2088 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 1776/A(E) der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mittel für die Fortbildung der Familienrichter im Zusammenhang mit Obsorgestreitigkeiten sowie

über den Antrag 2086/A(E) der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besuchsrecht für Großeltern

Die Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 1776/A(E) am 6. Dezember 2011 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Ein wesentlicher Teil des Rechtsunfriedens betreffend minderjähriger Kinder wird auf deren Rücken dadurch ausgetragen, dass Streitigkeiten über das Obsorgerecht wie auch das Besuchsrecht geführt werden und überdies diese Streitigkeiten, die im Rahmen des Außerstreitgesetzes durch die Bezirksgerichte in erster Instanz zu judizieren sind, in vielen Fällen jahrelang nicht erledigt werden.

Der Grund für diese oft jahrelangen Verzögerungen liegt vor allem darin, dass die von den streitenden Parteien aufgestellten Behauptungen und die damit zusammenhängenden Fragen des Kindeswohls im Bereich der Sachverhaltsermittlung nahezu prinzipiell von den Gerichten zu den Sachverständigen ausgelagert werden.

Diese seit vielen Jahren verfestigte gerichtliche Übung führt dazu, dass der tatsächliche „Herr des Verfahrens“ – in indirektem  Wege – der Sachverständige ist oder genauer gesagt die Sachverständigen sind, da es oft zu mehreren Gutachten kommt. Sei es nun aus Gründen der Überlastung von Sachverständigen, auch weil es zu wenige geben mag, oder aus Vernachlässigung deren aufgetragener Pflichten, ist es evident, dass die jahrelange Nichtentscheidung dieser Fälle darauf beruht, dass teilweise oft ein Jahr oder noch länger aufgetragene Gutachten nicht erstattet werden. Oder es kommt zur Bestellung von immer wieder neuen Gutachtern, welche alle zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, was doch auch hinterfragenswert scheint.

Es sind auch Fälle bekannt, in denen Sachverständige, die in hohem öffentlichen Ansehen stehen, bei „gewöhnlichen“ nicht medial wirksamen Fällen jahrelang kein Gutachten erstellen und das schließlich vorgelegte Gutachten so schlampig ausgeformt ist, dass eine Ergänzung aufgetragen werden muss, die neuerlich ein Jahr nicht durchgeführt wird.

Aus diesen Umständen, welche auf Verfahrensprobleme aber auch auf die mögliche Überforderung der Familienrichter zurückzuführen sind, erwächst jene extrem negative Folge, die durch die Rechtsordnung geradezu verhindert werden soll, nämlich die Entfremdung zwischen Kind und einem Elternteil.

In zahllosen Fällen kommt es eben durch die jahrelange Nichtentscheidung über ein Besuchsrecht zu gar keinem Besuch zwischen einem Kind und einem Elternteil. Nicht nur die Tatsache des jahrelang nicht beendeten Streites durch das zuständige Gericht, sondern auch durch die Nichtentscheidung entstandene Kontaktbehinderung zwischen Eltern (Elternteil) und Kindern bewirkt sozialen Unfrieden, Eltern-Kind Entfremdung und gar auch Traumatisierung von Kindern.

Der Primat des „Kindeswohls“ wird genau ins Gegenteil verkehrt und der Gesetzeszweck vereitelt.

Die Alternative zu dem jetzt bestehenden Übelstand kann nur darin bestehen, gegebenenfalls eine Lücke im Beweisverfahren hinzunehmen und unter Umständen auf ein Sachverständigengutachten zu verzichten, um den Vorzug der schnelleren Entscheidung zu erzeugen.“

Die Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 2086/A(E) am 5. Oktober 2012 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Rechtslage in Österreich ist betreffend das Besuchsrecht von Großeltern bei Trennung der Eltern reformbedürftig, weil in der Praxis ungerechtfertigte Nachteile für diese Personengruppe vorhanden sind, welche einer Korrektur bedürfen. Es gibt Großeltern, die ihre Enkel gerne sehen würden, denen es aber rechtlich untersagt bzw. verunmöglicht wird. Grund ist, dass die grundsätzliche Zulässigkeit des Besuchsrechtes nach § 148 ABGB weitgehend gesetzlich eingeschränkt ist. Das Besuchsrecht soll dem Aufbau eines Verhältnisses der Großeltern zum Kind dienen, wenngleich es mangels Überwachungsfunktion inhaltlich schwächer ausgestaltet ist. Großeltern sind oft genauso Leid tragend wie die Kinder und der nicht obsorgeberechtigte Elternteil. Denn solange sich der nicht obsorgeberechtigte Elternteil um das Besuchsrecht bemüht, aber noch keines hat, solange können die Großeltern, wenn der obsorgeberechtigte Elternteil es unter Berufung auf eine Störung des Familienlebens oder der Eltern/Kind Beziehung durch die Ausübung eines Besuchsrechtes nicht zulässt, ihre Enkelkinder nicht sehen. Erst wenn der nicht obsorgeberechtigte Elternteil ein Besuchsrecht hat, können die Großeltern eines beantragen. Bis dahin können Jahre vergehen und die Entfremdung zwischen den Kindern zu ihren Großeltern ist in der Folge groß. Dies vor dem Hintergrund, dass allgemein bekannt ist, wie wichtig Großeltern für Kinder und umgekehrt Kinder für Großeltern sind. Es sollte zumindest einmal pro Monat jedenfalls den Großeltern ein Besuchsrecht zustehen, es sei denn, dass dadurch das Kindeswohl beeinträchtigt würde.

Das Wohl der Kinder muss hier im Vordergrund stehen und nicht Streitigkeiten, die Eltern unter sich nicht regeln können. Letzteres ist heute der Grund, warum oft unter Berufung auf eine Störung des Familienlebens oder der Eltern-Kindbeziehung den Großeltern der Besuch untersagt wird.

Die aktuellen Nachteile sind folgende:

1. Die Behandlung von Besuchsrechtsanträgen dauern mindestens 6 Monate, in der Regel Jahre!

2. Besuchsrechtsbeschlüsse über die Anträge von Großeltern werden in der Praxis von Richtern gerne mit dem Besuchsrecht des nicht obsorgeberechtigten Elternteils verbunden, d.h. weitere Verfahrensverzögerung.

3. Kein Informationsrecht trotz subsidiärer Alimentationspflicht (Großeltern müssen zahlen, wenn der nicht obsorgeberechtigte Elternteil ausfällt, aber dürfen nicht, wie er, Informationen über das Kind einholen).

4. Kein effektives Zwangsmittel, wenn die Kindesmutter bzw. der Kindesvater ohne Grund den Kontakt zwischen Enkel und Großeltern verhindert.

5. Keine Bestrafung für rechtswidriges Verhalten (Enkel-Kontakt-Verweigerung ohne Grund).

6. Besuchszeiten sind zu starr und richten sich in der Regel allein am Willen des obsorgeberechtigten Elternteils.“

 

Der Justizausschuss hat die in Rede stehenden Entschließungsanträge in seiner Sitzung am 20. November 2012 unter einem mit der Regierungsvorlage 2004 d.B. in Verhandlung genommen. Im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Dr. Peter Fichtenbauer beschloss der Ausschuss einstimmig, im Sinne des § 37 Abs. 9 GOG eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen abzuhalten. Als Sachverständige wurden folgende Personen geladen: Dr. Helene Klaar, Mag. Guido Löhlein, Dr. Eva Mückstein, Dr. Reinhard Neumayer, Mag. Alexander Scheer und Mag. Doris Täubel-Weinreich.

In der an die Ausführungen der Sachverständigen anschließenden Debatte ergriffen die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Ing. Norbert Hofer, Mag. Albert Steinhauser, Herbert Scheibner, Ridi Maria Steibl, Mag. Daniela Musiol, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Karin Hakl, Mag. Gisela Wurm, Tanja Windbüchler-Souschill, Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher und Ing. Peter Westenthaler sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl und die Bundesministerin für Frauen und Öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek das Wort. Auf Antrag des Abgeordneten Franz Glaser wurden die Verhandlungen vertagt.

Im Zuge der Wiederaufnahme der Verhandlungen am 28. November 2012 beteiligten sich die Abgeordneten Franz Glaser, Mag. Gisela Wurm, Sonja Ablinger, Ridi Maria Steibl, Mag. Harald Stefan, Mag. Albert Steinhauser, Herbert Scheibner, Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl an der Debatte.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Peter Michael Ikrath, Dr. Johannes Jarolim und Dr. Peter Fichtenbauer einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Der Entschließungsantrag zielt auf eine Beschleunigung der Obsorge- und Besuchsverfahren durch eine Zurückdrängung des Beweises durch Sachverständige - unter Hinnahme einer Lücke im Beweisverfahren - ab. Diese sollte durch eine Verbesserung der Aus- und Fortbildung der Familienrichter kompensiert werden.

Das Bundesministerium für Justiz führt allerdings seit Jahresbeginn den Modellversuch einer „Familiengerichtshilfe“ durch. Hiebei werden dem Gericht seitens der Justiz Experten zur Verfügung gestellt, die das Gericht in dessen Auftrag  bei der Sammlung der Entscheidungsgrundlagen, der Anbahnung einer gütlichen Einigung und der Information der Parteien in Verfahren über die Obsorge oder den Besuch unterstützen. Dadurch werden zum einen manche Gutachterbestellungen obsolet und zum anderen können die Gutachtensaufträge von den Gerichten präziser und zielgerichtet erteilt werden. Hiedurch werden die Obsorge- und Besuchsverfahren bei gleicher Qualität der Entscheidung verkürzt.

Auf Grund der bisherigen Erfahrungen soll mit dem „Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013“ die Familiengerichtshilfe gesetzlich verankert werden.

Wenn die Ziele des Legislativprojektes, darunter die bessere Wahrung des Wohles des Kindes und die Beschleunigung der Befriedung der Familie erreicht werden sollen, wird nicht nur eine Intensivierung der Aus- und Fortbildung der Familienrichter, sondern auch ein zügiger Ausbau der Familiengerichtshilfe unumgänglich sein.“

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag 1776/A(E) der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen in der Fassung des zuvor erwähnten Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, B , dagegen: G) beschlossen.

Dadurch gilt der Antrag 2086/A(E) als miterledigt.

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Franz Glaser gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2012 11 28

                                   Franz Glaser                                                          Mag. Peter Michael Ikrath

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann