2374 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (2357 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EIRAG, das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, die Notariatsordnung, das Notariatsprüfungsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Übernahmegesetz, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006, das Bundesgesetz über die Gebühren für Verwahrnisse der gerichtlichen Verwahrungsabteilungen, das Strafvollzugsgesetz und das Liegenschaftsteilungsgesetz geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Justiz – VAJu)

Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl. I Nr. 51/2012) hat die Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich verankert (Verwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshof). Das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (BGBl. I Nr. 33/2013) hat deren Einführung zum Jahr 2014 einfachgesetzlich vorbereitet. Der Gesetzesentwurf enthält die erforderlichen Anpassungen der Materiengesetze im Justizwesen.

Bei der Regelung des rechtsanwaltlichen und notariellen Berufsrechts ist die Entschließung des Nationalrates vom 15. Mai 2012 betreffend die Einbringung einer Regierungsvorlage zur Neuordnung des Instanzenzuges im Bereich der Selbstverwaltung der rechtsberatenden Berufe durch einen Rechtszug an die ordentliche Gerichtsbarkeit, 246/E 24. GP, mit zu beachten. Darin hat der Nationalrat die Bundesregierung aufgefordert, von der dem Gesetzgeber durch Art. 94 Abs. 2 B-VG eingeräumten Ermächtigung derart Gebrauch zu machen, dass gegen erstinstanzliche Entscheidungen der Behörden der Kammern der rechtsberatenden Berufe ein Rechtszug an die ordentliche Gerichtsbarkeit vorgesehen wird. Dem entsprechend soll im Hinblick auf die mit 1.1.2014 wirksam werdende Auflösung (unter anderem) der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission und des Berufungssenats in Ordnungsstrafsachen eine Rechtsmittelzuständigkeit des Obersten Gerichtshofs bzw. des Oberlandesgerichts als Dienstgericht für Notare vorgesehen werden.

Im gerichtlichen Einbringungsrecht schlägt der Entwurf vor, dass die bisherigen Zahlungsaufträge der Kostenbeamten als Mandatsbescheide im Namen der Präsidenten des Gerichtshofs erlassen werden und dagegen die Vorstellung an den Präsidenten des Gerichtshofs offen steht. Damit soll verhindert werden, dass das Bundesverwaltungsgericht mit einer Vielzahl von Rechtsmitteln gegen Gebührenvorschreibungen befasst wird.

Im französischen Vorabentscheidungsverfahren „Penarroja Fa“, verbundene Rs C-372/09 und C-373/09, hatte sich der Europäische Gerichtshof mit verschiedenen Fragen aus dem Gerichtsdolmetscherwesen auseinanderzusetzen. Er hat ausgesprochen, dass die Mitgliedstaaten zur Prüfung der in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Qualifikationen von Übersetzern eine effektive gerichtliche Kontrolle vorsehen müssen. Diese an sich auf den Bereich der Prüfung der in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Qualifikation sowie der Berücksichtigung dieser Qualifikation beschränkten Vorgaben sind Anlass für den Vorschlag, dass künftig sowohl über den Antrag auf Eintragung als auch den Antrag auf Rezertifizierung mit Bescheid entschieden werden soll. Ferner soll dem Bewerber im Fall der (teilweisen) Abweisung seines Antrags die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht eingeräumt werden.

Für das Übernahmerecht schlägt der Entwurf vor, gemäß Art. 94 Abs. 2 B-VG (in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) einen Instanzenzug von der Übernahmekommission an die ordentliche Gerichtsbarkeit – konkret an den Obersten Gerichtshof – einzurichten. Diesem Instanzenzug ist auch aus systematischen Erwägungen der Vorzug zu geben, weil gesellschafts- und zivilrechtliche Fragen in aller Regel von den ordentlichen Gerichten beurteilt werden. Um eine kurze Entscheidungsfrist und eine hohe Qualität der rechtlichen Beurteilung zu gewährleisten, soll über Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Übernahmekommission unmittelbar der Oberste Gerichtshof absprechen. Dass beim Obersten Gerichtshof zumeist nur Rechtsfragen und nur in Ausnahmefällen Tatsachenfragen releviert werden können, erscheint insofern unproblematisch, als auch die Übernahmekommission in aller Regel Rechtsfragen und nur selten Tatsachenfragen zu beurteilen hat.

In diesem Zusammenhang sei festgehalten, dass es auch nach der Änderung des Art. 20 B-VG durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nicht notwendig ist, für die Mitglieder der weisungsfreien Übernahmekommission ein Abberufungsrecht des obersten Organs – also der Justizministerin – vorzusehen: Ein solches Abberufungsrecht ist unter anderem dann nicht erforderlich, wenn die Weisungsfreiheit eines Organs nach Maßgabe des Rechts der Europäischen Union geboten ist (vgl. Art. 20 Abs. 2 Z 8 B-VG). Dies trifft auf die Übernahmekommission zu, weil die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 letzter Satz der Übernahme-Richtlinie 2004/25/EG sicherzustellen haben, „dass die Aufsichtsstellen ihre Aufgaben unparteiisch und unabhängig von allen Parteien des Angebots erfüllen“. Da aber durchaus auch staatsnahen Unternehmen Parteistellung in einem übernahmerechtlichen Verfahren zukommen kann, muss die Unabhängigkeit der Übernahmekommission auch gegenüber der Republik Österreich gewährleistet sein, was nach der Systematik des B-VG nur durch eine Weisungsfreistellung möglich ist.

Mit dem Verwertungsgesellschaftengesetz 2006 (VerwGesG 2006) wurde der Urheberrechtssenat als ausschließlich aus Richtern bestehende weisungsfreie Kollegialbehörde nach Art. 133 Z 4 B-VG eingeführt; Aufgabe des Urheberrechtssenates ist insbesondere die Entscheidung über die Tarife und Vertragsbedingungen, zu denen Verwertungsgesellschaften die von ihnen verwalteten Rechte lizenzieren. Der Urheberrechtssenat wird auf seiner derzeitigen Grundlage aber mit dem Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nicht mehr weiter bestehen können. Diese Einrichtung wird aber allseitig – nicht nur von den Rechteinhabern – geschätzt. Besonders wichtig ist es den Beteiligten, die Kernkompetenz des Senats, also die Entscheidung über die Tarife und Vertragsbedingungen in so genannten Satzungen zu erhalten. Ihrer Rechtsnatur nach sind diese Satzungen Verordnungen und nicht Bescheide, sodass sie ohnedies nicht dem in der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vorgesehenen Instanzenzug unterliegen würden. Der Entwurf passt das VerwGesG 2006 an die durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 geschaffene Rechtslage an. Gleichzeitig soll damit der Urheberrechtssenat in seiner bisherigen Zusammensetzung und nach den bisherigen Verfahrensregeln wieder errichtet werden und damit für seine rechtspolitische Kernzuständigkeit, also die Erlassung von Satzungen, bestehen bleiben.

Für das Strafvollzugsrecht schlägt der Entwurf vor, gemäß Art. 94 Abs. 2 B-VG (in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) einen Instanzenzug vom Anstaltsleiter und von der Vollzugsdirektion an die ordentlichen Gerichte einzurichten. Die Gerichte sollen in Senaten tätig werden, die aus zwei Richtern und einem fachkundigen Laienrichter aus dem Bereich der Strafvollzugsbediensteten bestehen.

Zur Änderung bei der Rechtsmittelgebühr für Einstweilige Verfügungen: Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 30.6.2012, G 14, 30, 42/12, die Gebühren für Rechtsmittel gegen Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30.6.2013 in Kraft. Zur verfassungskonformen Ausgestaltung wird vorgeschlagen, dass die Rechtsmittelgebühren – so wie in erster Instanz schon bisher – auf die Hälfte der Gebühr für das Hauptverfahren ermäßigt wird. Gleichzeitig sollen die Einstweiligen Verfügungen zum Schutz vor Gewalt (§§ 382b und 382e EO) sowie vor Eingriffen in die Privatsphäre (§ 382g EO) gebührenfrei werden.

Zu den Änderungen im Liegenschaftsteilungsgesetz: Mit der Grundbuchs-Novelle 2008 wurden die Sonderbestimmungen für die Verbücherung von Straßen-, Wege-, Eisenbahn- und Wasserbauanlagen überarbeitet und dabei das bisherige amtswegige Verfahren in ein Antragsverfahren umgewandelt. Nach in der Praxis auftretenden Problemen soll erst die Übergabe des Beschlusses an die Einlaufstelle des Grundbuchsgerichts den Rang des Antrags begründen.

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 29. Mai 2013 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Franz Glaser die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Mag. Harald Stefan sowie der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, dagegen: F, nicht anwesend: B) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (2357 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2013 05 29

                                   Franz Glaser                                                          Mag. Peter Michael Ikrath

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann