Verordnung gemäß § 4 Abs. 2 haben werden. In der Sache ändert sich daher durch diese Ergänzung nichts. Im neuen Abs. 2b werden die neuen Einvernehmenskompetenzen des BMG angeführt.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Ing. Hermann Schultes, Hannes Weninger und Mag. Christiane Brunner einstimmig beschlossen.

 

Ferner beschloss der Umweltausschuss einstimmig folgende Feststellungen:

„§ 25 des ChemG sieht vor, dass der Lieferant eines Stoffes oder eines Gemisches (einer Zubereitung) dem Abnehmer ein Sicherheitsdatenblatt zur Verfügung zu stellen hat. Im Sinne der verstärkt angesprochenen Verwaltungsvereinfachung geht der Umweltausschuss davon aus, dass dieser Anforderung Genüge getan ist, wenn dem Abnehmer beim Bezug z.B. auf der Rechnung bekannt gegeben wird, unter welchem Web-Link er das Sicherheitsdatenblatt des bezogenen Produktes mittels Downloads beziehen kann. Auf Verlangen des Abnehmers hat der Lieferant das Sicherheitsdatenblatt ohne weitere Kosten in Papierform auszuhändigen.“

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2012 01 11

                          Ing. Hermann Schultes                                                  Mag. Christiane Brunner

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau