2118 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Verkehrsausschusses

über die Regierungsvorlage (2110 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Eisenbahnbeförderung und die Fahrgastrechte erlassen und das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird und

über den Antrag 1786/A(E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung der Fahrgastrechte

Das allgemeine Eisenbahnbeförderungsrecht, das in Österreich im Eisenbahnbeförderungsgesetz (EBG) aus dem Jahr 1988 geregelt ist, wurde auf der internationalen Ebene des Übereinkommens über den Internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) im Sinne der neuen Schienenverkehrsmarktordnung der EU weiterentwickelt; das EBG bedarf einer Anpassung. Die Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr im Besonderen, wie sie vom Unionsrecht ausgingen, sind in Österreich erstmals im Jahr 2010 in einem eigenen Bundesgesetz über die Fahrgastrechte geregelt worden; dazu liegen erste Anwendungserfahrungen vor.

Die nötige Anpassung des EBG aus 1988 und die Evaluierung der Regelung im Bundesgesetz über die Fahrgastrechte sollen daher in einem gesamthaften Gesetzesvorhaben zur Reform des österreichischen Eisenbahnbeförderungsrechtes erfolgen. Wie bei den bisherigen gesetzlichen Grundlagen wird auf die Abstimmung mit den Rechtsgrundlagen im COTIF und im Unionsrecht zu achten sein.

Zur Vereinfachung und leichteren Anwendbarkeit des innerstaatlichen Eisenbahnbeförderungsrechts wird regelungstechnisch keine bloße Änderung des geltenden EBG vorgeschlagen, sondern eine gesamthafte Neufassung. Diese soll in einem die gesetzliche Regelung zu den Fahrgastrechten inkludierenden neuen gesamthaften Gesetz erfolgen. Zur Verbesserung der Kontroll- und Durchsetzungsmöglichkeiten sind auch einzelne flankierende Ergänzungen im EisbG vorgesehen.

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 1786/A(E) am 7. Dezember 2011 eingebracht und wie folgt begründet:

„Die mit der VO 1371/2007 der EU unausweichlich nötig gewordenen Fahrgastrechte im Öffentlichen Verkehr (Schiene) wurden - soweit über die direkt anwendbare Verordnung hinaus erforderlich - 2009 mit einem Bundesgesetz umgesetzt, das im April 2010 in Kraft trat.

Auch wenn diese österreichische Regelung im Interesse der Fahrgäste punktuell über die EU-Vorgabe hinausgeht, ist sie sowohl erweiterungs- als auch präzisierungsbedürftig.

Verkehrsministerin Doris Bures hat den Handlungsbedarf selbst bereits mehrfach artikuliert: ‚Mein Ziel für 2011 ist es auch, die Fahrgastrechte nach den ersten Erfahrungen zu evaluieren und dem österreichischen Parlament eine Novelle zu diesem Gesetz mit weiteren Verbesserungen für die Bahnkundinnen und Bahnkunden vorzulegen‘ heißt es etwa im Vorwort der Ministerin zum Tätigkeitsbericht 2010 (III-258 d.B. XXIV.GP) der SCG/Schienen-Control GmbH.

Die SCG beherbergt unter anderem die Schlichtungsstelle und hatte 2010 angesichts unwilliger Unternehmen und interpretierbarer Vorschriften einiges in die Umsetzung der Fahrgastrechte-Vorgaben in Sachen Informationspflichten und Entschädigungsbedingungen bis hin zu wettbewerbsbehördlichen Verfahren und einem Bescheid der Schienen-Control Kommission zu investieren. Auf die besonders schleppende Umsetzung der Vorgaben und der zusätzlich von der SCG eingemahnten Punkte durch die ÖBB-PV AG musste die SCG im besagten Bericht dabei ausdrücklich hinweisen.

Neben der Bundesministerin bekräftigte im erwähnten Bericht auch die damalige SCG-Geschäftsführerin, mittlerweile selbst im BMVIT, die Notwendigkeit von Änderungen: ‚Für 2011 ist die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Fahrgastrechte in Aussicht gestellt worden.‘

Die Grünen hatten in diesem Sinn bereits 2009 vor der Umsetzung der Fahrgastrechte einen Antrag (788/A(E) XXIV.GP betreffend ‚mehr Fahrgastrechte für Öffi-Pendlerinnen und -Pendler - Entschädigung bei Unpünktlichkeit, verpassten Anschlüssen, ausgefallenen Verbindungen und weiteren gravierenden Qualitätsmängeln‘) eingebracht, um Maßnahmen auch und gerade für die Stammkunden im Nah- und Regionalverkehr einzufordern und damit zu erreichen, dass Pendlerinnen und Pendler mit Zeitkarten als Fahrgäste ‚zweiter Klasse‘ bei den Fahrgastrechten nicht schlechter gestellt werden als Urlaubs- oder Geschäftsreisende im Fernverkehr. Denn gerade wer täglich auf bestmöglich funktionierende Öffentliche Verkehrsmittel auf dem Weg zur Arbeits- oder Ausbildungsstätte angewiesen ist, ist von Qualitätsmängeln besonders oft und oft auch regelmäßig über längere Zeiträume betroffen. Die Grünen wiesen damals auch darauf hin, dass die durch spürbare finanzielle Entschädigungen bei gravierenden oder fortgesetzten Qualitätsmängeln entstehenden Kosten ein entscheidender Anreiz für Verkehrsunternehmen sind, Angebots- und Qualitätsmängel gezielt und aktiv zu bekämpfen, inklusive tieferliegender Ursachen wie einsparungsbedingt unzureichende Erhaltung von Schienennetz und Rollmaterial.

Die Grünen hatten 2009 in einem weiteren Antrag (851/A(E) betreffend ‚weitergehende Fahrgastrechte im Bahn-Fernverkehr nach dem Vorbild anderer europäischer Staaten‘) auch auf fahrgastfreundlichere Regelungen in anderen Staaten hingewiesen und angeregt, diese für Österreich zu übernehmen, so etwa

                         - Entschädigungen bereits ab einer Verspätung von 30 statt 60 Minuten,

                         - klare Festlegung der erfassten Verbindungen (zB Zugkategorie, Entfernung und/oder Fahrzeit) im Sinne größtmöglicher Transparenz für die Fahrgäste, wobei geeignete Sanktionen für Eisenbahnunternehmen vorzusehen sind, die Fernverkehrszüge durch Nah-/Regionalverkehrs-Zugsgattungen ersetzen, um Entschädigungen zu vermeiden,

                         - fahrgastfreundliche Lösung der Entschädigungsfrage für ‚gemischt‘ durch Nah-/Regionalverkehr und Fernverkehr entstandene Verspätungen,

                         - Vermeiden von Nachteilen für Fahrgäste durch die Fahrgastrechte-Umsetzung, insbesondere Miteinbeziehung der Anschluss-Sicherung zusätzlich zur Pünktlichkeit auf der Einzelstrecke, um dem für viele Fahrgäste nachteiligen Steigern der statistischen Pünktlichkeit der Einzelverbindung auf Kosten des Abwartens von Anschlusszügen vorzubeugen,

                         - unternehmensübergreifende, unabhängige Information der Fahrgäste über ihre Fahrgastrechte.

Dringend zu hinterfragen ist im Sinne des Vermeidens von Nachteilen auch die betrieblich bequeme, aber aus Fahrgast- und Steuerzahlerperspektive ärgerliche ‚Pünktlichkeit durch Langsamkeit‘: Denn die nominell gestiegene Pünktlichkeit zB des ÖBB-Personenverkehrs wird neben dem Ausfallen-Lassen unpünktlicher Züge nicht zuletzt dadurch erreicht, dass die Fahrzeiten angehoben bzw. trotz mit Milliardensummen verbesserter Infrastruktur und unvergleichlich leistungsstärkeren Triebfahrzeugen nicht oder nicht adäquat reduziert wurden. Das Motto dabei scheint zu lauten: Schnell und pünktlich schaffen wir nicht, unpünktlich kostet Image und neuerdings im Rahmen der Fahrgastrechte auch (ein wenig) Geld, also machen wir es langsam und mit Reserven und damit halbwegs pünktlich. Laut dem im Juli 2011 veröffentlichten SCG-Tätigkeitsbericht hatte auch die SCG bereits zuvor Verbesserungsvorschläge ans BMVIT übermittelt, die insbesondere auf die schwierige Umsetzung dieses Gesetzes, welches in entscheidenden Bestimmungen auslegungsbedürftig bzw. in manchen Bestimmungen nur schwer administrierbar ist, abstellten und eine entsprechende Novellierung angeregt, die ‚voraussichtlich 2011 erfolgen‘ werde. Die Vorschläge sind in dem erwähnten Bericht skizziert und greifen auch einige bereits 2009 formulierten Anregungen der Grünen und anderer Organisationen - zB AK, VCÖ - auf:

                         - Möglichst wenige Ausnahmen vom Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 1371/2007

                         - Vorort- und Regionalverkehr sollte nicht so weitgehend ausgenommen werden.

                         - Differenzierung der Entschädigungen bei Einzelfahrkarten zwischen Nah-/Regional- und Fernverkehr überdenken.

                         - innerösterreichisch angesichts der kurzen Distanzen bereits bei einer Verspätung von mehr als 30 (statt 60) Minuten Entschädigungs-Anspruch vorsehen

                         - Angesichts der kurzen

                         - Erweiterung der Rechte der Schienen-Control Kommission in Verfahren,

                         - Strafbestimmungen genügen bisher nicht den Vorgaben der EU-Verordnung und sollten vervollständigt und verschärft werden

                         - Recht auf Überprüfung der Tarife und Beförderungsbedingungen auf Gesetzmäßigkeit für mehr Transparenz und Akzeptanz bei den Fahrgästen nötig.

Seitens der Arbeiterkammer liegen zB vom Juni 2011 konkrete Forderungen vor:

                         - Ausweitung der Fahrgastrechte auf MonatskarteninhaberInnen

                         - ausgefallene Züge sind in den Pünktlichkeitsstatistiken mitzuzählen.

                         - Fahrgast- und Qualitätsbeirat soll zur Qualitätssicherung vorgesehen werden.

                         - Qualitätskriterien für Ausbildung und Beschäftigungsbedingungen der Bediensteten im Öffentlichen Verkehr ist auch aus der Fahrgast-Perspektive zentrales Augenmerk zu schenken.

Die hier dringend offenbar von vielen Seiten und seit längerem für nötig befundenen Korrekturen zum Vorteil der Fahrgäste erfordern rasches politisches Handeln der Regierung, mit dem nicht länger, zB auf den Fristablauf bei der Umsetzung der Bus-Fahrgastrechte, gewartet werden sollte.“

Der Verkehrsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage und den Antrag 1786/A(E) in seiner Sitzung am 12. Dezember 2012 in Verhandlung genommen

Der Entschließungsantrag 1786/A(E) wurde erstmals bei der Sitzung des Verkehrsausschusses am 22. Dezember 2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dr. Gabriela Moser der Abgeordnete Wilhelm Haberzettl sowie die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures. Auf Antrag des Abgeordneten Wilhelm Haberzettl wurden die Verhandlungen vertagt.

An der Debatte im Verkehrsausschuss am 12. Dezember 2012 beteiligten sich außer dem Berichterstatter zur Regierungsvorlage Abgeordneten Johann Hell die Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Mag. Karin Hakl, Dr. Gabriela Moser, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek und Gabriele Binder-Maier sowie die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.

Damit ist der Entschließungsantrag 1786/A(E) betreffend Weiterentwicklung der Fahrgastrechte miterledigt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verkehrsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (2110 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2012 12 12

                                    Johann Hell                                                                       Anton Heinzl

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann