Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt

Entsprechend dem Bundesministeriengesetz 1986 (BMG), Anlage L Z 22 obliegt dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend unter dem Titel „Baukoordinierung“ die Koordinierung der bestehenden Bundeskompetenzen im Bereich der Bauprodukte. Auf dieser Grundlage wurde im Jahr 1996 die Umsetzung der Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte Richtlinie 89/106/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte, ABl. Nr. L 40 vom 11.02.1989 S. 12 (EU-Bauprodukte-Richtlinie), bundesseitig durch das Wirtschaftsministerium koordiniert (BauPG) und desweiteren im Bereich der Bauprodukte die Notifizierung auf Basis der Richtlinie 89/106/EWG vorgenommen.

Die Richtlinie 89/106/EWG legte bislang keine spezifischen Anforderungen an Notifizierungsverfahren und -behörden fest. Im Wesentlichen handelte es sich bei der Notifizierung um die Benennung von Konformitätsbewertungsstellen gegenüber der Europäischen Kommission durch Einpflege in eine elektronische Datenbank.

Die Verordnung (EU) Nr. 305/2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates, ABl. Nr. L 88 vom 04.04.2011 S. 5, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 103 vom 12.04.2013 S. 10, ersetzt mit 1. Juli 2013 zur Gänze die bisherige Richtlinie 89/106/EWG und schafft nunmehr einen unmittelbar anwendbaren neuen Rechtsrahmen unter anderem für den Bereich der Notifizierung (vgl. Kapitel VII).

Entsprechend der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 ist eine notifizierende Behörde zu benennen (Art. 39), die befugt ist entsprechend Art. 48 leg. cit. Notifizierungsverfahren durchzuführen oder über Änderungen gemäß Art. 50 zu entscheiden.

Das Baurecht fällt in Gesetzgebung und Vollziehung aufgrund der Generalklausel gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG grundsätzlich in die Kompetenz der Länder. Im Bereich des Bundes kann eine baurechtliche Annexkompetenz bei Vorliegen eines „unauflöslichen“ Zusammenhangs mit der betreffenden Sachmaterie bestehen (Holoubek/Potacs, Handbuch des öffentlichen Wirtschaftsrechts, Band 2, S. 542).

Aufgrund des dringenden Wunsches der Länder, die insbesondere verwaltungsökonomische Motive anführen sowie auf die faktische Unmöglichkeit hinweisen, eine rechtliche Umsetzung zur Einrichtung von notifizierenden Behörden in allen Bundesländern bis zum 1. Juli 2013 durchführen zu können, wird es zweckmäßig und notwendig gesehen, eine zentrale Notifizierungsbehörde für den Bereich der Bauprodukte beim Bund einzurichten. Hierfür ist eine Verfassungsbestimmung notwendig, deren formelle Gestaltung sich an ähnliche Verfassungsbestimmungen in schon erlassenen Bundesgesetzen anlehnt.

Vorliegendes Bundesgesetz trifft ausschließlich Regelungen betreffend die Notifizierungsbehörde – und das Notifizierungsverfahren. Es ordnet die Notifizierung im Bereich der Bauprodukte kompetenzrechtlich ausschließlich dem Bund zu und obliegt dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend die Vollziehung. Unabdingbare Voraussetzung für diese kompetenzrechtliche Regelung ist die Bindung der Notifizierung an eine verbindliche Akkreditierung.

Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend als notifizierende Behörde gemäß Artikel 40 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 stützt sich sowohl bei der Behandlung von Anträgen auf Notifizierung im Bereich der Bauprodukte als auch bei deren Erweiterung, Widerruf, Einschränkung oder Aussetzung ausschließlich auf das Vorhandensein einer diesbezüglichen Akkreditierung. Die nationale Akkreditierungsstelle „Akkreditierung Austria“ (eingerichtet beim Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) wird gemäß Artikel 40 Abs. 2 leg. cit. mit der Begutachtung und Überwachung der notifizierten Stellen im Bereich der Bauprodukte betraut.

Sonstige Regelungsbereiche der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 (Produktinformationsstelle, Techn. Bewertungsstelle udgl.) bleiben von diesem Bundesgesetz unberührt und unterliegen weiterhin unverändert der bestehenden Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern.

Der Gesetzentwurf umfasst im Wesentlichen folgenden Inhalt:

           1. Verfassungsbestimmung zur Normierung der Bundeskompetenz in Gesetzgebung und Vollziehung betreffend die Einrichtung einer notifizierenden Behörde zur Durchführung von Notifizierungsverfahren für Stellen im Bereich der Bauprodukte. Die Einrichtung einer notifizierenden Behörde ist notwendig, um diese Stellen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 an die Kommission zu notifizieren. Die Stellen können erst nach erfolgter Notifizierung ihre Tätigkeiten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 vollinhaltlich wahrnehmen. Die Begutachtung und Überwachung wird der „Akkreditierung Austria“ als einzige nationale Akkreditierungsstelle gemäß der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates, ABl. Nr. L 218 vom 13.08.2008 S. 30, übertragen.

           2. Die Festlegung von Verfahrensbestimmungen, die vorsehen, dass ein Akkreditierungsbescheid von der die Notifizierung beantragenden Stelle vorzulegen ist, der den Nachweis der Erfüllung der in der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 an notifizierte Stellen angeführten Anforderungen bildet.

           3. Die Festlegung von Gebühren, die den für die notifizierende Behörde anfallenden Verwaltungsaufwand mittels einer Grundgebühr sowie nach der Anzahl der beantragten technischen Spezifikationen zu berechnenden Zusatzgebühr ermittelt und den notifizierten Stellen vorschreibt.

II. Finanzielle Auswirkungen

Die Notifizierung gemäß der Bauprodukteverordnung wird in personeller Hinsicht mit dem schon bisher mit der Notifizierung gemäß der vorhandenen Ressourcen der Richtlinie 89/106/EWG durchgeführt. Da jedoch die Anforderungen in der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 weit über die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 89/106/EWG hinausgehen, könnte jedoch eine zusätzliche halbe Planstelle benötigt werden (dies wurde in der WFA-Abschätzung eingerechnet, muss aber nicht zu Tragen kommen).

Die Kostenabschätzung für die Notifizierung beruht auf der Berechnung der Tätigkeiten, die für den Verwaltungsaufwand für die Vornahme des Notifizierungsverfahrens durchzuführen sind. Dabei wurden die vorhandenen Daten gemäß der bisherigen Vorgangsweise (insbes. Notifizierungsverfahren ohne Bescheid) herangezogen. Infolge der künftigen geänderten rechtlichen Situation sowie von künftig möglichen delegierten Rechtsakten der Europäischen Kommission gemäß Verordnung (EU) Nr. 305/2011 können sich die Aufwände für die Notifizierung ändern.

Besonderer Teil

Zu § 1:

Das Baurecht fällt in Gesetzgebung und Vollziehung aufgrund der Generalklausel gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG grundsätzlich in die Kompetenz der Länder. Wie in der allgemeinen Erläuterung dargestellt, soll die Notifizierung von Stellen im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 dem Bund übertragen werden. Daher ist eine entsprechende Verfassungsbestimmung erforderlich und entspricht formal der Regelung im AkkG.

Zu § 2:

Die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 sind unmittelbar anzuwenden. Ein nationaler Handlungsbedarf besteht ausschließlich für die verfahrensrechtlichen Vorschriften und die Benennung einer notifizierenden Behörde.

Zu § 3:

Die Benennung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend als notifizierende Behörde ist zweckmäßig, da die bisherige Notifizierungstätigkeit im Rahmen der Richtlinie 89/106/EWG (EU-Bauproduktenrichlinie) – die allerdings keine Behördenfunktion aufwies – bereits im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend im Wege einer Einpflegung in die entsprechende unionsrechtliche Datenbank (NANDO) wahrgenommen wurde.

Zu § 4:

Die Verordnung (EU) Nr. 305/2011 erlaubt es dem Mitgliedstaat, für die Begutachtung und Überwachung die nationale Akkreditierungsstelle heranzuziehen. Diese Option wird aus verwaltungsökonomischen Gründen für die Republik Österreich sinnvoll erachtet und daher die „Akkreditierung Austria“ als nationale Akkreditierungsstelle im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 765/2008 mit diesen Aufgaben betraut. Gemäß § 3 des Akkreditierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 28/2012 fungiert der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend als Akkreditierungsstelle, wobei er innerhalb seines Wirkungsbereiches eine Organisationseinheit mit der operativen Durchführung der Akkreditierung betraut und mit den erforderlichen Ressourcen ausgestattet hat. Die betraute Organisationseinheit führt den Namen „Akkreditierung Austria“.

Zu § 5:

Diese Bestimmung umfasst nähere Angaben über das anzuwendende Verwaltungsverfahren.

                         - Einbringung des Antrages auf Notifizierug beim Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend

                         - Vorlage eines entsprechenden Akkreditierungsbescheides

                         - Entscheidungen der notifizierenden Behörde jeweils mit Bescheid

                         - Zurückweisung bei Fehlen eines Akkreditierungsbescheides oder der Nichtübereinstimmung der beantragten Notifizierung mit dem Umfang des Akkreditierungsbescheides

Zu § 6:

Die Verordnungsermächtigung schafft die Grundlage, im Sinne einer effizienten Antragsbearbeitung, Konkretisierungen im Bereich der Antragsstellung (Formular) und Abwicklung des Verfahrens unter Zuhilfenahme des elektronischen Notifizierungsinstrumentes der Europäischen Kommission und unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben festzulegen. Durch z.B. delegierte Rechtsakte kann es zu notwendigen Ergänzungen im Notifizierungsverfahren kommen. Durch die Verordnungsermächtigung wird die Möglichkeit geschaffen, zukünftigen europäischen Verpflichtungen flexibel nachzukommen.

Zu § 7:

In § 7 des vorliegenden Bundesgesetzes findet sich die Regelung über die Verwaltungsabgaben, wobei die Höhe der Gebühren befristet bis 31.12.2014 entsprechend § 7 Abs. 1 unmittelbar im Gesetz festgelegt wird. Danach ist für die Regelung von Gebühren eine Verordnungsermächtigung vorgesehen, welche im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Finanzen zu erlassen ist. Entsprechend den Anforderungen des Gesetzes wurden die Gebühren, die im § 7 Abs. 1 festgelegt werden sollen, bereits berechnet. Dies bietet die Möglichkeit einer unmittelbaren Verrechnung der Gebühren ohne die Erlassung einer entsprechenden Gebührenverordnung abwarten zu müssen.

Gebühren sind nur im Fall von Anträgen auf Notifizierung zu entrichten. Andere Tätigkeiten, die von Amts wegen oder auf Basis von Meldungen der notifizierten Stelle erfolgen (zB Widerruf, Aussetzung, Einschränkung der Notifizierung oder die Bekanntgabe von Kontaktdaten), sind nicht zu vergebühren.

Als beantragte Funktion von Stellen, die an der Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit von Bauprodukten beteiligt sind, sind jene in Anhang V unter Punkt 2. der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 angeführten zu verstehen. Konkret handelt es sich dabei um die Funktionen als Produktzertifizierungsstelle, als Zertifizierungsstelle für die werkseigene Produktionskontrolle oder als Prüflabor. Für jede beantragte Funktion wird die dazugehörige technische Spezifikation gesondert berechnet.

Zu § 8:

Vollziehungsklausel für den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend. Nur bei der Festlegung der Gebühren ist das Einvernehmen mit der Bundesministerin für Finanzen herzustellen.

Zu § 9:

Diese Bestimmungen betreffen die Gebührenregelung. Da das Verfahren bis zur Erlassung einer diesbezüglichen Verordnung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen würde, die Notifizierungen jedoch so rasch wie möglich erfolgen müssen wurde die vorliegende Vorgangsweise gewählt.