2087 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (2004 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Außerstreitgesetz, das Ehegesetz, das Justizbetreuungsagentur-Gesetz, das Rechtspflegergesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und das Namensänderungsgesetz geändert werden (Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 – KindNamRÄG 2013)

Das Kindschaftsrecht und das diesbezügliche Verfahrensrecht bedürfen im Hinblick auf gesellschaftliche Entwicklungen, auf Fortschritte in den Bereichen Psychologie und Sozialarbeit sowie auf grundrechtliche Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verfassungsgerichtshofs einer tiefgreifenden Überarbeitung.

Das Namensrecht des ABGB lässt den Wunsch zahlreicher Paare nach einem Doppelnamen für sie und ihre Kinder unerfüllt. In vielen Fällen – etwa beim Erwerb des Namens des Vaters durch uneheliche Kinder – steht nur die verwaltungsbehördliche Namensänderung zur Verfügung.

Das Kindschaftsrecht des ABGB soll unter besonderer Wahrung der Interessen minderjähriger Kinder im Bereich der elterlichen Verantwortung, vor allem des Weges von Eltern zur Obsorge, zur Obsorge beider Eltern und zum Kontakt mit dem Kind neu gestaltet werden. Die Unterscheidung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern wird beseitigt und die Anlegung von Mündelgeld im Licht jüngerer Erfahrungen überarbeitet. Auf dem Gebiet des Verfahrensrechtes sollen neben der vermehrten Möglichkeit vorläufiger Entscheidungen die neuen Instrumente der Familiengerichtshilfe und des Besuchsmittlers gesetzlich verankert werden.

Das Namensrecht des ABGB wird flexibler gestaltet, vor allem werden Doppelnamen für Kinder und ganze Familien ermöglicht. Dem Entstehen von Mehrfachnamen und der Inanspruchnahme der verwaltungsbehördlichen Namensänderung wird entgegengewirkt.

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage erstmals in seiner Sitzung am 20. November 2012 in Verhandlung genommen. Im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneter Franz Glaser beschloss der Ausschuss einstimmig, im Sinne des § 37 Abs. 9 GOG eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen abzuhalten. Als Sachverständige wurden folgende Personen geladen: Dr. Helene Klaar, Mag. Guido Löhlein, Dr. Eva Mückstein, Dr. Reinhard Neumayer, Mag. Alexander Scheer und Mag. Doris Täubel-Weinreich.

In der an die Ausführungen der Sachverständigen anschließenden Debatte ergriffen die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Ing. Norbert Hofer, Mag. Albert Steinhauser, Herbert Scheibner, Ridi Maria Steibl, Mag. Daniela Musiol, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Karin Hakl, Mag. Gisela Wurm, Tanja Windbüchler-Souschill, Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher und Ing. Peter Westenthaler sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl und die Bundesministerin für Frauen und Öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek das Wort. Auf Antrag des Abgeordneten Franz Glaser wurden die Verhandlungen vertagt.

Im Zuge der Wiederaufnahme der Verhandlungen am 28. November 2012 beteiligten sich die Abgeordneten Franz Glaser, Mag. Gisela Wurm, Sonja Ablinger, Ridi Maria Steibl, Mag. Harald Stefan, Mag. Albert Steinhauser, Herbert Scheibner, Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl an der Debatte.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Peter Michael Ikrath und Mag. Johann Maier einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Z 1 (§ 177 Abs. 4 ABGB):

Beseitigung eines Redaktionsversehens.

Zu Z 2 (§ 773a Abs. 3 ABGB):

Beseitigung eines Redaktionsversehens.

Zu Z 3 (Aufhebung des § 92 AußStrG samt Überschriften):

Die verfahrensrechtlichen Regelungen über das Vorgehen zur Vorbereitung einer Legitimation durch den Bundespräsidenten verlieren mit der zivilrechtlichen Gleichstellung unehelicher mit ehelichen Kindern ihren Anwendungsbereich im Bereich des Zivilrechts. Das spricht dafür, auch die verfahrensrechtlichen Regelungen aufzuheben. Diese Maßnahme soll allerdings erst mit 1.Jänner 2016 in Kraft treten. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten alle noch geltenden sonstigen Regelungen, die eheliche und uneheliche Kinder ungleich behandeln, aufgehoben werden.

Zu Z 4 (§ 101 AußStrG):

Nach geltendem Recht ist (bei 5 000 Euro übersteigenden Streitwerten) für Verfahren über Unterhaltsansprüche zwischen volljährigen Kindern und ihren Eltern, nicht aber in Verfahren über Unterhaltsansprüche von minderjährigen Kindern eine relative Anwaltspflicht vorgesehen. Diese sachlich nicht gerechtfertigte Unterscheidung soll beseitigt werden

Zu Z 5 bis 7 (§§ 104, 104a, 105 und 106 AußStrG):

Beseitigung von Redaktionsversehen.

Zu Z 8 (§ 107a AußStrG):

Nach Abs. 1 soll der Antrag, mit dem das Kind oder diejenige Person, in deren Obsorgerecht durch die Maßnahme des Jugendwohlfahrtsträgers eingegriffen wird, die Prüfung einer solchen Maßnahme begehrt, mit einem Monat befristet werden. Das Antragsrecht soll weiters nur einmalig zustehen. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass es zu „Kettenanträgen“ kommt, die das Gericht dazu zwingen, unverzüglich, nämlich tunlichst binnen vier Wochen, auszusprechen, ob die Maßnahme des Jugendwohlfahrtsträgers unzulässig oder vorläufig zulässig ist, und die auf diese Weise den Fortgang im eigentlichen Verfahren, das ohnedies der Klärung dieser Frage dient, blockieren. Auch soll über den Antrag nicht zwingend in einer mündlichen Verhandlung entschieden werden. Das dient der Entlastung der Gerichte.

Erklärt das Gericht die Maßnahme für unzulässig, so ist sie sogleich zu beenden, es sei denn, dass das Gericht die vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit ausschließt. In einem solchen Fall soll ein innerhalb von drei Tagen eingebrachter Rekurs des Jugendwohlfahrtsträgers aufschiebende Wirkung haben.

Zu Z 9 und 10 (§§ 109, 111, 112 und 115 AußStrG):

Beseitigung von Redaktionsversehen.

Zu Z 11 (§ 207i AußStrG):

Zur Übergangsfrist für das Außerkrafttreten der verfahrensrechtlichen Regelungen über die Legitimation durch den Bundespräsidenten § 207i Abs. 2) s. die Begründung zu Artikel 2 Z 3.

Zu Z 12 (TP 12 lit. i GGG):

In TP 12 lit. i Z 2 soll in der Spalte „Gegenstand“ klargestellt werden, dass die Gebührenpflicht mit dem Abschluss der Tätigkeit des Besuchsmittlers den Parteien gegenüber endet. Es bleibt also nur solange eine Gebührenpflicht aufrecht, solange die Familiengerichtshilfe noch Kontakt mit zumindest einer Verfahrenspartei als Besuchsmittler pflegt. Im Unterschied zur Regierungsvorlage soll die Zeit für die anschließende Berichterstattung – sei dies schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung – keiner Gebührenpflicht mehr unterliegen.

Zu Z 13 (TP 12 Anmerkung 8 GGG):

Die Änderung in der Anmerkung 8 soll der Einschränkung der Gebührenpflicht in der TP 12 lit. i Z 2 Rechnung tragen und eine Rückzahlungspflicht für jene Dreimonatsperioden vorsehen, für die sich erst im Nachhinein herausstellt (z. B. aus dem Bericht des Besuchsmittlers), dass kein Kontakt mehr zu einer Verfahrenspartei stattgefunden hat.

Zu Z 14 (§ 11 Abs. 5 NÄG):

Beseitigung eines Redaktionsversehens.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, dagegen: F, G, B) beschlossen.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Peter Michael Ikrath, Dr. Johannes Jarolim und Mag. Albert Steinhauser einen Entschließungsantrag eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, B, dagegen: F) beschlossen wurde.

Dieser Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Mit dem Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 werden grundlegende Änderungen der Rechtslage im materiellen Recht und im Verfahrensrecht hinsichtlich der Regelung der Obsorge und des Kontaktes vorgenommen. Diese Neuregelungen werden für viele Familien in Trennungssituationen in Zukunft bedeutsam sein und bedürfen daher vier Jahre nach dem Inkrafttreten einer eingehenden Evaluation.“

Ferner beschloss der Justizausschuss auf Antrag der Abgeordneten Mag. Peter Michael Ikrath, Dr. Johannes Jarolim und Dr. Peter Fichtenbauer mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, dagegen: G, B) folgende Feststellung:

„Der Justizausschuss vertritt die Ansicht, dass es einer Konkretisierung der Erläuternden Bemerkungen zu § 162 ABGB des Entwurfes im Zusammenhang mit Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes bei Obsorge beider Eltern bedarf.

Nach § 162 Abs. 2 ABGB des Entwurfs hat derjenige Elternteil das alleinige Recht, den Wohnort des Kindes zu bestimmen, der aufgrund einer Vereinbarung der Eltern oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung das Kind hauptsächlich in seinem Haushalt betreuen soll (sog. „Domizilelternteil“). Dies soll nach den Erläuternden Bemerkungen auch für einen Umzug in das Ausland gelten.

Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass der Domizilelternteil den anderen Elternteil, von dem bevorstehenden Umzug rechtzeitig zu informieren und sich um dessen Zustimmung zu bemühen hat. Dies ergibt sich – wenn der andere Elternteil ebenfalls mit der Obsorge betraut ist – aus § 137 Abs. 2 letzter Satz ABGB neu, wonach die Eltern die Obsorge, soweit tunlich und möglich, einvernehmlich wahrzunehmen haben. Lehnt der andere Elternteil den Umzug ab, so hat der Domizilelternteil diese Äußerung nach § 189 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 5 ABGB neu zu berücksichtigen, wenn dies dem Wohl des Kindes besser entspricht. Darüber hinaus hat der andere Elternteil auch die Möglichkeit, bei Gericht einen Antrag auf Einschränkung oder Entziehung der Obsorge nach §§ 180 bzw. 181 ABGB in der Fassung des Entwurfs zu stellen.

Verletzt der Domizilelternteil diese ihm insb. in § 137 Abs. 2 letzter Satz ABGB neu auferlegten Pflichten, so greift er dadurch widerrechtlich in die Obsorge des anderen Elternteils ein. Hierdurch wird nach Ansicht des Justizausschusses insbesondere der Tatbestand des widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens eines Kindes im Sinn des Haager Kindesentführungsübereinkommens erfüllt.“

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2012 11 28

                                   Franz Glaser                                                          Mag. Peter Michael Ikrath

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann