1949 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (1902 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundes­Seniorengesetz geändert wird

Beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz besteht seit 2005 eine Arbeitsgruppe, in der unter anderem alle Länder, der Österreichische Seniorenrat und der Bundesverband der Alten- und Pflegeheime vertreten sind. Die Arbeitsgruppe hat, da einzelne in Österreich bestehende Gütesiegel entweder bundesländerspezifisch und/oder nicht umfassend waren, ein „Nationales Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime in Österreich (NQZ)“ erarbeitet. Die Zielsetzung des NQZ, welches auch bei anderen EU-Mitgliedsstaaten auf Interesse stößt, ist insbesondere die Erhöhung der Transparenz für die Kundinnen und Kunden, die Forcierung der Qualitätsentwicklung in den Alten- und Pflegeheimen und nicht zuletzt die Vermeidung eines Wildwuchses an verschiedenen Gütesiegeln. Mit dem NQZ kann somit ein wertvoller Beitrag zum besseren Image der Institution Alten- und Pflegeheim geleistet werden.

Um dieses markenrechtlich geschützte Zertifikat konnten sich bisher, unter Einbindung ihrer Träger, Alten- und Pflegeheime freiwillig bewerben, die von sich aus, über die gesetzlichen Vorgaben der Länder (insbeson­dere in deren „Heimgesetzen“) hinaus, weitreichende und systematische Maßnahmen zur Sicherstellung der größtmöglichen individuellen Lebensqualität ihrer Bewohnerinnen und Bewohner gesetzt haben. Die Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems (QM-Systems) – und damit eine Selbstbewertung – ist Voraussetzung, um die Qualitätsentwicklung eines Hauses im NQZ abbilden zu können.

Etwa 25% der rund 850 Alten- und Pflegeheime Österreichs haben bereits ein Qualitätsmanagement-System eingeführt. Als Gründe führen die Träger an, dass Qualitätsentwicklungsmaßnahmen dazu beitragen, die Abläufe zu optimieren, Ressourcen besser auszuschöpfen und Zeitkontingente effektiv zu nutzen. Die Einbeziehung aller involvierten Personengruppen, wie dies in branchenspezifischen QM­Systemen üblich ist, bewirkt ein Bemühen um Qualität auf allen Ebenen. Dieses Bemühen um Betreuungsqualität ist strukturiert und wiederholbar, nicht zufällig und personengebunden. Die aktive Auseinandersetzung mit dem Thema Qualität in den fünf Bereichsfeldern des Nationalen Qualitätszertifikats – BewohnerInnen, MitarbeiterInnen, Führung, Umfeld, Lernende Organisation – trägt dazu bei, Alten- und Pflegeheime in einem laufenden Verbesserungsprozess zu unterstützen. Es hat sich gezeigt, dass durch Qualitätsentwicklungsmaßnahmen die allgemein geleistete Arbeitszeit zwar gleich bleibt (Erfüllung Mindestpersonalschlüssel), jedoch unproduktive Zeit, die z. B. für die Abstimmung der Arbeitsabläufe aufgewendet wird, zugunsten der produktiven, mit den Bewohnerinnen und Bewohnern verbrachten Zeit verringert werden konnte. Dies hat eine signifikant höhere Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner, Angehörigen als auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Folge.

Qualitätsentwicklungsmaßnahmen in Alten- und Pflegeheimen tragen dazu bei, dass die Häuser eine hohe Auslastung aufweisen, wodurch sich die nicht gedeckten Kosten verringern. Die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist im Hinblick auf einen auch in Österreich schon spürbaren allgemeinen Mangel an Pflegekräften wichtig. Zufriedenere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen eine höhere Leistung für das Unternehmen, ebenso werden kostenintensive Fluktuationen maßgeblich reduziert. Es hat sich zudem gezeigt, dass durch einen bewussten Umgang der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Energieressourcen die Ausgaben für Energie trotz laufend steigender Energiekosten auf gleichem Niveau gehalten werden konnten.

Die Zertifizierung nach dem NQZ erfolgte bereits bisher anhand einheitlicher Zertifizierungsinstrumente durch unab­hängige, branchenerfahrene und speziell ausgebildete Zertifiziererinnen und Zertifizierer. Der Zertifizierungsprozess orientiert sich an international üblichen Normen. Das Zertifizierungsmodell, die Instrumente und das Zertifizierungsverfahren können bei unterschiedlichen strukturellen Voraussetzungen und unabhängig vom eingeführten Qualitätsmanagement-System angewandt werden.

Im Vordergrund stehen beim NQZ nicht die strukturellen Gegebenheiten – diese unterliegen den gesetzlichen Vorgaben der Länder und sind somit Ländersache – sondern die Prozess- und Ergebnisqualität. Die Strukturqualität fließt in einzelne Prüffelder ein und wird auch in der Darstellung berücksichtigt.

In einer Pilotphase (2008/2009), in der österreichweit 14 Häuser zertifiziert wurden, hat sich herausge­stellt, dass das Verfahren in allen Bundesländern anwendbar ist. Seit 2010 ist eine zweite Tranche von Zertifizierungen im Gang, für die alle Länder insgesamt 15 Alten- und Pflegeheime nominiert haben. Weiters finden – entsprechend der Gültigkeitsdauer des Zertifikats von drei Jahren – die notwendigen Rezertifizierungen statt.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll eine Grundlage geschaffen werden, die die bereits grundsätzlich zwischen dem Bund und den Ländern vereinbarte Überleitung des NQZ von der Probephase in den Regelbetrieb ermöglicht. Dafür bedarf es einer Konstruktion, die eine bundesweit einheitliche Handhabung gewährleistet. Angesichts der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung, nach der die Regelung der Errichtung, der Erhaltung und des Betriebes von Pflegeheimen ebenso wie deren Beaufsichtigung Landessache ist (vgl. grundlegend VfGH VfSlg 13.237/1992), bestehen nur wenige Möglichkeiten, eine solche Grundlage in einem einheitlichen Regelungswerk zu schaffen.

Da es sich bei der Förderung von Voraussetzungen für die Organisation und Durchführung von Zertifizierungen um keine hoheitliche Tätigkeit handelt, wird mit dem vorliegenden Entwurf eine Selbstbindung des Bundes im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung nach Art. 17 B-VG vorgeschlagen, die selbstverständlich nicht die Zertifizierung von Alten- und Pflegeheimen generell regelt. Sie eröffnet aber den für die Heime vorrangig zuständigen Ländern dennoch die Möglichkeit, sich sowohl im Hinblick auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen für das NQZ als auch bei den konkreten Zertifizierungen einzubringen. Da die allermeisten Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen Seniorin­nen und Senioren sind und die Verbesserung der Lebensqualität dieser Personen schon bisher ein wesentlicher Aspekt des Bundes-Seniorengesetzes war, liegt es nahe, auch die Regelung der Zertifizierung von Alten- und Pflegeheimen als Maßnahme der Förderung von Anliegen der älteren Generation anzusehen und das Vorhaben durch eine Novellierung des Bundes-Seniorengesetzes umzusetzen.

Dies soll in der Form erfolgen, dass der Bund als Maßnahme der „Besonderen Seniorenförderung“ einen Förderungsvertrag mit einer geeigneten Zertifizierungseinrichtung schließt, welche die Vorbereitung und Durchführung der Zertifizierung von Alten- und Pflegeheimen nach österreichweit einheitlichen Kriterien übernimmt. Sowohl diese Zertifizierungseinrichtung als auch der konkrete Zertifizierungsprozess müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. Dazu gehört insbesondere auch, dass das Land, in dem das Alten- oder Pflegeheim liegt, das einen Zertifizierungsantrag gestellt hat, entsprechend eingebunden wird: die Zertifizierungseinrichtung kann die konkrete Zertifizierung im Rahmen der hier geregelten Förderung nur dann vornehmen, wenn das zuständige Land den betreffenden Antrag eines Heimträgers in der Sache befürwortet und zudem den überwiegenden Teil der Kosten der konkreten Zertifizierung übernimmt. Jene Länder, die sich dazu vorweg schriftlich verpflichtet haben, sollen auch im Beirat eingebunden sein, der in Hinkunft als strategisches Gremium die Rahmenbedingungen für das NQZ und dessen Weiterentwicklung gestalten soll.

Die Aufgaben- und Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern soll daher - wie bisher in der Probephase - so erfolgen, dass der Bund die strukturelle Vorsorge für die Vorbereitung und Durchführung der Zertifizierung von Alten- und Pflegeheimen übernimmt, indem er damit eine dazu geeignete Einrichtung im Rahmen eines Förderungsvertrages beauftragt. Die Länder (auf Grund der jeweiligen landesinternen Regelungen allenfalls auch Gemeinden oder Gemeindeverbände) übernehmen dagegen den überwiegenden Teil der Kosten der konkreten Zertifizierungen und bestätigen zudem die Eignung des betreffenden Heimes, was sie im Rahmen der ihnen verfassungsmäßig ohnedies zukommenden Aufsichtsbefugnisse unschwer feststellen können.

Finanzielle Erläuterungen:

Ein allfälliger Förderaufwand nach § 20a (z. B. Förderung von Projekten und Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung der Zertifizierung von Alten- und Pflegeheimen) im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung (Art. 17 B-VG) richtet sich nach Verfügbarkeit der im Rahmen des geltenden Bundesfinanzgesetzes zur Verfügung stehenden Mittel und erfolgt auf Basis der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über Allgemeine Rahmenrichtlinien für die Gewährung von Förderungen aus Bundesmitteln (ARR 2004). Die Förderung durch das betroffene Bundesministerium (BMASK) wird ohne Zusatzanforderungen an den Bundeshaushalt vergeben und ist durch die Bedeckung im Eigenen sichergestellt. Für den Zertifizierungsbeirat gemäß § 20a Abs. 5 sollen keine über den Verwaltungsaufwand hinausgehenden Bundesmittel zum Einsatz kommen.

In der Aufbauphase (2008 bis 2011) hat das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Kosten in Höhe von rund € 345.000 übernommen. Darin enthalten sind u.a. Kosten für die Entwicklung des Verfahrens, die Er- und Überarbeitung der Zertifizierungsinstrumente (z. B. Antragsformular, Strukturerhebungsbogen, Qualitätsbericht des Hauses, Bewertungslogik und -systematik), die Ausbildung der Zertifiziererinnen und Zertifizierer, die Sitzungen der Bund-/Länderarbeitsgruppe, die Integration der Hospiz- und Palliative Care Standards und der Geriatriezentren, Workshops für Alten- und Pflegeheime sowie Projektmanagement und -organisation (zertifizierungsübergreifende Kosten).

Die Länder trugen in der Aufbauphase (2008 bis 2011) konkrete Zertifizierungskosten in Höhe von rund € 162.000 für 21 Zertifizierungen, 2 Pilotzertifizierungen und 4 Rezertifizierungen. Die seit 2011 pro Zertifizierung anfallenden Lohnnebenkosten für die Zertifiziererinnen und Zertifizierer wurden hingegen vom BMASK getragen.

2012 fallen für das BMASK voraussichtlich Kosten in Höhe von rund € 125.000 u.a. für Ausbildung, Wissensmanagement, NQZ-Homepage, Sitzungen der Steuerungs- und Arbeitsgruppe, Workshops sowie Projektmanagement und -organisation an. Mit Schaffung dieses Gesetzes sollen die oben genannten zertifizierungsübergreifenden Tätigkeiten und die Koordination und Detailplanung der Zertifizierungen von einer Zertifizierungseinrichtung gemäß § 20a Abs. 2 übernommen werden. Die dafür in den beiden Folgejahren 2013 und 2014 anfallenden Personal- und Sachkosten u.a. für die laufende Weiterentwicklung der Zertifizierungsinstrumente und des -verfahrens, das Wissensmanagement, die Veröffentlichung der Zertifizierungsberichte, die Betreuung der Homepage, die Vorbereitung und Erstinformation der zu zertifizierenden Häuser und für Qualitätssicherungsmaßnahmen werden sich an den für das BMASK im laufenden Jahr anfallenden Kosten orientieren.

Die Länder tragen im Jahr 2012 voraussichtlich konkrete Zertifizierungskosten in Höhe von rund € 68.000. Die restlichen Rezertifizierungskosten in Höhe von rund € 16.000 übernehmen die Häuser selbst. Aufgrund der Erfahrungen in der Probephase ist in den beiden Folgejahren von insgesamt maximal 30 Zertifizierungen pro Jahr auszugehen. Derzeit betragen die Kosten für eine Zertifizierung rund € 8.100, wovon in der Regel 51% vom jeweiligen Land und 49% vom Träger des betreffenden Alten- und Pflegeheimes übernommen werden.

In-Kraft-Treten:

1. Jänner 2013

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das vorliegende Bundesgesetz auf die Kompetenzen des Bundes im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung.

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 11. Oktober 2012 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Gertrude Aubauer die Abgeordneten Ursula Haubner, Ing. Norbert Hofer, Karl Öllinger und Ulrike Königsberger-Ludwig sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1902 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2012 10 11

                          Mag. Gertrude Aubauer                                                          Renate Csörgits

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau