2368 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (2356 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das GmbH-Gesetz, die Insolvenzordnung, das Notariatstarifgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2013 – GesRÄG 2013)

Nach Art. 54 AEUV (früher Art. 48 EG-Vertrag) betreffend die Niederlassungsfreiheit und die dazu ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (zuletzt EuGH C-210/07 [Cartesio] und C-378/10 [Vale]) haben Unternehmer die Möglichkeit, eine Kapitalgesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Vertragsstaat zu gründen und in einem anderen Mitglied- bzw. Vertragsstaat ihren tatsächlichen und oftmals einzigen Sitz zu haben („Scheinauslandsgesellschaften“), sofern das nationale Recht des Gründungsstaats dies gestattet. Ein verstärktes Auftreten solcher Scheinauslandsgesellschaften, wie zum Beispiel der englischen Private Company Limited by Shares (in der Folge: Limited), würde durch die damit verbundene Anwendung fremden Rechts zu Rechtsunsicherheit, erhöhten Kosten und mehr Beratungsaufwand sowie zu Lücken im System des Rechts- und Gläubigerschutzes führen.

In Deutschland beließ das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) das Mindeststammkapital grundsätzlich bei 25 000 Euro, führte jedoch eine Sonderform der GmbH (haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft – „UG (haftungsbeschränkt)“) mit einem Mindeststammkapital von einem Euro ein. Dieses Gesetz sieht außerdem einige weitere Gründungserleichterungen, gleichzeitig aber auch Haftungsverschärfungen vor. Eine Reihe anderer europäischer Staaten hat die Gründung vergleichbarer Gesellschaften ebenfalls erleichtert und das Mindeststammkapital erheblich gesenkt. Sollte das auf Gemeinschaftsebene diskutierte Statut über eine Europäische Privatgesellschaft (SPE) angenommen werden, so könnte diese Gesellschaft im Vergleich zur GmbH aller Voraussicht nach ebenfalls mit geringeren Kapital- und Formanforderungen gegründet werden.

Die österreichische GmbH steht daher im verschärften Wettbewerb mit den Gesellschaftsformen anderer Mitgliedstaaten und zukünftig möglicherweise auch mit der Europäischen Privatgesellschaft (SPE). Ziel dieses Gesetzesvorhabens ist es daher, die österreichische GmbH für Gründer im Vergleich zu den Gesellschaftsformen anderer Mitgliedstaaten attraktiv zu halten und im Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen zu stärken: Die Gründung soll leichter und billiger möglich sein.

Gleichzeitig soll dadurch aber auch der Wandel im österreichischen Wirtschaftsleben nachvollzogen werden, in dem bereits etwa vier Fünftel der Unternehmen in Dienstleistungsbranchen tätig sind. Wie von Seiten der Wirtschaft nachvollziehbar dargelegt, sind diese Unternehmen regelmäßig auf deutlich weniger Kapitalausstattung angewiesen.

Die gesetzlichen Regelungen sollen im Interesse einer baldigen Umsetzung dieser Anliegen im Wesentlichen auf die Erleichterung der Gründung samt Senkung der Gründungskosten beschränkt werden. Eine darüber hinausgehende, umfassendere Reform des GmbH-Rechts sollte gegebenenfalls nach einer Annahme des Statuts über die Europäische Privatgesellschaft (SPE) geprüft werden. Die bisherigen Entwürfe zu dieser Verordnung enthalten nämlich zahlreiche Verweise auf das nationale Recht und würden daher einen neuerlichen und weitergehenden Änderungsbedarf mit sich bringen.

Die Höhe des nach österreichischem Recht bisher zur Gründung einer GmbH notwendigen Mindeststammkapitals ist mit 35 000 Euro im europäischen Vergleich am höchsten. Demgegenüber ist es in Deutschland, wie bereits dargelegt, seit dem MoMiG möglich, eine „UG (haftungsbeschränkt)“ mit einem Stammkapital von nur einem Euro zu gründen. Auch in diversen anderen europäischen Staaten wurde die Gründung von Kapitalgesellschaften erheblich erleichtert.

Nach den vom Bundesministerium für Justiz durchgeführten Untersuchungen ist es in Österreich zwar bisher nicht zur vielfach befürchteten umfangreichen Gründung von Scheinauslandsgesellschaften gekommen. Aus den Erfahrungen zur Verbreitung der Limited in Österreich lässt sich schließen, dass die mit einer Scheinauslandsgesellschaft zwangsweise verbundenen höheren Beratungs- und Verwaltungskosten, das Misstrauen des Rechtsverkehrs ihnen gegenüber sowie die damit verbundene Rechtsunsicherheit ohnehin viele Unternehmensgründer von der Gründung einer Scheinauslandsgesellschaft abhalten. Gleichzeitig hat aber eine Befragung der Gründer von im österreichischen Firmenbuch mit Zweigniederlassungen eingetragenen englischen Limiteds ergeben, dass das weitaus geringere Mindeststammkapitalerfordernis bei der Limited das Hauptmotiv der Gründer für deren Rechtsformwahl war.

Dem Ausweichen österreichischer Unternehmensgründer auf ausländische Gesellschaftsformen, etwa der – wegen der im Unterschied zur Limited fehlenden Sprachbarriere und ansonsten ähnlichen Rechtslage besonders naheliegenden – deutschen UG (haftungsbeschränkt), könnte auf unterschiedliche Weise begegnet werden:

Zur Diskussion standen etwa eine Reduktion des Mindeststammkapitals oder – ähnlich wie in Deutschland – die Einführung einer mit faktisch keinen Mindeststammkapitalerfordernissen ausgestatteten Unterform der GmbH. Es besteht mittlerweile weitgehende Einigkeit darüber, dass das Mindeststammkapital – weil es eine abstrakte, nicht auf den Einzelfall abgestimmte Größe ist – keine dem Betrieb angemessene Kapitalausstattung garantiert und als Haftungsfonds im Krisenfall meist nicht mehr zur Verfügung steht, somit Gläubigerschutzzwecke nur eingeschränkt erfüllen kann. Darüber hinaus hat die wirtschaftliche Entwicklung insbesondere im Dienstleistungssektor zur Entstehung wenig betriebsmittel- und kapitalintensiver Unternehmensfelder geführt. Dem Mindeststammkapital kommt jedoch nach wie vor erhebliche Bedeutung als individuelle und für die Rechtsform der GmbH allgemein wichtige Seriositätsschwelle zu (vgl. Reich-Rohrwig, Startschuss zur GmbH-Reform, ecolex 2008, 138 [139]). Es stellt der Gesellschaft auch einen Kapitalpolster zur Verfügung, der deren Überschuldung bereits bei Unternehmensgründung verhindert und erste Anfangsverluste abfedern kann. Darüber hinaus soll der Zugang zur Haftungsbeschränkung der GmbH nicht allzu leicht ermöglicht werden. Leichtfertige und möglicherweise wenig erfolgversprechende Gründungen sollen verhindert werden.

Der erwünschten Erleichterung des Zugangs zur Rechtsform der GmbH steht somit die Notwendigkeit der Beibehaltung einer gewissen Seriositätsschwelle gegenüber. Auch für letztere lässt sich keine allgemein gültige, für alle Fälle adäquate Größe nennen. Ein Rechtsvergleich zeigt jedoch, dass ein Betrag von 10 000 Euro eine solche sinnvolle und wirksame Seriositätsschwelle sein kann. Das Mindeststammkapital wird daher – wie im Regierungsprogramm der XXIV. Gesetzgebungsperiode vorgesehen und bei der Regierungsklausur vom 9. November 2012 beschlossen – auf 10 000 Euro abgesenkt (§ 6 Abs. 1 GmbHG). Wie bisher muss dieses Mindeststammkapital nicht in voller Höhe, sondern nur zur Hälfte bar eingezahlt werden (§ 10 Abs. 1 GmbHG).

Mit dieser Maßnahme, mit der in erster Linie Neugründungen und damit oft auch erst der Einstieg in die selbstständige unternehmerische Tätigkeit erleichtert werden, soll auch dem Bedürfnis der Wirtschaft entsprochen und nachhaltig sichergestellt werden, dass die GmbH im Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen weiterhin erfolgreich sein wird.

Die Absenkung des Mindeststammkapitals führt automatisch zu einer Verringerung der am Kapital anknüpfenden Tarife für Notare und Rechtsanwälte auf etwa die Hälfte des bisherigen Betrags. Zusätzlich dazu soll für die Gründung bestimmter Einpersonen-Gesellschaften mittels einer „Mustersatzung“ – also einer standardisierten Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft – ein eigener, stark verbilligter Tarif eingeführt werden. Es kommt also zu einer Senkung der Kosten sowohl des Notariatsakts als auch der notwendigen Beglaubigungen anlässlich der Gründung.

Der Umstand, dass eine neu gegründete GmbH im Firmenbuch eingetragen wurde, soll in Hinkunft nur mehr über die Ediktsdatei und nicht auch über die Wiener Zeitung bekannt gemacht werden, was eine weitere Reduktion der bei der Gründung anfallenden Kosten bedeutet.

Nach § 36 Abs. 2 GmbHG soll nunmehr der Geschäftsführer zur Einberufung der Generalversammlung, nicht wie bisher nur bei Verlust des halben Stammkapitals, sondern auch bei Erreichen der Kennzahlen des § 22 Abs. 1 Z 1 URG bzw. § 2 Abs. 1 Z 3 EKEG (Eigenmittelquote von weniger als acht Prozent und fiktive Schuldentilgungsdauer von mehr als 15 Jahren) verpflichtet sein.

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 29. Mai 2013 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Thomas Einwallner die Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Ing. Peter Westenthaler, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Ruperta Lichtenecker, Ing. Robert Lugar, Mag. Elisabeth Grossmann und Dr. Johannes Hübner sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, B dagegen: F) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (2356 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2013 05 29

                              Thomas Einwallner                                                     Mag. Peter Michael Ikrath

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann