2024 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (1983 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden

Zu Art. 1 (Änderung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes)

 

1. Zur stärkeren Betonung der Prävention von arbeitsbedingten psychischen Belastungen und Gefährdungen, die zu Fehlbeanspruchungen führen:

In der Arbeitswelt ist eine Zunahme psychischer Belastungen und Gefährdungen, die zu Fehlbeanspruchungen führen, als Ursache für arbeitsbedingte Beschwerden und Erkrankungen zu beobachten. Psychische Belastungen verursachen nicht nur psychische Beeinträchtigungen und Erkrankungen, sondern verstärken auch andere Erkrankungen wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen, Magen-, Darmerkrankungen, Schlafstörungen, Diabetes. Immer mehr Personen müssen infolge psychischer Fehlbeanspruchungen die Frühpension antreten. Dies verursacht viel menschliches Leid, aber auch betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Kosten.
Die Ursachen arbeitsbedingter psychischer Fehlbeanspruchungen sind häufig:

             - widersprüchliche Arbeitsaufgaben

             - Arbeitsverdichtung, unangemessene Zeit- und Terminvorgaben, ständige Erreichbarkeit,

             - unangemessene Wiederholung immer gleicher Arbeitsvorgänge,

             - Informationsmangel oder –überflutung,

             - knappe Personalbemessung,

             - Verwischen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit,

             - häufige Umstrukturierungen, Angst vor Arbeitsplatzverlust,

             - fehlende Handlungsspielräume und mangelnde Beteiligungsmöglichkeiten,

             - isoliertes Arbeiten ohne Möglichkeit zu sozialen Kontakten, fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte.

Das ASchG sieht bereits in der geltenden Fassung vor, dass Arbeitgeber/innen bei der Präventivbetreuung neben Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmediziner/innen, je nach der in der Arbeitsstätte gegebenen Gefährdungs- und Belastungssituation, sonstige geeignete Fachleute, insbesondere jedoch Arbeitspsychologen, zu beschäftigen haben. Diese Regelung soll aufgrund einer entsprechenden Einigung der Interessenvertretungen der Arbeitgeber/innen und der Arbeitnehmer/innen dadurch ergänzt werden, dass zum einen an mehreren Stellen im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz die Prävention auch arbeitsbedingter psychischer Belastungen, die zu Fehlbeanspruchungen führen stärker betont wird und zum anderen die Arbeitspsycholog/innen als bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren beizuziehende Fachleute ausdrücklich genannt werden. Begleitend ist eine Änderung der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit über die arbeitsmedizinische Ausbildung von Ärzten, BGBl. 664/1996 zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 277/2003, vorgesehen, mit der die Arbeits- und Organisationspsychologie auch verstärkt in die Ausbildung der Arbeitsmediziner/innen integriert werden soll.

Das Anwendungsgebiet der Arbeits- und Organisationspsychologie befasst sich mit den psychologischen Faktoren arbeitender Menschen in Organisationen. Die Arbeits- und Organisationspsychologie beobachtet und analysiert Arbeitsbedingungen und Arbeitsaufgaben und die Ressourcen der arbeitenden Menschen und deren Auswirkungen. Die Arbeitspsycholog/innen sind daher nicht etwa für individuelle psychologische Betreuungsleistungen (Therapie oder Coaching) von Einzelpersonen heranzuziehen, sondern primär zur Mitwirkung an der Ermittlung und Beurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastungen am Arbeitsplatz, bei der Festlegung der Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefährdungen sowie bei der Aktualisierung dieser Evaluierung.

 

2. Zum Anpassungsbedarf bei den Regelungen über Arbeitsstoffe an die CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008:

Nach dem geltenden Recht (§ 41 Abs. 2 ASchG) müssen Arbeitgeber/innen die Eigenschaften der von ihnen verwendeten Arbeitsstoffe ermitteln und gefährliche Arbeitsstoffe nach ihren Eigenschaften gemäß § 40 ASchG einstufen. Diese Eigenschaften gemäß § 40 ASchG orientieren sich am Chemikalienrecht (§ 3 Abs. 1 ChemG 1996).

§ 5 ChemG 1996 ordnet seit der ChemG-Novelle 2009 an, dass eine Einstufung nach der CLP-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, ABl. Nr. L 353 vom 31.12.2008 S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 618/2012, ABl. Nr. L 179 vom 11.07.2012 S. 3) die Einstufung nach ChemG ersetzt. Eine ähnliche Regelung muss daher auch im Arbeitnehmerschutzrecht getroffen werden.

Die CLP-Verordnung ist am 20. Jänner 2009 in Kraft getreten. Sie kann seit dem 20.1.2009 bereits ergänzend angewendet werden, verpflichtend ist CLP für Stoffe ab dem 1.12.2010 und für Gemische ab dem 1.6.2015 anzuwenden. Das bisherige Recht zu Einstufung und Kennzeichnung bleibt bis 1.6.2015 in Geltung. Die Einstufung nach der CLP-Verordnung erfolgt nicht mehr nach den in § 40 ASchG genannten gefährlichen Eigenschaften, sondern in insgesamt 26 Gefahrenklassen, die ihrerseits wiederum in Gefahrenkategorien untergliedert sind.

Da die ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften jedoch (noch) an die Stoffeigenschaften nach § 40 ASchG anknüpfen, muss klargestellt werden, welche dieser Schutzbestimmungen für die nach der CLP-Verordnung eingestuften Arbeitsstoffe jeweils zu gelten haben.

 

3. Zum Erfordernis zahlreicher redaktioneller Bereinigungen und Aktualisierungen:

Da seit dem Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz 2001 keine größere Novellierung des Arbeitnehmer­Innenschutzgesetzes und auch keine redaktionelle Bereinigung mehr erfolgt ist, hat sich in den letzten zehn Jahren einiger Aktualisierungsbedarf angesammelt. Mit dem vorliegenden Begutachtungsentwurf sollen diese notwendigen Aktualisierungen, Klarstellungen und redaktionellen Anpassungen vorgenommen werden, so vor allem die formelle Aufhebung von bereits außer Kraft getretenen Übergangsbestimmungen. Weiters sollen die seit 1995 unveränderten Geldstrafen erhöht werden.

 

Zu Art. 2 (Änderung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993)

 

In Anpassung an die in Art. 1 der gegenständlichen Novelle enthaltenen Änderungen (§§ 3 und 15 ASchG) werden in § 3 Abs. 1 Z 1 und § 10 Abs. 1 ArbIG rein sprachliche Aktualisierungen vorgenommen, wobei das Wort „Sittlichkeit“ wegen der besonderen Kinder- und Jugendschutzvorschriften aber weiterhin im ArbIG erforderlich ist. Damit ist auch keine Änderung der Zuständigkeit oder Aufgaben der Arbeitsinspektion verbunden.

Unfallerhebungen durch das Arbeitsinspektorat zielen darauf ab, dass möglichst rasch Unfallverhütungsmaßnahmen gesetzt und zukünftig solche Unfälle vermieden werden können. Da die Sicherheitsbehörden in der Regel als erste von Arbeitsunfällen erfahren, sind sie bereits nach geltender Rechtslage gesetzlich verpflichtet, das Arbeitsinspektorat ohne Verzug hievon zu verständigen.

Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass über die bloße Verständigung hinausgehend, für das Arbeitsinspektorat oftmals auch die Kenntnis der durch die Sicherheitsbehörde unmittelbar nach dem Unfallereignis am Ort des Geschehens getroffenen Feststellungen vonnöten ist, um die aus dem jeweiligen Unfallgeschehen abzuleitenden Schlüsse zu ziehen und die im Interesse des Arbeitnehmer/innenschutzes erforderlichen Maßnahmen veranlassen zu können. Die für die Wahrnehmung dieser gesetzlichen Aufgaben der Arbeitsinspektorate zweckdienlichste und zugleich im Sinne der Verwaltungsökonomie für die Sicherheitsbehörden am wenigsten aufwändige Lösung ist die Übermittlung einer Kopie der Tagesmeldung und/oder des von der Polizeidienststelle für die Justizbehörde erstellten Unfallberichts an das Arbeitsinspektorat. Dafür soll nunmehr in § 20 Abs. 3 ArbIG eine gesetzliche Ermächtigung im Sinne des § 76 Abs. 4 zweiter Satz StPO geschaffen werden. Die Beurteilung der Notwendigkeit einer Befassung der Staatsanwaltschaft soll dabei dem Ermessen der Sicherheitsbehörde überlassen bleiben.

Auch bei den Strafrahmen des ArbIG soll eine moderate Erhöhung wie bei jenen des ASchG vorgenommen werden, vgl. obige Erläuterungen zu Zu Art. 1 Z 86 und 89 (§ 130 Abs. 1 bis 6 ASchG).

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 20. November 2012 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Karl Donabauer die Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Herbert Kickl, Sigisbert Dolinschek, Franz Riepl, Johann Höfinger, Wolfgang Katzian, Karl Öllinger und Dr. Sabine Oberhauser, MAS sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S,V,F dagegen: G,B ) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1983 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2012 11 20

                                Karl Donabauer                                                                Renate Csörgits

                                    Berichterstatter                                                                             Obfrau