Vorblatt

Problem:

Der Europäische Rat ist im Rahmen seiner Tagung am 28. und 29. Oktober 2010 übereingekommen, dass die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, einen ständigen Krisenmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets als Ganzes einrichten. Anlässlich seiner Tagung am 16. und 17. Dezember 2010 hat der Europäische Rat dem Vorschlag des belgischen Vorsitzes zur Ergänzung des Art. 136 AEUV zugestimmt und weiters festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Vertragsänderung im vereinfachten Änderungsverfahren gemäß Art. 48 Abs. 6 EUV vorliegen. Die Vertragsänderung, die der Europäische Rat am 25. März 2011 beschlossen hat, soll nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften mit 1. Jänner 2013 in Kraft treten.

Ziel:

Inkrafttreten der Ergänzung des Art. 136 AEUV mit 1. Jänner 2013.

Inhalt und Problemlösung:

Art. 136 AEUV wird durch einen Absatz ergänzt, der es den Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, erlaubt, einen Stabilitätsmechanismus einzurichten, der dann aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets als Ganzes zu wahren. Die Gewährung von Finanzhilfen im Rahmen dieses Mechanismus an einen Mitgliedstaat unterliegt strengen inhaltlichen Auflagen.

Alternativen:

Keine.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

– Finanzielle Auswirkungen:

Die Änderung des Art. 136 AEUV alleine bringt noch keine finanziellen Auswirkungen für den Bundeshaushalt, auf die Planstellen des Bundes und auf andere Gebietskörperschaften mit sich.

– Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

Die in Art. 136 AEUV vorgesehene Möglichkeit zur Schaffung eines Stabilitätsmechanismus ist die notwendige Voraussetzung zur Einrichtung dieses Instruments für den Umgang mit Risken zur Finanzstabilität des ganzen Euro-Währungsgebiets und trägt somit zur Wahrung der wirtschaftlichen und finanziellen Stabilität der Union bei.

– –Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

         Die Änderung des Art. 136 AEUV erhöht die Rechtssicherheit für allfällige Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Sicherung der Finanzstabilität im Euro-Währungsraum als Ganzes. Sie kann mittelbar insoweit positive Auswirkungen auf Beschäftigung und Wirtschaftsstandort entfalten, als für kleine, offene Volkswirtschaften wie Österreich, die eine überdurchschnittlich hohe außenwirtschaftliche Verflechtung aufweisen, die Stabilität des Euro-Währungsgebiets von besonderer Bedeutung ist.

– – Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürger/innen und für Unternehmen:

         Keine.

– Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

         Keine.

– Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

         Keine.

– Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

         Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Änderung des Primärrechtes der Europäischen Union gemäß Art. 48 Abs. 6 EUV („vereinfachtes Änderungsverfahren“).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Genehmigung des Nationalrates und Zustimmung des Bundesrates mit erhöhten Quoren gemäß Art. 23i Abs. 4 B-VG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 4 B-VG.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Der Beschluss des Europäischen Rates Nr. 2011/199/EU vom 25. März 2011 zur Änderung des Art. 136 AEUV hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, ist ein Beschluss zur vereinfachten Änderung des Dritten Teils des AEUV gemäß Art. 48 Abs. 6 EUV, der erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft tritt. Gemäß Art. 23i Abs. 4 B-VG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 4 B-VG bedarf dieser Beschluss der Genehmigung des Nationalrats und der Zustimmung des Bundesrats mit erhöhten Quoren.

Die Mitglieder des Europäische Rats stimmten im Rahmen der Tagung vom 28. und 29. Oktober 2010 vor dem Hintergrund des Berichts der Arbeitsgruppe „Wirtschaftspolitische Steuerung“ und zur Gewährleistung eines ausgewogenen und nachhaltigen Wachstums darin überein, dass die Mitgliedstaaten einen ständigen Krisenmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiet als Ganzes einrichten sollten. Der Präsident des Europäischen Rates wurde ersucht, mit den Mitgliedern des Europäischen Rates Konsultationen über eine begrenzte Vertragsänderung zu führen, die hierzu erforderlich ist, wobei Art. 125 AEUV (Haftungsausschluss für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten, sog. "no bail out-Klausel“) nicht geändert werden solle (Punkt 2 der Schlussfolgerungen).

Die Arbeitsgruppe „Wirtschaftspolitische Steuerung“ wurde durch den Europäischen Rat am 24. und 25. März 2010 eingerichtet und hat sich in den Punkten 4, 46 bis 50 und 57 ihres Abschlussberichtes vom 21. Oktober 2010 mit der Frage eines ständigen Krisenmechanismus auseinandergesetzt. Im Wesentlichen kommt die Arbeitsgruppe zu der Auffassung, dass ein dauerhaftes Nachfolgeinstrument für die im Mai 2010 vereinbarten und bis Mitte 2013 befristeten Schutzinstrumente – die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), eingerichtet am 7. Juni 2010, und der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) – mittelfristig erforderlich sei. Dieses dauerhafte Nachfolgeinstrument müsse ein glaubwürdiger Krisenbewältigungsmechanismus für die dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten darstellen, mit dem finanzielle Schwierigkeiten bewältigt werden können und deren Übergreifen auf andere Mitgliedstaaten verhindern könne.

Der Europäische Rat hat sich am 16. und 17. Dezember 2010 mit der Frage einer begrenzten Vertragsänderung nochmals beschäftigt und eine Einigung über den Wortlaut des Entwurfs eines Beschlusses zur Änderung des AEUV erzielt. Die Staats- und Regierungschefs waren sich darin einig, dass der AEUV dahingehend geändert werden sollte, dass die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets einen ständigen Mechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets („Europäischer Stabilitätsmechanismus“) einrichten können. Dieser Mechanismus soll den EFSF und den EFSM, die bis Juni 2013 in Kraft bleiben, ablösen.

Der Europäische Rat beschloss, das vereinfachte Änderungsverfahren gemäß Art. 48 Abs. 6 EUV anzuwenden und unverzüglich einzuleiten, um nach Anhörung der betroffenen Organe den Beschluss im März 2011 förmlich annehmen zu können. Die Zustimmungsverfahren in den Mitgliedstaaten sollten aus Sicht des Europäischen Rates bis Ende 2012 abgeschlossen werden und die Änderung am 1. Jänner 2013 in Kraft treten können.

Die Europäische Kommission gab am 15. Februar 2011 eine befürwortende Stellungnahme zum Beschlussentwurf des Europäischen Rates ab. Die Europäische Zentralbank äußerte sich in ihrer Stellungnahme am 17. März 2011 grundsätzlich ebenfalls positiv. Das Europäische Parlament legte seine Stellungnahme am 23. März 2011 vor.

Anlässlich seiner Tagung am 24. und 25. März 2011 hat der Europäische Rat schließlich den am 16. und 17. Dezember 2010 angenommenen Entwurf unverändert beschlossen. Der Beschluss (2011/199/EU) wurde im ABl. Nr. L 91 vom 06.04.2011 S. 1, veröffentlicht. Gemäß Art. 1 dieses Beschlusses wird dem Art. 136 AEUV folgender Absatz angefügt:

„(3) Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.“

Unionsrechtliche Grundlagen:

Der Beschluss des Europäischen Rates zur Änderung von Art. 136 AEUV stützt sich auf den durch den Vertrag von Lissabon neu eingeführten Art. 48 Abs. 6 des EUV. Der Vertrag von Lissabon änderte das Verfahren zur Änderung der die Europäische Union konstituierenden Verträge (einschließlich der Protokolle und Anhänge) grundlegend. Art. 48 EUV unterscheidet nunmehr zwischen einem ordentlichen und zwei Formen des vereinfachten Änderungsverfahrens.

Der vorliegende Beschluss des Europäischen Rates ist im vereinfachten Änderungsverfahren gemäß Art. 48 Abs. 6 EUV erlassen worden. Art. 48 Abs. 6 EUV sieht vor, dass der Europäische Rat einen Beschluss zur Änderung aller oder einzelner Teile der Bestimmungen des Dritten Teils des AEUV (dieser Teil regelt die internen Politikbereiche der Union) erlassen kann. Ein solcher Beschluss darf jedoch nicht zu einer Ausdehnung der Kompetenzen der Union führen. Die Durchführung eines vereinfachten Änderungsverfahrens kann von jedem Mitgliedstaat, der Europäischen Kommission oder dem Europäischen Parlament vorgeschlagen werden. Nach Anhörung des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und – bei institutionellen Änderungen im Währungsbereich – der Europäischen Zentralbank entscheidet der Europäischen Rat einstimmig mit Beschluss.

Ein derartiger Beschluss tritt erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft.

Verfassungsrechtliche Grundlagen:

Gemäß Art. 23i Abs. 4 B-VG ist auf andere (als im Art. 23i Abs. 3 B-VG genannte) Beschlüsse des Europäischen Rates oder des Rates, die nach dem Recht der Europäischen Union erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft treten, Art. 50 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden. Danach bedürfen solche Beschlüsse der Genehmigung des Nationalrates und der Zustimmung des Bundesrates, jeweils in Anwesenheit von mindestens der Hälfte ihrer Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, also mit erhöhten Quoren.

Nach erfolgter Genehmigung wird der Beschluss des Nationalrates und des Bundesrates gemäß Art. 23i Abs. 5 B‑VG unter Anschluss des Beschlusses Nr. 2011/199/EU unter Anwendung des § 5 Abs. 2 des Bundesgesetzblattgesetzes in deutscher Sprache im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden. Die übrigen authentischen Sprachfassungen werden dadurch kundgemacht werden, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.


Besonderer Teil

Zu den Erwägungsgründen (Präambel):

Einleitend nennt der Europäische Rat die rechtlichen Grundlagen, auf die er den vorliegenden Beschluss stützt. Weiters wird Bezug genommen auf den Vorschlag der belgischen Regierung vom 16. Dezember 2010 zur Änderung des Art. 136 AEUV und die zu diesem Vorschlag ergangenen Stellungnahmen des Europäischen Parlamentes vom 23. März 2011, der Europäischen Kommission vom 15. Februar 2011 und der Europäischen Zentralbank vom 17. März 2011.

In den folgenden insgesamt sechs Erwägungsgründen legt der Europäische Rat insbesondere die Rechtsgrundlage, die Entstehungsgeschichte und die Zielsetzung des Beschlusses dar.

Rechtsgrundlage für die Vertragsänderung ist Art. 48 Abs. 6 EUV. Dieser ermächtigt den Europäischen Rat nach vorheriger Anhörung des Europäischen Parlamentes und der Europäischen Kommission sowie – bei institutionellen Änderungen im Währungsbereich – auch der Europäischen Zentralbank einzelne oder alle Bestimmungen des Dritten Teiles des AEUV durch einstimmigen Beschluss zu ändern. Der Beschluss darf jedoch nicht zu einer Ausdehnung der der Union übertragenen Zuständigkeiten führen. Der Beschluss tritt erst nach anschließender Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft.

Hinsichtlich der Entstehungsgeschichte wird in den Erwägungsgründen 2 und 3 auf die Tagungen des Europäischen Rates vom 28. und 29. Oktober 2010 und vom 16. und 17. Dezember 2010 hingewiesen. Bei diesen Tagungen sind die Staats- und Regierungschefs übereingekommen, einen ständigen Krisenmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets einzurichten. Gemäß dem Vorschlag der belgischen Regierung vom 16. Dezember 2010 sollte Art. 136 AEUV ein neuer Absatz hinzugefügt werden, nach dem die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, einen – nur bei unbedingter Notwendigkeit zu aktivierenden – Mechanismus zur Wahrung der Stabilität des Euro-Währungsgebiets als Ganzes einrichten können, und in dem weiters festgehalten wird, dass die Gewährung der erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen dieses Mechanismus strengen Auflagen unterliegen wird. Gleichzeitig hat der Europäische Rat Schlussfolgerungen zum eigentlichen Stabilitätsmechanismus angenommen.

Nach dem Erwägungsgrund 4 stellt der neue Stabilitätsmechanismus das notwendige Instrument für den Umgang mit Risken für die Finanzstabilität des Euro-Währungsraumes, wie sie 2010 aufgetreten sind, zur Verfügung. Art. 122 Abs. 2 AEUV solle für derartige Zwecke daher künftig nicht mehr in Anspruch genommen werden.

Erwägungsgrund 5 nimmt auf die in Art. 48 Abs. 6 UAbs. 2 AEUV vorgesehenen Anhörungsrechte des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank zum Vorschlag der Vertragsänderung Bezug.

Erwägungsgrund 6 hält fest, dass die Änderung eine Bestimmung des Dritten Teiles des AEUV betrifft, die zu keiner Ausdehnung der der Union im Rahmen der Verträge übertragenen Zuständigkeiten führt.

Zu Art. 1:

Art. 1 ergänzt Art. 136 AEUV durch einen neuen Absatz 3. Dieser sieht die Möglichkeit zur Schaffung eines dauerhaften Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, vor. Dieser Mechanismus wird nur dann aktiviert, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets als Ganzes zu wahren. Die Bestimmung regelt weiters, unter welchen Umständen Hilfen auf Grundlage dieses Mechanismus gewährt werden können.

Zur inhaltlichen Voraussetzung der Hilfe:

Die Gewährung von Finanzhilfen im Rahmen dieses Mechanismus an einen Mitgliedstaat unterliegt strengen inhaltlichen Auflagen. Die nähere Präzisierung des Terminus der „strengen Auflagen“ obliegt den Euro-Mitgliedstaaten im Rahmen der Schaffung des Stabilitätsmechanismus.

Zu Art. 2:

Art. 2 betrifft die mitgliedstaatliche Genehmigung der Vertragsänderung. Die Mitgliedstaaten haben den Generalsekretär des Rates unverzüglich über den Abschluss des innerstaatlichen Verfahrens, welches nach den verfassungsrechtlichen Vorschriften für die Zustimmung zum vorliegenden Beschluss erforderlich ist, zu informieren. Der Beschluss tritt mit 1. Jänner 2013 in Kraft, sofern alle Mitteilungen bis zu diesem Zeitpunkt beim Generalsekretär des Rates eingegangen sind, andernfalls am ersten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die letzte der genannten Mitteilungen eingegangen ist.

Zu Art. 3:

Art. 3 bestimmt abschließend, dass der gegenständliche Beschluss des Europäischen Rates im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen ist.

Der Beschluss (2011/199/EU) wurde im ABl. Nr. L 91 vom 06.04.2011 S. 1 veröffentlicht.

 

Mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR wurde von der Vervielfältigung und Verteilung der bulgarischen, dänischen, englischen, estnischen, finnischen, französischen, gälischen, griechischen, italienischen, lettischen, litauischen, maltesischen, niederländischen, polnischen, portugiesischen, rumänischen, schwedischen, slowakischen, slowenischen, spanischen, tschechischen sowie der ungarischen Sprachfassung dieses Staatsvertrages Abstand genommen.

 

Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf. Überdies ist diese Regierungsvorlage mit allen Sprachfassungen auf der Homepage des Parlaments unter http://www.parlament.gv.at abrufbar.