1771 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (1618 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Finanz-Verfassungsgesetz 1948, das Finanzstrafgesetz, das Bundesgesetz, mit dem das Invalideneinstellungsgesetz 1969 geändert wird, das Bundessozialamtsgesetz, das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, das Bundesgesetzblattgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bundesverfassungsgesetze und in einfachen Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen aufgehoben werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012)

 

Seit mehr als 20 Jahren werden in Österreich intensive Bemühungen unternommen, eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit einzuführen. Waren diese anfangs hauptsächlich von föderalistischen und allgemeinen rechtsstaatlichen Motiven geleitet, sind in der Folge die Erfüllung der Anforderungen, die Art. 5, Art. 6 und in jüngster Zeit auch Art. 13 EMRK und das Unionsrecht (vgl. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) an den Verwaltungsrechtsschutz stellen, sowie in den letzten Jahren die dringende Notwendigkeit einer Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes als weitere Ziele hinzugetreten. Einen ersten wichtigen Zwischenschritt stellte die mit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685, erfolgte Einführung der unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern dar.

Zuletzt war die Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit Gegenstand der Beratungen des Österreich-Konvents und des vom Nationalrat der XXII. Gesetzgebungsperiode gebildeten Besonderen Ausschusses zur Beratung der Ergebnisse des Österreich-Konvents. Entsprechend dem Regierungsprogramm der Bundesregierung für die XXIII. Gesetzgebungsperiode wurde im Bundeskanzleramt eine Expertengruppe für Staats- und Verwaltungsreform eingerichtet, die auf der Grundlage der Arbeiten des Österreich-Konvents und des Besonderen Ausschusses Textvorschläge für eine umfassende Verfassungsreform ausarbeiten sollte. Diese Expertengruppe legte im Juli 2007 den Entwurf einer B‑VG-Novelle vor, der ua. die Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit beinhaltete (94/ME [XXIII. GP], abgedruckt in JRP 2007, 364 und Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2008], 387). Mit dem Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, BGBl. I Nr. 2/2008, wurde allerdings zunächst nur der die Verfassungsbereinigung betreffende Teil dieses Entwurfes verwirklicht (sowie anstelle des bisherigen unabhängigen Bundesasylsenates ein Asylgerichtshof eingerichtet); zu einer Beschlussfassung über die Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist es in der XXIII. GP nicht mehr gekommen.

Auch das Regierungsprogramm der Bundesregierung für die XXIV. Gesetzgebungsperiode sieht im Kapitel „Leistungsfähiger Staat“ die Einführung einer mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit vor. Zweck dieses Vorhabens ist ein Ausbau des Rechtsschutzsystems im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung und eines verstärkten Bürgerservice sowie die Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes. Mit dem Entwurf soll dieses Vorhaben verwirklicht werden.

Grundlagen des Entwurfes sind der Entwurf 94/ME (XXIII. GP) und der Entwurf 129/ME (XXIV. GP). Wo dies zweckmäßig erschien, wurden dabei die Ergebnisse der über diese Entwürfe durchgeführten allgemeinen Begutachtungsverfahren berücksichtigt. Ferner wurde der Entwurf 129/ME (XXIV. GP) in einzelnen Punkten – insb. unter dem Gesichtspunkt, die den Ländern durch die Einrichtung von Verwaltungsgerichten entstehenden Mehrausgaben so gering wie möglich zu halten – modifiziert. Der Entwurf entspricht damit dem in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Oktober 2011 konsentierten Ergebnis.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

–      Der Entwurf sieht die Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit vor. Danach soll es für jedes Land ein Verwaltungsgericht erster Instanz und für den Bund zwei Verwaltungsgerichte erster Instanz geben („9+2-Modell“). Die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern sollen in den Verwaltungsgerichten der Länder aufgehen. Der Asylgerichtshof soll zum Verwaltungsgericht des Bundes werden. Das Verwaltungsgericht des Bundes soll jedenfalls an die Stelle des Bundesvergabeamtes treten, das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen an die Stelle des unabhängigen Finanzsenates. Die Zuständigkeiten der Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag und der sonstigen weisungsfrei gestellten Organe sollen, soweit sie eine rechtsprechende Tätigkeit ausüben, auf die Verwaltungsgerichte übergehen. Materienspezifischen Besonderheiten außerhalb der Finanzgerichtsbarkeit soll durch die Möglichkeit der Einrichtung von Fachsenaten und der Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern sowie der Erlassung von Sonderverfahrensrecht Rechnung getragen werden können.

–      In einer sehr allgemeinen Form kann gesagt werden, dass der administrative Instanzenzug derzeit in der staatlichen Verwaltung bis zum zuständigen obersten Organ des jeweiligen Vollzugsbereiches des Bundes oder des Landes verläuft, soweit nicht verfassungsgesetzlich anderes bestimmt oder der Instanzenzug durch einfaches Gesetz abgekürzt oder ganz ausgeschlossen ist; solche Regelungen sind zahlreich und können hier nicht im Einzelnen dargestellt werden. Für den Instanzenzug in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde und der sonstigen Selbstverwaltungskörper gilt Ähnliches.

–      An sich könnte auch bei Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz der administrative Instanzenzug beibehalten werden. Mit der Schaffung einer zusätzlichen Rechtsmittelinstanz wären jedoch erhebliche finanzielle Mehrausgaben und eine Verlängerung der Verfahrensdauer verbunden. Der Entwurf schlägt daher vor, in der Frage des administrativen Instanzenzuges einen grundsätzlichen Systemwechsel zu vollziehen und diesen mit einer einzigen Ausnahme (diese betrifft die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde) abzuschaffen. Außer in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde soll es also künftig nur noch eine einzige Verwaltungsinstanz geben; jede Verwaltungsbehörde soll also „erste und letzte Instanz“ sein und gegen die von ihr erlassenen Bescheide (bzw. wegen einer Verletzung der Entscheidungspflicht durch sie) soll als einziges Rechtsmittel Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden können.

–      Soweit im Folgenden einschränkend von einer (nur) „grundsätzlichen“ Abschaffung des administrativen Instanzenzuges die Rede ist, wird damit lediglich auf die erwähnte Ausnahme betreffend die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde Bezug genommen; im Übrigen ist diese Abschaffung jedoch eine vollständige und bestehen von ihr keine Ausnahmen (auch nicht hinsichtlich der Ausübung der Diensthoheit nach Art. 21 Abs. 3 B‑VG).

–      Die Verwaltungsgerichte erster Instanz sollen grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden. Gegen ihre Erkenntnisse und Beschlüsse soll Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden können, die allerdings an gewisse Zulässigkeitsvoraussetzungen geknüpft ist.

–      Der Entwurf sieht ferner den Entfall des Einspruchsrechts der Bundesregierung gegen Gesetzesbeschlüsse der Landtage, mit Ausnahme von Gesetzesbeschlüssen, die Abgaben zum Gegenstand haben, vor. Dies bedingt eine Änderung des Art. 97 Abs. 2 und den Entfall des Art. 98 B‑VG sowie eine Änderung des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948. Aus diesem Anlass sollen in Fortführung der mit dem Ersten Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz, BGBl. I Nr. 2/2008, begonnenen Verfassungsbereinigung in Umsetzung des Regierungsprogramms (vgl. das Kapitel „Leistungsfähiger Staat“, „Verfassungsbereinigung“) fugitive Verfassungsbestimmungen in das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 integriert werden. In jenen Fällen, in denen das B‑VG die Erlassung eines Bundesgesetzes von der Zustimmung der Länder abhängig macht (Art. 14b Abs. 4 und Art. 102 Abs. 1 und 4 B‑VG), soll in einem neuen Art. 42a B‑VG eine dem Art. 97 Abs. 2 B‑VG vergleichbare Zustimmungsfiktion vorgesehen werden.

–      Im Übrigen sollen auch aus gegebenem Anlass einige terminologische Anpassungen vorgenommen und Redaktionsversehen in früheren B‑VG-Novellen bereinigt werden.

Finanzielle Auswirkungen:

Die Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz verursacht zusätzliche finanzielle Ausgaben für Bund und Länder. Diesen finanziellen Mehrausgaben stehen allerdings Einsparungen durch den Entfall der administrativen (Berufungs-)Instanzen (insb. bei den Ämtern der Landesregierungen und in geringerem Ausmaß bei den Bundesministerien) und die Auflösung der unabhängigen Verwaltungssenate, des unabhängigen Finanzsenates, des Bundesvergabeamtes sowie sonstiger weisungsfreier Sonderbehörden (insgesamt ca. 120 Behörden des Bundes und der Länder) gegenüber.

Es wurde darauf geachtet, die durch die Einrichtung von Verwaltungsgerichten verursachten Mehrausgaben für die Länder – abgesehen vom Umstellungsaufwand – so gering wie möglich zu halten.

Für die Finanzierung der Umstellungskosten der angesprochenen Maßnahmen sowie der Errichtung einer Transparenzdatenbank und eines Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl stellt der Bund den Ländern in den Jahren 2012 bis 2014 jährlich 20 Mio. Euro in Form zusätzlicher Ertragsanteile zur Verfügung. Der Bund anerkennt weiters, dass durch die genannten Projekte auch nach 2014 dauerhafte Personalkosten entstehen können, die im Rahmen des Finanzausgleichs zu berücksichtigen sind.

Bei den Bundesministerien und unabhängigen Rechtsmittelbehörden fallen ca. 14 800 Fälle pro Jahr an. Dafür stehen juristische Mitarbeiter im Ausmaß von ca. 93 Vollbeschäftigungsäquivalenten zur Verfügung. Der Asylgerichtshof erledigt eine vergleichbare Zahl von Fällen mit 75 Richtern und 50 juristischen Mitarbeitern. Für das Verwaltungsgericht des Bundes ist mit einem ähnlichen Bedarf an juristischem Personal zu rechnen (ca. 93 Richter und 30 juristische Mitarbeiter).

Geschätzte zusätzliche Personalkosten des Verwaltungsgerichtes des Bundes:

93 juristische Verwaltungsbedienstete

(derzeit) 6,8 Mio. Euro

23% Mehrkosten für Richter (Gehaltsschema AsylGH)

1,6 Mio. Euro

30 juristische Mitarbeiter

1,8 Mio. Euro

Gesamtkosten juristisches Personal

10,2 Mio. Euro pro Jahr

Diesen Ausgaben steht ein Einsparungspotenzial von 8,6 Mio. Euro in den aufgelösten unabhängigen Behörden und den Bundesministerien gegenüber.

Das notwendige richterliche und nichtrichterliche Personal des Verwaltungsgerichtes des Bundes sollte möglichst weitgehend aus der bestehenden Bundesverwaltung übernommen werden, sodass die entsprechenden Stellen in der bestehenden Bundesverwaltung eingespart werden können.

Die Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit in Abgabenverfahren soll im Hinblick auf den beabsichtigten Ausbau des Rechtsschutzsystems im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung und eines verstärkten Bürgerservice sowie die Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes insgesamt zu keinen Mehrkosten führen.

Durch den weitgehenden Entfall des Einspruchsrechts der Bundesregierung gegen Gesetzesbeschlüsse der Landtage ist mit Personaleinsparungen in den Bundesministerien zu rechnen.

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage erstmals in seiner Sitzung am 15. Februar 2012 gemeinsam mit den Anträgen 1094/A sowie 717/A(E) in Verhandlung genommen. Nach der Berichterstattung durch den Abgeordneten Johann Singer wurde beschlossen, ein öffentliches Hearing mit Experten durchzuführen. Im Sinne des § 40 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates wurden der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Dr. Gerhart Holzinger, der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Clemens Jabloner, der Vizepräsident des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Rudolf Thienel, Univ.-Prof. Dr. Ewald Wiederin, Universität Wien, Landtagsdirektor Dr. Wolfgang Steiner, Oberösterreichische Landesregierung,  und Sektionschef Dr. Gerhard Hesse, Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst den Beratungen beigezogen.

Zunächst gaben der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer, die Verfassungssprecherinnen und Verfassungssprecher der Fraktionen, Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan,  Mag. Daniela Musiol und Abgeordneter Gerhard Huber sowie die oben angeführten Experten einleitende Statements ab. In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Angela Lueger, Mag. Daniela Musiol, Mag. Wolfgang Gerstl, Konrad Steindl, Mag. Albert Steinhauser, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Johann Singer und Gerhard Huber das Wort.

Die in der Debatte aufgeworfenen Fragen wurden von den Experten sowie dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer  beantwortet. Schließlich hat der Ausschuss beschlossen, die Verhandlungen zu vertagen.

Am 16. März 2012 wurden die Verhandlungen der Regierungsvorlage wieder aufgenommen und die Anträge 1094/A, 337/A und 717/A(E) in die Beratungen einbezogen. In einem öffentlichen Hearing wurden zum Themenblock Kosten der Bürgerinnen und Bürger vor dem Verwaltungsgericht im Vergleich zum geltenden Rechtsschutz Mag. Dr. Johannes Fischer, Präsident des Unabhängigen Verwaltungssenats, Dr. Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages und Univ.-Prof. Mag. Dr. Verena Madner, Vorsitzende des Umweltsenates als Experten und Expertin beigezogen. Zum Themenblock Grundzüge des Verfahrensrechts wurden Sektionschef Dr. Gerhard Hesse, Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, und Landtagsdirektor Dr. Wolfgang Steiner, Oberösterreichische Landesregierung, eingeladen, an den Verhandlungen teilzunehmen. Mag. Harald Perl, Präsident des Asylgerichtshofs, nahm zu Fragen der Organisation, Effizienz und Controlling Stellung. In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Mag. Daniela Musiol, Gerhard Huber, Johann Singer, Herbert Scheibner, Konrad Steindl und Dr. Walter Rosenkranz sowie der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer das Wort. Danach wurden die Beratungen neuerlich vertagt und am 2. Mai 2012 wieder aufgenommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Herbert Scheibner, Mag. Albert Steinhauser, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Wolfgang Gerstl sowie der Ausschussobmann Abgeordneter Dr. Peter Wittmann und der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann,  Mag. Wolfgang Gerstl und Mag. Daniela Musiol einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu lit. a betreffend Artikel 1 (Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes), lit. b betreffend Artikel 2 (Aufhebung einiger Bundesverfassungsgesetze und in einfachen Bundesgesetzen enthaltener Verfassungsbestimmungen), lit. c betreffend Artikel 7 (Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000), lit. d betreffend Artikel 8 (Änderung des Bundesgesetzblattgesetzes) und lit. e betreffend Artikel 9 (Änderung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985):

Zu lit. a Z 3 (Art. 10 Abs. 1 Z 8) und lit. b Z 1 (Aufhebung des § 24 Abs. 1 des Kartellgesetzes 2005):

Gemäß Art. 1 Z 48 (Art. 102 Abs. 2) der Regierungsvorlage sollen die Angelegenheiten des „Kartellrechts“ in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden können. Da dieser Begriff im Art. 10 Abs. 1 B‑VG nicht vorkommt, ist es erforderlich, diese Bestimmung entsprechend anzupassen. Die Verfassungsbestimmung des § 24 Abs. 1 des Kartellgesetzes 2005 kann damit entfallen.

Zu lit. a Z 4 (Art. 148a Abs. 3 Z 3), Z 6 (Art. 131 Abs. 5 erster Satz), Z 14 (Art. 140a Einleitung und Z 1), Z 17 und 18 (Art. 151 Abs. 51), Z 20 und 21 (Auflösung des Disziplinaroberrates der Kammer der Wirtschaftstreuhänder), lit. b Z 2 bis 6 (Abs. 1 Z 3 bis 11 und Abs. 2) und lit. d:

Legistische Anpassungen und Bereinigung von Redaktionsversehen.

Zu lit. a Z 5 (Art. 131 Abs. 4) und lit. c (§ 40a des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000):

Gemäß dem in lit. a Z 5 vorgeschlagenen Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a soll sowohl in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung für Bundesstraßen und Eisenbahn-Hochleistungsstrecken, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (Art. 10 Abs. 1 Z 9 B‑VG), als auch in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung für (sonstige) Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (Art. 11 Abs. 1 Z 7 B‑VG), bundesgesetzlich eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden können. Ein solches Bundesgesetz soll nicht der Zustimmung der Länder gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 4 zweiter Satz bedürfen.

In Ausführung des Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a soll gemäß dem in lit. c vorgeschlagenen § 40a des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 über Beschwerden gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden haben.

Zu lit. a Z 8 (Art. 133 Abs. 4):

Die Unzulässigkeit der Revision soll nur bei geringen Geldstrafen vorgesehen werden können.

Zu lit. a Z 10 bis 12 (Art. 134 Abs. 2 bis 4):

Festlegung einer Mindestgröße für die für die Erstattung von Dreiervorschlägen zuständigen Ausschüsse der Vollversammlung der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofes.

Zu lit. a Z 13 (Art. 136 Abs. 2 letzter Satz):

Gemäß Art. 1 Z 60 (Art. 136 Abs. 2 letzter Satz) der Regierungsvorlage sollen abweichende Regelungen vom besonderen Verfahrensgesetz für die Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen zulässig sein, wenn sie „zur Regelung des Gegenstandes erforderlich“ sind.

Zahlreiche Bestimmungen des AVG (z.B. die Bestimmungen des II. Teils über das Ermittlungsverfahren oder die Bestimmung des § 73 Abs. 1 über die Entscheidungsfrist) gelten bloß subsidiär („soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist“); die Zuständigkeit zur Erlassung verfahrensrechtlicher Regelungen in den Verwaltungsvorschriften ergibt sich dabei nach dem sog. „Adhäsionsprinzip“ aus dem jeweiligen (materiell-rechtlichen) Kompetenztatbestand der allgemeinen Kompetenzverteilung. Im Gegensatz dazu ist das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte – ebenso wie das Verfahrensrecht des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes – Teil des Kompetenztatbestandes „Verwaltungsgerichtsbarkeit“ und damit in Gesetzgebung ausschließlich Bundessache. Korrespondierende Regelungen in den (Materien-)Gesetzen (des Bundes und) der Länder zu im besonderen Verfahrensgesetz enthaltenen Subsidiärbestimmungen könnten daher überhaupt nicht getroffen werden (vgl. Barfuß, Gedanken zur materiellen Rechtskraft im österreichischen Verwaltungsrecht, JBl 1972, 293 [299] zur strukturgleichen Problematik der im AVG enthaltenen Subsidiärbestimmungen bis zur Erlassung der B‑VG-Novelle 1929). Diesem Umstand soll durch die vorgeschlagene Ergänzung Rechnung getragen werden.

Zu lit. a Z 14 (Art. 140a Einleitung und Z 1):

Durch die B-VG-Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 wurde (ua.) Art. 50 B‑VG dahin geändert, dass politische Staatsverträge sowie Staatsverträge, die gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Inhalt haben und nicht unter Art. 16 Abs. 1 fallen (Abs. 1 Z 1), unter bestimmten Voraussetzungen nicht der Genehmigung des Nationalrates bedürfen. Der geltende Art. 140a B‑VG ordnet jedoch (nur) für die „mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 abgeschlossenen Staatsverträge“ eine sinngemäße Anwendung des Art. 140 B‑VG an. Aus diesem Grund wird in der Regierungsvorlage eine Neufassung des Art. 140a B‑VG vorgeschlagen. Bei Formulierung des in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Textes wurde allerdings übersehen, Art. 140 B‑VG auch auf Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, sinngemäß für anwendbar zu erklären. Dieses Redaktionsversehen soll durch die vorgeschlagene Abänderung bereinigt werden.

Gemäß der nunmehr vorgeschlagenen Formulierung des Art. 140a soll Art. 140 B‑VG „[a]uf die politischen, gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträge und auf die Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden,“ sinngemäß anzuwenden sein. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung erstreckt sich demnach sowohl auf die Staatsverträge des Bundes als auch auf die Staatsverträge der Länder. Eine Einschränkung der Anfechtungsbefugnis und Anfechtungsberechtigung in Bezug auf diese Staatsverträge ist mit der vorgeschlagenen Neuregelung nicht verbunden.

Zu lit. a Z 15 (Art. 141 Abs. 1 lit. d bis g) und Z 16 (Art. 141 Abs. 1 zweiter Satz):

Art. 141 Abs. 1 lit. e ist um die Europäische Bürgerinitiative zu ergänzen (vgl. Art. 141 Abs. 3 erster Satz B‑VG in der Fassung des Art. 1 Z 5 des EBIG-Einführungsgesetzes, BGBl. I Nr. 12/2012).

Gemäß der neuen lit. f des Art. 141 Abs. 1 soll der Verfassungsgerichtshof auch über die Aufnahme von Personen in Wählerevidenzen und die Streichung von Personen aus Wählerevidenzen zu entscheiden haben. Zum Begriff „Wählerevidenz“ vgl. Art. 26 Abs. 2 B‑VG.

Die gegenüber Art. 141 Abs. 1 lit. f in der Fassung der Regierungsvorlage geänderte Formulierung der lit. g ist vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu sehen, wonach als Teilakte des Wahlverfahrens anzusehende Bescheide nicht mit Beschwerde gemäß Art. 144 B‑VG angefochten werden können, sondern ausschließlich mit einer Wahlanfechtung gemäß Art. 141 B‑VG (siehe zuletzt VfGH 28.2.2012, B1224/11 mwN). Wann der Verfassungsgerichtshof in den Fällen der lit. a bis f unmittelbar zu entscheiden hat und wann gemäß lit. g über die Anfechtung von Bescheiden oder Entscheidungen, richtet sich letztlich nach dem (einfachen) Gesetz (siehe näher Ringhofer, Bundesverfassung [1977], 473 f zum Fall des Mandatsverlustes). Hervorzuheben ist, dass die Rechtssachen gemäß lit. g zur „Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören“ und damit gemäß Art. 130 Abs. 5 von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ausgeschlossen sind (in diesem Sinne bereits 1618 d.B., 14).

Zu lit. c (§ 40a):

Ausführungsbestimmung zu dem in lit. a Z 5 vorgeschlagenen Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a.

Zu lit. e (§ 33a):

Änderung des Geldbetrages gegenüber Art. 9 Z 6 der Regierungsvorlage.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl und Mag. Daniela Musiol einstimmig beschlossen.

 

Ein weiterer im Zuge der Debatte vom Abgeordneten Herbert Scheibner eingebrachter Abänderungsantrag betreffend den Entfall der Z 2 in Art. 1, Änderung des Art. 1 Z 60 (Art. 136 Abs. 1) und Entfall des Art. 151 Abs. 49 Z 5, in Art. 1 Z 84 fand keine Mehrheit (dafür:  F, B, dagegen: S, V, G).

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Daniela Musiol und Herbert Scheibner einen Entschließungsantrag betreffend die Sicherstellung der höchsten Unabhängigkeit und Einheitlichkeit der Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.

 

Dieser Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„ Durch die Schaffung einer einheitlichen Struktur des Rechtsschutzes in Bund und Ländern wird das Niveau der Rechtsstaatlichkeit der Vollziehung von Gesetzen in Österreich erheblich gesteigert. Die Bürgerinnen und Bürger werden in Zukunft bereits nach einer einzigen administrativen Instanz die Möglichkeit haben, Rechtsschutz bei einem unabhängigen Gericht (Art. 87 B-VG) zu erlangen.

Durch diese Reform erhalten auch die Länder – auf Grund der föderalen Struktur der Verwaltung – einen Anteil an der Staatsfunktion Gerichtsbarkeit. Es ist erforderlich, innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens möglichst einheitliche Standards beim Dienstrecht, der Organisation und der Möglichkeit des Wechsels zwischen richterlichen Funktionen bei Bund und Land zu gewährleisten.“

 

Ein weiterer von den Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Daniela Musiol und Herbert Scheibner eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte wurde einstimmig angenommen und war wie folgt begründet:

„Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 sieht ein einheitliches Verfahrensrecht für die Verwaltungsgerichte vor. Im Zusammenhang damit sind auch Anpassungen des Verfahrens vor dem VwGH erforderlich. Im Mittelpunkt steht dabei die Gewährleistung rascher Entscheidungen, ein hohes Niveau an Rechtsstaatlichkeit bei möglichst geringen Kosten für die beteiligten Bürgerinnen und Bürger.“

 

Der von den Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Fichtenbauer und Herbert Scheibner eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Kommandantenverfahren und Feststellung der Eignung zum Wehrdienst wurde mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, B, dagegen: G) beschlossen.

Die Begründung des Entschließungsantrages lautete:

„Im Hinblick auf den von Disziplin und Gehorsam geprägten militärischen Dienstbetrieb ist das militärische Disziplinarrecht – im Unterschied zum Disziplinarrecht anderer Berufsgruppen – auf Einfachheit, Beweglichkeit und Raschheit ausgerichtet. Diesen Anforderungen wird durch das Kommandantenverfahren Rechnung getragen, dessen Ausgestaltung innerhalb des Systems der Verwaltungsgerichtsbarkeit möglichst unverändert beibehalten werden soll. Ebenso ist es nötig, verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, dass Beschwerden gegen Beschlüsse der Stellungskommission so  rasch wie möglich erledigt werden, damit die nötigen organisatorischen Abläufe zügig und effizient durchgeführt werden können.“

 

Die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl und Mag. Daniela Musiol brachten in der Debatte einen Entschließungsantrag betreffend die rechtliche Stellung von Legalparteien mit folgender Begründung ein:

„Legalparteien kommt vor allem im Bereich großer Verwaltungsverfahren eine wichtige Position bei der Wahrung von Gemeininteressen zu, weshalb es anlässlich der durch die Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit durchgeführten Systemstellung wünschenswert erscheint, deren Einsatzbereich und einen allfälligen Ausbau ihrer rechtlichen Stellung zu überprüfen.“

Dieser Antrag wurde von den Mitgliedern des Verfassungsausschusses mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, B, dagegen: F) angenommen.

 

Weiters legten die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl und Mag. Daniela Musiol dem Verfassungsausschuss einen Entschließungsantrag betreffend Neuordnung des Instanzenzuges im Bereich der Selbstverwaltung der rechtsberatenden Berufe vor. Dieser Antrag war wie folgt begründet:

„Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 sieht entsprechend der grundsätzlichen systematischen Neuregelung der Verwaltungskontrolle die Auflösung der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission der Rechtsanwälte und des Berufungssenates in Ordnungsstrafsachen gemäß § 168 NO vor. Im Sinne der Wahrung des bewährten Sachverstandes und der Unabhängigkeit der rechtsberatenden Berufe erscheint es zweckmäßig, den Instanzenzug gegen Entscheidungen der Selbstverwaltungskörper in Hinkunft in der ordentlichen Gerichtsbarkeit unter Einbeziehung von Vertreterinnen und Vertretern des jeweiligen Berufsstandes anzusiedeln.“

Die Beschlussfassung des Entschließungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl und Mag. Daniela Musiol erfolgte einstimmig.

 

Ein Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl und Mag. Daniela Musiol befasste sich mit der Neuordnung des Instanzenzuges im Bereich der Universitätsverwaltung mit folgender Begründung:

„Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 sieht entsprechend der grundsätzlichen systematischen Neuregelung der Verwaltungskontrolle vor, dass bereits nach einer Verwaltungsinstanz die Anrufung eines Verwaltungsgerichtes möglich ist. Dies bedeutet im Universitätsbereich, dass anstelle des bisherigen zweigliedrigen Instanzenzuges vom studienrechtlichen Organ bzw. Rektorat (1. Instanz) und Senat (2. Instanz) ein Rechtszug an das Bundesverwaltungsgericht tritt. Dem Senat kommt als demokratisch gewähltem Repräsentationsorgan aller Universitätsangehörigen im Rahmen der Universitätsautonomie besondere Bedeutung zu. Zur Wahrung der Universitätsautonomie und Sicherstellung der bewährten Raschheit,  Expertise und Kostengünstigkeit auch im Beschwerdeverfahren erscheint es angezeigt, im Studienrecht Regelungen zu treffen, die in funktional gleichwertiger Entsprechung des bislang bestehenden Instanzenzuges sowohl die Möglichkeit von Beschwerdevorentscheidungen als auch eine Beteiligung des Senats vorsehen.“

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl und Mag. Daniela Musiol wurde einstimmig beschlossen.

 

Ferner brachten die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Daniela Musiol und Herbert Scheibner einen Entschließungsantrag betreffend Information des Nationalrates über den Fortgang der Umsetzungsarbeiten zur Einrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz ein, der vom Verfassungsausschuss einstimmig beschlossen wurde. Die Begründung lautete:

„Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 tritt am 1.1.2014 in Kraft. Bis dahin ist eine Reihe von organisatorischen und legistischen Vorbereitungen zu treffen, über die der Nationalrat zu informieren ist.“

 

Schließlich beschloss der Verfassungausschuss einstimmig einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Daniela Musiol und Herbert Scheibner betreffend Einführung der Gesetzesbeschwerde, der wie folgt begründet war:

„Im Verfassungsausschuss besteht die einhellige Auffassung, dass die Einführung der Gesetzesbeschwerde, wie sie bereits im Rahmen des Österreich-Konvents und der Staatsreformgruppe 2007 diskutiert wurde, eine wünschenswerte Weiterentwicklung des Rechtsschutzsystems darstellt. Man ist daher übereingekommen, auf Basis eines vom Bundeskanzleramt zu erstellenden Vorschlages einen gemeinsamen Initiativantrag zu erarbeiten und vor dem Sommer 2012 einzubringen, einer Ausschussbegutachtung zu unterziehen und möglichst rasch zu beschließen.“


 

Ferner beschloss der Ausschuss einstimmig folgende Feststellungen:

 

Ausschussfeststellung zu Art. 1 Z 6 (Entfall von Art. 12 Abs. 2 B-VG):

Durch die Aufhebung von Art. 12 Abs. 2 B-VG wird die bestehende Bundeskompetenz zur Erlassung des Verfahrensrechtes der Agrarbehörden nicht berührt. Diese Kompetenz ergibt sich aus der allgemeinen Grundlage zur Regelung des Verfahrensrechtes in Art. 11 Abs. 2 B-VG, wonach das Verwaltungsverfahren durch Bundesgesetz zu regeln ist, soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird.

Zusätzlich gibt die Grundsatzgesetzgebungskompetenz gem. Art. 12 Abs. 1 Z 3 B-VG dem Bundesgesetzgeber in Angelegenheiten der Bodenreform die Möglichkeit, spezifische Grundsätze des Agrarverfahrens zu regeln.

 

Ausschussfeststellung zu Art. 1 Z 18 (Art. 22 B-VG):

Die Erweiterung des Kreises der zur Leistung von Amtshilfe verpflichteten Organe auf die Organe der sonstigen Selbstverwaltungskörper bewirkt keine Einschränkung der Anwendbarkeit des Datenschutzgesetzes 2000 und lässt insbesondere das durch § 1 des Datenschutzgesetzes 2000 verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf Datenschutz unberührt.

 

Ausschussfeststellung zu Art. 1 Z 43 (Art. 94 B-VG):

Die dem einfachen  Bundes- oder Landesgesetzgeber eingeräumte Möglichkeit zur Schaffung eines Instanzenzugs von einer Verwaltungsbehörde zu den ordentlichen Gerichten wirkt sich nicht auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit schon bisher bestehender sukzessiver Kompetenzen (etwa im Enteignungs- oder Sozialrecht) aus.

 

Ausschussfeststellung zu Art. 1 Z 60 (Art. 131 Abs. 1 B-VG):

Die Regelung, wonach Bescheide einer Verwaltungsbehörde – ausgenommen im Fall des Art. 118 Abs. 4 – unmittelbar der Anfechtung beim zuständigen Verwaltungsgericht unterliegen, schließt die Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung durch die bescheiderlassende Behörde nicht aus. Sie schließt ebenfalls nicht aus, dass Provisorialentscheidungen – etwa Strafverfügungen oder Mandatsbescheide – vorgesehen werden, welche durch einen Widerspruch der Parteien außer Kraft treten und wodurch das ordentliche Verwaltungs(straf)verfahren eingeleitet wird.

 

Ausschussfeststellung zu Art. 1 Z 60 (Art. 135 Abs. 1 B-VG):

Die Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern an der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wird insbesondere in jenen Bereichen in Betracht kommen, in welchen schon bisher fachkundige Personen als Mitglieder von Kollegialorganen an der Rechtsprechung mitgewirkt haben (z.B. in den Angelegenheiten des Disziplinarrechts der freien Berufe, des Dienstrechts, des Hochschulwesens, des Zivildienstes, des Behinderteneinstellungsrechts, des öffentlichen Auftragswesens, des Grundverkehrs und des Jagdrechts).

Die Kompetenz der Bundes- oder Landesgesetzgebung, eine Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern an der Rechtsprechung vorzusehen, beinhaltet insbesondere auch deren Zuständigkeit, die Bestellung und Abberufung der fachkundigen Laienrichter und die für diese geltenden Qualifikationserfordernisse näher zu regeln.

 

Ausschussfeststellung zur Umweltverträglichkeitsprüfung:

Zu Artikel 131 B-VG stellt der Verfassungsausschuss fest, dass die Kompetenz des Bundes zur Regelung der UVP auch die Regelungskompetenz betreffend der Stellung von Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G umfasst, sodass diesbezüglich kein Zustimmungsrecht der Länder besteht.

Zu Artikel 7 stellt der Verfassungsausschuss fest, dass der Entfall von § 19 Abs.7 letzter Satz UVP-G die Beschwerdelegitimation von Umweltorganisationen gemäß Artikel 144 B-VG gegen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts in diesen Angelegenheiten unberührt lässt.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung betreffend die Sicherstellung der höchsten Unabhängigkeit und Einheitlichkeit der Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz;

3.      die angeschlossene Entschließung betreffend Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte;

4.      die angeschlossene Entschließung betreffend Kommandantenverfahren und Feststellung der Eignung zum Wehrdienst;

5.      die angeschlossene Entschließung betreffend die rechtliche Stellung von Legalparteien;

6.      die angeschlossene Entschließung betreffend Neuordnung des Instanzenzuges im Bereich der Selbstverwaltung der rechtsberatenden Berufe;

7.      die angeschlossene Entschließung betreffend Neuordnung des Instanzenzuges im Bereich der Universitätsverwaltung;

8.      die angeschlossene Entschließung betreffend Information des Nationalrates über den Fortgang der Umsetzungsarbeiten zur Einrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz;

9.      die angeschlossene Entschließung betreffend Einführung der Gesetzesbeschwerde

annehmen.

Wien, 2012 05 02

                                  Johann Singer                                                               Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann