Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser

zum Bericht des Budgetausschusses 1755 der Beilagen über die Regierungsvorlage (1729 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird

Inhalt dieser Regierungsvorlage ist die haushaltsrechtliche Ermächtigung

1.      zur Begründung der Vorbelastungen, die mit dem (im Ministerrat bereits abgesegneten und von BMin Doris Bures öffentlich präsentierten) ÖBB-Infrastruktur-Rahmenplan 2012-2017 bis 2066 durch Planung und Bau (incl. Schulden-Finanzierung) von Schieneninfrastruktur-Investitionen (entspr. § 42 Abs 2 Bundesbahngesetz) entstehen. Hier konkret: Annuitäten von 26,672 Mrd in 2013 bis 2017 -> VA-Ansatz 1/41148

2.      zur Begründung der Vorbelastungen, die aus den Zuschussverträgen nach § 42 Abs 1 und 2 Bundesbahngesetz für Infrastruktur-Betrieb und -Instandhaltung entstehen. Hier konkret: 6,211 Mrd Euro in den Finanzjahren 2013 bis 2017 -> VA-Ansatz 1/41148

3.      zur Begründung der zusätzlichen Vorbelastungen, die für die Bestellung Gemeinwirtschaftlicher Leistungen, also nicht kostendeckender Verkehrsangebote, bei Privatbahnen gemäß §3 Privatbahngesetz bzw für die Umsetzung der dazu abzuschließenden Verträge nötig sind (0,493 Mrd für 2013-2020) -> VA-Ansatz 1/41158

 

Zitat aus dem Vorblatt der Regierung: „Diese Ermächtigung bezieht sich ausschließlich auf Investitionen, die bis inklusive 2017 realisiert werden. Für Investitionen ab 2018 bedarf es neuerlicher gesetzl. Ermächtigung.“

Insgesamt geht es für diesen Zeitraum also um knapp 33 Mrd Euro für ÖBB-Bauvorhaben und ca. 0,5 Mrd Euro für das Zugsangebot der Privatbahnen.

 

Hintergrund ist das derzeitige Auf-Pump-Modell der österreichischen Schieneninfrastruktur-Finanzierung: Die tatsächlichen Mittel für die Investitionen muss die ÖBB als Schulden am Kapitalmarkt aufnehmen, der Bund zahlt lediglich einen Teil dieser Gelder – dzt. 70%, künftig voraussichtlich 75 (ab 2014) bzw 80% (ab 2017) - als Annuitäten über die nächsten Jahrzehnte verteilt zurück, beim BBT sollen es 100% vom Bund sein.

 

Bewertung:

 

Privatbahnen: Positiv, aber …

Gemeinwirtschaftliche Leistungsbestellung von Grundangeboten der Privatbahnen im Schienen-Personenverkehr wird (Jahre nach dem Inkrafttreten der entsprechenden EU-VO!) auf EU-konformere Basis gestellt. Trotz dieser Verspätung grundsätzlich positiv, aber im Umfang unzureichend, es bleibt etwa beim Angebots-Status-Quo, für die angesichts der Öl- und Treibstoffpreisentwicklung nötigen verdichteten Taktverkehre sind diese Mitteln zuwenig.

 

Schieneninfrastrukturfinanzierung: Megaprojekte sind falsche Schwerpunkte!

Das Gesetz ist hier deutlich transparenter und auch vom parlamentarischen Ablauf her seriöser als das Vorgängergesetz, das als nachträglich angefügter Artikel 154 eines Budgetbegleitgesetzes ohne jeden Raum für Sachdebatten durchs Parlament gedrückt wurde.

