1683 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über die Regierungsvorlage (1631 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten, das Privatschulgesetz und das Religionsunterrichtsgesetz geändert werden

und

über den Antrag 1804/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verankerung der Ernährungs- und Verbraucherbildung in der Neuen Mittelschule

Mit dem Gesetzentwurf in der Regierungsvorlage 1631 der Beilagen sollen die Neuen Mittelschulen beginnend mit dem Schuljahr 2012/13 in systematischer Weiterentwicklung der Hauptschulen als Pflichtschulen der Sekundarstufe I ins Regelschulwesen überführt werden. Die Neue Mittelschule wird seit dem Schuljahr 2008/09 in allen Bundesländern als vierjähriger Modellversuch auf Grundlage der „Modellversuchsbestimmung“ des § 7a SchOG vorwiegend an Hauptschulen geführt. Mit Beginn des Schuljahres 2018/19 sollen sie die Hauptschulen komplett ersetzen, wobei die ersten Klassen der Hauptschulen bundesländerweise nach Maßgabe gesetzlich bestimmter und mit den Präsidenten der Landesschulräte akkordierter Kontingente in die Neue Mittelschule umgewandelt werden.

Die Neue Mittelschule soll als vierjähriger Bildungsgang an die 4. Stufe der Volksschule anschließen und die Schülerinnen und Schüler je nach Interesse, Neigung, Begabung und Fähigkeit für den Übertritt in mittlere oder in höhere Schulen befähigen und auf das Berufsleben vorbereiten. Weiters soll sie diesen ab der 7. Schulstufe in den differenzierten Pflichtgegenständen eine vertiefte, nach Maßgabe der individuellen Leistungsfähigkeit aber jedenfalls eine grundlegende Allgemeinbildung vermitteln. Die pädagogische Konzeption der Neuen Mittelschule (Bildung von Förder- und Leistungskursen, Maßnahmen der Individualisierung und Förderung, temporäre Bildung von Schülergruppen und Teamteaching) soll diese als Leistungsschule positionieren. Allgemein bildende höhere Schulen (AHS) sollen nach wie vor die Möglichkeit haben, Modellversuche zur Neuen Mittelschule zu führen, und zwar unter der Voraussetzung, dass der Schulgemeinschaftsausschuss der betreffenden Schule darüber entschieden hat, der Landesschulrat seine Zustimmung erteilt und die zuständige Bundesministerin den Modellplan nach Maßgabe der budgetären Bedeckbarkeit verordnet.

Zur Umsetzung des definierten Ziels ist die Neue Mittelschule im Regelschulwesen zu verankern. Weiters sind die für die Neue Mittelschule spezifischen Bestimmungen in den Bereich des Schulunterrichts aufzunehmen. Dafür ist eine Reihe von Gesetzen (und Verordnungen) zu ändern, allen voran das Schulorganisationsgesetz (SchOG) und das Schulunterrichtsgesetz (SchUG). Im SchOG erfolgt die organisationsrechtliche Verankerung der Neuen Mittelschule und der Übertrittsbestimmungen in andere Schularten. Die für die Neue Mittelschule spezifischen Bestimmungen zu Unterricht, Leistungsfeststellung und -beurteilung, Zeugnis, Differenzierung usw. werden im SchUG geregelt. Weitere vorwiegend redaktionelle Änderungen finden sich im Schulpflichtgesetz, im Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, im Schulzeitgesetz 1985, im Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetz, im Bildungsdokumentationsgesetz, in den Minderheitenschulgesetzen für das Burgenland und für Kärnten, im Privatschulgesetz und im Religionsunterrichtsgesetz.

 

Der Entschließungsantrag 1804/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Verankerung der Ernährungs- und Verbraucherbildung in der Neuen Mittelschule wurde am 7. Dezember 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

 

„Der Entwurf betreffend den Lehrplan der NMS sieht vor, dass der Pflichtgegenstand „Ernährung und Haushalt“, welcher bis dato in der Hauptschule unterrichtet wurde, als alternativer Pflichtgegenstand bei u. a. „..lebenskundlicher...“ Schwerpunktsetzung vorgesehen ist. Begründet wird dieses Faktum mit hoher Wahrscheinlichkeit damit, dass sich der Entwurf am LP der gymnasialen Unterstufe orientiert und dort das Fach nicht vorgesehen ist. Mit dem Weglassen des Faches aus dem Pflichtfächerbereich in der NMS wird jedoch eine mögliche Chance vergeben, ALLE SchülerInnen in der Pflichtschule mit Kompetenzen zur Bewältigung des Alltags auszustatten. Dies würde eine Schulentwicklung bedeuten die sich gegen die gesellschaftlichen Entwicklungen bewegt und auch die bildungspolitische Antwort auf WHO-Mitgliedschaft und OECD-Anforderungen vermissen lässt.

Angesichts wachsender gesundheitlicher Probleme, die ihren Ursprung in der (falschen) Ernährung haben (Übergewicht, Diabetes Typ 2 bei Kindern und Jugendlichen etc.), sowie der Zunahme von Überschuldung privater Haushalte aufgrund mangelnder wirtschaftlicher Kompetenzen und der wachsenden Bedeutung der VerbraucherInnenbildung muss hier auf die Notwendigkeit einer Ernährungs- und VerbraucherInnenbildung für ALLE im Bereich der Sekundarstufe 1 hingewiesen werden.

Der Lehrplan im angesprochenen Fach beinhaltet die Anbahnung vor allem dieser Kompetenzen und sollte eher noch deutlicher ausgebaut werden. Es ist gesellschaftspolitisch bedenklich, um nicht zu sagen verantwortungslos, eines jener Fächer aus dem Pflichtkanon zu streichen, das sich der Kompetenzbildung für die Bewältigung des Lebensalltags verschrieben hat. Es kann auch nicht Ziel der schulischen Bildung (Allgemeinbildung) sein, genau jene Bereiche an außerschulische, nonformale Lernorte abzugeben, die für die Werteentwicklung einer Gesellschaft einen wesentlichen Beitrag leisten. (In Kochstudios lernen Kinder vielleicht kochen, die Zusammenhänge zwischen Konsum, Ernährung, Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Verantwortung jedes/r Einzelnen sind dort jedoch kein Thema.)

Es gibt bereits viele Initiativen in der Gesundheits- und Ernährungsbildung - auch in der AHS - und sie sind wünschenswert. Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass all diese Initiativen nur dann erfolgreich sind, wenn sie in langfristige Lernprozesse eingebunden und von einem didaktischen Gesamtkonzept getragen sind. Dazu ist es im Zuge des Reformprozesses notwendig, einen Pflichtgegenstand wie "Ernährung und Haushalt" zu etablieren und diesen auch mit einem Stundenkontingent (3-4 Stunden in der Sek 1) auszustatten, wo handlungsorientiertes Gesundheits-, Ernährungs- und VerbraucherInnenlernen möglich wird.

Die LehrerInnenausbildung wurde auch im Fachbereich Ernährung und VerbraucherInnenbildung sowohl in fachdidaktischer als auch fachwissenschaftlicher Ausrichtung auf Hochschulniveau angehoben. Die österreichischen AusbildnerInnen dieses Fachbereichs sind international vernetzt (D-A-CH) und im fachlichen Austausch, entwickeln Konzepte (Referenzrahmen) und publizieren bedeutsame Ergebnisse (z. B. Methodenmanual). Das gängige Vorurteil, es handle sich bei diesem Unterrichtsgegenstand ausschließlich um fachpraktische Übungen („nur kochen“) ist ebenso überholt, wie die Vorstellung, dass jede, die nicht zwei linke Hände hat, dieses unterrichten kann.

Eine eingehende Prüfung der angeführten Argumente zur Verankerung der Ernährungs- und VerbraucherInnenbildung im Pflichtkanon der NMS ist notwendig. Die aktuelle Bildungsdiskussion, der Entwurf einer neu gedachten Sekundarstufe 1, eröffnet die Chance eine wirksame Gesundheits- Ernährungs- und VerbraucherInnenbildung für ALLE strukturell zu verankern.“

 

Der Unterrichtsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage sowie den Entschließungsantrag 1804/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen, in seiner Sitzung am 1. März 2012 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Elmar Mayer die Abgeordneten Werner Amon, MBA, Dr. Harald Walser, Ursula Haubner, Franz Riepl, Mag. Katharina Cortolezis-Schlager, Anna Franz und Stefan Petzner sowie die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied und der Ausschussobmann Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Elmar Mayer und Werner Amon, MBA einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 1 Z 10 des Gesetzentwurfes bezieht, und der wie folgt begründet war:

„Die Änderung betrifft die Klarstellung, dass das Fach Ernährung und Haushalt an der Neuen Mittelschule als Pflichtfach in den Lehrplänen vorzusehen ist.

Aufgrund der Tatsache, dass sich die Führung dieses Faches in den nun in Neue Mittelschulen umzuwandelnden Hauptschulen bewährt hat und eine – sowohl theoretische wie praktische – Bildung der Jugendlichen in diesem Bereich geboten scheint, soll dies auch weiterhin sichergestellt werden.“

 

Weiters haben die Abgeordneten Elmar Mayer und Werner Amon, MBA einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 1, 2, 3 und 6 des Gesetzentwurfes bezieht, und der wie folgt begründet war:

„Mit BGBl. I Nr. 9/2012 wurde das Gesetzespaket „Oberstufe Neu und Einführung der Integration auf der 9. Schulstufe“ kundgemacht. Im Rahmen dieses Gesetzespaketes werden eine Reihe von Gesetzen geändert, die auch von dem Gesetzespaket  „Einführung der Neuen Mittelschule ins Regelschulwesen“, das sich derzeit in parlamentarischer Behandlung befindet, betroffen sind. Dabei handelt es sich um das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz.

Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Zweckmäßigkeit wurden diese beiden großen Pakete in der legistischen und parlamentarischen Behandlung voneinander getrennt, wobei sich beide Pakete inhaltlich auf die geltende Rechtslage zu beziehen hatten. Das Gesetzespaket zur Neuen Mittelschule wird nun in diversen Bereichen vom Gesetzespaket zur Oberstufe Neu überlagert. Dies betrifft die Bestimmungen zum Inkrafttreten, die nun entsprechend der neu hinzugetretenen Absätze anzupassen sind und den Themenbereich des Schulpflichtgesetzes 1985. Die Änderungen sind nicht inhaltlicher, sondern rein redaktioneller Natur.

Zu Z 1 bis 4, 10 und 11 des Abänderungsantrages:

Diese Änderungen resultieren daraus, dass in den Inkrafttretensbestimmungen des Gesetzespaketes „Oberstufe Neu und Einführung der Integration auf der 9. Schulstufe“ in den oben angesprochenen Gesetzen, die Gegenstand beider Pakete sind, jeweils ein Absatz hinzugekommen ist und daher die Absatzbezeichnungen entsprechend anzupassen sind.

Zu Z 5 bis 9 des Abänderungsantrages:

Das Schulpflichtgesetz 1985 wird im Rahmen beider Gesetzespakete geändert. Es wird einerseits die Integration auf der 9. Schulstufe verankert und anderseits die Neue Mittelschule an diversen Stellen des Schulpflichtgesetzes 1985 redaktionell ergänzt. Zum Teil sind hier dieselben Bestimmungen betroffen. Der Inkrafttretenszeitpunkt ist in beiden Paketen mit 1. September 2012 festgelegt. Es ist somit vorgesehen, dass zum selben Zeitpunkt zwei verschiedene Versionen ein und derselben Bestimmung in Kraft treten. Dieses Problem kann legistisch so gelöst werden, indem man das Inkrafttreten hinsichtlich des betroffenen Gesetzes um einen Tag verschiebt, was mit Z 9 vorgenommen wird. Dadurch wird es möglich, die mit 1. September 2012 bereits in Kraft stehenden Bestimmungen des Pakets Oberstufe Neu zu novellieren, was mit den Z 5 bis 8 vorgenommen wird.

Die Z 7 und 8 betreffen im Übrigen nicht die Regeln zur Integration auf der 9. Schulstufe, sondern  beinhalten eine Klarstellung, wann der Weiterbesuch der Volksschule, Hauptschule und Neuen Mittelschule im 9. oder in einem freiwilligen 10. Schuljahr möglich sein soll.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der oben erwähnten Abänderungsantrage der Abgeordneten Elmar Mayer und Werner Amon, MBA mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, dagegen: F, G, B) beschlossen.

 

Ein weiterer im Zuge der Debatte von dem Abgeordneten Dr. Harald Walser eingebrachter Abänderungsantrag fand keine Mehrheit (dafür: G, B, dagegen: S, V, F).

 

Ebenso fand ein weiterer im Zuge der Debatte von der Abgeordneten Ursula Haubner eingebrachter Abänderungsantrag fand keine Mehrheit (dafür: G, B, dagegen: S, V, F).


 

Ferner beschloss der Unterrichtsausschuss mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, B, dagegen: F) folgende Feststellungen:

„Der Unterrichtsausschuss stellt fest, dass das BMUKK - wie im Schulversuch – weiterhin 6 zusätzliche Wochenstunden je Klasse finanziert. Somit stehen jeder NMS Klasse jedenfalls diese zusätzlichen 6 Lehrerwochenstunden für Individualisierungsmaßnahmen in den Unterrichtsgegenständen Deutsch, Mathematik und Lebende Fremdsprache im Sinne der Lehr- und Lerninhalte der Neuen Mittelschule zur Verfügung.“

 

Der Entschließungsantrag 1804/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verankerung der Ernährungs- und Verbraucherbildung in der Neuen Mittelschule gilt als miterledigt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2012 03 01

                                    Elmar Mayer                                                             Dr. Walter Rosenkranz

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann