2178 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (2111 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Unternehmensgesetzbuch, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Mietrechtsgesetz, das Verbraucherkreditgesetz und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Zahlungsverzugsgesetz – ZVG)

Die Richtlinie 2011/7/EU zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (die die frühere Zahlungsverzugsrichtlinie aus dem Jahr 2000 ersetzte) muss bis 16. März 2013 umgesetzt werden. In sachlichem Zusammenhang mit dem Fragenkreis des Zahlungsverzugs zeigt sich auch die Notwendigkeit, in der österreichischen Rechtsordnung durch eine gesetzliche Regelung auf das EuGH-Urteil vom 3.4.2008, C-306/06, 01051 Telecom/Deutsche Telekom, Slg 2008, I-1923, über die Rechtzeitigkeit von Zahlungseingängen im bargeldlosen Überweisungsverkehr Bedacht zu nehmen.

Die Inhalte der Zahlungsverzugsrichtlinie sollen – soweit sie Rechtsgeschäfte zwischen Unternehmen betreffen – in einem neuen Abschnitt des Vierten Buchs des Unternehmensgesetzbuchs umgesetzt werden. Soweit sie sich hingegen auf den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen beziehen, werden die Richtlinienregelungen durch entsprechende Gesetzesbestimmungen im Vergaberecht umgesetzt, die freilich nicht Gegenstand dieses Entwurfs sind, sondern einem gesonderten Gesetzgebungsvorhaben vorbehalten bleiben.

Aus Anlass der Richtlinienumsetzung wird weiters im allgemeinen Vertragsrecht des ABGB eine gänzlich neue Gesetzesbestimmung über die Geldschuld und ihre Erfüllung – insbesondere im bargeldlosen Zahlungsverkehr – eingefügt, die von der oben genannten EuGH-Entscheidung inspiriert wurde. Dies erfordert im Weiteren auch eine Adaptierung der Regelung über die gesetzliche Fälligkeit des Mietzinses im Mietrechtsgesetz. Zudem werden gewisse Sonderregelungen im Konsumentenschutzgesetz getroffen.

Schließlich ist hinsichtlich des Verzugszinssatzes – korrespondierend zum Unternehmensgesetzbuch – eine Anpassung des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes vorzunehmen.

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 21. Februar 2013 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc, die Abgeordneten Herbert Scheibner, Dr. Peter Fichtenbauer und Dr. Johannes Jarolim sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Peter Michael Ikrath und Dr. Johannes Jarolim einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

A. Das Inkrafttreten des Gesetzes wird im Hinblick auf den Zeitpunkt von dessen parlamentarischer Behandlung auf das Ende der unionsrechtlichen Frist zur Umsetzung der Zahlungsverzugsrichtlinie, also auf den 16. März 2013, verschoben. Die Übergangsbestimmungen werden entsprechend angepasst.

Hinsichtlich der Änderung des Anhangs I des Verbraucherkreditgesetzes, mit der zur Umsetzung der Richtlinie 2011/90/EU nur einige technische Fragen bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses geändert werden, wird das Inkrafttretensdatum auf den 1. Jänner 2013 geändert, weil die genannte Richtlinie bis zu diesem Datum umgesetzt werden muss.

B. Um jeden Zweifel an dem Zeitpunkt, der für die Rechtzeitigkeit einer durch Überweisung bewerkstelligten Erfüllung einer Geldschuld mit vorbestimmtem Fälligkeitstermin maßgeblich ist, restlos auszuräumen, wird die Formulierung des § 907a Abs. 2 erster Satz ABGB geändert: Nun ist in dieser Gesetzesstelle ausdrücklich von der Wertstellung des Geldbetrags (vgl. § 43 ZaDiG) die Rede.

C. Im Bestandrecht des ABGB, nämlich in dessen § 1100, wird eine mit dem neuen § 15 Abs. 3 erster Satz MRG korrespondierende Regelung geschaffen, um künftig auch die Teilanwendungsbereiche des MRG sowie den sogenannten Vollausnahmebereich mit einer den heutigen Gegebenheiten entsprechenden gesetzlichen Fälligkeitsbestimmung zu versehen. Freilich ist diese Bestimmung im Gegensatz zu § 15 Abs. 3 MRG dispositives Recht.

D. Durch eine veränderte Formulierung des neuen § 455 UGB wird – zur Beseitigung von Zweifeln, die im Hinblick auf die Bestimmung des § 343 UGB geäußert wurden – nun explizit klargestellt, dass auch Rechtsgeschäfte zwischen einem Unternehmer und einer juristischen Personen des öffentlichen Rechts in den Anwendungsbereich des neuen Achten Abschnitts fallen. Damit ist der personelle Geltungsumfang der Richtlinie jedenfalls vollständig abgedeckt. Überdies werden aufgrund der dazu geführten Diskussionen die nur einseitig unternehmensbezogenen Rechtsgeschäfte aus dem Anwendungsbereich wieder herausgenommen.

Mit der Hereinnahme von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in die den Geltungsumfang dieses Abschnitts beschreibende Bestimmung des § 455 UGB ist gewährleistet, dass der personelle Anwendungsbereich der Richtlinie bei deren Umsetzung in innerstaatliches Recht zur Gänze abgebildet wird. Die Richtlinie verlangt die Einbeziehung von „öffentlichen Stellen“ (im Sinn der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG) und somit aller Rechtsgebilde, die – nach österreichischem Begriffsverständnis – als öffentliche Auftraggeber im Geschäftsverkehr tätig werden. Das Unternehmensgesetzbuch geht nun in seinem § 343 von einem weiten Begriff der juristischen Person des öffentlichen Rechts aus. Die seinerzeitige Einbeziehung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch das Handelsrechts-Änderungsgesetz bezweckte eine Harmonisierung mit dem Konsumentenschutzrecht (vgl. BlgNR 1058 22. GP 51). In beiden Rechtssphären liegt das tragende Regelungsmotiv in einem zwischen den Vertragsparteien in der Regel bestehenden Ungleichgewicht, nämlich dort in der typischerweise gegebenen Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers, hier im Unternehmensrecht in der Professionalität und der „Nachfragemacht“ des handelnden Rechtsträgers (vgl. Kramer/Rauter in Straube, UGB3 §§ 343, 344 Rz 22 sowie Krejci in Rummel, ABGB3 § 1 KSchG Rz 12 jeweils mwN). Die gleiche Überlegung ist für die nun geschaffenen Bestimmungen zum Zahlungsverzug angebracht, weshalb professionell eingerichtete, mit dem Staat eng verbundene und somit üblicherweise mit besonderer Nachfragemacht ausgestattete Einrichtungen in den Regelungsbereich einzubeziehen sind. Im Unterschied zum Begriff der juristischen Person des öffentlichen Rechts, wie er in der öffentlich-rechtlichen Lehre mit dem Ziel der Zusammenfassung gleichartiger Phänomene und der Abgrenzung von andersartigen geprägt wurde (vgl. dazu etwa Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 313 ff), sind im Kontext des Unternehmensrechts daher etwa die Kriterien der hoheitlichen Befugnisse und der Pflichtmitgliedschaft nicht Voraussetzung für die Qualifikation eines Rechtsträgers als juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinn des § 343 UGB (vgl. Kramer/Rauter aaO Rz 22). Dieses weite Begriffsverständnis kommt auch für die Bezugnahme auf juristische Personen des öffentlichen Rechts in § 455 UGB zum Tragen. Dementsprechend gelten die §§ 455 ff UGB auch für öffentliche Auftraggeber gemäß § 3 und § 164 BVergG 2006, die – sofern ihnen nicht ohnehin gemäß §§ 1 bis 3 UGB Unternehmereigenschaft zukommt – jedenfalls juristische Personen des öffentlichen Rechts im Sinn des § 455 UGB sind. Somit sind alle „öffentlichen Stellen“ im Sinn der Richtlinie von der Umsetzung in das österreichische Recht erfasst. 

Die Sonderregelungen der Richtlinie für öffentliche Stellen werden im Bundesvergabegesetz 2006 umgesetzt.

E. In § 6a Abs. 1 KSchG wird – entsprechend dem Verständnis, das schon bei Verabschiedung der Regierungsvorlage zugrunde lag und auch so in den Erläuterungen zum Ausdruck gebracht wurde – durch die Anfügung eines Satzes klargestellt, dass vertragliche Vereinbarungen über eine andere Art der Geldschulderfüllung als durch Banküberweisung weiterhin zulässig sind, dass also auch im Unternehmer-Verbraucher-Verhältnis weiterhin beispielsweise Erfüllung im Einziehungsverfahren oder Kreditkartenzahlung wirksam vereinbart werden kann; im Fall einer solchen Vereinbarung ist die Verpflichtung zur Bekanntgabe eines Bankkontos obsolet (vgl. RV 2111 BlgNR 24. GP 32).“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, G, dagegen: B) beschlossen.

 

Ferner beschloss der Justizausschuss mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, G, dagegen: B) folgende Feststellungen:

1. zu § 907a ABGB in der Fassung des Zahlungsverzugsgesetzes (2111 d.B.)

Die Regelung des § 907a ABGB betrifft nur das Rechtsverhältnis zwischen Geldgläubiger und Geldschuldner. Sie sagt nichts über die Frage der Haftung eines Zahlungsdienstleisters gegenüber seinem Vertragspartner aus und will auch keine Änderung des derzeit geltenden Gesetzesrechts (vgl. etwa §§ 46 ff ZaDiG) oder des derzeit bestehenden Meinungsstandes in dieser Frage bewirken.

2. zu § 15 Abs. 3 zweiter Satz MRG und zu § 6a Abs. 1 KSchG jeweils in der Fassung des Zahlungsverzugsgesetzes (2111 d.B.)

Sowohl in § 15 Abs. 3 zweiter Satz MRG als auch in § 6a Abs. 1 KSchG jeweils in der Fassung des Zahlungsverzugsgesetzes wird angeordnet, dass der Vermieter dem Mieter bzw. der Unternehmer dem Verbraucher ein verkehrsübliches Bankkonto bekanntzugeben hat. Die Frage, ob eine konkrete Bankverbindung verkehrsüblich ist, muss – wie bei anderen an die Verkehrsüblichkeit anknüpfenden Regelungen des Zivilrechts auch – nach den Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls von der Rechtspraxis beurteilt werden. Bei dieser Beurteilung ist auch auf die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009, ABl. Nr. L 94 vom 30. März 2012, S. 22, Bedacht zu nehmen. Das bedeutet, dass für Banküberweisungen in Euro grundsätzlich jede Bankverbindung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, die im Sinn von Artikel 3 dieser Verordnung „erreichbar“ ist, als verkehrsüblich gilt (vgl. Artikel 9 Abs. 1 dieser Verordnung).

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2013 02 21

                     Eva-Maria Himmelbauer, BSc                                           Mag. Peter Michael Ikrath

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann