Vorblatt

Problem:

Das befristete und immer wieder verlängerte Internationale Nahrungsmittelhilfe-Überkommen 1999 („Food Aid Convention“, BGBl. III Nr. 151/2005) ist mit 30. Juni 2012 ausgelaufen. Angesichts der steigenden Zahl an unterernährten Menschen weltweit – es ist abzusehen, dass das UN-Milleniumsziel Nr. 1, nämlich eine weltweite Halbierung der an Hunger und Unterernährung leidenden Menschen bis 2015, schwer zu erreichen ist – und neuer Herausforderungen wie z. B. durch den Klimawandel sind neue, bedarfsgerechte Lösungen gefragt, die den notleidenden Menschen langfristig eine Perspektive zur Erreichung einer Ernährungssouveränität bieten sollen.

Ziel:

Ratifizierung des Ernährungshilfe-Übereinkommens 2013 („Food Assistance Convention 2013“).

Inhalt/Problemlösung:

Laut der UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation FAO muss die landwirtschaftliche Erzeugung weltweit bis 2050 um 70% gesteigert werden, um die erwarteten 9 Milliarden Menschen zu ernähren. Die landwirtschaftliche Erzeugung soll umweltgerecht und nachhaltig sein, ist jedoch selbst zunehmenden Ausfällen auf Grund des Klimawandels ausgesetzt. Kurzfristige Ernteausfälle rufen rasch auftretende humanitäre Katastrophen hervor, die seitens der Geberländer durch Nahrungsmittelhilfe abgefedert werden. Vor diesem Hintergrund wurde das langjährige Internationale Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen 1999 einer inhaltlichen Revision unterzogen und ein neues, flexibleres und bedarfsgerechteres Ernährungshilfe-Übereinkommen 2013 ausverhandelt.

Alternativen:

Österreich hat regelmäßig die bisherigen Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen unterzeichnet. Eine Nichtunterzeichnung hätte Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit Österreichs in humanitären Angelegenheiten, insbesondere bezüglich der Verlässlichkeit österreichischer Ernährungshilfe, sowohl innerhalb der EU als auch international.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

- Finanzielle Auswirkungen:

Gegenüber dem status quo keine. Bis dato hat das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft jährlich 1,49 Millionen Euro (Budgetansatz 1/42057) für bezüglich des Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommens 1999 anrechenbarer Nahrungsmittelhilfe veranschlagt und ausbezahlt. Eine betragsmäßige Änderung ist derzeit weder beabsichtigt noch durch den Vertragstext erforderlich.

- Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

-- Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

-- Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für Bürger/innen und Unternehmen:

Keine.

-- Auswirkungen in umweltpolitischer Sicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

In den Prinzipien des Ernährungshilfe-Übereinkommens wird auf lokalen oder regionalen Ankauf – soweit möglich und zweckmäßig – Wert gelegt. Durch die Vermeidung langer Transportwege und –kosten, die oftmals den Wert der Nahrungsmittel übertreffen, wird ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet.

-- Auswirkungen in konsumentenpolitischer sowie sozialer Sicht:

Keine.

-- Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die Materie der humanitären Hilfe einschließlich des Bereiches Nahrungsmittelhilfe ist gemäß Art. 4 Abs. 4 und Art. 214 AEUV eine gemischte Zuständigkeit, die ein paralleles Tätigkeitwerden sowohl der Europäischen Union als auch ihrer Mitgliedstaaten ermöglicht. Die Europäische Union ist ihrerseits bestrebt, das Übereinkommen zu ratifizieren und hat diesbezüglich bereits entsprechende Schritte gesetzt.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Übereinkommen hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Übereinkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Übereinkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Angesichts regelmäßig wiederkehrender humanitärer Katastrophen, die auf unvorhersehbaren Naturereignissen (schlechte Ernte, Dürre, Überschwemmungen, Heuschreckenplage) und/oder kriegerischen Konflikten beruhen und die sich zuallererst in Form von Ernährungsmängeln der betroffenen Bevölkerung äußern, wurde das seit 1999 geltende Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen 1999 einer kritischen Bewertung unterzogen. Das 2011 zwischen der EU, den USA, Kanadas, Japan, der Schweiz und Australien ausverhandelte Ernährungshilfe-Übereinkommen 2013 löst das Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen 1999 ab. Es markiert den Übergang von einer geberorientierten Nahrungsmittelhilfe hin zu einer flexibleren, bedarfsorientierten Ernährungshilfe mit einem weiteren Produktkatalog und anrechenbaren Aktivitäten. Im Gegensatz zum bisherigen Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen 1999 ist das Ernährungshilfe-Übereinkommen 2013 unbefristet konzipiert. Kündigungs-, Rücktrittsmöglichkeiten und Evaluierungsmöglichkeiten sind vorgesehen.

Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Art. 1 regelt die Ziele des Übereinkommens, wobei der Fokus primär auf die Bedürfnisse der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen, auf deren Zugang zu angemessener Nahrung und auf höchstmögliche Effizienz gelegt wird.

Zu Art. 2:

Art. 2 skizziert die Grundsätze der Ernährungshilfe. Im Vordergrund stehen dabei die Wirksamkeit, die Einbeziehung der Empfänger, der Vorrang des lokalen Ankaufes vor Ort unter Vermeidung von Marktstörungen, die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen künftige Krisen und die Vermeidung von langfristigen Abhängigkeiten. Dem allgemeinen Trend entsprechend wird die Gabe von Bargeld bevorzugt. Ebenfalls im Sinne einer empfängerorientierten Hilfe wird versucht, die Monetarisierung und die Wiederausfuhr von Nahrungsmitteln zu beschränken, um Entwicklungs- und allfällige Handelsinteressen sauber voneinander zu trennen.

Zu Art. 3:

Diese Bestimmung dient dazu, mögliche Wechselwirkungen und Präjudizien mit den laufenden WTO-Verhandlungen auszuschließen.

Zu Art. 4:

Der in Frage kommende Empfängerkreis von anrechenbarer Ernährungshilfe wird im Art. 4 Abs. 1 durch die Länder, die in der offiziellen Empfängerliste des OECD-Entwicklungshilfekomitees angeführt sind, sowie durch Verweis auf die Verfahrens- und Durchführungsbestimmungen für allfällige nicht darin genannte Länder umrissen. Die Abs. 3 und 4 definieren die anrechenbaren Produkte und Aktivitäten und verweisen auf deren Konkretisierung in den Verfahrens- und Durchführungsbestimmungen.

Zu Art. 5:

Kernstück des Ernährungshilfe-Übereinkommens ist eine jährliche Mindestverpflichtung an zu leistender Ernährungshilfe. Im Gegensatz zum Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen 1999 sind die Verpflichtungsbeträge nicht in der Konvention angeführt (die Österreich betreffende Rate war in der FAC 1999 in der EU-Mindestverpflichtung inkludiert). Um das Abkommen flexibler zu gestalten, wird die Eingangsmindestverpflichtung binnen 6 Monaten ab Inkrafttreten des Abkommens bzw. binnen 3 Monaten ab dem individuellen Beitritt dem Sekretariat mitgeteilt. Mindestverpflichtungen können mengenmäßig (in Form von Getreideäquivalenten) oder wertmäßig (in einer zu wählenden Währung) oder als Kombination aus beiden angegeben werden. Aus Praktikabilitätsgründen wählte Österreich in den letzten Jahren die wertmäßige Variante in Euro.

Nachdem das Ernährungshilfe-Übereinkommen als unbefristet konzipiert ist, besteht als Ausgleich im Abs. 5 die fakultative Möglichkeit, die Mindestverpflichtung jährlich anzupassen. Die für das folgende Kalenderjahr geltende Mindestverpflichtung muss bis 15. Dezember dem Sekretariat mitgeteilt werden. In der Folge kommuniziert das Sekretariat bis spätestens Anfang Jänner alle für das betreffende Kalenderjahr geltenden Mindestverpflichtungen pro Vertragsstaat. Die seitens Österreichs eingegangene Mindestverpflichtung wird künftig nicht mehr in der EU-Verpflichtung inkludiert sein, sondern extra ausgewiesen.

Um eine zu starke geberseitige Interessenslage hintanzuhalten, wurde im Abs. 7 normiert, dass die Ernährungshilfe nach Möglichkeit als reine Zuschüsse zu gewähren ist, mindestens jedoch zu 80%. Ernährungshilfe, die nicht als reiner Zuschuss gewährt wird, ist künftig im Jahresbericht des Vertragsstaates explizit auszuweisen. Derselbe Gedanke liegt dem Abs. 9 zu Grunde, wonach die Ernährungshilfe weder direkt noch indirekt, formelle oder informell, explizit oder implizit an kommerzielle Ausfuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder anderer Waren und Dienstleistungen in die Empfängerländer geknüpft werden darf.

Während im bisherigen Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen 1999 die dem Abkommen unterliegenden Produkte und Aktivitäten im Abkommen selbst normiert waren, verweist das Ernährungshilfe-Übereinkommen im Abs. 10 diesbezüglich auf die Verfahrens- und Durchführungsbestimmungen.

Abs. 11 normiert, dass die Ernährungshilfe zur Anrechnung der jährlichen Mindestverpflichtung nur für die im Art. 4 genannten und in den Verfahrens- und Durchführungsbestimmungen näher bezeichneten förderfähigen Länder oder förderfähigen gefährdeten Bevölkerungsgruppen verwendet werden dürfen. Damit stellt man – im Gegensatz zum Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen 1999 – nicht nur auf förderfähige Länder, sondern alternativ auch auf förderfähige gefährdete Bevölkerungsgruppen ab.

Die Regelungen bezüglich Nichterfüllung oder Übererfüllung der Mindestverpflichtung entsprechen im Wesentlichen den bisherigen Art. VI lit. b und c der Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommens 1999 („carryover bzw. carryforward“).

Zu Art. 7:

Wie im bisherigen Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen 1999 sieht das Ernährungshilfe-Übereinkommen einen Ausschuss vor, dem alle Vertragsparteien angehören.

Im Vergleich zum bisherigen Abkommen kommt den Verfahrens- und Durchführungsbestimmungen durch die die generellen Vertragsregeln konkretisierenden Inhalte eine höhere Bedeutung zu. Abs. 3 verweist auf die im Zuge der Vertragsverhandlungen ausformulierten Verfahrens- und Durchführungsbestimmungen des Dokumentes FAC (11/12)1 vom 25. April 2012 als Erstdurchführungsregeln. Nach Inkrafttreten des Übereinkommens können diese vom Ernährungshilfe-Ausschuss einvernehmlich geändert werden. Damit ist die nötige Flexibilität des Übereinkommens gewährleistet. Einvernehmen besteht dann, wenn kein formeller Widerspruch gegen einen Beschluss entweder sofort während der Sitzung oder innerhalb von 30 Tagen nach Verteilung des Protokolls eingelegt wird. Nachdem Österreich nach der Ratifizierung Sitz und Stimme im Ernährungshilfe-Ausschuss erlangt, ist eine gehörige Berücksichtigung der österreichischen Interessen – im Rahmen des durch Art. 4 Abs. 2 EUV gesetzten EU-Zusammenarbeits- und Loyalitätsgebotes – gegeben.

Zu Art. 9:

Im Gegensatz zu den obligatorischen zwei Sitzungen pro Jahr des Nahrungshilfe-Übereinkommens 1999 sieht das Ernährungshilfe-Übereinkommen 2013 nur mehr eine formelle Tagung als Mindesterfordernis vor. Daneben können informelle Sitzungen anberaumt werden.

Zu Art. 10:

Die administrativen Angelegenheiten werden anfangs wie bisher vom Sekretariat des Internationalen Getreiderates in London besorgt. Die Formulierung ist so flexibel, dass einvernehmlich langfristig bei Bedarf auch eine andere geeignete Stelle betraut werden könnte.

Zu den Art. 12-15:

In der Zeit zwischen dem 11. Juni und dem 31. Dezember 2012 liegt das Ernährungshilfe-Übereinkommen 2013 in New York für die Staaten und Staatengemeinschaften, die bereits das Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen 1999 ratifiziert haben (wie Österreich), zur Unterzeichnung auf. Das Abkommen tritt mit 1. Jänner 2013 in Kraft, wenn bis 30. November 2012 mindestens fünf Unterzeichner ihre Ratifikationsurkunden in New York hinterlegt haben. Sollte ein Unterzeichnerstaat des bisherigen Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommens 1999 die Ratifikation nicht bis spätestens 31. Dezember 2012 vornehmen, ist auch ein Beitritt danach möglich, wobei die Wirkungen des Übereinkommens diesfalls erst ab dem Zeitpunkt der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde eintreten.

Zu den Art. 16 und 17:

Nachdem das Ernährungshilfe-Übereinkommen im Gegensatz zum Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommen nicht mehr befristet ausgestaltet ist, wurden Beurteilungs- und Änderungsverfahren sowie Kündigungs- und Rücktrittsmodi eingebaut.