1979 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über die Regierungsvorlage (1936 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Gesundheitstelematikgesetz 2012 erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gentechnikgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz – ELGA-G)

Das Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode sieht im Kapitel „Gesundheit“ die „Unterstützung integrierter Versorgungsformen durch ausgeweitete Anwendungen der e-card und der ‚Elektronischen Gesundheitsakte’ unter Wahrung der PatientInnenrechte und des Datenschutzes“ vor.

Das Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode führt das Vorhaben der vorigen Legislaturperiode im Kapitel „Integrierte Versorgung, Struktur, Steuerung“ fort: „Zur Überbrückung von Versorgungsschnittstellen hat die Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien (e-health) im Gesundheitswesen hohe gesundheitspolitische Priorität. Große Bedeutung kommt dabei unter strenger Einhaltung des Datenschutzes der elektronischen Patientenakte (ELGA) und der Kontrolle der Vereinbarkeit von Arzneimittelverordnungen (zB e-Medikation, Arzneimittelsicherheitsgurt) zu, die im Interesse der Patienten rasch verwirklicht werden müssen.“

In Umsetzung des Art. 7 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens, BGBl. I Nr. 105/2008 (in der Folge: Art. 15a-Vereinbarung), sind der Bund und die Länder verpflichtet, Gesundheitstelematik zur qualitativen Verbesserung der Versorgung und der Nutzung ökonomischer Potenziale einzusetzen. Eine erste Umsetzung der sich aus der Art. 15a-Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen erfolgte auf Bundesebene bereits Ende 2007 durch das Bundesgesetz zur Anpassung von Rechtsvorschriften an die Art. 15a-Vereinbarung, BGBl. I Nr. 101/2007.

Vor diesem Hintergrund soll mit dem vorliegenden Entwurf eines Elektronische-Gesundheitsakte-Gesetzes (ELGA-G) primär eine Rechtsgrundlage für eine Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) geschaffen werden, die im Sinne des öffentlichen Interesses auf folgenden Prinzipien beruht:

I.      Stärkung der Patient/inn/en/rechte,

II.     Schutz von Gesundheitsdaten sowie

III.    Verbesserungen der Qualität und der Effizienz der Versorgung.

I. Stärkung der Patient/inn/en/rechte

Die schrittweise Stärkung der Patient/inn/en/rechte in der präventiven und therapeutischen Gesundheitsversorgung wird nun weiter fortgesetzt. Alle Menschen, die in Österreich sozialversichert sind oder medizinisch betreut oder behandelt werden (§ 15 Abs. 1), haben die Möglichkeit an ELGA teilzunehmen. Der/Die Patient/in bestimmt daher selbst, ob und in welchem Umfang eine ELGA-Teilnahme für ihn/sie in Frage kommen soll und welche ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter (ELGA-GDA) berechtigt sein sollen, seine/ihre ELGA-Gesundheitsdaten zu verwenden.

Möglich sind sowohl eine generelle Teilnahme an ELGA (es kommt zur Aufnahme aller ELGA-Gesundheitsdaten), als auch eine Teilnahme an bestimmten „Modulen“, wie der e-Medikation (es werden nur Medikationsdaten aufgenommen). ELGA-Teilnehmer/innen können aber auch einer Aufnahme von ELGA-Gesundheitsdaten im Einzelfall widersprechen (§ 16 Abs. 2 Z 2) bzw. den Umfang der in ELGA sichtbaren Dokumente einschränken oder löschen (§ 16 Abs. 1 Z 2).

Besteht der Wunsch gar nicht an ELGA teilzunehmen, so kann einer Teilnahme jederzeit widersprochen werden. Personen, die nicht an ELGA teilnehmen oder Personen, die von ihren Teilnehmer/innen/rechten im Sinne des § 16 Abs. 1 Gebrauch machen, müssen den gleichen Zugang zur medizinischen Versorgung haben wie Personen, die nicht an ELGA teilnehmen oder diese Rechte nicht ausüben (§ 16 Abs. 3). Unterschiede bei der Behandlung und Betreuung oder der Kostentragung sind nicht zulässig (Diskriminierungsverbot). Sollte es dennoch zu Diskriminierungen kommen, sind dafür Verwaltungsstrafbestimmungen vorgesehen (§ 25 Abs. 1 Z 6).

Mit ELGA wird ein wichtiger Schritt zur praktischen Umsetzung der zwischen den Ländern und dem Bund abgeschlossenen Art. 15a-Vereinbarungen zur Sicherstellung der Patient/inn/en/rechte (Patientencharta) gesetzt. Art. 19 Abs. 1 Patientencharta sieht ein umfassendes Informations- und Einsichtsrecht hinsichtlich der eigenen Daten vor. Durch die nun geschaffene Infrastruktur wird es den Patient/inn/en ermöglicht, Einblick in die sie betreffenden relevanten Gesundheitsdaten, Protokollierungsdaten, etc. zu nehmen. Zu den Gesundheitsdaten zählen u. a. wesentliche persönliche Gesundheitsdokumente, wie etwa Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten. Der Einstieg in ELGA und damit u. a. auch die Wahrnehmung der Informations- und Einsichtsrechte erfolgt für die ELGA-Teilnehmer/innen elektronisch über das Zugangsportal (§ 23) oder über die ELGA-Ombudsstelle (§ 17).

II. Schutz von Gesundheitsdaten

II.1. Zulässigkeit des Eingriffs

Jede Verwendung personenbezogener Daten stellt grundsätzlich einen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz dar. Ob ein Eingriff zulässig ist oder eine unzulässige Grundrechtsverletzung nach sich zieht, hängt davon ab, ob die vorgesehene Datenverwendung auf eine der drei in § 1 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999, genannten Eingriffsermächtigungen gestützt werden kann. Die drei Eingriffsermächtigungen sind:

-       lebenswichtiges Interesse des/der Betroffenen,

-       Zustimmung des/der Betroffenen sowie

-       überwiegende berechtigte Interessen eines/einer anderen.

Während es auf nationaler, verfassungsrechtlicher Ebene drei Kategorien zulässiger Eingriffe gibt, sind auf europäischer Ebene mehrere Eingriffsermächtigungen vorgesehen. Das DSG 2000 ist 1999 in Umsetzung der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. Nr. L 281 vom 23.11.1995 S. 31 erlassen worden. Diese Richtlinie zielt – ihrem Erwägungsgrund 8 zufolge – auf die „Beseitigung der Hemmnisse für den Verkehr personenbezogener Daten [ab, wofür] ein gleichwertiges Schutzniveau hinsichtlich der Rechte und Freiheiten von Personen bei der Verarbeitung dieser Daten in allen Mitgliedstaaten unerläßlich“ ist. Dabei besitzen „die Mitgliedstaaten […] einen Spielraum, der im Rahmen der Durchführung der Richtlinie von den Wirtschafts- und Sozialpartnern genutzt werden kann“. Ein derartiger Spielraum ist etwa in Art. 8 Abs. 2 lit. a RL 95/46/EG zu finden, wonach die Mitgliedstaaten die Zustimmung zur Verwendung sensibler Daten verbieten dürfen. Für Österreich scheidet ein solches Verbot auf einfachgesetzlicher Ebene aus, da gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 die Zustimmung als selbständige Eingriffsermächtigung mit dem DSG 2000 eingeführt wurde. Die anderen in Art. 8 RL 95/46/EG vorgesehenen Eingriffsermächtigungen müssen daher, bei sonstiger Richtlinienwidrigkeit, auch im innerstaatlichen Recht zu finden sein. Anders ausgedrückt müssen die auf europarechtlicher Ebene vorgesehenen Eingriffsermächtigungen im Katalog der innerstaatlichen, verfassungsunmittelbaren (zu diesem Begriff vgl. das Rundschreiben des BKA-VD zur legistischen Gestaltung von Eingriffen in das Grundrecht auf Datenschutz vom 14. Mai 2008, BKA-810.016/0001-V/3/2007), Eingriffsermächtigungen enthalten sein. Die in § 1 Abs. 2 DSG 2000 enthaltenen Eingriffsermächtigungen sind nicht die einzigen Bestimmungen im Verfassungsrang, die als Grundlage für einen zulässigen Eingriff dienen können. So hat der VfGH beispielsweise in VfSlg. 15.130/1998 erkannt, dass Art.  127a B-VG – Gebarungskontrolle von Gemeinden – eine hinreichende verfassungsgesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Daten sei. Dennoch stellen die verfassungsunmittelbaren Eingriffsermächtigungen des § 1 Abs. 2 DSG 2000 die bedeutendsten Eingriffsermächtigungen im Verfassungsrang dar, da sie ausdrücklich auf die Verwendung von Daten abstellen. Der Katalog der Eingriffsermächtigungen gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 ist taxativ. Dadurch ist ausgeschlossen, dass darüber hinausgehende Eingriffsermächtigungen auf einfachgesetzlicher Ebene vorgesehen werden können. Eine allfällige Erweiterung wäre nur mittels verfassungsrechtlicher Bestimmungen denkbar. In Ermangelung solcher sind im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation alle Eingriffsermächtigungen des Art. 8 RL 95/46/EG als von § 1 Abs. 2 DSG 2000 umfasst anzusehen. (Zur richtlinienkonformen Interpretation insbesondere im datenschutzrechtlichen Zusammenhang darf besonders auf die Erkenntnisse VfSlg. 17.065 – 17.209/2003 zum BVG-Bezügebegrenzung 1997 hingewiesen werden.) Da die Eingriffstatbestände „lebenswichtiges Interesse des/der Betroffenen“ und „Zustimmung des/der Betroffenen“ nahezu wortgleich von der Richtlinie übernommen wurden, können die anderen Eingriffstatbestände des Art. 8 RL 95/46/EG – wie insbesondere dessen Abs. 3, der die Verwendung sensibler Daten zu Zwecken der Gesundheitsversorgung vorsieht – innerstaatlich nur vom Eingriffstatbestand des „überwiegenden berechtigten Interesses“ (§ 1 Abs. 2 DSG 2000) umfasst sein.

Brühann, Kommentierung zu Art. 8 der RL 95/46/EG, 7 in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union III sieht „Verarbeitungen zum Zweck der Erbringung gesundheitsbezogener Dienstleistungen […] beispielsweise Patientendateien“ als von Art. 8 Abs. 3 RL 95/46/EG umfasst an. Insofern kommen sowohl deren Abs. 3, der als spezielle, auf den Gesundheitsbereich zugeschnittene Ausprägung des Abs. 4 anzusehen ist, als auch deren Abs. 4 als unionsrechtliche Grundlage für eine gesetzliche Grundlage von ELGA in Betracht. Um jedoch dem wichtigen öffentlichen Interesse an ELGA besonderen Ausdruck zu verleihen, soll hier ausdrücklich Art. 8 Abs. 4 RL 95/46/EG als unionsrechtliche Grundlage herangezogen werden. Dieses wichtige öffentliche Interesse besteht in den weitreichenden Verbesserungen, die im öffentlichen Gesundheitsbereich durch ELGA erzielt werden können. Diese Verbesserungen sind u. a.:

1.      die Qualitätssteigerung aufgrund verbesserter, schnellerer Verfügbarkeit medizinischer Informationen,

2.      die Steigerung der Prozess- und Ergebnisqualität von Gesundheitsdienstleistungen,

3.      der Ausbau integrierter Versorgung und eines sektorenübergreifenden Nahtstellenmanagements im öffentlichen Gesundheitswesen,

4.      die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen Gesundheitsversorgung

5.      die Stärkung der Patient/inn/en/rechte, insbesondere der Informationsrechte, der Rechtsschutz nach den Bestimmungen des DSG 2000 bei der Verwendung von personenbezogenen Daten sowie

6.      ein Beitrag zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit.

Nicht übersehen werden darf weiters, dass die Gesundheit in allen Eingriffsermächtigungen der Art. 8 bis 11 der EMRK, BGBl. Nr. 210/1958, genannt ist. Insbesondere Art. 8 EMRK über das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ist als Vorgängerbestimmung zu und verwiesene Bestimmung in § 1 Abs. 2 DSG 2000 hervorzuheben.

Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz bedürfen aufgrund des materiellen Gesetzesvorbehalts des § 1 Abs. 2 DSG 2000 innerstaatlich nur dann einer gesetzlichen Grundlage, wenn sie durch Behörden im funktionellen Sinn erfolgen, d. h. mit Hoheitsgewalt verbunden sind. (Zum Begriff der Behörde darf auf die ausführliche Darstellung von Pürgy/Zavadil, Die „staatliche Behörde“ im Sinne des § 1 Abs 2 DSG 2000 in Bauer/Reimer, Handbuch Datenschutzrecht, 141 verwiesen werden). Abgesehen von der verpflichtenden Eintragung in den Registern (eHealth-Verzeichnisdienst [§ 9], Patientenindex [§ 18] und Gesundheitsdiensteanbieterindex [§ 19]) werden keine Verwendungen von Daten vorgesehen, die nicht durch den/die Betroffene/n beeinflusst werden können. Auch sind die im Entwurf genannten ELGA-GDA nicht als Behörde im funktionellen Sinn anzusehen. Wer Gesundheitsdienstleistungen erbringt darf dies nur mit Einverständnis des/der Betroffenen tun. Diese Entscheidungsfreiheit über die eigene Gesundheitsversorgung ist in Österreich sogar strafrechtlich, zB durch die Bestimmungen „Einwilligung des Verletzten“ (§ 90 des Strafgesetzbuches (StGB) BGBl. Nr. 60/1974) oder „Eigenmächtige Heilbehandlung“ (§ 110 StGB), geschützt. Von dieser fundamentalen Richtungsentscheidung wird auch durch den vorliegenden Entwurf nicht abgegangen. D. h. die Gesundheitsversorgung findet weiterhin so wie bisher nicht hoheitlich statt.

II.2. Angemessene Garantien

Den ELGA-Teilnehmer/inne/n stehen eigene Teilnehmer/innen/rechte (§ 16 GTelG 2012) zu, die u. a. die Teilgrundrechte (vgl. DSK vom 26.2.2002, K120.746/001-DSK/2002) gemäß § 1 Abs. 3 DSG 2000 speziell für ELGA ausgestalten. Allerdings beschränken sie sich nicht auf diese, sondern gehen qualitativ und quantitativ über diese hinaus. Die qualitativen Verbesserungen bestehen vor allem in der Möglichkeit, Einblick in die eigenen Gesundheitsdaten sowie die zugehörigen Protokollierungsdaten nehmen zu können.

Darüberhinaus soll speziell für ELGA eine eigene ELGA-Ombudsstelle eingerichtet werden, die alle ELGA-Teilnehmer/innen in diesbezüglichen Fragen unterstützt und berät.

Als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips sieht § 14 Abs. 2 GTelG 2012 vor, dass nur für Zwecke der Gesundheitsversorgung (§ 9 Z 12 DSG 2000, der Art. 8 Abs. 3 RL 95/46/EG umsetzt) im Rahmen eines Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses ELGA-Gesundheitsdaten (§ 2 Z 9) verwendet werden dürfen. Es findet auch eine persönliche Beschränkung auf Gesundheitsdiensteanbieter (GDA), die so genannten ELGA-GDA (§ 2 Z 10 GTelG 2012), die an einer konkreten Behandlung oder Betreuung teilhaben oder mitwirken, in deren Behandlung bzw. Betreuung sich ein Patient/eine Patientin begibt und dessen/deren eindeutige Identität festgestellt wurde, statt, um den Kreis der Personen, die potentiell auf Gesundheitsdaten in ELGA zugreifen können, möglichst klein zu halten.

II.3. Datensicherheitsmaßnahmen

Gerichtete Kommunikation ist eine Form der Verwendung von Daten, bei der die Weitergabe an im Vorhinein bestimmte Empfänger/innen erfolgt. Bei der ungerichteten Kommunikation erfolgt die Weitergabe von Daten nicht direkt an bestimmte Empfänger/innen, sondern über eine so genannte „Datendrehscheibe“, wo Daten zur Verfügung gestellt und von Berechtigten abgerufen werden können. Im Gegensatz zur gerichteten Kommunikation bestimmt der Übermittler/die Übermittlerin nicht, wer Empfänger/in sein soll. Anders ausgedrückt, werden bei der gerichteten Kommunikation die Daten geschickt und bei der ungerichteten Kommunikation bereitgestellt und können dann von einem Kreis potentiell Berechtigter abgerufen werden. In manchen österreichischen Regionen kommt es bereits zum direkten Vernetzen der IKT-Systeme einzelner Gesundheitsorganisationen mit gegenseitigem zeit- und ortsunabhängigen Zugriff auf die wesentlichen medizinischen Dokumente (ungerichtete Kommunikation). Beispiele dafür sind regionale Gesundheitsnetzwerke in Tirol und Oberösterreich sowie die Vernetzung von KIS-Systemen innerhalb großer Krankenhausträger (zB NÖGUS, Vinzenz Gruppe, Wiener KAV).

Der 2. Abschnitt bezieht sich sowohl auf die gerichtete, als auch die ungerichtete Kommunikation; der 4. Abschnitt hingegen nur auf die ungerichtete. Mit Blick auf die drei Eingriffsermächtigungen („lebenswichtige Interessen“, „Zustimmung“ und „überwiegende berechtigte Interessen“) gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 regelt der 4. Abschnitt wann keine Geheimhaltungsinteressen im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG 2000 verletzt sind. Unberührt davon bleiben allerdings Systeme ungerichteter Kommunikation, die sich ausschließlich auf die Zustimmung der Betroffenen stützen.

Abgesehen von den im 2. Abschnitt vorgesehenen Datensicherheitsmaßnahmen, die bereits geltendes Recht sind, wie zB Verschlüsselung, eindeutige Identifikation oder IT-Sicherheitskonzepte, werden für ELGA noch weitere Maßnahmen vorgeschlagen. So sieht die Architektur ein Berechtigungs- und Protokollierungssystem (§§ 21, 22 GTelG 2012) vor, das technisch von den anderen Komponenten der ELGA getrennt sein muss, um besonders widerstandsfähig gegen Attacken oder Ausfälle zu sein. Dadurch ist erstmals im Gesundheitsbereich eine umfassende Zugriffskontrolle möglich. Vor der Einführung von ELGA war es nur in Ausnahmefällen möglich festzustellen, wer wann welche Daten verwendet hat. Künftig wird diese Aufgabe das Protokollierungssystem übernehmen und so auch zu einer weiteren Steigerung der Datensicherheit im Gesundheitsbereich beitragen. Weiters hat der Bundesminister für Gesundheit durch Verordnung technisch aktuelle Mindeststandards für Sicherheitsanforderungen und Zugriffsschutz festzulegen (§ 28 Abs. 2 Z 5 GTelG 2012). Die grundsätzlich dezentrale Struktur von ELGA erhöht die Datensicherheit zusätzlich.

III. Verbesserungen der Qualität und der Effizienz der Versorgung

„Wer mehr weiß, kann mehr.“ Tatsache ist, dass in einem hoch spezialisierten und damit stark arbeitsteiligen Gesundheitssystem erhebliche zeitliche Anteile der medizinischen Versorgung für die Suche und Aufbereitung patient/inn/en/bezogener Gesundheitsinformationen aufgewendet werden müssen; Schätzungen bewegen sich um 20 %. Tatsache ist aber auch, dass in einem auf Dienstleisterseite fragmentierten Gesundheitssystem patient/inn/en/bezogene Informationen rasch weitergegeben werden müssen, um eine möglichst unterbrechungsfreie Fortführung der medizinischen und auch pflegerischen Versorgung zu gewährleisten. Jedes Mehr an verfügbarer Information über die gesundheitliche Vorgeschichte von Patient/inn/en versetzt GDA in die Lage, die durch Entfall von Recherche und Aufbereitung gewonnenen Zeiten der eigentlichen medizinischen Versorgung zu widmen. Jede Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen erhöht potenziell auch die Sicherheit diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen. Mangels ausreichender technischer Unterstützung kommt es heute häufig zu einer Wiederholung medizinischer Maßnahmen, wie zB Anamnesen. Besonders deutlich wird dies in Bezug auf radiologisches Bildmaterial aus dem niedergelassenen Bereich, wofür Patient/inn/en nicht nur als Informations-, sondern auch als „Datenträger“ fungieren. Bereits eingeführte technikgestützte Verfahren, wie etwa der elektronische Befundversand, bringen zwar eine partielle Entschärfung, können aber aufgrund der damit verbundenen gerichteten Kommunikation die bestehenden Informationsdefizite nur teilweise beheben und nützen somit die bereits verfügbaren technologischen Möglichkeiten erst im Ansatz. Die integrierte Versorgung muss daher auch mit dem Stand der Technik entsprechenden Werkzeugen unterstützt bzw. sichergestellt werden. Österreich steht diesbezüglich vor einer vergleichbaren Herausforderung wie andere hoch entwickelte Gesundheitssysteme.

Ausgehend von diesen Rahmenbedingungen soll mit ELGA eine nationale Infrastruktur für das Gesundheitswesen eingerichtet werden, die es – unter Zugrundelegung des Kommunikationsmodells der ungerichteten Kommunikation – GDA ermöglichen soll, zeit- und ortsunabhängig einerseits in wesentliche bzw. entscheidungsrelevante Gesundheitsdaten ihrer Patient/inn/en, die von vorbefassten medizinischen Versorgern erstellt wurden, Einsicht zu nehmen und andererseits die von ihnen erstellten Informationen in der Versorgungskette nachfolgenden GDA zur Verfügung zu stellen.

Sehr eindrucksvoll dargestellt werden können die damit intendierten qualitativen Effekte anhand der auf diese Infrastruktur aufsetzenden Nutzanwendung „e-Medikation“: Ziel dabei ist es, den GDA sowohl einen aktuellen Medikationsstatus ihrer Patient/inn/en, als auch ein elektronisches Werkzeug zur Prüfung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen zur Verfügung zu stellen. Die Medikationsliste (Status) trägt dazu bei, auf allfälligen Erinnerungslücken von Patient/inn/en beruhende Informationsdefizite zu vermeiden und damit die Sicherheit und Qualität therapeutischer Entscheidungen zu verbessern. Sie hilft auch mit, auf Informationsmangel beruhende Mehrfachmedikationen zu verhindern. Mit der so genannten Interaktionenprüfung, die auch relevante OTC-Präparate („Over-The-Counter“) umfassen wird, können vermeidbare unerwünschte Arzneimittelwirkungen reduziert werden. Internationale Untersuchungen, beginnend mit der bahnbrechenden Studie des Institute of Medicine („To Err Is Human“) bis zu neueren Studien, etwa in Neuseeland, beziffern schwerwiegende bis letal wirkende vermeidbare Interaktionen mit ein bis drei Prozent aller verordneten Medikamente. Kernaussage mehrerer Studien ist, dass die aus vermeidbaren unerwünschten Arzneimittelwirkungen resultierende Anzahl von Todesfällen jene aus Verkehrsunfällen deutlich übersteigt. Abgesehen von dem damit verbundenen Leid der Betroffenen, das sich schon aus ethischen Gründen einer Bewertung entzieht, werden die Potenziale der e-Medikation bereits dann deutlich, wenn nur die Folgekosten der medizinischen (Nach-)Versorgung vermeidbarer unerwünschter Arzneimittelwirkungen näher betrachtet werden (vgl. die Ausführungen zu den wirtschaftspolitischen Auswirkungen). Unbeschadet dessen wird die e-Medikation aber zu einer signifikanten qualitativen Verbesserung der Arzneimittelsicherheit und damit der Patient/inn/en/sicherheit führen. Der Nutzen ähnlicher Systeme – zB Zeitersparnis, Erhöhung der Patient/inn/en/sicherheit, effizienterer Mitteleinsatz – wurde evaluiert und ist durch internationale Studien belegt (zB EHR IMPACT Study Report 2010: Interoperable eHealth is Worth it – Securing Benefits from Electronic Health Records and ePrescribing; Seiten 30 bis 32).

Bund und Länder haben sich in der genannten Art. 15a-Vereinbarung auf kostensenkende Maßnahmen verständigt. Art. 7 Abs. 1 Z 1 der Art. 15a-Vereinbarung sieht die „Nutzung der ökonomischen Potenziale von Informations- und Kommunikationstechnologien“ vor. Die ELGA wird diesbezüglich einen deutlichen Beitrag leisten.

Der Gesundheitsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 24. Oktober 2012 in Verhandlung genommen und ein öffentliches Hearing gemäß § 37 Absatz 9 GOG abgehalten. Folgende Experten wurden im Rahmen des Hearings gehört:

-       Dr. Gerald Bachinger, NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft

-       Dr. Ludwig Gruber

-       Dr. Susanne Herbek, ELGA GmbH

-       VPräs. Dr. Silvester Hutgrabner

-       Dr. Günter Koderhold, Oberarzt am Krankenhaus Hietzing, Mitglied des Komitees unabhängiger Wiener Ärztinnen und Ärzte

-       Michael Löffler, BSc, e-commerce monitoring gmbh

-       Dr. Sigrid Pilz, Wiener Pflege- und Patientenanwältin

-       Ing. (FH) Volker Schörghofer, Hauptverband der österr. Sozialversicherungsträger

-       HR Dr. Gerhard Walcher, Facharzt für Innere Medizin, Sektionsobmann-Stellvertreter der Sektion Fachärzte der Ärztekammer Wien, Obmann des Komitees unabhängiger Wiener Ärztinnen und Ärzte

-       Dr. Burkhard Walla

-       Präs. Mag.pharm. Max Wellan, Österreichische Apothekerkammer


 

Im Zuge der Debatte und des Hearings ergriffen außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Johann Maier und den Auskunftspersonen, die Abgeordneten Dr. Martin Strutz, Dr. Erwin Rasinger, Mag. Karin Hakl, Dr. Kurt Grünewald, Karl Öllinger, Mag. Albert Steinhauser, Dr. Wolfgang Spadiut, Dr. Andreas Karlsböck, Mag. Gertrude Aubauer, Anna Höllerer und Ursula Haubner sowie der Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé das Wort.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, MAS und Dr. Erwin Rasinger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Art. 1 (§§ 15 Abs. 3, 16 Abs. 2 Z 2, 18 Abs. 4, 20 Abs. 1 und 2):

In den §§15 und 16 erfolgen sprachliche Gleichstellungen. Es ist dabei festzuhalten, dass, wenn ein ELGA-GDA die von ihm gespeicherten Verweise und Dokumente auch für seine gesetzlichen Dokumentationsverpflichtungen verwendet, diese nicht gelöscht werden müssen bzw. deren Speicherung nicht widersprochen werden kann, sondern nur für ELGA unzugänglich gemacht werden müssen.

Die Änderung in §18 soll klarstellen, dass die angesprochenen stationären ELGA-GDAs durch ihr IT-Sicherheitskonzept sicherstellen müssen, dass technisch garantiert ist, dass nur behandelndes bzw. betreuendes sowie das von ihnen angewiesene Personal, ELGA-Gesundheitsdaten verwenden können und damit z.B. auch die Protokollierung der natürlichen Person gewährleistet ist.

In § 20 Abs. 1 und 2 wird klargestellt, dass im Falle eines generellen bzw. partiellen Widerspruchs die Speicherpflicht gemäß §13 Abs. 3 selbstverständlich nicht gilt.

Zu Art. 2, Art. 3 lit. a und b, Art. 4 lit. a und b, Art. 5 lit. a und b sowie Art. 6 (§ 669 ASVG, § 43 Abs. 1 und 347 GSVG, § 41 Abs. 1 und 337 BSVG, § 27 Abs. 1 und 231 B-KUVG und § 113 Gentechnikgesetz):

In Abstimmung mit den Terminen der parlamentarischen Behandlung dieses Gesetzesvorhabens sollen die Sozialversicherungsgesetze mit der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Die in Aussicht genommene Änderung des Gentechnikgesetzes soll ab 1. Jänner 2013 Wirksamkeit erlangen.“

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, MAS und Dr. Erwin Rasinger mit wechselnden Mehrheiten (dafür: S, teilweise V, teilweise G, dagegen: teilweise V, F, teilweise G, B bzw. dafür: S, teilweise V dagegen: teilweise V, F, G, B) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2012 10 24

                              Mag. Johann Maier                                            Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau