VORBLATT

 

1. Problem:

Mit Ablauf des 31. Mai 2012 wurden im Fürstentum Liechtenstein die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und (EWG) Nr. 574/72 durch die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2004 grundsätzlich abgelöst. Das Abkommen über soziale Sicherheit zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich vom 23. September 1996 bringt auf Angehörige von Drittstaaten im bilateralen Verhältnis nach wie vor die Bestimmungen der alten Verordnungen zur Anwendung.

2. Ziel:

Durch das vorliegende neue Abkommen sollen auf Staatsangehörige von Drittstaaten, die den Sozialrechtsvorschriften zumindest eines der beiden Vertragsstaaten unterliegen oder unterlegen sind, die Bestimmungen der neuen Koordinierungsverordnungen zur Anwendung kommen.

3. Inhalt/Problemlösung:

Die Vorbereitung des neuen Abkommens fand auf der Grundlage des alten Abkommens und unter Berücksichtigung der Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 zur Ausdehnung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Verordnungen fallen, statt.

4. Alternativen:

Keine.

5. Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

5.1 Finanzielle Auswirkungen:

Keine.

5.2 Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

5.2.1. Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

5.2.2. Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Bürger/innen und für Unternehmen:

Keine.

5.2.3. sonstige wirtschaftspolitische Auswirkungen:

Keine.

5.3 Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Das Regelungsvorhaben ist nicht klimarelevant.

5.4. Auswirkungen in konsumentenpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine.

5.5. Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine.

6. Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die EU-Konformität ist gegeben. Die Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 zur Ausdehnung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Verordnungen fallen, gilt nicht für das Fürstentum Liechtenstein, weshalb im bilateralen Verhältnis zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein keine unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf Drittstaatsangehörige existieren.

7. Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


ERLÄUTERUNGEN

Allgemeiner Teil

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Infolge des Inkrafttretens der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. Nr. L 166 vom 30. April 2004, S. 1) sowie Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. Nr. L 284 vom 30. Oktober 2009, S. 1) in Liechtenstein am 1. Juni 2012 (Beschluss des gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 76/2011 vom 1. Juli 2011, ABl. Nr. L 262 vom 6. Oktober 2011, S. 33) sollte das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über soziale Sicherheit vom 23. September 1996 (BGBl. III Nr. 151/1998) durch ein neues Abkommen ersetzt werden. Hintergrund dieses bestehenden Abkommens war der Umstand, dass aufgrund des Inkrafttretens des EU-Rechts im Verhältnis zwischen Liechtenstein und Österreich ab 1. Jänner 1994 durch das EWR-Abkommen die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. Nr. L 149 vom 5. Juli 1971, S. 2, idgF) und Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. Nr. L 74 vom 27. März 1972, S. 1, idgF) das maßgebende Recht wurden und auch an die Stelle des bestehenden „alten“ bilateralen Abkommens vom 26. September 1968 (BGBl. Nr. 72/1969) in der Fassung der Zusatzabkommen vom 16. Mai 1977 (BGBl. Nr. 39/1978) und vom 22. Oktober 1987 (BGBl. Nr. 620/1988) getreten sind, jedoch ausschließlich im Umfang des persönlichen Anwendungsbereichs der Verordnung, d.h. in Bezug auf erwerbstätige Staatsangehörige der Vertragsparteien des EWR-Abkommens, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer EWR-Staaten gelten oder galten. Um den administrativen Aufwand durch die Anwendung des – zum Teil andere Detailregelungen enthaltenden – alten bilateralen Abkommens auf Personen, die zwar vom Abkommen, nicht jedoch von der Verordnung erfasst waren, zu vermeiden, wurde im sogenannten EWR-Ergänzungsabkommen vom 23. September 1996 (BGBl. III Nr. 151/1998) grundsätzlich für das bilaterale Verhältnis die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 auch auf nicht-erwerbstätige Staatsangehörige der Vertragsstaaten sowie auf Angehörige aus Drittstaaten vereinbart.

Da mit Ablauf des 31. Mai 2012 auch im Fürstentum Liechtenstein die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 sowie Nr. 574/72 durch die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 abgelöst wurden, ist ein neues Abkommen zu schließen.

Im Hinblick auf die Einbeziehung auch der Nicht-Erwerbstätigen in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sind Drittstaatsangehörige, für die die Rechtsvorschriften zumindest eines der Vertragsstaaten gelten oder galten, die letzte verbleibende Gruppe, die von dem nunmehr zu schließenden Abkommen erfasst werden soll. Für die kleine Gruppe von Drittstaatsangehörigen, die in den Anwendungsbereich dieses Abkommens fallen, sollen grundsätzlich dieselben Regelungen vorgesehen werden, wie sie für die Drittstaatsangehörige gelten, die unter die Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Ausdehnung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Verordnungen fallen (ABl. Nr. L 344 vom 29. Dezember 2010, S. 1), gelten. Die letztgenannte Verordnung gilt nicht unmittelbar im Verhältnis zu Liechtenstein, da die dafür in der EU herangezogene Rechtsgrundlage des Art. 79. Abs. 2 lit. b AEUV vom EWR-Abkommen nicht erfasst wird.

Das vorliegende neue Abkommen sieht vor, dass im bilateralen Verhältnis zwischen Österreich und Liechtenstein auf Staatsangehörige aus Drittstaaten, die den Sozialrechtsvorschriften zumindest eines der beiden Vertragsstaaten unterliegen oder unterlegen sind, die Koordinierungsvorschriften der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 zur Anwendung kommen.

So wie die Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 soll das Abkommen mit folgenden Maßgaben gelten, die dem Abkommen in Erwägungsgründen vorangestellt werden:

Die Anwendung der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 auf Drittstaatsangehörige im Wege dieses Abkommens soll diese Personen in keiner Weise dazu berechtigen, in einen Vertragsstaat einzureisen, sich dort aufzuhalten oder ihren Wohnsitz zu nehmen bzw. dort eine Arbeit aufzunehmen. Entsprechend bleibt durch die Anwendung der beiden Verordnungen das Recht der Vertragsstaaten, die Erteilung einer Einreise-, Aufenthalts-, Niederlassungs- oder Arbeitserlaubnis für den betreffenden Vertragsstaat zu verweigern, eine solche zurückzuziehen oder deren Verlängerung zu verweigern, unberührt.

Die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 sollen kraft des vorliegenden Abkommens nur Anwendung finden, wenn die betreffende Person bereits ihren rechtmäßigen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat. Die Rechtmäßigkeit des Wohnsitzes ist somit eine Voraussetzung für die Anwendung der genannten Verordnungen.

Die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 sollen keine Anwendung auf Sachverhalte finden, die nur einen einzigen Vertragsstaat betreffen. Dies gilt insbesondere für Drittstaatsangehörige, die ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Vertragsstaat haben.

Die Wahrung des Anspruchs auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Art. 64 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 setzt voraus, dass sich die Betreffenden bei der Arbeitsverwaltung eines jeden Vertragsstaates, in den sie sich begeben, als Arbeitslose melden. Die genannte Bestimmung sollen daher nur dann auf Drittstaatsangehörige Anwendung finden, wenn diese — gegebenenfalls aufgrund ihres Aufenthaltstitels oder ihres langfristigen Aufenthaltsrechts — dazu berechtigt sind, sich bei der Arbeitsverwaltung des Vertragsstaates, in den sie sich begeben, als arbeitslos zu melden und dort rechtmäßig eine Beschäftigung auszuüben.

Das Abkommen soll nicht die Rechte und Pflichten aus den mit Drittstaaten geschlossenen internationalen Übereinkünften berühren, bei denen ein Vertragsstaat Vertragspartei ist und in denen Leistungen der sozialen Sicherheit vorgesehen sind.

Besonderer Teil

Die einzelnen Bestimmungen sowie die Erwägungsgründe des vorliegenden neuen Abkommens entsprechen im Wesentlichen der Verordnung (EU) Nr. 1231/2010.

Art. 1 enthält die Begriffsdefinitionen und verweist auf die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009.

Art. 2 normiert im bilateralen Verhlätnis die Geltung der Bestimmungen der in Art. 1 genannten Koordinierungsverordnungen auf Drittstaatsangehörige, ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen und knüpft diese Rechte an den rechtmäßigen Wohnsitz in einem der beiden Vertragsstaaten.

Art. 3 Abs. 1 enthält auf Wunsch von Liechtenstein eine Einschränkung im materiellen Geltungsbereich in Bezug auf das liechtensteinische Recht. Nach Abs. 2 soll das Abkommen nicht für die in Anhang X der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 genannten besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gelten. Anders als im Falle von Unionsbürgern bzw. EWR-Bürgern erhält damit ein Drittstaatsangehöriger, der ausschließlich eine liechtensteinische Rente bezieht, bei Wohnort in Österreich keinen Anspruch auf Ausgleichszulage.

Art. 4 enhält eine Bestimmung zur Beilegungen von Streitigkeiten aus diesem Vertrag und entspricht Art. 12 des bisherigen Abkommens.

Art. 5 stellt klar, dass Art. 87 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und Art. 93 und 94 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 auch den Personen zugute kommen, die unter das vorliegende Abkommen fallen, wobei die in diesen Regelungen der beiden Verordnungen genannten Termine mit dem Inkrafttreten des neuen Abkommens zu laufen beginnen.

Mit Art. 7 wird das davor geltende EWR-Ergänzungsabkommen aufgehoben. Gleichzeitig wird auch das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein vom 24. Juli 1981 über die Arbeitslosenversicherung, BGBl. Nr. 76/1982, außer Kraft gesetzt. Letzteres sah eine gegenseitige Abgeltung des Aufwandes für Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vor, da der Wohnsitzstaat den Aufwand für arbeitslose Grenzgänger/innen zu tragen hatte, während der Beschäftigungsstaat die Beitragseinnahmen erhielt. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sieht in Art. 65 eine eigene Regelung für Aufwandserstattungen bei Grenzgänger/innen im Bereich der Arbeitslosenversicherung vor, weshalb die Bestimmungen des Abkommens überholt sind. Das Abkommen kann damit zur Gänze außer Kraft treten.