Aber diese größere Transparenz macht das Problem nur noch deutlicher sichtbar:

-       Weil die Regierung den ÖBB Megaprojekte in gewaltigen, finanziell nicht tragbaren Größenordnungen „umhängt“, versinken die ÖBB unter einem Schuldenberg von bald gegen 30 Mio Euro, es explodieren die Annuitätenzahlungen für diesen Schuldenberg Jahr für Jahr, und 2017, wo die Zeitrechnung dieses Gesetzes endet und bereits über 3,6 Mrd Euro (!fast das Doppelte des aktuellen Werts!) Annuitätenzahlungen des Bundes fällig werden, ist da noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht.

-       Die Finanzministerin spricht den Grünen gegenüber in einer aktuellen Anfragebeantwortung (10139/AB XXIV.GP) bereits von fast 50 Mrd an Verpflichtungen zulasten künftiger Finanzjahre.

-       Echte Transparenz hieße, hier und jetzt den ganzen Schuldenberg bis 2066 oder 2073 oder wann auch immer auf den Tisch zu legen.

-       Zu echter Transparenz würde auch gehören, die Tatsache nicht zu verschweigen, dass von den Annuitäten jedenfalls in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten nur die Hälfte für die Tilgung der für Planung und Bau aufgenommenen Schulden aufgeht, die andere Hälfte geht für Zinsen drauf, die kassieren also Finanzkonzerne im In- und vor allem Ausland.

 

Wir diskutieren hier also nicht über ein Paket für die Bahn, sondern es geht primär um ein Bankenförderungspaket in Multimilliardenhöhe.

 

Ein für die Zukunft der ÖBB entscheidender Punkt bleibt in der RV unverständlicherweise völlig unerwähnt: Der Bund bezahlt nur einen Teil der von ihm befohlenen Schulden über Annuitäten, die ÖBB selbst müssen ebenfalls einen Teil aufstellen. Die ÖBB sind aber wirtschaftlich bereits damit überfordert, diese derzeit 30%, ab 2014 25% und ab 2017 voraussichtlich 20% der Zinsen für die Investitionen zusammenzukratzen – allein dabei wird es in Kürze um jährliche Beträge in der Größenordnung der Gesamteinnahmen der ÖBB aus dem Infrastrukturbenutzungsentgelt (IBE, „Schienenmaut“, ca. 400 Mio Euro) gehen.

 

Die in dieser Regierungsvorlage beschworene „Planungssicherheit für das Unternehmen“ besteht also darin, dass das ganze Ausmaß der finanziellen Überforderung der ÖBB immer klarer sichtbar und der Zusammenbruch der ÖBB unter dem Schuldenberg klarer planbar wird. SPÖ und ÖVP tragen dafür die Verantwortung, wenn sie diesem Gesetz zustimmen.

 

Verkehrspolitisch – darum sollte es ja eigentlich gehen, nicht ums Alimentieren der nationalen und internationalen Hochfinanz und einiger Baukonzerne – führt dieser Weg ebenfalls in die Irre:

Der Großteil der Milliarden ist für die Megaprojekte vom Brenner-Basistunnel abwärts nötig, die nur mehr mit befangenen Gutachtern, Falschgutachten und Schwarzbaugesetzen wie der letzten Eisenbahngesetz-Novelle durchgedrückt werden können. Dabei ist das Graben von Tunnels und der Bau von Hochleistungsstrecken auch – entgegen der Argumentation der zuständigen Regierungsmitglieder mit BMin Bures an der Spitze – beschäftigungspolitisch eine der schlechtesten Optionen: Auch im Bahnsektor selbst könnten in anderen Bereichen laut WIFO je eingesetzter Million um 50% mehr Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert werden.

Jährlich pumpt der Bund 1,9 bis 2,4 Mrd in Infrastruktur (und nur ein Viertel davon ins Bestandsnetz), hingegen nur rund 600 Mio in das Grundangebot im Zugsverkehr auf dieser Infrastruktur. Das belegt das grob bau-lastige Missverhältnis. Daran ändern auch die geringfügigen Einsparungen des neuen Rahmenplans 2012-2017 gegenüber den noch unbezahlbareren bisherigen Bauplänen nichts, die in den Erläuterungen der RV ausgeführt werden.

Diese „Einsparungen“ bestehen außerdem großteils aus Verschiebungen „aus der Bezugsperiode hinaus“, so staut sich aber in den Jahren nach dem aktuellen Rahmenplan (dzt ab 2018) ein immer größerer Berg auf, der dann erst recht nicht zu bezwingen sein wird.

 

Was ist die Konsequenz dieser bau- und speziell großprojekt-fixierten Regierungspolitik:

-       Bei zig Regionalbahnen („Nebenbahnen“) wird nicht nur nicht attraktiviert, sondern werden die Erhaltungsinvestitionen eingestellt, sofern die Strecken nicht gleich nach dem Motto „hinter uns die Sintflut“ billig verklopft werden wie im Fall Niederösterreich. Der Gesamt-Einspareffekt durch diesen Kahlschlag, der ganze Regionen ihres Lebensnervs beraubt, beträgt Promille der Kosten eines einzigen Megaprojekts.

-       Dringende, ja überfällige Investitionen für Nahverkehrszwecke oder Pendler schleppen sich ewig dahin, von Ausbau und Elektrifizierung Wien-Marchegg-Bratislava über die Pottendorferlinie bis nach Vorarlberg, wo Planung und Bau einer einzigen zusätzlichen Haltestelle in Feldkirch um die zehn Jahre lang dauert. (Bei Wien-Marchegg wird unterm Strich trotz Neuaufnahme eines Teilprojekts im neuen Rahmenplan nichts gelöst, denn ausgebaut wird nur ein Teil des kleinen Wiener Abschnitts und das erst bis 2018, zugleich wird jedoch Gänserndorf-Marchegg aufgeschoben und der NÖ-Teil des eigentlichen Marchegger Astes taucht gar nicht erst auf. Dafür unterstützt die Verkehrsministerin den LH von NÖ beim parallelen Bau der Marchfeld-Schnellstraße S8.)

-       Neuestes Beispiel Summerauerbahn: Hier ist die bei den Großprojekten selbstverständliche Schuldenfinanzierung jetzt plötzlich ein Problem, an dem der Ausbau (insges. 300 Mio) scheitern könnte.

Alles Projekte, die um Größenordnungen (Faktor 10 bis 1000) unter den Kosten eines einzigen der drei Großprojekte liegen würden – aber dafür ist dann offensichtlich dank Großprojekten kein Geld da.

-       Auch Langsamfahrstellen werden neuerdings nicht mehr durch Sanierung, sondern durch Erklärung der erhaltungsmangel-bedingten Geschwindigkeitsreduktion zur neuen Regelgeschwindigkeit auf dem jeweiligen Abschnitt „saniert“ und verschwinden so wundersamerweise aus den Statistiken. Ebenso werden Brücken nicht saniert, sondern die Tonnage herabgesetzt. Die Bummelzüge bummeln aber trotz solcher Taschenspielertricks weiter und vertreiben so die Fahrgäste, dann kann man wieder Züge einsparen, Strecken sperren – ein „tolles Konzept“ für die Zukunft der Bahn!

 

Diese Schuldenturmpolitik plus Sparen am falschen Fleck ist umso mehr in dieser Dimension völlig verantwortungslos und das genaue Gegenteil einer „Politik für die Bahn“: Das ist Politik gegen die Bahn und damit auch gegen die Menschen, die immer mehr auf leistbare (!!) Alternativen zum Auto und zum LKW angewiesen sein werden.

 

Die Grünen lehnen diese Vorlage daher mit Nachdruck ab - weil diese Vorlage der SPÖ-ÖVP-Regierung die Zukunft der Bahn durch Schuldenberge gefährdet statt sie im Interesse der Fahrgäste und Güterkunden sowie von Umwelt- und Klimaschutz zu sichern.