Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts über den Sitz des Back-up-Systems der Agentur hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Die Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, ABl. Nr. L 286 vom 1.11.2011, S. 1, legt als Sitz der Agentur (im weiteren: IT-Agentur) Tallinn (Estland) fest. Gleichzeitig wird gemäß Art. 10 Abs. 4 ein Back-up-System, das den Betrieb eines IT-Großsystems im Fall des Ausfalls dieses Systems sicherstellen kann, in St. Johann im Pongau eingerichtet. Die IT-Agentur hat ihre Tätigkeit am 1. Dezember 2012 aufgenommen.

In Art. 22 der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 ist der Abschluss von Sitzabkommen vorgesehen. Dies betrifft auch den Back-up-Standort in St. Johann im Pongau. Gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung kann die IT-Agentur Abkommen über ihren Sitz und die Back-up Standorte selbst schließen. Aufgrund des Beschlusses des Bundesregierung vom 13. November 2012 (vgl. Pkt. 8 des Beschl.Prot. Nr. 166) wurde ein Sitzabkommen verhandelt.

Inhaltlich orientiert sich dieses Abkommen an den Abkommen mit ähnlichen internationalen Organisationen. Es weicht insofern von den sonstigen österreichischen Amtssitzabkommen ab, als auf EU-Agenturen bereits das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (ABl. Nr. C 326 vom 26.10.2012, S. 266) und die Durchführungsmodalitäten zum Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (BGBl. III Nr. 24/2000) anzuwenden sind und das zu verhandelnde Amtssitzabkommen nur ergänzende Regelungen enthält. Vergleichbar ist dies dem Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, BGBl. III Nr. 10/2011.

Das Abkommen enthält Regelungen über den Sitzbereich und einzelne Privilegien und Immunitäten der Mitarbeiter der Agentur, die nicht ohnehin schon im Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union vorgesehen sind. Weiters werden die Stellung des Exekutivdirektors, der Mitglieder des Verwaltungsrats und der Beratergruppen der Agentur sowie Abgaben und Gebühren für Rechtsgeschäfte, Einreise und Aufenthalt, Hilfe und Zusammenarbeit im Falle des teilweisen oder vollständigen Ausfalls des Zentralsystems, Sicherheit, Fernmeldeverkehr und öffentliche Leistungen im Sitzbereich geregelt. In der Ausgestaltung der Bestimmungen wird berücksichtigt, dass sich die Back-up-Stelle auf militärischem Gebiet befindet; dies umfasst auch den Abschluss von der im Abkommen an mehrfacher Stelle angeführten „separaten Vereinbarung“ zwischen der Agentur und der Regierung. Sollten dadurch Sachgebiete berührt werden, die in den Wirkungsbereich eines oder mehrerer anderer Bundesministerien fallen, wird gemäß § 5 Bundesministeriengesetz vorgegangen. Die Bestimmungen des Abkommens werden gemäß seinem Art. 15 Abs. 2 mit Wirkung ab 1. Dezember 2012 angewendet.

Die finanziellen Auswirkungen des Abkommens halten sich in sehr engen Grenzen. Einerseits genießt die Agentur und der Großteil der Mitarbeiter bereits durch das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union Steuer- und Zollprivilegien, sodass solche im ggstdl. Abkommen nicht vorgesehen werden müssen. In dem Bereich, wo einzelne Bestimmungen des Protokolls auf die entsandten Beamten und Experten ausgedehnt werden (Art. 4), kommt es nicht zu einem Entfall von Einnahmen, sondern nur zum Verzicht auf Steuern und Zölle, die ohne die durch das Abkommen ermöglichte Ansiedlung der Back-up-Stelle der Agentur in Österreich gar nicht anfallen würden. Andererseits werden in Normalbetriebszeiten nur sehr wenige Mitarbeiter in der Back-up-Stelle – derzeit sind es zeitgleich jeweils 2–3 Personen – beschäftigt sein. Finanzielle Aspekte der Unterbringung und allenfalls erforderlicher Dienstleistungen sind nicht Teil des Abkommens; diese werden in einer separaten Vereinbarung mit der IT-Agentur zu einem späteren Zeitpunkt geregelt (vgl. Art. 2 Abs. 4 des Abkommens).


Besonderer Teil

Zur Präambel

In der Präambel wird auf die Gründungsverordnung der Agentur (EU) Nr. 1077/2011 Bezug genommen und festgestellt, dass die auf die Europäische Union anwendbaren Rechtsvorschriften (Privilegienprotokoll der EU und Durchführungsmodalitäten) auch auf die Agentur anwendbar sind, jedoch ergänzende Regelungen erforderlich sind.

Durch die Gründung der Agentur per EU-Verordnung – anstatt wie sonst bei internationalen Organisationen üblich durch völkerrechtliches Gründungsübereinkommen – ergeben sich Abweichungen von den sonst recht einheitlichen österreichischen Amtssitzabkommen. Die Abweichungen wirken sich meist so aus, dass sonst übliche Bestimmungen entfallen können, weil die betreffenden Bereiche bereits durch Unionsrecht geregelt sind. Anders als in anderen Amtssitzabkommen musste zum Beispiel keine Bestimmung über die Rechtsfähigkeit der Agentur aufgenommen werden, weil die Agentur bereits gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit besitzt, die juristischen Personen nach nationalem Recht zuerkannt wird. Sie kann demnach insbesondere bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern und ist vor Gericht parteifähig. Weiters ergeben sich aus Art. 22 der Verordnung gewisse inhaltliche Vorgaben für das Amtssitzabkommen.

Eine andere Besonderheit ist, dass der Sitz der Agentur selbst in Tallinn ist, und in Österreich lediglich eine Back-up-Stelle der Agentur ihren Sitz hat. Das hat zum Beispiel zur Folge, dass der Exekutivdirektor grundsätzlich von Tallinn aus arbeiten wird und daher nicht immer persönlich österreichischen Organen bzw. Personen, die nach österreichischem Recht zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung befugt sind, das Betreten der Räumlichkeiten der Agentur erlauben wird können. Aus demselben Grund wird dem Exekutivdirektor nicht jene Sonderstellung eingeräumt, die üblicherweise den Leitern von internationalen Organisationen im internationalen Kontext zusteht

Zusätzlich werden sich Einschränkungen in der Anwendung des Abkommens daraus ergeben, dass einige Bestimmungen nur im Fall des Ausfalls des Zentralsystems der Agentur zum Tragen kommen werden, in welchem Fall die betroffenen IT-Systeme von St. Johann aus geleitet werden. Ein Ausfall des Zentralsystems ist nicht absehbar, dennoch wird für diesen Fall in diesem Abkommen vorgesorgt.

Zu Art. 1

Für die Anwendung des Privilegienprotokolls ist es erforderlich, begriffliche Anpassungen vorzunehmen, die klarstellen, dass Bezugnahmen im Protokoll auf die EU oder deren Beamte als Bezugnahmen auf die Agentur und ihre Mitarbeiter zu verstehen sind (Abs. 1).

Da es sich als zweckmäßig erweist, mehrfach wiederkehrende Begriffe zu definieren, wurde auch in dieses Abkommen ein eigener Artikel aufgenommen, der Begriffsbestimmungen enthält (Abs. 2). Statuts-Mitarbeiter bezeichnet solche Mitarbeiter, auf die das Personalstatut der EU anwendbar ist.

Zu Art. 2

Gemäß Art. 2 Abs. 1 werden die Räumlichkeiten der Agentur in einer separaten Vereinbarung zwischen der Agentur und der Regierung festgelegt. Diesbezüglich ist eine separate privatrechtliche Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzleramt und der Agentur in Aussicht genommen. Soweit dadurch bestehende Vereinbarungen des BKA mit anderen Bundesministerien oder kompetenzmäßige Zuständigkeiten anderer Bundesministerien betroffen sind, werden diese Bundesministerien miteinbezogen. Dabei wird besonders berücksichtigt, dass sich die „Räumlichkeiten“ auf militärischem Gebiet befinden.

Abs. 2 bezieht sich auf die Möglichkeit der Übernahme erweiterter Aufgaben durch die Agentur.

Für den Zweck von Sitzungen kann die kurzfristige Einbeziehung von Gebäuden außerhalb des Sitzes - jedoch nur im Einvernehmen mit der Regierung- in den Bereich der Räumlichkeiten der Agentur erfolgen (Abs. 3). Eine vergleichbare Bestimmung findet sich auch in den anderen von Österreich abgeschlossenen Amtssitzabkommen, etwa in Art. 3 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Energiegemeinschaft über den Sitz des Sekretariats der Energiegemeinschaft, BGBl. III Nr. 87/2007.

Die Unverletzlichkeit des Sitzes ergibt sich bereits aus Art. 1 des Privilegienprotokolls.

Abs. 4 wurde in das Abkommen aufgenommen, weil Art. 22 der Gründungsverordnung der Agentur (Verordnung (EU) Nr. 1077/2011) vorsieht, dass die abzuschließenden Sitzabkommen unter anderem die Vorkehrungen über die Unterbringung der Agentur in den Sitzmitgliedstaaten behandeln. Es handelt sich also um eine Sonderbestimmung aufgrund geltenden EU-Rechts, die keinen Präzedenfall für andere Amtssitzabkommen und auch keinen Anknüpfungspunkt für Meistbegünstigung darstellt. Die Einzelheiten werden in der erwähnten Vereinbarung geregelt.

Zu Art. 3

Der Status von Mitarbeitern der Agentur ist grundsätzlich bereits in den Art. 11 bis 14 des Privilegienprotokolls (sowie Art. 4 der Durchführungsmodalitäten) geregelt. Dort ist unter anderem vorgesehen, dass Beamten und sonstigen Bediensteten funktionelle Immunität zukommt, sie das Recht haben, zollfrei ihren persönlichen Hausrat zu importieren und dass deren Gehälter von direkten Steuern befreit sind (mit Ausnahme einer von der EU eingehobenen Steuer). Soweit erforderlich, trifft Art. 3 des vorliegenden Sitzabkommens ergänzende Regelungen.

Da Art. 11 lit. c des Privilegienprotokolls die devisenrechtlichen Erleichterungen nur allgemein formuliert, werden in Art. 3 lit. a genauere Regelungen getroffen: Es wird nicht nur das Recht eingeräumt, ausländische Wertpapiere, Guthaben in fremder Währung und andere bewegliche und unbewegliche Sachen zu besitzen, sondern diese auch zu erwerben; der Erwerb von Liegenschaften ist jedoch durch die Bestimmung eingeschränkt, dass hierbei dieselben Bedingungen (zum Beispiel Grundverkehrsvorschriften, steuerrechtliche Vorschriften) zu gelten haben wie für österreichische Staatsbürger. Dies entspricht Abschnitt 37 lit. l des Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Amtssitz der Vereinten Nationen in Wien, BGBl. III Nr. 99/1998 (im Folgenden UN-Amtssitzabkommen).

Der Exekutivdirektor und Mitarbeiter der Agentur erhalten gemäß Art. 3 lit. c – wie in den von Österreich geschlossenen Amtssitzabkommen üblich – das Recht, alle vier Jahre ein Kraftfahrzeug zoll- und abgabenfrei einzuführen.

Zu Art. 4

Art. 4 Abs. 1 macht die Bestimmungen des Privilegienprotokolls betreffend funktionelle Immunität, Lohnsteuerbefreiung und Doppelbesteuerung auch auf die entsandten Beamten und nationalen Experten anwendbar, sodass alle Mitarbeiter der Agentur hinsichtlich dieser Bestimmungen denselben Status genießen.

Zu Art. 5

Die Mitarbeiter der Agentur werden in den meisten Fällen dem Sozialversicherungsrecht der EU-Beamten unterliegen und aufgrund EU-rechtlicher Bestimmungen vom österreichischen Sozialversicherungsrecht auszunehmen sein. Um Rechtssicherheit herzustellen, wurde dennoch der in den österreichischen Amtssitzabkommen übliche Artikel betreffend Sozialversicherung aufgenommen.

Die Agentur und die Mitarbeiter der Agentur (vgl. Art. 1. Abs. 2 lit. b) werden nach Abs. 1 von allen Pflichtbeiträgen an die Sozialversicherungseinrichtungen der Republik Österreich befreit. Abs. 2 räumt den Mitarbeitern der Agentur das Recht ein, freiwillig jedem einzelnen Zweig der Sozialversicherung (Kranken-, Unfall und Pensionsversicherung) sowie der Arbeitslosenversicherung mit der Wirkung einer Pflichtversicherung beizutreten. Für dieses Wahlrecht ist in Abs. 3 eine dreimonatige Frist ab Beginn des Beschäftigungsverhältnisses vorgesehen. Zu Absatz 6 wird festgehalten, dass die Mitarbeiter der Agentur die Beiträge für die Dauer der Versicherung im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß zu entrichten haben.

Zu Art. 6

Art. 6 Abs. 1 macht die Bestimmungen des Privilegienprotokolls betreffend funktionelle Immunität, Ausnahme von Einwanderungsbeschränkungen und den üblichen devisenrechtlichen Erleichterungen auch auf Mitglieder des Verwaltungsrats und Beratergruppen der Agentur anwendbar.

Für die Dauer eines dienstlichen Aufenthalts in Österreich sind die genannten Personen gemäß Abs. 2 von der Steuerzahlung für von der Agentur bezahlte Geldleistungen befreit. Dies entspricht etwa der Regelung für die Mitglieder des Gouverneursrates, des Internationalen Leitenden Beirates und des Internationalen Akademischen Beirates der Akademie und für die amtlichen Besucher der Internationalen Anti-Korruptionsakademie (IACA), sh. BGBl. III Nr. 100/2012, Art. 16 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 2.

Zu Art. 7

Die Steuerbefreiungen der Agentur sind im Wesentlichen bereits in Art. 3 des Privilegienprotokolls (hinsichtlich direkter Steuern) und Art. 1 der Durchführungsmodalitäten (hinsichtlich indirekter Steuern) geregelt.

Ergänzend dazu bestimmt Art. 7, dass Rechtsgeschäfte von allen Gebühren befreit sind (vgl. Abschnitt 24 lit. c des UN-Amtssitzabkommens). Damit entspricht die steuerliche Behandlung derjenigen, die anderen zwischenstaatlichen Einrichtungen in Österreich zukommt.

Zu Art. 8

Die seitens der Republik Österreich eingegangene Verpflichtung zur Erleichterung der Einreise und des Aufenthalts für die in Abs. 1 lit. a - d erschöpfend aufgezählten Personen und Personengruppen befreit nicht von der Sichtvermerkspflicht, soweit eine solche noch besteht (Abs. 1).

Allenfalls erforderliche Sichtvermerke sind gebührenfrei auszustellen (Abs. 2).

Die gemäß Abs. 4 von der Agentur zu übermittelnde Liste erleichtert den österreichischen Behörden, einen Überblick über die Mitarbeiter der Agentur zu bewahren. Sie dient jedoch nicht als Grundlage für die Ausstellung von Lichtbildausweisen gemäß § 95 FPG.

Das in Abs. 5 festgeschriebene Zur-Verfügung-Stellen von Lichtbildausweisen erfolgt in Angleichung an die entsprechende Vorgangsweise gegenüber ausländischen Vertretungsbehörden. Die Ausstellung erfolgt gemäß den österreichischen Rechtsvorschriften, hier insbesondere § 95 FPG iVm der Verordnung des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten über die Ausstellung von Lichtbildausweisen an Angehörige jener Personengruppen, die in Österreich Privilegien und Immunitäten genießen, BGBl. II Nr. 137/2010. Die Ausstellung erfolgt gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung auf Antrag, der von der Agentur zu zeichnen ist, damit die Kontrolle auch durch diese gewahrt bleibt. Die Agentur wird dazu angehalten, die Beendigung des Dienstes von Mitarbeitern zu melden und deren Lichtbildausweise zurückzustellen.

Um zu verhindern, dass die Begünstigungen dieses Artikels von nichtberechtigten Personen in Anspruch genommen werden, gibt Abs. 6 den zuständigen österreichischen Behörden die Möglichkeit, einen ausreichenden Nachweis über das Zutreffen der in Abs. 1 geforderten Qualifikationen zu verlangen.

Abs. 7 stellt klar, dass die Bestimmungen des Abkommens, insbes. die Abs. 3, 5 und 6 des Art. 8, die Rechte aus der Personenfreizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG nicht berühren.

Zu Art. 9

Im Normalbetrieb betreibt die Agentur in St. Johann im Pongau lediglich ein Back-up-System. Im Fall des teilweisen oder vollständigen Ausfalls des Zentralsystems kann es jedoch erforderlich werden, die IT-Systeme der Agentur von St. Johann aus zu betreiben. In diesem Fall wird die Regierung gemäß Art. 9 der Agentur die Betriebsumschaltung auf St. Johann im Pongau erleichtern. Die näheren Details werden in einer separaten privarechtlichen Vereinbarung mit der Agentur geregelt.

Zu Art. 10

Die in Art. 1 des Privilegienprotokolls festgeschriebene Unverletzlichkeit wirkt sich insbesondere dahingehend aus, dass die Agentur grundsätzlich für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in ihren Räumlichkeiten verantwortlich ist (Abs.1) und dass österreichische Organe bzw. Personen, die nach österreichischem Recht zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung befugt sind, den Amtssitzbereich nur mit Zustimmung der Agentur betreten dürfen. In Notfällen wird eine solche Zustimmung allerdings als gegeben angenommen. (Abs. 2, letzter Satz).Es handelt sich hier um eine in Amtssitzabkommen übliche Bestimmung betreffend das Betreten der Räumlichkeiten durch Organe des Gaststaates - eine Regelung, die Ausdruck der völkerrechtlichen Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten ist. Absatz 2 hat jedoch nicht das konkrete Zutrittsverfahren, wie ua. allfällige Sicherheitskontrollen oder das Verfahren zur Ausstellung von Zutrittsgenehmigungen zum Inhalt (siehe auch unten zu Absatz 8).

Hinsichtlich der Räumlichkeiten der Agentur ist Österreich gemäß Abs. 3 verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Tätigkeit der Agentur nicht durch einzelne Personen oder Personengruppen, die sich außerhalb der Räumlichkeiten aufhalten, gestört wird. Dies beinhaltet, dass es den zuständigen österreichischen Behörden obliegt, außerhalb und an der Grenze des Sitzes jene Befugnisse wahrzunehmen, die zu diesem Zweck in den anwendbaren österreichischen Rechtsvorschriften vorgesehen sind (

Die Abs. 6 und 7 regeln die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und der Agentur in Sicherheitsfragen. Abs. 8 regelt den Zugang zu den Räumlichkeiten der Agentur. Einerseits hat die Agentur das Recht zu bestimmen, wer ihre Räumlichkeiten betritt. Daher ist im ersten Satz die schriftliche Genehmigung des Sicherheitsbeamten der Agentur als Voraussetzung für den Zutritt zu den Räumlichkeiten festgelegt. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass sich die Räumlichkeiten der Agentur auf militärischem Gebiet befinden und der Zugang zu den Räumlichkeiten das Betreten militärischer Anlagen (der Begriff „militärische Anlagen“ umfasst dabei militärische bzw. militärisch genutzte Liegenschaften, Gebäude, Räumlichkeiten und sonstige Anlagen) erfordert. Die österreichischen Behörden werden daher gemäß den anwendbaren österreichischen Rechtsvorschriften den von der Agentur gemäß Abs. 8 erster Satz ermächtigten Personen den Zutritt zu militärischen Anlagen gewähren, soweit dies für diese Personen erforderlich ist, um zu den Agenturräumlichkeiten zu gelangen. Dabei umfasst die Gewährung des Zutritts nach österreichischem Recht u.a. auch die Ausstellung von Zutrittsgenehmigungen. Für die Ausstellung von Zutrittsgenehmigungen ist Voraussetzung, dass die Agentur die erforderlichen Daten übermittelt und aktualisiert.

Abs. 8 wurde ins Abkommen aufgenommen, weil sich die Räumlichkeiten auf militärischem Gebiet befinden. Anders als Abs. 2 hat Abs. 8 nicht die grundsätzliche Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten der Agentur zum Inhalt, sondern betrifft den konkreten Ablauf für den Zutritt von Personen (nicht nur staatlichen Organen bzw. von Personen, die nach österreichischem Recht zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung befugt sind). Aus der Regelung des Abs. 2, dass im Fall eines Feuers oder eines anderen Notfalls die Zutrittsbewilligung der Agentur für staatliche Organe bzw. Personen, die nach österreichischem Recht zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung befugt sind, vermutet wird, ergibt sich, dass in solchen Fällen auch keine schriftliche Genehmigung der Agentur eingeholt werden muss.

Zu Art. 11

Die Agentur ist wie das Wiener Büro der Vereinten Nationen (vgl. Abschnitt 10 UN-Amtssitzabkommen) befugt (unter Berücksichtigung der österreichischen und europäischen Rechtsvorschriften, siehe Artikel 10 Abs. 1), auch eigene Fernmeldeeinrichtungen in ihren Anlagen zu errichten. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, dass der Schutz personenbezogener Daten den gängigen EU-rechtlichen Vorschriften entspricht, insbes. der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr, ABl. Nr. L 8 vom 12.1.2001, S. 1, auf die Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 ausdrücklich Bezug nimmt.

Auf dem Gebiet des Nachrichtenverkehrs hat sich der Grundsatz herausgebildet, internationale Organisationen in gleicher Weise zu behandeln wie diplomatische Vertretungsbehörden, für die in diesem Zusammenhang Art. 27 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WDK), BGBl. Nr. 66/1966, gilt. Eine Bestimmung wie in Abs. 2 über Verschlüsselung und Kuriersendungen finden sich etwa auch in Abschnitt 21 lit. b des UN-Amtssitzabkommens.

Die Agentur hat sich ausbedungen, dass im Fall einer Unterbrechung des Fernmeldewesens gemäß Abs. 3 hinsichtlich der Wiederherstellung dieser Funktionen für die Agentur dieselbe Sorgfalt und Eilfertigkeit aufgeboten wird wie für die österreichische öffentliche Verwaltung.

Zu Art. 12

Für die Tätigkeit der Agentur im Amtssitzbereich ist es unerlässlich, dass diese mit den notwendigen öffentlichen Leistungen ausgestattet ist und diese auch entsprechend unterhalten bzw. dass die notwendigen Dienstleistungen erbracht werden. Die Republik Österreich hat sich daher in diesem Artikel verpflichtet, im Wirkungsbereich der österreichischen Behörden die Beistellung dieser Leistungen zu angemessenen Bedingungen zu gewährleisten. Per analogiam hat dies zu bedeuten, dass diese Leistungen zu den günstigsten, der österreichischen staatlichen Verwaltung gewährten Bedingungen zu erbringen sind.

Zu Art. 13

Art. 13 bestimmt, dass Meinungsverschiedenheiten grundsätzlich auf dem Weg direkter Verhandlungen freundschaftlich beigelegt werden. Falls dies nicht gelingt, kann eine Streitigkeit auf Antrag einer der Vertragsparteien dem EuGH überwiesen werden.

Zu Art. 14

Änderungen des Abkommens können im selben Verfahren vorgenommen werden, in dem auch das Abkommen geschlossen wurde.

Zu Art. 15

Es handelt sich um die üblichen Schlussbestimmungen. Da die Agentur bereits am 1. Dezember 2012 ihre Tätigkeit aufgenommen hat, bestimmt Abs. 2, dass das Abkommen rückwirkend ab diesem Zeitpunkt angewendet wird. Eine ähnliche Bestimmung findet sich etwa in Art. 3 Abs. 1 des am 31. Oktober 1997 in Kraft getretenen Amtssitzabkommens mit dem Joint Vienna Institute (JVI), BGBl. III Nr. 187/1997, oder im IACA-Amtssitzabkommen BGBl. III. Nr. 100/2012.