1700 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (1677 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972 und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden

Der vorliegende Entwurf hat drei Schwerpunkte. Zunächst sollen die innerstaatlichen Voraussetzungen zur Durchführung der Verpflichtungen aus dem Rahmenbeschluss des Rates 2009/315/JI vom 26. Februar 2009 über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 93 vom 7.4.2009 (in der Folge: RB Strafregister), geschaffen werden, indem Bestimmungen des Strafregistergesetzes und des Tilgungsgesetzes geändert werden. Die unmittelbar zur Umsetzung dieses Rahmenbeschlusses erforderlichen Bestimmungen sind bereits als §§ 77 bis 80 EU-JZG durch das EU-JZG-ÄndG 2011, BGBl. I Nr. 134/2011, geschaffen worden (Regelungen über Inhalt und Form des Ersuchens, über den einzuhaltenden Geschäftsweg sowie betreffend die Bedingungen für die Verwendung der übermittelten personenbezogenen Daten). Der Rahmenbeschluss ist bis zum 27. April 2012 innerstaatlich umzusetzen.

Weiters sollen Erfahrungen aus der Praxis im Hinblick auf die Anwendung der neuen Bestimmungen über das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren in den Jahren nach dem Inkrafttreten der Strafprozessreform (Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, Strafprozessreformbegleitgesetze, BGBl. I Nr. 93/2007 und Nr. 112/2007) sowie aus einzelnen Anlassfällen offenkundig gewordener Reformbedarf durch entsprechende Anpassungen im Gesetz berücksichtigt und redaktionelle Versehen beseitigt werden. Zu diesem Zweck werden Änderungen im Tilgungsgesetz und der Strafprozessordnung vorgeschlagen.

Schließlich soll auch aus Anlass der in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit vermehrt Beachtung findenden Missbrauchsfälle zum Zweck eines noch wirksameren Schutzes von minderjährigen Kindern den Trägern der öffentlichen Jugendwohlfahrt eine umfassende Gefährdungsabklärung dadurch ermöglicht werden, dass diese bei einem konkreten Verdacht einer Kindeswohlgefährdung durch eine bestimmte Person eine unbeschränkte Auskunft aus dem Strafregister erhalten sollen.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 13. März 2012 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Ridi Maria Steibl die Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Hannes Fazekas, Gerald Grosz, Mag. Albert Steinhauser sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer und Dr. Johannes Jarolim einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Z 1 (Art. 1 Änderung des Strafregistergesetzes)

Zu Z a (§ 3 Abs. 4a):

Mit dem Wahlrechtsänderungsgesetz 2011 wurde durch das Einfügen des Abs. 4a in den § 3 des Strafregistergesetzes 1968 die Verpflichtung eines Gerichts in der Rechtsordnung verankert, gegebenenfalls gleichzeitig mit der Übermittlung der Strafkarte an die Bundespolizeidirektion Wien der die Wählerevidenz führenden Gemeinde die Tatsache des Ausspruchs über den Ausschluss einer Person vom Wahlrecht sowie die Höhe der Haftstrafe unmittelbar mitzuteilen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sind die Länder derzeit dazu angehalten, ihre Wahlrechtskodifikationen in der Weise zu modifizieren, dass bei Landtagswahlen, bei Gemeinderatswahlen und – wo im Landesrecht entsprechend verankert - bei Bürgermeisterwahlen die Bedingungen des Wahlrechts und der Wählbarkeit nicht enger gezogen sind, als dies in der Bundesverfassung für Wahlen zum Nationalrat vorgesehen ist. In jenen Ländern, in denen sich die Gemeinden bei Vollziehung der Landtagswahlen, Gemeinderatswahlen und Bürgermeisterwahlen der durch Bundesgesetz eingerichteten Wählerevidenz zu bedienen haben, kommt § 3 Abs. 4a des Strafregistergesetzes 1968 bei diesen Wahlen in gleicher Weise zu tragen wie bei Wahlereignissen auf Bundesebene. Dies trifft jedoch nicht auf jene Länder zu, in der eigene "Landes-Wählerevidenzen" eingerichtet sind. Dabei handelt es sich um das Burgenland („Burgenländisches Wählerevidenz-Gesetz"), Niederösterreich („Landesbürgerevidenzgesetz„) sowie um Vorarlberg („Gesetz über die Wahl- und Stimmberechtigtenkartei„). Im Hinblick auf die in den Ländern stattfindende Anpassung der erwähnten Wählerevidenz-Kodifikationen scheint es erforderlich, den Geltungsbereich des § 3 Abs. 4a des Strafregistergesetzes 1968 entsprechend auszudehnen.

Zu Z b (§ 14 Abs. 10):

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten auch von § 3 Abs. 4a.

Zu Z 2 (Art. 3 Änderung der Strafprozessordnung)

Zu Z a (§ 112):

Gegenüber der Regierungsvorlage sollen folgende Änderungen vorgenommen werden:

Das Recht, Widerspruch zu erheben, soll auch weiterhin den der Tat dringend verdächtigen Berufsgeheimnisträgern zum Schutz der ihnen anvertrauten Tatsachen, die in keinem Zusammenhang mit dem Verdacht stehen, zustehen (s. auch § 144 Abs. 3 StPO).

Das Verfahren zur Entscheidung über den Widerspruch, mithin der Sichtung der sichergestellten Unterlagen mit Blick darauf, ob sie einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, soll grundsätzlich dem von den Ermittlungen unabhängigen Gericht obliegen. Nur, wenn der Betroffene selbst – unter Beachtung seiner berufsrechtlichen Verpflichtungen – die Durchführung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft beantragt, soll auch diese über Ausfolgung und Beschlagnahme zu entscheiden haben, wobei dem Betroffenen gegen diese Entscheidung Einspruch an das Gericht mit der Wirkung zustehen soll, dass die Unterlagen ohne weitere Sichtung oder Verwertung dem Gericht vorzulegen sind. Motiv eines solchen Antrags könnte etwa die Erwartung sein, rascher wieder über Unterlagen zu verfügen, die für die Berufsausübung notwendig sind.

In diesem Zusammenhang stellt der Justizausschuss ausdrücklich fest, dass zur Erhebung des Widerspruchs auch jene Personen berechtigt sind, die das Anwesenheitsrecht des jeweiligen Geheimnisträgers substituieren. Bei Rechtsanwälten, Notaren und Wirtschaftstreuhändern ist diese Möglichkeit der Erhebung des Widerspruchs „in Vertretung“ im Übrigen auch dadurch gewährleistet, dass der Durchsuchung zwingend ein Vertreter der jeweiligen Kammer beizuziehen ist. Auch dieser kann einen Widerspruch geltend machen.

Ausdrücklich soll auch festgehalten werden, dass ab Erhebung eines Widerspruchs in die sichergestellten Unterlagen weder von Staatsanwaltschaft noch von Kriminalpolizei Einsicht genommen werden darf (siehe § 112 erster Satz letzter Halbsatz StPO in der geltenden Fassung).

Das Verfahren der Sichtung vor Gericht (oder Staatsanwaltschaft) soll eine Bezeichnung der Unterlagen voraussetzen, die vom Schutz des Berufsgeheimnisses erfasst sind. Anders als noch nach der Regierungsvorlage vorgesehen, soll die Frist mindestens 14 Tage betragen, im Übrigen jedoch nach Umfang der Unterlagen nach Ermessen festzusetzen sein. Eine Bezeichnung verlangt nicht ein Eingehen auf den Inhalt der Unterlagen, sondern bloß den konkreten Hinweis, dass z.B. ein sichergestellter Akt in keinem Zusammenhang mit dem gegenständlichen Ermittlungsverfahren steht; ausreichend soll stets sein, dass behauptet wird, welche Teile der sichergestellten Unterlagen einem Beweisverwertungsverbot wegen Umgehung des Berufsgeheimnisses unterliegen. Klargestellt wird auch, dass der Betroffene jederzeit in die Unterlagen Einsicht nehmen kann, um dieser Bezeichnungspflicht auch nachkommen zu können.

Der Umstand, dass dem Gericht ermöglicht werden soll, Hilfspersonen oder Sachverständige beizuziehen, erklärt sich schon aus dem Umstand, dass es sich vielfach um elektronische Unterlagen handelt, deren Sichtung technischen Sachverstand voraussetzt. Es versteht sich von selbst, dass diese Hilfspersonen keine Angehörige der Ermittlungsbehörden sein dürfen. Führt das Gericht die Sichtung, so hat es auch selbst einen Sachverständigen zu bestellen (s. § 126 Abs. 3 StPO).

Es soll auch eindeutig hervorgehoben werden, dass die Sichtung in jedem Fall in Anwesenheit des Betroffenen vorzunehmen ist.

Im letzten Satz des Abs. 2 wird zum umfänglichen Schutz des Berufsgeheimnisses nochmals betont, dass aus der Sichtung gewonnene Erkenntnisse bei sonstiger Nichtigkeit nicht für weitere Ermittlungen oder als Beweis verwendet dürfen, soweit auf deren Ausfolgung an den Betroffenen entschieden wird.

Abs. 3 fasst die Rechtsschutzmöglichkeiten zusammen; wird das Verfahren von der Staatsanwaltschaft geführt, so steht gegen ihre Anordnung Einspruch mit der Wirkung zu, dass die Unterlagen dem Gericht zu übergeben sind, gegen den gerichtlichen Beschluss steht in jedem Fall das Rechtsmittel der Beschwerde mit aufschiebender Wirkung zu.

Zu Z b (§ 116 Abs. 6):

Die Neuregelung des § 112 ist nicht zuletzt aus verfahrensökonomischen Erwägungen im Wege des § 116 Abs. 6 nur bedingt für den Bereich der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte nach § 116 StPO anwendbar. Hier ist zu unterscheiden, ob von der betroffenen Bank eine Beschwerde mit der Behauptung der Unrechtmäßigkeit des Eingriffes in das Bankgeheimnis oder „Widerspruch“ gegen die Erteilung bestimmter Auskünfte oder Herausgabe von Unterlagen erhoben wird. Im ersten Fall soll über die Beschwerde das Oberlandesgericht erkennen, wobei durch die aufschiebende Wirkung der Beschwerde zunächst sichergestellt wird, dass eine Sicherstellung von Unterlagen erst auf Grund der abschließenden Entscheidung des Oberlandesgerichts zulässig ist. Im zweiten Fall soll der der Haft- und Rechtsschutzrichter die sichergestellten Unterlagen nach dem zu sichten und gegebenenfalls mit Beschluss für das Ermittlungsverfahren freizugeben haben. Dieser Beschluss kann wiederum mit einer Beschwerde, der aufschiebende Wirkung zukommt, angefochten werden.

Zu Z c (§ 514 Abs. 18):

Das Inkrafttreten der StPO-Änderungen soll mit 1. Juni 2012 festgelegt werden.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer und Dr. Johannes Jarolim mit wechselnden Mehrheiten (dafür: S, V, F, B, dagegen: G bzw. dafür: S, V, F, G, dagegen: B) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2012 03 13

                                Ridi Maria Steibl                                                     Mag. Heribert Donnerbauer

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann