1953 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1611/A(E) der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 1.300 Euro zur Bekämpfung der Lohnarmut

Die Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 16. Juni 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In Österreich ist der Mindestlohn bzw. das Mindestgehalt für die Arbeitnehmer/innen in den Kollektivverträgen geregelt, manchmal auch in Mindestlohntarifen. Welcher Kollektivvertrag allerdings für die Beschäftigten zur Anwendung kommt, hängt von der Branche ab, in der sie beschäftigt sind. Werden die Arbeitsverhältnisse nach dem Kollektivvertrag entlohnt, dann haben die Arbeitnehmer/innen auch Anspruch auf die von den Gewerkschaften durchgesetzten – meist jährlichen Lohnerhöhungen.

Doch Vereinbarungen über kollektivvertragliche Lohnerhöhungen führen nicht überall zu ‚Ist-Lohn‘-Erhöhungen.

Verdienen Beschäftigte hingegen mehr als der kollektivvertragliche Mindestlohn (‚Ist-Lohn‘), dann erhalten die Arbeitnehmer/innen die jährlichen Lohnerhöhungen nur dann, wenn diese in den Arbeitsverträgen vereinbart oder von den Kollektivvertragsparteien extra ausverhandelt wurden.

Vor allem mitgliederstarke Gewerkschaften haben gegenüber den Arbeitgebern eine stärkere Verhandlungsposition und können daher vorteilhaftere Kollektivverträge für die Arbeitnehmer/innen in ihrer Branche vereinbaren. Daher haben Metallarbeiter/innen oder Privatangestellte bessere Kollektivverträge als Mitarbeiter/innen im Gastgewerbe.

In Österreich sind aber nicht alle Beschäftigungsverhältnisse kollektivvertraglich geregelt. Daher muss auch berücksichtigt werden, dass es Bereiche gibt, in denen es – österreichweit oder in einzelnen Bundesländern – keinen Kollektivvertrag und daher auch keine Mindestlohnregelung gibt. Den Beschäftigten steht dann für den ausgeübten Beruf ein angemessener Lohn zu, der aber in der Praxis schwer feststellbar ist.

Daher ist es nicht überraschend, dass derzeit in Österreich rund 250.000 Menschen in Haushalten leben, die aufgrund von niedrigen Löhnen von Armut gefährdet sind und deren Verdienst trotz Erwerbsarbeit nicht reicht, um die eigene Existenz – und die der Kinder – zu sichern. Dabei ist die Zahl der Empfänger/innen von Niedriglöhnen bei Frauen deutlich höher als bei Männern. Viele Menschen mit niedrigen Löhnen befinden sich auch in atypischen Arbeitsverhältnissen.

Auch die bisherigen Sozialpartnerverhandlungen haben bisher nicht wesentlich zur Verbesserung dieser unbefriedigenden Situation beigetragen. Durch die Lohnerhöhungen im Bereich der Inflationsanpassung wurde die bestehende Problematik noch weiter fortgeschrieben. Noch immer gibt es Branchen, die unter einem Mindestlohn von 1.300 Euro brutto pro Monat liegen und zur Existenzsicherung vieler Arbeitnehmer/innen und ihren Familien nicht beitragen.

Auch die in den letzten Monaten stattgefundenen Kollektivvertragsverhandlungen konnten den von ÖGB und Bundesarbeiterkammer geforderten Mindestlohn in der angestrebten Höhe nicht erreichen.

Immer mehr österreichische Arbeitnehmer/innen geraten dadurch in die untragbare Situation, dass sie – obwohl sie einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen – in die Armut abgleiten und auf Teilleistungen der Sozialhilfe angewiesen sind. Daher ist es für Alleinverdiener nur noch schwer möglich eine Familie zu erhalten. Ohne zweites Einkommen ist ein durchschnittlicher Lebensstandard für viele Menschen in Österreich nicht finanzierbar.

Da im unteren Einkommensbereich großer Handlungsbedarf besteht muss endlich ein gesetzlicher Mindestlohn in der Höhe von 1.300 Euro brutto pro Monat umgesetzt werden, damit die Beschäftigten auch von diesem Einkommen leben können. ‚Arbeit muss sich lohnen!‘ Außerdem führt er zu mehr Gerechtigkeit, mehr Schutz für unqualifizierte Arbeitnehmer/innen und hilft vor allem Haushalten mit niedrigem Einkommen.

Auch der Vorarlberger AK-Präsident Hubert Hämmerle forderte eine gesetzliche Regelung: ‚Es ist eine Schande, wenn in einem reichen Land wie Österreich Menschen für weniger als brutto 1300 Euro im Monat arbeiten müssen. Damit kann heute keine Familie ernährt werden. Ein Stundenlohn von acht Euro bzw. 1300 Euro Monatslohn sind absolut notwendig und vertretbar. Dieser gesetzliche Mindestlohn soll auch immer im gleichen Maße angehoben werden, wie die Mindestsicherung bzw. der Ausgleichszulagenrichtsatz in der Pensionsversicherung.

Um ein existenzsicherndes Einkommen bei Vollzeitarbeit zu gewährleisten ist es daher notwendig, dass ein gesetzlicher Mindestlohn in der Höhe von 1.300 Euro brutto pro Monat eingeführt wird.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 11. Oktober 2012 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Sigisbert Dolinschek die Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Johann Hechtl, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Franz Riepl, Erwin Spindelberger, Ing. Norbert Hofer, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Ridi Maria Steibl, Walter Schopf, Mag. Helene Jarmer, Ursula Haubner, Oswald Klikovits und Ulrike Königsberger-Ludwig sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (für den Antrag: F,G,B dagegen: S,V ).

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter August Wöginger gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2012 10 11

                               August Wöginger                                                               Renate Csörgits

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau