Erläuterungen

Allgemeiner Teil

1. Seit der Tagung des Europäischen Rates in Tampere (15./16.10.1999) erfolgt der Ausbau der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen innerhalb der Europäischen Union nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (und Vollstreckung) gerichtlicher Entscheidungen. Zunächst hat der Rat im Jahre 2000 ein Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen beschlossen (ABl. C 2001/12, 10); darin werden 23 Maßnahmen unterschiedlicher Priorität angeführt.

Die ersten Rechtsakte, die auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhen, waren der Rahmenbeschluss des Rates 2002/584/JI vom 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 2002/190, 1) und der Rahmenbeschluss des Rates 2003/577/JI vom 22.7.2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union (ABl. L 2003/196, 45). Die beiden Rechtsakte sind von Österreich durch das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, umgesetzt worden.

Die folgenden, auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhenden Rechtsakte, nämlich der Rahmenbeschluss des Rates 2005/214/JI vom 24.2.2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (ABl. L 2005/76, 16) und der Rahmenbeschluss des Rates 2006/783/JI vom 6.10.2006 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Einziehungsentscheidungen (ABl. L 2006/328, 59), wurden von Österreich durch das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) geändert wird (EU-JZG-ÄndG 2007), BGBl. I Nr. 38/2007, umgesetzt.

Die Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates 2008/909/JI vom 27.11.2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union, ABl. L 2008/327, 27, des Rahmenbeschlusses des Rates 2009/299/JI vom 26.2.2009 zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI, 2006/783/JI, 2008/909/JI und 2008/947/JI, zur Stärkung der Verfahrensrechte von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist, ABl. L 2009/81, 24, und des Rahmenbeschlusses des Rates 2009/315/JI vom 26.2.2009 über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 2009/93, 23 (soweit sie Änderungen des EU-JZG erforderte), erfolgte durch das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten geändert wird (EU-JZG-ÄndG 2011), BGBl. I Nr. 134/2011.

2. Das vorliegende Gesetzesvorhaben dient zunächst der Umsetzung folgender Rechtsinstrumente:

                         - Rahmenbeschluss 2008/947/JI vom 27.11.2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen, ABl. L 2008/337, 102 (Umsetzungsfrist: 6. Dezember 2011); und

                         - Rahmenbeschluss 2009/829/JI vom 23.10.2009 über die Anwendung – zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft, ABl. L 2009/294, 20 (Umsetzungsfrist: 1. Dezember 2012)

Zu diesem Zweck wird die Einfügung eines neuen V. Hauptstücks („Überwachung justizieller Entscheidungen“) mit den Abschnitten „Überwachung von Entscheidungen über Bewährungsmaßnahmen und alternative Sanktionen, und Folgeentscheidungen“ (§§ 81 bis 99) und „Überwachung von Entscheidungen über die Anwendung gelinderer Mittel“ (§§ 100 bis 121) in das EU-JZG vorgeschlagen.

Es sollen die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen (Weisungen, Bewährungshilfe und [medizinische] Behandlung) sowie von gelinderen Mitteln, die in einem anderen Mitgliedstaat in Bezug auf eine natürliche Person, die im Inland ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat und dorthin bereits freiwillig zurückgekehrt ist oder zurückkehren will, angeordnet wurden, durch inländische Gerichte und für die Erwirkung der Überwachung solcher Bewährungsmaßnahmen und gelinderen Mittel, die von österreichischen Gerichten angeordnet wurden, durch andere Mitgliedstaaten geschaffen werden.

Auf diese Weise soll dazu beigetragen werden, dass in Bezug auf ausländische Staatsangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, nicht lediglich deshalb eine Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme verhängt wird, weil die Überwachung einer Entscheidung, in der eine bedingte Strafnachsicht gewährt wird oder ein Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe erfolgt, und der in einer solchen Entscheidung angeordneten Bewährungsmaßnahmen durch den Aufenthaltsstaat nicht gewährleistet erscheint. Entsprechendes gilt für Entscheidungen über die bedingte Entlassung. Ebenso soll dazu beigetragen werden, dass in Bezug auf Unionsbürger bei Vorliegen der Voraussetzungen von der Verhängung der Untersuchungshaft Abstand genommen und diese durch eine oder mehrere gelindere Mittel ersetzt wird. Zu betonen ist, dass die Überwachung der angeordneten Bewährungsmaßnahmen, alternativen Sanktionen und gelinderen Mittel durch den Heimatstaat des Betroffenen zu dessen Resozialisierung beiträgt.

Unter „alternativen Sanktionen“ im Sinne des Rahmenbeschlusses 2008/947/JI handelt es sich um (diversionellen Maßnahmen nach §§ 198 ff StPO vergleichbare) Anordnungen, die allerdings – abweichend von der österreichischen Rechtslage – einen Schuldspruch in Bezug auf eine natürliche Person voraussetzen und im Urteil angeordnet werden. Im Hinblick auf diese Vorgaben fallen diversionelle Entscheidungen der Staatsanwaltschaften und der österreichischen Gerichte nicht unter den Anwendungsbereich des RB und können die übrigen Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht um Übernahme der Überwachung ersucht werden.

Die nach den Rahmenbeschlüssen zulässigen Ablehnungsgründe sollen weitestgehend in das österreichische Recht übernommen werden. Im Falle des Fehlens der beiderseitigen Strafbarkeit (allgemein bzw. bei Nicht-Listendelikten) soll die Überwachung der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen bzw. der gelinderen Mittel im Interesse der Resozialisierung des Betroffenen dennoch übernommen werden können, allerdings unter ausdrücklichem Ausschluss der österreichischen Zuständigkeit für die im Falle eines Verstoßes gegen die erteilten Anordnungen zu treffenden Folgeentscheidungen, sofern diese eine Straffestsetzung bzw. die Strafvollstreckung zur Folge haben (Widerruf der bedingten Strafnachsicht bzw. der bedingten Entlassung, Verhängung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßnahme im Falle eines Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe) bzw. unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass im Falle eines Verstoßes gegen die angeordneten gelinderen Mittel die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls abgelehnt werden müsste.

Abgesehen vom angeführten Fall der fehlenden beiderseitigen Strafbarkeit ist der Vollstreckungsstaat im Falle der Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen grundsätzlich auch für sämtliche derartige Folgeentscheidungen, die auch die Änderung der erteilten Anordnungen oder die Verlängerung der Dauer der Probezeit umfassen, zuständig. Im Falle der Überwachung gelinderer Mittel bleibt hingegen der Anordnungsstaat „Herr des Verfahrens“ und ist daher für sämtliche im Falle eines Verstoßes gegen die erteilten Anordnungen zu treffenden Folgeentscheidungen (etwa Änderung der gelinderen Mittel oder Erlassung eines Haftbefehls) zuständig.

Die Anerkennung und Überwachung der ausländischen Bewährungsmaßnahmen, alternativen Sanktionen und gelinderen Mittel erfolgt im Wesentlichen auf der Grundlage der Angaben, die in den Bescheinigungen enthalten sind, die dem EU-JZG als Anhänge angeschlossen werden sollen.

Die Entscheidung über die Übernahme der Überwachung ausländischer Bewährungsmaßnahmen, alternativer Sanktionen und gelinderer Mittel ist grundsätzlich fristgebunden zu treffen.

Die Durchführung der Überwachung richtet sich nach österreichischem Recht.

Für die Überwachungskosten kann ein Kostenersatz vom Ausstellungs- bzw. Anordnungsstaat nicht begehrt werden.

3. Der Rahmenbeschluss 2009/948/JI vom 30.11.2009 zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren, ABl. L 2009/328, 42 (Umsetzungsfrist: 15. Juni 2012), zielt darauf ab, Verfahren gegen dieselbe Person wegen derselben Tat (parallele Verfahren), die gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoßen (können), zu vermeiden. Es ist ein Mechanismus von Mitteilungen und Beantwortung dieser Mitteilungen durch die betroffenen Justizbehörden der Mitgliedstaaten vorgesehen, der im Fall einer gänzlichen oder teilweisen Führung von parallelen Verfahren einen Konsultationsmechanismus mit dem Ziel in Gang setzt, die negativen Folgen solcher Verfahren zu vermeiden und eine effiziente Strafverfolgung zu gewährleisten.

Zur Umsetzung dieses Rahmenbeschlusses sollen im EU-JZG im Hauptstück über die Rechtshilfe Bestimmungen als §§ 59a bis 59c eingefügt werden.

4. Die Einrichtung von Eurojust erfolgte bereits mit Beschluss 2002/187/JI vom 28.2.2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität, ABl. L 2002/63, 1. Aufgabe Eurojusts ist es, Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen, die in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten wegen bestimmter schwerer (insbesondere organisierter) Kriminalitätsformen geführt werden, zu erleichtern, und zwar insbesondere durch deren Koordinierung und durch Unterstützung bei Rechtshilfe, Auslieferung und gegenseitiger Anerkennung. Der Beschluss 2009/426/JI vom 16.12.2008 zur Stärkung von Eurojust und zur Änderung des Beschlusses 2002/187/JI, ABl. L 2009/138, 14, hat die Rechtsgrundlagen für Eurojust ausgebaut: Es wurden eine Verbesserung der operativen Handlungsfähigkeit Eurojusts angestrebt, die Befugnisse des Kollegiums erweitert, die Befugnisse der Nationalen Mitglieder als nationale Justizorgane ausgebaut und durch eine Mindestliste präzisiert, eine Pflicht der nationalen Justizbehörden zur Mitteilung bestimmter Fälle an Eurojust vorgesehen und die Rolle von Eurojust im Verhältnis zu Drittstaaten und Organisationen außerhalb der EU erweitert. Die Mitgliedstaaten haben ihr innerstaatliches Recht bis zum 4. Juni 2011 mit dem Beschluss 2009/426/JI in Einklang zu bringen.

Im EU-JZG sind Eurojust betreffende Regelungen, insbesondere die Kompetenzen des nationalen Mitgliedes, bisher in den §§ 63 bis 68 geregelt. Vorgeschlagen wird nun, diese Bestimmungen zu erweitern (§§ 63 bis 68a), um dem Beschluss 2009/426/JI Rechnung zu tragen. Insbesondere sollen die Kompetenzen des österreichischen nationalen Mitglieds umschrieben werden, es werden Pflichten der Justizbehörden zur Verständigung Eurojusts von bestimmten Strafverfahren mit grenzüberschreitender Dimension festgelegt, und es wird ein nationales Koordinierungssystem eingerichtet.

5. Im Zusammenhang mit der – primär in der StPO vorzusehenden – Umsetzung der Richtlinie 2012/13/EU vom 22.5.2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren, ABl. L 2012/142, 1, wird vorgeschlagen, in das EU-JZG eine besondere Bestimmung über die Belehrung aufzunehmen (§ 16a), die unmittelbar nach Verhaftung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls – also durch die Sicherheitsbehörden – zu erfolgen hat.

6. Darüber hinaus soll dem Urteil des EuGH vom 5.9.2012 in der Rechtssache C-42/11 (Lopes da Silva Jorge) Rechnung getragen werden. Es wird vorgeschlagen, aufenthaltsverfestigte Unionsbürger, gegen die ein anderer Mitgliedstaat einen Europäischen Haftbefehl zur Vollstreckung einer bereits ausgesprochenen Freiheitsstrafe ausgestellt hat, mit österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen, indem die Strafe im Inland vollzogen wird (Einfügung eines § 5a in das EU-JZG).

7. Schließlich werden zahlreiche kleinere Änderungen vorgeschlagen:

Es soll eine raschere Übermittlung von Informationen und Erkenntnissen an ausländische Sicherheitsbehörden unter Wahrung des Grundrechtsschutzes des Betroffenen ermöglicht werden (Novellierung des § 57a EU-JZG, „Zustimmung zur Übermittlung von Daten und Ergebnissen einer Ermittlung durch die Sicherheitsbehörden“).

Weiters wird vorgeschlagen, die im EU-JZG sowie auch im ARHG enthaltenen Bestimmungen über vermögensrechtliche Anordnungen an die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 108/2010 („strafrechtliches Kompetenzpaket, sKp“) teils neu geregelten Rechtsinstrumente des allgemeinen Strafrechts (Konfiskation, Verfall, Einziehung) anzupassen.

Schließlich sollen einzelne Redaktionsversehen im EU-JZG beseitigt und im Hinblick auf die Bedürfnisse der Praxis gewisse Klarstellungen im EU-JZG und im ARHG vorgenommen werden.

8. Im Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz sollen obsolete Strafbestimmungen entfallen.

9. Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die Vorlage dient im Wesentlichen der Umsetzung der erwähnten Rechtsakte der EU und soll dem erwähnten Urteil des EuGH Rechnung tragen.

10. Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung gründet sich auf Artikel 10 Abs. 1 Z 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes (Strafrechtswesen).

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderungen des EU-JZG)

Zu Z 7 (§ 1 Abs. 1 Z 1 EU-JZG)

Durch die vorgeschlagene Ergänzung der Z 1 um die lit. e) und f) soll klargestellt werden, dass die durch das EU-JZG geregelte Zusammenarbeit in Strafsachen mit den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch folgendes umfasst:

                         - die Überwachung von Entscheidungen, in denen Bewährungsmaßnahmen angeordnet oder alternative Sanktionen verhängt wurden, und Folgeentscheidungen (siehe die vorgeschlagenen §§ 81 bis 99); und

                         - die Überwachung von Entscheidungen über die Anwendung gelinderer Mittel (siehe die vorgeschlagenen §§ 100 bis 121).

Zu Z 9, 10, 11 und 13 (§ 2 Z 3, 3a und 7 lit. c, f und g EU-JZG)

Durch die vorgeschlagene Ergänzung von Z 3 soll die bestehende Definition des Begriffes „Ausstellungsstaat“ um die in Art. 2 Z 8 des RB Bewährungsaufsicht enthaltene Umschreibung ergänzt werden, wobei es sich dabei um jenen Mitgliedstaat handeln soll, in dem eine Entscheidung getroffen wurde, in der Bewährungsmaßnahmen angeordnet oder alternative Sanktionen verhängt wurden.

Durch Z 3a soll Art. 4 lit. c) des RB Überwachungsanordnung umgesetzt werden, der eine Definition des „Anordnungsstaats“ enthält. Es handelt sich dabei um den Mitgliedstaat, in dem eine Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel getroffen wurde.

Durch die vorgeschlagene Ergänzung der Z 7 soll die bestehende Definition des Begriffs „Vollstreckungsstaat“ um die in Art. 2 Z 9 bzw. 4 lit. d der RB Bewährungsaufsicht bzw. Überwachungsanordnung enthaltenen Umschreibungen ergänzt werden. Darunter soll jener Staat zu verstehen sein, in dem Entscheidungen, in denen Bewährungsmaßnahmen angeordnet oder alternative Sanktionen verhängt wurden, überwacht und Folgeentscheidungen getroffen werden, bzw. in dem Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen überwacht werden.

Zu Z 8, 12, 17 und 24 bis 36 (§ 2 Z 2, 7 lit. d, 10 und 11, §§ 24 Abs. 4, 45 Abs. 2, 47 Abs. 1 Z 3, 52, 52a Abs. 1 Z 9, 52b Abs. 2, 52c Abs. 2 Z 4, 52c Abs. 4, 52e Abs. 1 Z 3 und Abs. 3, 52f Z 2, 52i Z 6, 52l Abs. 3, 52m und 53 Abs. 3 EU-JZG)

Die vorgeschlagenen Änderungen sind erforderlich, um die im EU-JZG enthaltenen Bestimmungen über vermögensrechtliche Anordnungen an die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 108/2010 („strafrechtliches Kompetenzpaket, sKp“) teils neu geregelten Rechtsinstrumente anzupassen: Durch dieses Bundesgesetz wurde im StGB die Abschöpfung der Bereicherung durch den neuen Verfall (§§ 20 bis 20c StGB) ersetzt sowie die Strafe der Konfiskation (§ 19a StGB) eingeführt. Die Einziehung (§ 26 StGB) ist hingegen unverändert geblieben

Der neue Verfall erstreckt sich auf alle Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, und zwar ohne Abzug etwaiger Aufwendungen (Übergang vom Netto- zum Bruttoprinzip). Der erweiterte Verfall (§ 20b StGB) umfasst jene besonderen Fälle, in denen es zum Unterschied von der Regelung des Verfalls nach § 20 StGB unter bestimmten Voraussetzungen keines ausdrücklichen Nachweises bedarf, aus welcher konkreten strafbaren Handlung die Vermögenswerte stammen (vor dem „sKp“ erweiterte Abschöpfung nach § 20 Abs. 2 und 3 StGB; dies entspricht der „erweiterten Einziehung“ nach Artikel 3 des Rahmenbeschlusses 2005/212/JI vom 24.2.2005 über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten, ABl. L 2005/68, 49).

Die Konfiskation und die Einziehung beziehen sich auf „Gegenstände“, der Verfall dagegen auf „Vermögenswerte“.

Das EU-JZG kennt bereits jetzt den Begriff der vermögensrechtlichen Anordnung (umschrieben in § 52 Abs. 2) als Überbegriff zu Abschöpfung der Bereicherung, Verfall und Einziehung sowie vergleichbare (inländische wie ausländische) Rechtsinstrumente. Die Definition soll nun – als Überbegriff zu Konfiskation, Verfall und Einziehung und unter Einschluss der in strafrechtlichen Nebengesetzen enthaltenen Bestimmungen über Wert- und Verfallsersatz – in § 2 Z 11 aufgenommen werden.

Der Begriff der vermögensrechtlichen Anordnung soll so weit wie möglich verwendet werden. Nicht möglich ist die Verwendung dort, wo es sich um gegenstandsbezogene Regelungen handelt (§ 24 Abs. 4, § 47 Abs. 1 Z 3) oder umgekehrt um vermögensbezogene Regelungen (§ 52e), oder wo es um einen spezifischen Ablehnungsgrund geht, der ausländische Entscheidungen einer erweiterten Einziehung im Sinn von Art. 3 des Rahmenbeschlusses 2005/212/JI betrifft, die über das nach österreichischem Recht zulässige hinausgehen (§ 52a Abs. 1 Z. 9; vgl. näher die RV zum EU-JZG-ÄndG 2007, 48 BlgNR XXIII. GP 6 f).

Zu Z 15 (§ 5a EU-JZG)

Mit Urteil vom 5.9.2012 hat der EuGH in der Rechtssache C-42/11, Lopes da Silva Jorge, festgestellt, dass durch die Umsetzung von Art. 4 Z 6 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl durch Frankreich in der Weise, dass eine Ablehnungsmöglichkeit der Vollstreckung eines zur Strafvollstreckung ausgestellten Europäischen Haftbefehls nur in Bezug auf französische Staatsangehörige vorgesehen wurde, das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) verletzt wurde: Nach diesem Grundsatz müsse eine entsprechende Möglichkeit auch in Bezug auf Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten bestehen, die in die Gesellschaft des Vollstreckungsstaates ähnlich wie Inländer integriert sind, sofern ein legitimes Interesse an der Strafvollstreckung im Vollstreckungsstaat vorliegt.

Dieses Urteil macht es erforderlich, die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 5 Abs. 4 auch auf Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten mit verfestigtem Aufenthalt in Österreich vorzusehen.

Im Einzelnen wird eine Regelung vorgeschlagen, die sich an dem orientiert, was vom EuGH schon zuvor in seinem Urteil vom 6.10.2009 in der Rechtssache C-123/08, Wolzenburg, als mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar festgestellt wurde: Für Bürger anderer Mitgliedstaaten soll an das Recht auf Daueraufenthalt angeknüpft werden, das nach Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. L 2004/158, 77, dann entsteht, wenn sich der Unionsbürger rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Innerstaatliche Rechtsgrundlage für das Recht auf Daueraufenthalt ist § 53a des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG, BGBl. I Nr. 100/2005), eingefügt durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122/2009.

Angeknüpft werden soll unmittelbar an das Recht auf Daueraufenthalt, nicht etwa daran, dass der Unionsbürger über eine Bescheinigung seines Daueraufenthaltes verfügt. Damit wird dem weiteren Rechtssatz des EuGH in der Rechtssache Wolzenburg (C-123/08) Rechnung getragen, dass eine ergänzende verwaltungsrechtliche Anforderung, wie das Nichtvorliegen einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung, im Fall eines Unionsbürgers nicht gestellt werden darf.

Nach Art. 27 f der Richtlinie 2004/38/EG sind Beschränkungen der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts von Unionsbürger nur in sehr engen Grenzen, eine Ausweisung nur unter außergewöhnlichen Umständen zulässig; vgl. die innerstaatlichen Regelungen in § 55 NAG und § 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG, BGBl. I Nr. 100/2005). Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne weiteres diese Maßnahmen nicht begründen; vielmehr muss das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellten, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Eine Ausweisung ist nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zulässig, bei einem zehnjährigen Aufenthalt oder Minderjährigen nur bei zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit. Zum Begriff der „zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit“ hat der EuGH in zwei Urteilen vom 23.11.2010, C-145/09, Tsakouridis, und vom 22.5.2012, C-348/09, P.I., Stellung genommen.

Im Lichte dieser Vorgabe des Unionsrechts wird die negative Voraussetzung auszulegen sein, dass der Verurteilte sein Recht auf Daueraufenthalt nicht aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verwirkt hat. Zur Beurteilung wird vor allem jene Verurteilung heranzuziehen sein, um deren Vollstreckung es im Anlassfall geht; es können aber auch andere Verurteilungen in Betracht gezogen werden.

Sofern nicht bereits im Entscheidungszeitpunkt eine Verwaltungsentscheidung vorliegt, sind die Voraussetzungen vom Gericht selbstständig und von Amts wegen zu prüfen.

Zu Z 16 (§ 16a EU-JZG)

Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2012/13/EU haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Personen, die zum Zwecke der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls festgenommen werden, unverzüglich eine angemessene Erklärung der Rechte erhalten, die Informationen über ihre Rechte gemäß dem nationalen Recht enthält. Die Richtlinie enthält in Anhang II ein Musterbeispiel einer solchen Erklärung der Rechte.

Ähnlich wie die zur Umsetzung der Richtlinie 2012/13/EU für ein innerstaatliches Strafverfahren vorgeschlagene Bestimmung in der StPO (§ 171 Abs. 4), wird eine neue Bestimmung im EU-JZG vorgeschlagen, nach der ein aufgrund eines Europäischen Haftbefehls Festgenommener sogleich eine schriftliche Belehrung über seine Rechte zu erhalten hat. Die Belehrung wird daher regelmäßig durch die Sicherheitsbehörden zu erfolgen haben; diesen wird ein entsprechendes Formblatt – nicht nur auf Deutsch, sondern auch in gängigen Fremdsprachen – zur Verfügung zu stellen sein.

Das Verfahren über einen Europäischen Haftbefehl richtet sich primär nach den §§ 13 ff EU-JZG; subsidiär sind Bestimmungen des ARHG über das Auslieferungsverfahren und letztlich auch die Bestimmungen der StPO, insbesondere über die Untersuchungshaft, anzuwenden. Daher führt der vorgeschlagene § 16a EU-JZG in Z 1 bis 4 als Rechte, die in die schriftliche Belehrung aufzunehmen sind, nur jene an, die Besonderheiten des Übergabeverfahrens darstellen.

Die in Z 2 vorgeschlagene Regelung bekräftigt, was sich schon allgemein aufgrund der subsidiären Geltung der StPO ergibt, nämlich dass es sich bei einem Europäischen Haftbefehl um einen wesentlichen Aktenbestandteil im Sinne der vorgeschlagenen Bestimmung in der StPO (§ 56 Abs. 3) handelt.

Zu Z 18 (§ 29 Abs. 2a EU-JZG)

Nach der derzeitigen Fassung von § 29 ist die Staatsanwaltschaft (nach gerichtlicher Bewilligung) in sämtlichen Fällen für die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls und für dessen Übermittlung an die zuständige Justizbehörde des Vollstreckungsstaats zuständig. Diese Regelung steht mit der korrespondierenden Regelung des § 68 ARHG nicht im Einklang, wonach die Auslieferungsunterlagen – allerdings in sämtlichen Fällen – vom Gericht vorzulegen sind, und entspricht auch nicht der innerstaatlichen Rechtslage (§ 210 Abs. 3 StPO), wonach nach Einbringung der Anklage die Festnahme vom Gericht anzuordnen ist. Diese Divergenz hat zu Unsicherheiten und zu einer unterschiedlichen Vorgangsweise in der Praxis geführt, weshalb vorgeschlagen wird, einen diesbezüglichen Gleichklang herzustellen. In der Folge wäre sicherzustellen, dass die Fahndung in den betreffenden Fällen (auf Antrag der Staatsanwaltschaft) vom Gericht eingeleitet wird.

Zu Z 19 (§ 41j Z 1 EU-JZG)

Diese Bestimmung stellt eine Konsequenz des aufgrund des Urteils des EuGH in der Sache Lopes da Silva, C-42/11, eingefügten § 5a dar, wonach die Regelung des § 5 Abs. 4 nicht nur auf österreichische Staatsbürger, sondern auch auf im Inland aufenthaltsverfestigte Unionsbürger Anwendung findet. Wird daher die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zur Strafvollstreckung hinsichtlich eines derartigen Verurteilten gegen Zusage der Strafvollstreckung im Inland verweigert, so richtet sich diese – ebenso wie im Fall österreichischer Staatsbürger – im Wesentlichen nach den §§ 39 bis 41j.

Zu Z 20 (§ 42b Abs. 7a EU-JZG):

In den §§ 42 ff. EU-JZG fehlt derzeit eine Regelung für den Fall, dass der verhängten Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme, um deren Vollstreckung der Heimatstaat des Verurteilten ersucht wurde, mehrere strafbare Handlungen zugrunde liegen und die Vollstreckung hinsichtlich einzelner dieser Taten nicht übernommen werden kann (etwa weil diese nach dem Recht des Vollstreckungsstaats nicht gerichtlich strafbar sind und es sich dabei nicht um ein Listendelikt handelt; etwa Ladendiebstahl oder Besitz bestimmter Waffen). Dies hat in der Praxis zu Problemen geführt, weil nicht feststand, welcher Teil der verhängten Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme auf diejenigen Straftaten entfällt, hinsichtlich derer die Vollstreckung übernommen werden kann, sodass das Ersuchen um Vollstreckung (gänzlich) zurückgezogen werden musste.

Zur Vermeidung künftiger derartiger Probleme soll nunmehr klargestellt werden, dass das inländische Gericht, das zuletzt in erster Instanz erkannt hat, in einem derartigen Fall mit Beschluss festzustellen hat, welcher Teil der verhängten Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme auf diejenigen Straftaten entfällt, hinsichtlich derer die Vollstreckung übernommen wird. War das erkennende Gericht das Landesgericht, so soll grundsätzlich der Vorsitzende entscheiden, bei einer Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme von mindestens fünf Jahren aber – wie schon jetzt in § 40a Abs. 1 – der Senat von drei Richtern. Gegen die Entscheidung soll eine Rechtsmittelmöglichkeit an das Oberlandesgericht bestehen. Nach erfolgter Rechtskraft der Entscheidung ist die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats von dieser im Wege des Bundesministeriums für Justiz in Kenntnis zu setzen.

Zu Z 21 (§ 42e Abs. 1 EU-JZG):

In Ergänzung der Regelung des § 42b Abs. 7a könnte klargestellt werden, dass die verurteilte Person in den betreffenden Fällen erst nach inländischer Verbüßung jenes Teils der verhängten Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme, hinsichtlich dessen die Vollstreckung nicht übernommen wird, in den Vollstreckungsstaat zu überstellen ist. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass in Österreich ein Strafrest offen bleibt und der Verurteilte diesbezüglich zur Fahndung ausgeschrieben werden muss. Ob tatsächlich ein praktisches Bedürfnis nach einer derartigen Bestimmung besteht, soll das Begutachtungsverfahren zeigen; die begutachtenden Stellen werden daher ersucht, sich zu dieser Frage zu äußern.

Zu Z 22 (§ 42e Abs. 3 EU-JZG)

§ 42e enthält keine ausdrückliche Regelung über die Zuständigkeit zur Durchführung der Überstellung, doch ergibt sich aus § 1 Abs. 2 EU-JZG in Verbindung mit § 76 Abs. 8 ARHG die diesbezügliche Zuständigkeit des Gerichts (Einzelrichter). Dies soll in Abs. 3 klargestellt werden. Durch den (sinngemäßen) Verweis auf § 24 EU-JZG, welche Bestimmung auf § 36 ARHG verweist, wird eindeutig und unzweifelhaft das Vorgehen hinsichtlich der Übergabe an Nachbarstaaten und an jene Staaten festgelegt, hinsichtlich derer eine Durchlieferungsbewilligung vorliegt.

Zu Z 23 (§ 42f Abs. 1 EU-JZG)

Mit der vorgeschlagenen Einfügung soll aufgrund von in der Praxis aufgetretenen Unklarheiten klargestellt werden, dass die Entscheidung über ein Ersuchen um Zustimmung zur Verfolgung oder Verurteilung des Verurteilten wegen einer vor der Übergabe begangenen weiteren Straftat sowie zur Vollstreckung einer wegen einer derartigen Handlung verhängten Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme vom zuletzt erkennenden Gericht zu treffen ist.

Zu Z 37 und 38 (§ 57a EU-JZG)

Nach dem derzeitigen Wortlaut von § 57a sind die inländischen Sicherheitsbehörden nicht berechtigt, Daten oder Ermittlungsergebnisse, die durch Ermittlungshandlungen erlangt wurden, die einer gerichtlichen Bewilligung bedürfen (§ 105 Abs. 1 StPO), mit Genehmigung der Staatsanwaltschaft, die bei Vorliegen der in Z. 1 und 2 angeführten Voraussetzungen zu erteilen ist, an die Sicherheitsbehörden anderer Mitgliedstaaten zu übermitteln; vielmehr ist dazu das Vorliegen eines Rechtshilfeersuchens einer Justizbehörde erforderlich (Abs. 2).

Im Hinblick auf bei den Sicherheitsbehörden aufgetretene Probleme bei der effektiven Kriminalitätsbekämpfung durch diese Regelung wird in Anlehnung an die entsprechende deutsche Rechtslage (§§ 92 bis 92b IRG) vorgeschlagen, § 57a Abs. 1 in der Weise zu ändern, dass die inländischen Sicherheitsbehörden sämtliche Daten und Erkenntnisse, die der Staatsanwaltschaft berichtet wurden (§ 100 StPO) und die somit deren Verfügung über die weitere Verwendung unterliegen, mit (bloßer) Genehmigung der Staatsanwaltschaft an die Sicherheitsbehörden der übrigen Mitgliedstaaten weiterleiten dürfen. Darunter fallen auch die im derzeitigen Abs. 2 angeführten Daten oder Ermittlungsergebnisse, weshalb diese Bestimmung entfallen soll.

Allerdings soll die dadurch ermöglichte unverzügliche Übermittlung von Daten oder Ermittlungsergebnissen an das EU-Ausland nicht unter Aushebelung insbesondere des innerstaatlich bestehenden Grundrechtsschutzes bei Zwangsmaßnahmen erfolgen können, weshalb Abs. 4 durch Anfügen eines zweiten Satzes derart ergänzt werden soll, dass Daten oder sonstige Ergebnisse aus einem inländischen Strafverfahren, die durch Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahmen erlangt wurden, die einer gerichtlichen Bewilligung bedürfen oder vom Gericht angeordnet und durchgeführt werden, nur aufgrund eines Rechtshilfeersuchens einer Justizbehörde als Beweismittel in einem ausländischen Strafverfahren verwendet werden dürfen.

Festzuhalten ist, dass durch die vorgesehene Ergänzung von Abs. 4 – zum Unterschied von der geltenden Rechtslage – die (sofortige) Übermittlung der Daten oder Erkenntnisse an das EU-Ausland durch die inländischen Sicherheitsbehörden erfolgen kann, wodurch eine effektive Kriminalitätsbekämpfung gewährleistet erscheint. Lediglich für die (nachfolgende) Verwendung derselben als Beweismittel in einem (ausländischen) Strafverfahren soll in den in Abs. 4 angeführten Fällen das Vorliegen eines justiziellen Rechtshilfeersuchens erforderlich sein.

Zu Z 39 (§§ 59a bis 59c EU-JZG)

1. Die vorgeschlagenen Bestimmungen dienen der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2009/948/JI vom 30.11.2009 zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren, ABl. L 200)/328, 42, (in der Folge: RB Kompetenzkonflikte). Der Rahmenbeschlusses 2009/948/JI verpflichtet die Justizbehörden (lediglich) zu gegenseitiger Information und zu Konsultierung.

Die Pflicht der österreichischen Justizbehörden zur Information von Justizbehörden in anderen Mitgliedstaaten wird in § 59a vorgeschlagen, die Pflicht zur Beantwortung von Mitteilungen aus einem anderen Mitgliedstaat in § 59b und die Konsultationspflicht in § 59c.

Der Umsetzungsvorschlag bestimmt als Ansprechpartner für ausländische Justizbehörden und als zuständige Behörde für Mitteilung über Verfahren im Inland in jedem Fall, auch nach Einbringung einer Anklage, die Staatsanwaltschaft, weil in jedem Fall die Staatsanwaltschaft dazu berufen ist, die Strafverfolgung zu übernehmen oder die Übernahme der Strafverfolgung durch eine Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaates zu erwirken. Nach Erwirkung der Übernahme der Strafverfolgung, d.h. wenn die Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaates mitgeteilt hat, die Strafverfolgung übernommen zu haben, hat die Staatsanwaltschaft allenfalls die Anklage/den Strafantrag zurück zu ziehen.

2. Die §§ 59a und 59b dienen im Speziellen der Umsetzung von Art. 5, 6, 8 und 9 des Rahmenbeschlusses 2009/948/JI. Grund zur Annahme, dass in einem anderen Mitgliedstaat ein Verfahren wegen derselben Tat gegen dieselbe Person (paralleles Verfahren) anhängig ist, besteht nach § 59a Abs. 1 etwa aufgrund der Art der Tatbegehung (Anlagebetrug einer im gesamten deutschsprachigen Raum tätigen juristischen Person oder Tätergruppe, grenzüberschreitender Prostitutionshandel, internationaler Suchtgiftschmuggel usw.), aufgrund der Person des Täters, etwa wegen seiner Staatsbürgerschaft oder seines gewöhnlichen Aufenthalts oder aufgrund der Opfer. Hinweise auf ein paralleles Verfahren können sich aber auch aufgrund von Angaben des Beschuldigten, von Zeugen oder Opfern im Laufe des Ermittlungsverfahrens ergeben.

Zweck des Rahmenbeschlusses ist es, Verstöße gegen das Doppelbestrafungsverbot zu vermeiden (vgl. Erwägungsgrund 3). Aufgrund dieser Zielsetzung wird im Zweifel zugunsten einer Mitteilung an eine Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaates zu entscheiden sein.

In vielen Fällen wird der Staatsanwaltschaft nicht bekannt sein, welche Behörde des anderen Mitgliedstaates ein paralleles Verfahren führt oder führen könnte. Hier müsste folglich die Zentralbehörde (in den meisten Fällen die Ministerien) – im direkten Behördenverkehr – kontaktiert werden.

Sowohl bei der Mitteilung über ein Verfahren im Inland als auch bei der Beantwortung einer solchen Mitteilung einer Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaates, können und sollen Staatsanwaltschaften weitere sachdienliche Informationen zum Verfahren geben und auf Schwierigkeiten bei den Ermittlungen informieren. Die im Umsetzungsvorschlag angeführten Inhalte sind lediglich als Mindestinhalte zu verstehen.

3. Wird im Rahmen der in §§ 59a und b vorgesehenen Mitteilungen bzw deren Beantwortung festgestellt, dass es parallele Verfahren gibt, wird der in § 59c vorgeschlagene Konsultationsmechanismus in Gang gesetzt, der im Rahmenbeschluss in den Artikeln 10 und 11 vorgesehen ist.

4. Der Rahmenbeschluss hat seinem Wortlaut zufolge nur die Situation vor Augen, dass ein Verfahren wegen derselben Tat und gegen dieselbe Person geführt wird. Nichts desto trotz können auch Verfahren wegen derselben Tat, die gegen unterschiedliche Personen geführt werden, Koordinierungsbedarf erzeugen. Aufgrund dessen steht es Staatsanwaltschaften frei, das vorgesehene System der Kontaktaufnahme auch für diese Fälle zu verwenden oder sich an Eurojust mit einem Koordinierungsersuchen zu wenden.

Zu Z 40 (§ 63 Abs. 1 EU-JZG)

Eurojust ist eine Einrichtung der Europäischen Union und besteht unmittelbar aufgrund des Beschlusses 2002/187/JI vom 28.2.2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität, ABl. L 2002/63, 1, in der Fassung des Beschlusses 2009/426/JI vom 16.12.2008 zur Stärkung von Eurojust und zur Änderung des Beschlusses 2002/187/JI, ABl. L 2009/138, 14 (im Folgenden: Eurojust-Beschluss). Es wird daher vorgeschlagen, den Abschnitt über Eurojust einleitend mit einem Verweis auf die dort geregelten Ziele, Zuständigkeit, Aufgaben, innere Organisation und Arbeitsweisen zu beginnen.

Zu Z 41 (§ 63 Abs. 2 Z 2 EU-JZG)

Die vorgeschlagene Änderung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Justiz jene Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der EU zunehmend nicht mehr in traditionellen Formen (Auslieferung, Rechtshilfe), sondern nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (und Vollstreckung) erfolgt. Berücksichtigt werden muss aber auch, dass es weiterhin Formen der Zusammenarbeit gibt, die nicht im EU-JZG geregelt sind, wie die Übernahme der Strafverfolgung („insbesondere“). Es soll allerdings nicht die schwerfällige Formulierung des Eurojust-Beschlusses (Art. 3 Abs. 1 lit. b: „Ersuchen und Entscheidungen betreffend die justizielle Zusammenarbeit, auch in Bezug auf Rechtsakte, die dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung Wirkung verleihen“) übernommen werden.

Zu Z 42 (§ 63 Abs. 2)

Die vorgeschlagene Ergänzung des Abs. 2 dient der Umsetzung des Art. 27b des Eurojust-Beschlusses. Dort ist vorgesehen, dass Eurojust mit Zustimmung des betroffenen Mitgliedstaates die justizielle Zusammenarbeit auch im Verhältnis mit Drittstaaten koordinieren und unterstützen kann. Aufgrund dessen ist im nationalen Recht festzulegen, wer die Zustimmung erteilen soll, nämlich die betroffene Behörde selbst oder die Zentralstelle. Gerade in der justiziellen Zusammenarbeit mit Drittstaaten können bundesweite Interessen betroffen sein. Zur Wahrung dieser sieht der Vorschlag vor, die Koordinierung
bzw. Unterstützung der justiziellen Zusammenarbeit mit Drittstaaten von der Zustimmung des Bundesministeriums für Justiz abhängig zu machen.

Zu Z 43 (§ 64 EU-JZG)

1. Mit den in Abs. 1 und 2 vorgesehenen Änderungen sollen Vorgaben des Eurojust-Beschlusses in Art. 2 Abs. 1 bis 5, in Art. 9 Abs. 1 im Hinblick auf die Dauer der Entsendung und in Art. 3 Abs. 1 lit. a umgesetzt werden.

2. Die in Abs. 3 Z 1 und 2 vorgeschlagenen Bestimmungen dienen der Umsetzung von Art. 13 Abs. 3, welcher eine Übermittlung von Informationen, die das nationale Mitglied von nationalen Justizbehörden erhalten hat, auch ohne deren Zustimmung vorsieht. Die Umsetzung ist insbesondere im Hinblick auf das bei Eurojust eingerichtete Fallbearbeitungssystem und für die Aufgabenerfüllung des nationalen Mitgliedes von entscheidender Bedeutung.

Abs. 3 Z 3 soll die in Art. 9b Abs. 1 angeführten Kompetenzen umsetzen. Danach soll das nationale Mitglied berechtigt sein, die justizielle Zusammenarbeit zu erleichtern und diesbezügliche Ersuchen zu empfangen, zu übermitteln, zu überwachen oder zusätzliche Informationen zu diesen zu erteilen. Gemäß Art. 9 Abs. 3 des Beschlusses handelt es sich um das quasi zwingende Mindestmaß an Kompetenzen, die dem nationalen Mitglied mit der Umsetzung übertragen werden müssen.

3. Kernbereich des Eurojust-Beschlusses ist die Harmonisierung und Ausweitung der Kompetenzen des nationalen Mitgliedes, um es Eurojust zu ermöglichen, operativer zu werden (vgl. Erwägungsgrund 3). Die entsprechenden Bestimmungen im Eurojust-Beschluss finden sich in den Artikeln 6 Abs. 1, 9a bis 9d und 9f.

Auch wenn die Zuständigkeiten von Eurojust grundsätzlich keiner Umsetzung bedürfen (vgl. oben Erläuterungen zu § 63), empfiehlt es sich, die Aufgaben des nationalen Mitgliedes (Art. 6) – das in zwei Organisationen, nämlich die nationale Justiz und Eurojust eingebunden ist – umfassend im nationalen Recht anzuführen. Dies soll in § 64 Abs. 4 bis 7 erfolgen.

Art. 6 des Eurojust-Beschlusses, dessen Umsetzung in § 64 Abs. 4 vorgeschlagen wird, eröffnet dem nationalen Mitglied die Möglichkeit, österreichische Justizbehörden zu ersuchen, Ermittlungsverfahren einzuleiten, Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen, andere prozessuale Verfügungen zu treffen, die Strafverfolgung von einer Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaates zu übernehmen oder die Übernahme der Strafverfolgung durch die Justizbehörde eines anderen Mitgliedsstaates zu erwirken, eine Koordinierung mit der zuständigen Justizbehörden eines anderen Mitgliedstaates vorzunehmen, eine gemeinsame Ermittlungsgruppe zu bilden oder bestimmte Informationen zu übermitteln. Derartige Ersuchen sollen (im Hinblick auf § 68 Abs. 1) begründet sein.

Zumal nach § 104 Abs. 1 StPO die Möglichkeit gerichtlicher Beweisaufnahmen bzw. Ermittlungsverfahren besteht, soll der Anwendungsbereich des § 64 Abs. 4 auch Gerichte und nicht nur Staatsanwaltschaften erfassen.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die in Art. 9b Abs. 2 des Eurojust-Beschlusses vorgesehene Kompetenz des nationalen Mitglieds, die nationalen Justizbehörden zu ersuchen, unvollständige oder unsachgemäße Erledigungen (durch zusätzliche Maßnahmen) zu ergänzen, vom Wortlaut des § 64 Abs. 4 abgedeckt ist.

Die weiteren Vorgaben in den Artikeln 9c und 9d, deren Umsetzung vor allem mit § 64 Abs. 5 erfolgen soll, haben aufgrund der Ausweitung der Kompetenzen Auswirkungen auf Zuständigkeitsbestimmungen der StPO. Die Regeln über die Zuständigkeit bilden einen Teilbereich des verfassungsrechtlich verankerten Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG, das – zumal der Anwendungsbereich nicht auf die ordentliche Gerichtsbarkeit beschränkt ist – auch die Staatsanwaltschaften erfasst. Für den Gesetzgeber ist es daher unumgänglich, präzise Zuständigkeiten festzulegen, wobei dies nicht die Zuständigkeit eines individuellen Organs betrifft (Nordmeyer in WK-StPO, Vor §§ 25 – 28a Rz 1 mwN). Im gegebenen Zusammenhang ist festzuhalten, dass das nationale Mitglied die Kompetenzen als nationale Strafverfolgungsbehörde ausübt und damit für die (zuständige) Staatsanwaltschaft handelt.

Im Ergebnis soll daher weiter die zuständige Staatsanwaltschaft Leiterin des Ermittlungsverfahrens sein. Lediglich in Ausnahmefällen kann das nationale Mitglied in Abstimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft oder auf deren Ersuchen die taxativ aufgelisteten Handlungen vornehmen bzw. Maßnahmen setzen oder anordnen.

Das nationale Mitglied ist nicht in die Hierarchie der jeweiligen Staatsanwaltschaft, wohl aber in eine Hierarchie und in das System von Berichtspflichten im Sinne des Staatsanwaltschaftsgesetzes (vgl. § 63 Abs. 2) eingegliedert. Aufgrund dessen sind Handlungen des nationalen Mitgliedes den Handlungen eines Staatsanwaltes im Rufbereitschafts- und Journaldienst (§ 6a StAG) gleichzusetzen.

§ 64 Abs. 5 betont, dass die dort geregelten Kompetenzen nur im Rahmen der Befugnisse der Staatsanwaltschaften ausgeübt werden können; damit wird von der in Art. 9e Abs. 1 lit. b des Eurojust-Beschlusses enthaltenen Ermächtigung Gebrauch gemacht. Außerdem hat sich das nationale Mitglied mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abzustimmen, bevor es die in Abs. 4 geregelten Kompetenzen ausübt.

Die Wendung „im Rahmen der Befugnisse der Staatsanwaltschaften“ soll dem nationalen Mitglied die Möglichkeit geben, Anträge beim zuständigen Gericht auf Bewilligung einer Maßnahme zu stellen, wie dies auch die Staatsanwaltschaft tun kann. Das nationale Mitglied kann also jene Befugnisse nicht ausüben, die nach den nationalen Verfahrensvorschriften ausdrücklich Gerichten vorbehalten sind.

Vom Blickpunkt des nationalen Mitgliedes ist zusammenfassend auszuführen, dass es diesem frei steht, entweder nach Abs. 4 die zuständige Justizbehörde um die Durchführung einer Maßnahme, z. B. die Staatsanwaltschaft um Durchführung einer Zeugenvernehmung zu ersuchen, wenn diese in einem Koordinierungstreffen, zu dem die zuständige Justizbehörde eingeladen war, für notwendig erachtet wurde, oder aber nach Abs. 5 in Abstimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft selbst eine Anordnung zur Durchführung einer Zeugenvernehmung an die Polizei zu übermitteln.

§ 64 Abs. 5 Z 1 dient der Umsetzung von Art. 9b Abs. 1 und Art. 9c Abs. 1 lit. a und b des Eurojust-Beschlusses, § 64 Abs. 5 Z 2 der Umsetzung von Art. 9c Abs. 1 lit. c. Ausnahmen von der Umsetzung der in Art. 9 Abs. c und d festgelegten Kompetenzen des nationalen Mitgliedes sind abschließend in Art. 9e geregelt und betreffen den Verstoß gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen oder gegen grundlegende Aspekte der Strafrechtordnung im Hinblick auf die Kompetenzverteilung zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, die funktionale Aufgabenverteilung zwischen Strafverfolgungsbehörden oder die föderale Struktur des Mitgliedstaates. Von den vorgesehenen Möglichkeiten soll mit dem Vorschlag in größtmöglichem Umfang Gebrauch gemacht werden.

§ 64 Abs. 6 unterscheidet sich von § 64 Abs. 5 insofern, als hier das nationale Mitglied zwar ohne Abstimmung mit der zuständigen Justizbehörde tätig werden kann, seine Kompetenzen jedoch nur bei Gefahr im Verzug ausüben darf. Aufgrund der bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften eingerichteten Rufbereitschafts- und Journaldiensten werden derartige Konstellationen in der Praxis selten vorkommen; nichts desto trotz soll damit eine Umsetzung der Vorgaben des Art. 9d des Eurojust-Beschlusses erfolgen. Auch diese Befugnis soll nur im Rahmen der Befugnisse der Staatsanwaltschaften ausgeübt werden können, womit auch hier von der in Art. 9e Abs. 1 lit. b des Eurojust-Beschlusses enthaltenen Ermächtigung Gebrauch gemacht werden soll.

Mit § 64 Abs. 7 wird die Umsetzung von Art. 9f des Eurojust-Beschlusses vorgeschlagen. Der Eurojust-Beschluss überlässt es den nationalen Gesetzgebern, ob eine Beteiligung an einer Gemeinsamen Ermittlungsgruppe im Namen von Eurojust oder im Namen der nationalen Strafverfolgungsbehörden erfolgen soll. Aufgrund der in der Strafprozessordnung festgelegten Leitungskompetenz der Staatsanwaltschaft wird vorgeschlagen, dass sich das nationale Mitglied für Eurojust an der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe beteiligen können soll. Von der Möglichkeit, die Beteiligung des nationalen Mitgliedes von der Zustimmung der Staatsanwaltschaft abhängig zu machen, soll aufgrund der für die Bildung von Gemeinsamen Ermittlungsgruppen vorgesehenen Berichtspflichten (§ 61 Abs. 5) und der für das nationale Mitglied bestehenden Hierarchie (§ 64 Abs. 2) nicht Gebrauch gemacht werden.

Zu Z 44 (§ 65 Abs. 2 EU-JZG)

Die Verlängerung der Funktionsdauer des Mitglieds der gemeinsamen Kontrollinstanz von zwei auf drei Jahre ist auf die Änderung in Art. 23 Abs. 1 lit. a sublit. iii) des Eurojust-Beschlusses zurückzuführen.

Zu Z 45 (§ 67 EU-JZG)

Die Bestimmung dient der Umsetzung von Art. 13 Abs. 5 bis 8 des Eurojust-Beschlusses. Es ist für Eurojust von maßgeblicher Bedeutung, über grenzüberschreitende Formen schwerer Kriminalität und dazu anhängigen Verfahren informiert zu werden, um Justizbehörden anderer Mitgliedstaaten verständigen und gegebenenfalls Koordinierungsmaßnahmen initiieren zu können. Es handelt sich um einen zentralen Punkt des Eurojust-Beschlusses, um Eurojust operativer zu machen. Informationen über nationale Strafverfahren spielen dabei eine maßgebliche Rolle.

Effiziente Strafverfolgung macht es gerade im grenzüberschreitenden Bereich notwendig, dass Ermittlungsmaßnahmen aufeinander abgestimmt werden, damit Ermittlungen in einem Mitgliedstaat nicht durch Maßnahmen in einem anderen Mitgliedstaat konterkariert werden. In der Koordinierungsarbeit liegt eine der Hauptaufgaben von Eurojust.

Einzelne der in Abs. 1 Z 2 lit. a angeführten Tatbestände sollen gegenüber dem Wortlaut des Eurojust-Beschlusses adaptiert werden, um eine umfassende Information Eurojusts über relevante Fälle zu erreichen: Statt bloß „Drogenhandel“ werden neben Suchtmitteln auch neue psychoaktive Substanzen im Sinn des NPSG angeführt; statt bloß „Fälschung des Euro“ allgemein Geldfälschung.

Zu Z 46 (§ 68 EU-JZG)

1. Art. 6 Abs. 2 des Eurojust-Beschlusses sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicher zu stellen haben, dass nationale Justizbehörden auf Ersuchen des nationalen Mitgliedes ohne unnötige Verzögerung reagieren. Es wird vorgeschlagen (Abs. 1 Satz 1), dass dies auch für Ersuchen und Stellungnahmen des Kollegiums gelten soll.

Die neue Fassung des Eurojust-Beschlusses sieht nun Stellungnahmen des Kollegiums vor; diese können einerseits „Zuständigkeitskonflikte“ betreffen (Art. 7 Abs. 2 Eurojust-Beschluss), andererseits Schwierigkeiten oder Weigerungen bei der justiziellen Zusammenarbeit mit einem bestimmten Mitgliedstaat (Art. 7 Abs. 3 Eurojust-Beschluss). Für beide Fälle wird eine Verständigungspflicht für nationale Justizbehörden vorgesehen (§ 67 Abs. 1 Z 3 und 5).

In jedem Fall ist ein Vorhabensbericht gemäß § 8 Abs. 1 StAG an die Bundesministerin für Justiz vorgesehen, wenn beabsichtigt ist, einem Ersuchen des nationalen Mitgliedes bzw. des Kollegiums oder einer Stellungnahmen des Kollegiums nicht zu entsprechen. Die Berichtspflicht besteht bereits nach geltendem Recht, wenn beabsichtigt ist, ein Ersuchen des Kollegiums abzulehnen; sie soll nun auf die Ablehnung von Stellungnahmen des Kollegiums sowie von Ersuchen des nationalen Mitgliedes erweitert werden.

2. Art. 8 des Eurojust-Beschlusses bestimmt ferner, dass die Ablehnung von Ersuchen und Stellungnahmen zu begründen ist, eröffnet aber auch die Möglichkeit, die Ablehnung von Ersuchen und Stellungnahme lediglich mit operativen Gründen zu rechtfertigen, wenn nationale Sicherheitsinteressen oder die Sicherheit von Personen gefährdet wären. Diese Regelungen sollen in Abs. 2 übernommen werden.

Zu Z 47 (§ 68a EU-JZG)

Gemäß Art. 12 des Eurojust-Beschlusses ist ein nationales Eurojust-Koordinierungssystem zur Unterstützung von Eurojust einzurichten. Dieses soll die in Abs. 1 angeführten Kontakt- und Anlaufstellen umfassen. Zumal gerade die Einhaltung der in § 67 vorgesehenen Verständigungspflichten für Eurojust von maßgeblicher Bedeutung ist, sind Maßnahmen der Förderung im Hinblick darauf beispielhaft in Abs. 2 angeführt. Andere ähnliche Möglichkeiten der Unterstützung, die zur Aufgabenerfüllung von Eurojust dienlich sind, stehen daher dem Eurojust Koordinierungssystem jederzeit offen.

Zu Z 48 (§ 69 EU-JZG)

1. Schon 1998 wurde (mit der Gemeinsamen Maßnahme 98/428/JI, ABl. L 1998/191, 4) als dezentrale Struktur das Europäische Justizielle Netz (EJN) eingerichtet. Es soll die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere bei der Bekämpfung von schwerer Kriminalität, verbessern und beschleunigen, etwa durch Förderung der direkten Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden, Bereitstellung rechtlicher und praktischer Informationen (diese werden auf der allgemein zugänglichen Website http://www.ejn-crimjust.europa.eu bereitgehalten) sowie Hilfestellung bei Rechtshilfeersuchen.

Eine Fortentwicklung des EJN (teils auch bloß eine Festschreibung von mittlerweile Erreichtem) brachte die neue Rechtsgrundlage, der Beschluss 2008/976/JI über das Europäische Justizielle Netz, ABl. L 2008/348, 130 (EJN-Beschluss).

2. Ähnlich wie im Fall des Eurojust-Beschlusses ergeben sich Aufgaben, Zusammensetzung und Arbeitsweisen des EJN originär aus dem EJN-Beschluss und bedürfen keiner gesonderten innerstaatlichen Rechtgrundlagen. Dies soll durch die vorgeschlagene Ergänzung in § 69 zum Ausdruck gebracht werden.

Zu Z 49 und 50 (§ 70 Abs. 1 und 2)

Seit der Umsetzung des Strafprozessreformgesetzes 2004 hat sich gezeigt, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen bei den Staatsanwaltschaften liegt. Im Bereich der Rechtshilfe ist ausschließlich die Staatsanwaltschaft Ansprechpartner für die Justizbehörden anderer Mitgliedstaaten. Als Folge dieser Entwicklung ist es sinnvoll, von der durch das Strafprozessreformbegleitgesetz II, BGBl. I Nr. 112/2007, gleichsam als Übergangslösung noch offen gelassenen Möglichkeit, Kontaktstellen bei den Gerichten anzusiedeln, nun abzugehen und die EJN-Kontaktstellen ausschließlich bei den Staatsanwaltschaften einzurichten. Dies soll durch die Streichung der Bezugnahmen auf Gerichte in den § 70 Abs. 1 und 2 erfolgen.

Zu Z 51 (§§ 81 bis 121 EU-JZG)

Der Entwurf schlägt die Einfügung eines neuen V. Hauptstücks („Überwachung justizieller Entscheidungen“), beinhaltend die Abschnitte „Überwachung von Entscheidungen, in denen Bewährungsmaßnahmen oder alternative Sanktionen angeordnet wurden, und Folgeentscheidungen“ (§§ 81 bis 99) und „Überwachung von Entscheidungen über Alternativmaßnahmen zur Untersuchungshaft“ (§§ 100 bis 121), in das EU-JZG vor, wobei diese jeweils in zwei Unterabschnitte unterteilen sind; der erste Unterabschnitt regelt jeweils die Anerkennung und Überwachung von Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten durch Österreich, der zweite die Erwirkung der Anerkennung und Überwachung österreichischer Entscheidungen durch einen anderen Mitgliedstaat. Diese Teilung entspricht der vielfach im ARHG sowie auch im EU-JZG bestehenden Struktur und soll die Anwendung durch die österreichischen Gerichte erleichtern.

Durch diese Bestimmungen sollen der Rahmenbeschluss 2008/947/JI vom 27.11.2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen (im Folgenden: RB Bewährungsaufsicht), ABl. L 2008/337, 102, und der Rahmenbeschluss 2009/829/JI vom 23.10.2009 über die Anwendung – zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft (im Folgenden: RB Überwachungsanordnung), ABl. L 2009/294, 20, umgesetzt werden (siehe schon oben Allgemeiner Teil, 2.).

Festzuhalten ist, dass der Anwendungsbereich der §§ 81 bis 121 komplementär zu jenem der §§ 39 bis 42g, 52 bis 52n und 53 bis 53m ist (s. in diesem Sinne ausdrücklich Art. 1 Abs. 3 lit. a und b des RB Bewährungsaufsicht).

Zu § 81 (Voraussetzungen):

Abs. 1 dieser Bestimmung führt entsprechend den in Art. 2 des RB enthaltenen Definitionen die den Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen zugrunde liegenden Entscheidungen an, wobei es sich um solche über die bedingte Strafnachsicht (§§ 43 ff. StGB) und über die bedingte Entlassung (§§ 46 ff. StGB) sowie um einen Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (§ 13 JGG; Art. 2 Z 1c in Verbindung mit Z 3 des RB verwendet diesbezüglich den Ausdruck „bedingte Verurteilung“; dieser wird auch im Formblatt der Bescheinigung verwendet) handeln kann. Darüber hinaus wird entsprechend Art. 5 des RB klargestellt, dass die Überwachung nur unter der Voraussetzung in Betracht kommt, dass der Verurteilte seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Inland hat und bereits nach Österreich zurückgekehrt ist oder zurückkehren will.

Ein „ständiger Aufenthalt“ in Österreich wird dann anzunehmen sein, wenn sich der Verurteilte ständig und langfristig in Österreich aufhält, ohne hier einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 Meldegesetz begründet zu haben.

Der Begriff „Daueraufenthalt“ ist im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG der Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. L 2004/158, 77, auszulegen.

In Abs. 2 werden entsprechend Artikel 4 des RB die in Betracht kommenden Arten der Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen angeführt. Diese entsprechen weitestgehend den in §§ 51, 52 StGB, 39 SMG und 179a StVG geregelten Anordnungen.

Unter Weisungen, die Beschränkungen oder Modalitäten der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit betreffen, ist etwa die Verpflichtung zu verstehen, die Erwerbstätigkeit in ein anderes berufliches Umfeld zu verlagern, nicht jedoch ein Tätigkeitsverbot.

Ausgeschlossen ist die Überwachung von Weisungen nach § 8 VbVG, weil im Begriff des „Urteils“ (Art. 2 Abs. 1 des RB) nur auf natürliche Personen abgestellt wird.

Unter den Anwendungsbereich des RB fallen hingegen gemeinnützige Leistungen anstelle des Vollzugs einer Ersatzfreiheitsstrafe im Sinne des österreichischen Rechts (§§ 3 Abs. 1, 3a StVG), da bereits im Urteil für den Fall der Nichteinbringlichkeit der gemeinnützigen Leistung eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen ist. Es handelt es sich daher um ein Urteil im Sinne von Art. 2 Z 1 des RB. Die Aufforderung zum Strafantritt (§ 3 Abs. 1 Satz 4 StVG), in der auf die Möglichkeit der Erbringung einer gemeinnützigen Leistung hingewiesen wird, ist im Sinne des RB eine auf der Grundlage des Urteils ergangene Entscheidung, mit der eine Bewährungsmaßnahme auferlegt wird (Art. 2 Z 5).

Bei „alternativen Sanktionen“ im Sinne des RB handelt es sich um diversionellen Maßnahmen entsprechend § 198 Abs. 1 Z 1 bis 3 StPO vergleichbare Anordnungen, die allerdings – abweichend von der österreichischen Rechtslage – einen Schuldspruch in Bezug auf eine natürliche Person voraussetzen und im Urteil angeordnet werden (s. Art. 2 Z 1d in Verbindung mit Z 4 des RB). Im Hinblick auf diese Vorgaben fallen diversionelle Entscheidungen der Staatsanwaltschaften und der österreichischen Gerichte nicht unter den Anwendungsbereich des RB und können die übrigen Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht um Übernahme der Überwachung ersucht werden.

Zu § 82 (Unzulässigkeit der Überwachung):

Abs. 1 führt jene Umstände an, die die Überwachung der Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion eines anderen Mitgliedstaats unzulässig machen (negative materielle Voraussetzungen). Es wird vorgeschlagen, die im RB eingeräumten Gründe (Artikel 1 Abs. 4, 11 Abs. 1 und 19 Abs. 1) weitestgehend in das österreichische Recht zu übernehmen. Das Vorliegen solcher Gründe ist dabei in der Regel (lediglich) anhand der Angaben in der Bescheinigung zu prüfen.

Nach Z 1 ist die Überwachung entsprechend Art. 11 Abs. 1 lit. b des RB unzulässig, wenn der Verurteilte im Inland nicht seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat. In diesem Zusammenhang wird auf die Ausführungen zu § 81 verwiesen.

Mit Abs. 2 wird von der in Art. 5 Abs. 2 und 3 des RB enthaltenen Ermächtigung des Unionsgesetzgebers Gebrauch gemacht und werden die Voraussetzungen, unter denen der Überwachung trotz Nichtvorliegens eines Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts des Verurteilten im Inland zugestimmt werden kann, konkretisiert, indem festgelegt wird, dass die Überwachung über entsprechendes Ersuchen des Ausstellungsstaats auch bei Nichtvorliegen eines Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts des Verurteilten im Inland übernommen werden kann, wenn der Verurteilte im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (17.7.2008, C-66/08, Kozlowski; 6.10.2009, C-123/08, Wolzenburg) zu Österreich Bindungen von derartiger Intensität aufweist, dass die Überwachung im Inland hohe Resozialisierungschancen bietet. Bei der Prüfung des Vorliegens dieser Voraussetzung sind in einer Gesamtschau mehrere objektive Kriterien zu berücksichtigen, wie die Dauer, die Art und die Bedingungen des Verweilens des Verurteilten im Inland sowie dessen familiäre und wirtschaftliche Verbindungen zu Österreich. Zwecks Verifizierung von deren Vorliegen kann die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats jederzeit konsultiert werden (s. § 84 Abs. 6).

Der Unzulässigkeitsgrund nach Z 3 basiert auf dem Verbot der Doppelbestrafung und –verfolgung (vgl. Artikel 11 Abs. 1 lit. c des RB). Die Überwachung soll dem – im Sinne der Rechtsprechung des EuGH auszulegenden – Grundsatz „ne bis in idem“ nicht zuwiderlaufen. Vergleichbare Regelungen finden sich in §§ 40 Z 4, 52a Z 2 und 53a Z 3).

Der Unzulässigkeitsgrund nach Z 4 (mangelnde beiderseitige Strafbarkeit im Falle eines Nicht-Listendelikts) folgt aus Artikel 11 Abs. 1 lit. d des RB. Im Einklang mit Art. 11 Abs. 4 wird allerdings in Abs. 3 klargestellt, dass die Überwachung in derartigen Fällen dennoch übernommen werden kann, allerdings unter ausdrücklichem Ausschluss der Zuständigkeit für die in § 90 Abs. 1 Z 2 bis 4 angeführten Folgeentscheidungen.

Die in Z 2, 5, 6, 7, 8 und 11 vorgeschlagenen Unzulässigkeitsgründe (Nichtvorliegen einer der in § 81 Abs. 2 angeführten Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen, Vollstreckungsverjährung, gewährte Amnestie oder Begnadigung, Immunität, mangelnde Strafmündigkeit, und Dauer der Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion von weniger als sechs Monaten) gründen sich auf Artikel 11 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit 5 Abs. 1, 11 Abs. 1 lit. e, f, g und j und Art. 19 Abs. 1 des RB.

Im Falle eines Abwesenheitsurteils (Z 9; vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. h des RB in der durch Artikel 6 des Rahmenbeschlusses 2009/299/JI des Rates zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI, 2006/783/JI, 2008/909/JI und 2008/947/JI zur Stärkung der Verfahrensrechte von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist (in der Folge: Rahmenbeschluss über die Vollstreckung von Abwesenheitsentscheidungen), ist die Überwachung nur dann zulässig, wenn der Verurteilte entweder

                         - Kenntnis von Zeit und Ort der Hauptverhandlung und von den Folgen seines allfälligen Ausbleibens hatte. Diese Kenntnis setzt entweder persönliche Zustellung der Ladung (ordnungsgemäße Zustellung durch Hinterlegung schadet nicht) oder tatsächliche Kenntnis des Verurteilten von der Verhandlung im Falle einer anderweitigen Benachrichtigung voraus; oder

                         - in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einen selbst gewählten oder ihm vom Gericht beigegebenen Verteidiger mit seiner Vertretung in der Verhandlung betraut hat und von diesem in der Verhandlung auch tatsächlich vertreten wurde. Dabei kommt es entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte darauf an, dass tatsächlich ein Kontakt zwischen dem Verurteilten und dem Verteidiger stattgefunden hat, weshalb es nicht ausreichend ist, wenn dem Verurteilten ein Amtsverteidiger beigegeben wurde, von dessen Bestellung er keine Kenntnis hatte; oder

                         - nach erfolgter Zustellung des in Abwesenheit ergangenen Urteils samt Rechtsmittelbelehrung entweder

                         - ausdrücklich erklärt hat, keine Neudurchführung der Verhandlung zu beantragen; oder

                         - innerhalb der bestehenden Fristen keine Neudurchführung der Verhandlung beantragt oder kein Rechtsmittel ergriffen hat.

Das Vorliegen der betreffenden Voraussetzungen ist anhand der Angaben der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats in der Bescheinigung zu prüfen.

Der Unzulässigkeitsgrund nach Z 10 (vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. i des RB) liegt etwa dann vor, wenn der Verurteilte der angeordneten medizinischen Behandlung nicht zustimmt.

Wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Urteil oder die der Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion zugrunde liegende Entscheidung unter Verletzung von Grundrechten oder wesentlicher Rechtsgrundsätze im Sinne von Artikel 6 EUV zustande gekommen ist (vgl. Artikel 1 Abs. 4 des RB), so ist die Überwachung nach Z 12 nur dann abzulehnen, wenn der Verurteilte keine Möglichkeit hatte, die betreffenden Einwände vor einem der beiden Europäischen Gerichtshöfe vorzubringen. Zur Verifizierung dieses Umstandes wird das zuständige Gericht des Ausstellungsstaats nach § 84 Abs. 2 um ergänzende Informationen zu ersuchen sein. Dieser Unzulässigkeitsgrund wird nach dem Vorbild der §§ 40 Z 12, 52a Abs. 1 Z 10 und 53a Z 11 vorgeschlagen. Die Voraussetzung der „objektiven Anhaltspunkte“ bedeutet, dass eine bloße Behauptung des Verurteilten, die nicht durch entsprechende Beweismittel belegt wird, in der Regel unzulässig sein wird.

Eine Umsetzung auch des in Art. 11 Abs. 1 lit. k des RB vorgesehenen Unzulässigkeitsgrundes (Territorialitätsklausel) ist nicht in Aussicht genommen.

In Abs. 4 wird klargestellt, dass die Überwachung der Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion nicht mit der Begründung abgelehnt werden darf, dass das österreichische Recht keine gleichartigen Abgaben oder Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des Ausstellungsstaats (vgl. Artikel 11 Abs. 1 lit. d des RB).

Zu § 83 (Zuständigkeit):

Für die Überwachung einer in einem anderen Mitgliedstaat angeordneten Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion soll entsprechend § 67 Abs. 1 ARHG das Landesgericht sachlich zuständig sein. Dieses entscheidet grundsätzlich durch den Vorsitzenden. Lediglich dann, wenn das Ausmaß der aufgrund einer Folgeentscheidung nach § 90 Abs. 1 Z 2 bis 4 zu vollstreckenden Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme mindestens fünf Jahre beträgt, soll das Landesgericht entsprechend § 31 Abs. 6 StPO als Senat von drei Richtern entscheiden (Abs. 1).

Die vorgeschlagene Regelung der örtlichen Zuständigkeit (Abs. 2) orientiert sich ebenfalls an der Bestimmung des § 67 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 ARHG.

Die Abtretung bei Unzuständigkeit (Abs. 3) setzt Artikel 6 Abs. 7 des RB um. Beim unzuständigen Gericht eingelangte Entscheidungen sollen an das zuständige Gericht abgetreten werden.

Zu § 84 (Verfahren):

§ 84 enthält Regelungen über die einem Ersuchen um Überwachung anzuschließenden Unterlagen, den vorgesehenen Geschäftsweg, das Erfordernis des Anschlusses von Übersetzungen und das rechtliche Gehör (formelle Voraussetzungen).

Wesentlich ist, dass die Vollstreckung grundsätzlich auf der Grundlage der Angaben erfolgt, die in dem Formblatt, der sogenannten Bescheinigung (s. Anhang X zu diesem Entwurf), enthalten sind (Abs. 1 Z 2). Diesem muss eine Übersetzung in die deutsche Sprache angeschlossen sein, sofern keine Gegenseitigkeit besteht, das heißt sofern der Ausstellungsstaat nicht die Erklärung abgegeben hat, als Vollstreckungsstaat Bescheinigungen auch in deutscher Sprache zu akzeptieren (vgl. § 95 Abs. 4 Z 2).

Neben der Bescheinigung muss eine Ausfertigung oder Abschrift der zu überwachenden Entscheidung übermittelt werden (Abs. 1 Z 1). Dabei ist die Originalsprache immer ausreichend. Der Anschluss einer Übersetzung kann nicht begehrt werden.

Abs. 3 sieht in Umsetzung von Art. 16 Abs. 2 des RB die Verpflichtung vor, die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats über entsprechendes Ersuchen von der nach österreichischem Recht höchstzulässigen Dauer der Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßnahme, die im Falle eines Verstoßes gegen die Bewährungsmaßnahme oder alternative Sanktion wegen der dem Urteil zugrunde liegenden Straftat verhängt werden kann, in Kenntnis zu setzen, wobei die betreffende Information unverzüglich nach Einlangen der in § 84 Abs. 1 angeführten Unterlagen beim zuständigen österreichischen Gericht zu erteilen ist. Die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats hat in der Folge die Möglichkeit zur Zurückziehung der Bescheinigung, das heißt zum Widerruf des Ersuchens (s. § 96).

Die für den Europäischen Haftbefehl bestehenden Regelungen über den Geschäftsweg – grundsätzlich unmittelbarer Verkehr; Übermittlung auch per Fax oder E-Mail; Zuhilfenahme von Eurojust und des Europäischen Justiziellen Netzes (EJN); Vermittlung durch das Bundesministerium für Justiz (§ 14 Abs. 1 bis 5) – können auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen sinngemäß angewendet werden (Abs. 4), zumal der RB keine abweichenden Bestimmungen enthält.

Ohne dass dies im RB ausdrücklich vorgesehen ist, sieht Abs. 5 die Gewährung des rechtlichen Gehörs für den Betroffenen zu den Voraussetzungen der Überwachung (§ 81) und zu den im Inland anzuordnenden Maßnahmen vor der Entscheidung über die Übernahme der Überwachung vor (vgl. § 64 Abs. 5 ARHG). Eine eigenhändige Zustellung der Ladung ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 83 StPO nicht erforderlich. Wenn der Verurteilte der Ladung keine Folge leistet, ist im Hinblick auf die ohnehin bestehende Rechtsmittelmöglichkeit (s. § 85 Abs. 2) ohne seine Anhörung zu entscheiden.

Abs. 6 statuiert in Umsetzung von Art. 15 des RB die Möglichkeit zur jederzeitigen Durchführung von Konsultationen mit der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats.

Zu § 85 (Entscheidung):

§ 85 regelt die inländische Entscheidung über die Übernahme der Überwachung. Darüber soll nach Abs. 1 mit Beschluss zu entscheiden sein. In der Entscheidung wird auch auszusprechen sein, welcher inländischen Entscheidung die übernommene Entscheidung entspricht, weil sich u.U. erst darauf die Rechtsfolgen erschließen, sowie welche Maßnahmen im Inland zu treffen sind. Letzteres wird sich im Falle von Weisungen idR auf die Wiederholung der erteilten Weisung beschränken, wobei allenfalls eine Konkretisierung nötig sein kann (z. B. im Fall von Betretungsverboten), bei (ausländischen) gemeinnützigen Leistungen im Sinne des RB werden deren Einzelheiten sowie der Vermittler zu bestimmen sein (vgl. §§3a StVG, 201 f StPO), im Falle von Bewährungshilfe wird diese im Inland anzuordnen sein (§ 52 StGB), ebenso bei angeordneter „Zusammenarbeit mit einem Sozialdienst“ (vgl. Art. 1 lit. f des RB). Häufig wird auch die Dauer der Maßnahme oder die Länge der Probezeit zu bestimmen sein (s. § 87).

Gegen den Beschluss soll der Staatsanwaltschaft und dem Verurteilten ein Rechtsmittelrecht zustehen (Abs. 2).

Zu § 86 (Wirkung der Übernahme):

Die Durchführung der Überwachung richtet sich grundsätzlich nach österreichischem Recht. Dabei wird entsprechend Art. 13 Abs. 2 des RB klargestellt, dass die Überwachung der Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion nach § 81 Abs. 1 Z 8 in der Weise erfolgt, dass dem Verurteilten aufgetragen wird, einen Nachweis über die Entsprechung der Verpflichtung zur Schadensgutmachung zu erbringen.

Zu § 87 (Anpassung der Bewährungsmaßnahmen oder alternativen Sanktionen):

Wird die Überwachung übernommen, so soll die Bewährungsmaßnahme oder alternative Sanktion grundsätzlich in der im Ausstellungsstaat ausgesprochenen Art und Dauer zu überwachen sein. Auch die im Ausstellungsstaat festgesetzte Dauer der Probezeit soll grundsätzlich nicht geändert werden.

Abs. 2 und 3 sehen jedoch in Umsetzung von Art. 9 Abs. 1 bis 3 des RB die Möglichkeit einer Anpassung der Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion an das österreichische Recht vor, wenn diese nach ihrer Art oder Dauer oder wenn die Dauer der Probezeit nicht mit dem österreichischen Recht vereinbar ist. Die angepasste Bewährungsmaßnahme oder alternative Sanktion und deren Dauer sowie die Dauer der angepassten Probezeit muss dabei soweit wie möglich der im Ausstellungsstaat angeordneten Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion und deren Dauer sowie der Dauer der ursprünglich festgesetzten Probezeit entsprechen, weshalb sie gegebenenfalls nicht unter der nach österreichischem Recht vorgesehenen Höchstdauer der Bewährungsmaßnahme oder der Probezeit liegen darf. Allerdings darf die Situation des Verurteilten durch die Anpassung nicht verschlechtert werden (Abs. 3).

Festzuhalten ist, dass die nachträgliche Einholung der Zustimmung des Betroffenen zu einer medizinischen Behandlung keine „Anpassung“ im Sinne von § 87 darstellt, da die Entscheidung in einem derartigen Fall ihrer Art nach unverändert gelassen und lediglich eine nach österreichischem Recht fehlende Voraussetzung nachgeholt wird.

Die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats ist von der erfolgten Anpassung in Kenntnis zu setzen (s. § 92 Z 5). Sie hat in der Folge entsprechend Art. 9 Abs. 4 des RB die Möglichkeit zur Zurückziehung der Bescheinigung, das heißt zum Widerruf des Ersuchens, solange mit der Überwachung im Inland noch nicht begonnen wurde (vgl. § 96).

Zu § 88 (Fristen):

§ 88 legt in Umsetzung von Artikel 12 des RB grundsätzlich eine Frist von 60 Tagen ab Einlangen der erforderlichen Unterlagen beim zuständigen österreichischen Gericht fest, innerhalb derer die Entscheidung über die Überwachung zu treffen ist, sofern kein Aufschubsgrund (§ 89) vorliegt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Höchstfrist. Für den Fall, dass die bestehende Frist im Einzelfall nicht eingehalten werden kann, ist die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats lediglich unter Angabe der Gründe und der voraussichtlichen Entscheidungsdauer von diesem Umstand in Kenntnis zu setzen.

Zu § 89 (Aufschub der Entscheidung):

§ 89 führt in Umsetzung von Artikel 8 Abs. 2 des RB die Gründe an, aus denen die Entscheidung über die Überwachung aufzuschieben ist. Ein obligatorischer Aufschub ist dabei bis zur Nachreichung der dem ursprünglichen Ersuchen nicht angeschlossenen Bescheinigung oder bis zur deren Vervollständigung sowie bis zum Einlangen der von der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats begehrten ergänzenden Informationen vorgesehen (s. § 84 Abs. 2).

Die Entscheidung über den Aufschub steht dem Gericht zu, das für die Entscheidung über die Überwachung zuständig ist.

Zu § 90 (Folgeentscheidungen im Inland):

In Abs. 1 dieser Bestimmung wird im Einklang mit dem RB (Art. 14 Abs. 1) festgelegt, dass das für die Überwachung zuständige inländische Gericht grundsätzlich auch für alle Folgeentscheidungen infolge Verstoßes gegen die Bewährungsmaßnahme oder alternative Sanktion zuständig ist.

Diese Folgeentscheidungen umfassen insbesondere die Änderung der erteilten Anordnungen, den Widerruf der bedingten Strafnachsicht oder der bedingten Entlassung, und den nachträglichen Ausspruch einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßnahme im Falle eines Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe (vgl. § 15 JGG).

Abs. 2 statuiert die Verpflichtung zur Verständigung der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats von derartigen Entscheidungen.

Zu § 91 (Rückübertragung und Folgeentscheidungen im Ausstellungsstaat):

Nach Art. 14 Abs. 3 des RB kann jeder Mitgliedstaat die Zuständigkeit für die Folgeentscheidungen nach § 90 Abs. 1 Z 2 bis 4 in folgenden Fällen ablehnen:

                a) in Fällen einer alternativen Sanktion, in denen das Urteil keine Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme vorsieht, die im Falle eines Verstoßes gegen die erteilten Anordnungen zu vollstrecken ist;

               b) in Fällen eines Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe; und

                c) in jenen Fällen, in denen die dem Urteil zugrunde liegende Handlung nach dem Recht des Vollstreckungsstaats nicht gerichtlich strafbar ist.

Macht ein Mitgliedstaat von der betreffenden Möglichkeit Gebrauch, so ist die Sache im Falle eines Verstoßes des Verurteilten gegen die Bewährungsmaßnahme oder alternative Sanktion, der eine derartige Folgeentscheidung erforderlich macht, an die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats zurück zu übertragen.

Es wird vorgeschlagen, dass Österreich in den in Punkten a) und c) angeführten Fällen von der Möglichkeit der Nichtübernahme der Zuständigkeit für die angeführten Folgeentscheidungen Gebrauch macht, da in den ersteren Fällen nicht feststeht, in welcher Höhe die im Falle eines Verstoßes festzusetzende Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentzug verbundene vorbeugende Maßnahme zu bemessen ist, zumal ein Vorgehen entsprechend §§ 15 f JGG nicht in Betracht kommt, da durch die Überwachung keine Schlechterstellung gegenüber der Situation des Verurteilten im Ausstellungsstaat eintreten darf, was gegenständlich nicht gewährleistet werden könnte. Im Falle mangelnder beiderseitiger Strafbarkeit (Pkt. c) kommt die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßnahme in Österreich naturgemäß nicht in Betracht (vgl. § 40 Z 1; s. dazu auch § 82 Abs. 1 Z 4 in Verbindung mit Abs. 3 dieser Bestimmung). Eine Folgeentscheidung nach § 90 Abs. 1 Z 1 erscheint allerdings auch in den Fällen nach Punkten a) und c) problemlos möglich zu sein. Nicht Gebrauch zu machen wäre von der angeführten Möglichkeit in den Fällen nach Punkt b) (Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe), in denen nach §§ 15 f JGG vorzugehen ist (Abs. 2).

In den angeführten Fällen ist die Zuständigkeit an die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats zurück zu übertragen (Abs. 1). Festzuhalten ist, dass die Rückübertragung konstitutiv wirkt, somit nicht bereits mit Eintritt des maßgeblichen Ereignisses erfolgt.

Abs. 2 führt entsprechend Art. 17 Abs. 1 und 2 des RB jene Maßnahmen und Entscheidungen an, von denen die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats zu verständigen ist. Auf diese Weise soll diese in die Lage versetzt werden, im Falle eines Verstoßes gegen die Bewährungsmaßnahme oder alternative Sanktion die allenfalls erforderliche Folgeentscheidung nach § 90 Abs. 1 Z 2, 3 oder 4 zu treffen.

In Abs. 3 sind weitere Fälle angeführt, die ebenfalls zu einer Rückübertragung der Zuständigkeit an den Ausstellungsstaat führen, etwa die Flucht des Verurteilten oder die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder Aufenthalts.

Zu § 92 (Verständigung des Ausstellungsstaats in allen Fällen):

Diese Bestimmung führt im Einklang mit Art. 18 des RB jene Maßnahmen und Entscheidungen an, von denen die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats nicht nur im Falle der bestehenden inländischen Zuständigkeit für Folgeentscheidungen sondern in sämtlichen Fällen in Kenntnis zu setzen ist.

Festzuhalten ist, dass für den Fall, dass der Verurteilte nach Einlangen der für die Überwachung erforderlichen Unterlagen in Österreich nicht (mehr) auffindbar ist, keine Verpflichtung zur Überwachung der Bewährungsentscheidung oder alternativen Sanktion durch Österreich besteht. Dies wird in Z 2 klargestellt.

Die Mitteilung der Entscheidung über die Unzulässigkeit der Überwachung (Z 4) und über die Anpassung der Bewährungsmaßnahme oder alternativen Sanktion (Z 5) hat jedenfalls eine Angabe der maßgeblichen Gründe zu enthalten; damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats auch in den anderen Fällen über alle maßgeblichen Umstände in Kenntnis gesetzt werden sollte.

Zu § 93 (Wiederaufnahme des Verfahrens):

Diese Bestimmung stellt entsprechend Artikel 19 Abs. 2 des RB klar, dass der Ausstellungsstaat zur Entscheidung über Anträge auf Wiederaufnahme des dem Urteil oder der Bewährungsentscheidung zugrunde liegenden Verfahrens zuständig ist.

Zu § 94 (Kosten):

Durch die in § 94 vorgeschlagene Bestimmung soll in Umsetzung von Artikel 22 des RB klargestellt werden, dass eine Erstattung der Überwachungskosten vom Ausstellungsstaat nicht begehrt werden kann. Jene Kosten, die ausschließlich im Hoheitsgebiet des Ausstellungsstaats entstanden sind, sind allerdings von diesem Staat zu tragen.

Zu § 95 (Befassung eines anderen Mitgliedstaats):

§ 95 Abs. 1, 4 und 7 regeln das Verfahren zur Erwirkung der Überwachung einer Entscheidung eines österreichischen Gerichtes, in der Bewährungsmaßnahmen angeordnet wurden, durch einen anderen Mitgliedstaat und stellen klar, unter welchen Voraussetzungen die Befassung eines anderen Mitgliedstaats mit der Überwachung in Betracht kommt.

Abs. 2 führt die in Betracht kommenden Bewährungsmaßnahmen an. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zu § 81 Abs. 2 verwiesen. Zu betonen ist, dass im Zusammenhang mit von österreichischen Behörden angeordneten diversionellen Maßnahmen ein Ersuchen an einen anderen Mitgliedstaat um Übernahme der Überwachung nicht in Betracht kommt. Ebenfalls ausgeschlossen ist die Überwachung von Weisungen nach § 8 VbVG, weil im Begriff des „Urteils“ (Art. 2 Abs. 1 des RB) nur auf natürliche Personen abgestellt wird.

Wesentlich erscheint, dass ein Ersuchen nur in Betracht kommt, wenn der Verurteilte im Vollstreckungsstaat seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat und bereits in diesen Staat zurückgekehrt ist oder zurückkehren will, es sei denn, der betreffende Staat hat sich ungeachtet des Nichtvorliegens eines derartigen Aufenthalts zur Überwachung bereit erklärt (Abs. 2). Bei den beiden letzten Halbsätzen handelt es sich um die korrespondierende Regelung zu § 82 Abs. 2, mit der Art. 5 Abs. 2 und 3 des RB umgesetzt werden. In die in Abs. 2 angeführte Verordnung der Bundesministerin für Justiz werden die entsprechenden Mitteilungen der übrigen Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 4 des RB aufgenommen werden.

Vor der Befassung eines anderen Mitgliedstaats ist der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Äußerung gegeben und dem Verurteilten rechtliches Gehör zu gewähren (Abs. 1).

Der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats ist die zu überwachende Entscheidung samt Bescheinigung (Anhang X) zu übermitteln, wobei letzterer eine Übersetzung in eine der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats anzuschließen ist, sofern dieser Staat nicht erklärt hat, Bescheinigungen auch in deutscher Sprache zu akzeptieren. Nach Abs. 4 hat die Bundesministerin für Justiz eine Liste jener Staaten zu verlautbaren, die gegenüber dem Generalsekretariat des Rates die Erklärung abgegeben haben, die deutsche Amtssprache zu akzeptieren. Es wird in Aussicht genommen, dass Österreich gegenüber dem Ratssekretariat einen Übersetzungsverzicht auf der Grundlage der Gegenseitigkeit erklären wird.

Der Anschluss einer Übersetzung auch der Entscheidung ist hingegen grundsätzlich nicht erforderlich. Für den Fall, dass eine solche allerdings im Inlandsverfahren für den ausländischen Beschuldigten bereits angefertigt wurde, ist sie dennoch anzuschließen.

Für den Fall, dass in der Entscheidung ein Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe ausgesprochen wurde, hat das Gericht die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats anlässlich der Befassung um eine Mitteilung über die höchstzulässige Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme zu ersuchen, die nach dem Recht des Vollstreckungsstaats im Falle eines Verstoßes des Betroffenen gegen die Bewährungsmaßnahme verhängt werden kann (Abs. 3). Auf diese Weise soll das Gericht in die Lage versetzt werden, über eine allfällige Zurückziehung der Bescheinigung (§96) zu entscheiden.

Zum Geschäftsweg genügt auch hier ein Verweis auf § 14 Abs. 1 bis 5 (Abs. 6). Erfolgte die Übermittlung allerdings nicht auf dem Postweg, sondern per Telefax oder E-Mail (§ 14 Abs. 3), so kann die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats zwecks Verifizierung der Echtheit der übermittelten Unterlagen um Nachreichung einer Ausfertigung oder beglaubigten Ablichtung der Entscheidung sowie des Originals der Bescheinigung auf dem Postweg ersuchen (vgl. Artikel 6 Abs. 2 des RB).

Abs. 7 stellt in Umsetzung von Artikel 6 Abs. 5 des RB klar, dass der Ausstellungsstaat jeweils nur einen anderen Mitgliedstaat mit der Vollstreckung befassen darf.

Zu § 96 (Zurückziehung der Bescheinigung):

Diese Bestimmung führt entsprechend Art. 7 Abs. 2 des RB jene Fälle an, in welchen das zuständige österreichische Gericht zur Zurückziehung der Bescheinigung, das heißt zum Widerruf der Befassung der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats berechtigt ist, nämlich nach Erhalt der Informationen nach §§ 84 Abs. 3 (höchstzulässige Dauer der im Falle eines Verstoßes gegen die Bewährungsmaßnahme nach dem Recht des Vollstreckungsstaats vorgesehenen Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßnahme) und 92 Z 5 (Entscheidung über die Anpassung der Bewährungsmaßnahme). Dadurch soll das inländische Gericht in die Lage versetzt werden, die Befassung der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats rückgängig zu machen, wenn es die angepasste Bewährungsmaßnahme nicht für angemessen erachtet oder die im Falle eines Verstoßes gegen die Bewährungsmaßnahme nach dem Recht des Vollstreckungsstaats höchstzulässige Dauer der Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme im Vergleich zu der nach österreichischem Recht in einem derartigen Fall zu verbüßenden Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme unverhältnismäßig niedrig ist.

Festzuhalten ist, dass die Zurückziehung der Bescheinigung spätestens innerhalb von 10 Tagen nach Einlangen der erwähnten Informationen beim zuständigen österreichischen Gericht, jedenfalls aber vor Beginn der Überwachung im Vollstreckungsstaat, zu erfolgen hat.

Zu § 97 (Wirkung der Übernahme der Überwachung):

Diese Bestimmung stellt in Umsetzung von Artikel 7 Abs. 1 des RB klar, dass sich die Überwachung der Bewährungsmaßnahme und die Fällung von Folgeentscheidungen nach erfolgter Übernahme der Überwachung durch den Vollstreckungsstaat grundsätzlich nach dessen Recht richtet. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Kosten der Bewährungsmaßnahmen in der Regel nicht vom Bund zu tragen sind. Die Kostentragung durch den Bund ist vielmehr punktuell als Ausnahme geregelt (§ 41 SMG, § 179a StVG und § 46 JGG).

Zu § 98 (Rückübertragung der Überwachung):

Nach Artikel 14 Abs. 3 und 4 des RB können die Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für die in § 90 Abs. 1 Z 2 bis 4 angeführten Folgeentscheidungen (Widerruf der bedingten Strafnachsicht oder der bedingten Entlassung und Verhängung einer Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme im Falle eines Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe oder einer alternativen Sanktion) – wie erwähnt – in folgenden Fällen ausschließen:

                         - in Fällen einer alternativen Sanktion, in denen das Urteil keine Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundene Maßnahme vorsieht, die im Falle der Nichtentsprechung der erteilten Anordnungen zu vollstrecken ist;

                         - in Fällen eines Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe; und

                         - in jenen Fällen, in denen die dem Urteil zugrunde liegende Handlung nach dem Recht des Vollstreckungsstaats nicht gerichtlich strafbar ist.

Hat die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats die Zuständigkeit für Folgeentscheidungen in einem oder mehreren der angeführten Fälle ausgeschlossen und hält sie im Einzelfall eine derartige Folgeentscheidung für erforderlich, so hat sie die Überwachung an das inländische Gericht rückzuübertragen.

§ 98 stellt in Umsetzung der erwähnten Bestimmungen sowie von Artikel 20 Abs. 3 des RB klar, dass das inländische Gericht die Überwachung in einem derartigen Fall wieder wahrzunehmen hat, wobei es die Dauer und den Grad der Entsprechung der Bewährungsmaßnahme im Vollstreckungsstaat und jede in diesem Staat ergangene Entscheidung nach § 90 Abs. 1 Z 1 (Änderung der Bewährungsmaßnahme oder Verlängerung der Dauer der Probezeit) zu berücksichtigen hat. Entsprechendes gilt für den Fall der Zurückziehung der Bescheinigung gemäß § 96.

Festzuhalten ist, dass die Rückübertragung konstitutiv wirkt, somit nicht bereits mit Eintritt des maßgeblichen Ereignisses erfolgt.

Auf die Fälle einer alternativen Sanktion ohne Ersatzfreiheitsstrafe wird nicht eingegangen, weil derartige Sanktionen im Sinne von Art. 14 Abs. 3 lit. a RB dem österreichischen Recht, wie erwähnt, nicht bekannt sind und daher nicht davon auszugehen ist, dass ein österreichisches Gericht um Überwachung einer solchen Sanktion ersuchen wird.

Zu § 99 (Verständigung des Vollstreckungsstaats im Falle der inländischen Zuständigkeit für Folgeentscheidungen):

Diese Bestimmung führt in Umsetzung von Art. 17 Abs. 5 des RB jene Umstände und Entscheidungen an, von denen das Gericht die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats im Falle seiner fortdauernden Zuständigkeit für Folgeentscheidungen, die für den Fall besteht, dass die Zuständigkeit für derartige Folgeentscheidungen vom Vollstreckungsstaat ausgeschlossen wurde (s. dazu die Ausführungen zu § 98), in Kenntnis zu setzen hat.

Zu § 100 (Voraussetzungen):

In Abs. 1 dieser Bestimmung wird klargestellt, dass die Überwachung nur unter der Voraussetzung in Betracht kommt, dass der Betroffene seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Inland hat und der Rückkehr nach Österreich nach Belehrung über die angeordneten gelinderen Mittel zugestimmt hat.

Ein „ständiger Aufenthalt“ in Österreich wird dann anzunehmen sein, wenn sich der Betroffene ständig und langfristig in Österreich aufhält, ohne hier einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 Meldegesetz begründet zu haben.

Der Begriff „Daueraufenthalt“ ist im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG der Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. L 2004/158, 77, auszulegen.

Entscheidungen über die Anwendung gelinderer Mittel sind grundsätzlich von einer Justizbehörde zu treffen. Nach Art. 6 Abs. 2 des RB Überwachungsanordnung haben die Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit, auch Nicht-Justizbehörden als zuständige Behörden zu benennen, sofern diese nach deren innerstaatlichem Recht für entsprechende Entscheidungen zuständig sind, was nach österreichischem Recht nicht der Fall ist. Die von den übrigen Mitgliedstaaten benannten derartigen Behörden werden von der Bundesministerin für Justiz durch Verordnung verlautbart werden (Abs. 3). Festzuhalten ist, dass Entscheidungen über die Ausstellung eines Haftbefehls oder die Erlassung einer sonstigen vollstreckbaren Entscheidung mit gleicher Rechtswirkung nur von einer Justizbehörde getroffen werden können.

Abs. 2 Z 1 bis 6 führen entsprechend Artikel 8 Abs. 1 des RB die in Betracht kommenden Arten der gelinderen Mittel an. Diese entsprechen weitestgehend den in § 173 Abs. 5 StPO enthaltenen Anordnungen.

Art. 8 Abs. 2 des RB stellt klar, dass sich die Mitgliedstaaten auch zur Überwachung weiterer, in Abs. 1 nicht angeführter, gelinderer Mittel bereit erklären können, und enthält eine demonstrative Aufzählung möglicher derartiger Anordnungen. Österreich wird von dieser Möglichkeit im Zusammenhang mit den in Abs. 2 lit. b (Verpflichtung, kein Fahrzeug zu führen), lit. c) (Verpflichtung, einen bestimmten Geldbetrag zu hinterlegen oder eine andere Sicherheitsleistung zu erbringen) und d) (Verpflichtung, sich einer Heilbehandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen, angeführten Anordnungen Gebrauch machen (s. Abs. 2 Z 7 bis 9), nicht jedoch in den Fällen nach Art. 8 Abs. 2 lit. a (Verpflichtung, sich bestimmter Aktivitäten, die mit der bzw. den zur Last gelegte(n) Straftat(en) in Zusammenhang stehen, einschließlich bestimmter Berufe oder Beschäftigungen, zu enthalten und lit. e (Verpflichtung, den Kontakt mit bestimmten Gegenständen, die mit der bzw. den zur Last gelegten Straftat(en) in Zusammenhang stehen; dies deshalb, da der Fall der lit. a u.a. als Berufsverbot interpretiert werden könnte, dessen Überwachung zu diffizilen (u.U. gewerberechtlichen) Problemen führen könnte. Im Fall der lit. e erscheint die Überwachung hingegen praktisch nicht durchführbar.

Die Überwachung der Weisung, sich einer Entwöhnungsbehandlung oder sonst einer medizinischen Behandlung zu unterziehen (Z 8) kommt dabei entsprechend § 173 Abs. 5 Z 9 StPO nur mit Zustimmung des Betroffenen in Betracht.

§ 173 Abs. 5 Z 7 StPO sieht mit Zustimmung des Beschuldigten (§ 179 StPO) vorläufige Bewährungshilfe vor. Zwar fällt diese nicht unter die Liste des Art. 8 Abs.1 des RB und wird auch nicht in der (demonstrativen) Aufzählung des Abs. 2 angeführt, doch schließt dies – wie erwähnt – die Abgabe einer Erklärung über die Überwachung auch dieser Anordnung mit Zustimmung des Betroffenen nicht aus (Z 10). Österreich wird eine derartige Erklärung abgeben.

Von der Aufnahme auch des Hausarrests (§ 173a StPO) in Abs. 2 soll derzeit abgesehen und diesbezüglich abgewartet werden, bis eine ausreichende Zahl der übrigen Mitgliedstaaten einen solchen ebenfalls eingeführt hat.

Zu § 101 (Unzulässigkeit der Überwachung):

Abs. 1 führt jene Umstände an, die die Überwachung der gelinderen Mittel unzulässig machen (negative materielle Voraussetzungen). Es wird vorgeschlagen, die im RB eingeräumten Gründe (Artikel 15 Abs. 1) zur Gänze in das österreichische Recht zu übernehmen. Das Vorliegen solcher Gründe ist dabei in der Regel (lediglich) anhand der Angaben in der Bescheinigung zu prüfen.

Nach Z 1 ist die Überwachung entsprechend Art. 15 Abs. 1 lit. b des RB unzulässig, wenn der Betroffene nicht im Inland wohnhaft oder ständig aufhältig ist und der Rückkehr nach Österreich zugestimmt hat. In diesem Zusammenhang wird auf die Ausführungen zu § 100 hingewiesen.

Mit Abs. 2 wird von der in Art. 9 Abs. 2 und 3 des RB enthaltenen Ermächtigung des Unionsgesetzgebers Gebrauch gemacht und werden die Voraussetzungen, unter denen der Überwachung trotz Nichtvorliegens eines Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts des Betroffenen im Inland zugestimmt werden kann, konkretisiert, indem festgelegt wird, dass die Überwachung über entsprechendes Ersuchen des Anordnungsstaats auf Antrag des Betroffenen auch bei Nichtvorliegen eines Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts des Genannten im Inland übernommen werden kann, wenn dieser Verurteilte im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (17.7.2008, C-66/08, Kozlowski; 6.10.2009, C-123/08, Wolzenburg) zu Österreich Bindungen von derartiger Intensität aufweist, dass die Überwachung im Inland hohe Resozialisierungschancen bietet. Bei der Prüfung des Vorliegens dieser Voraussetzung sind in einer Gesamtschau mehrere objektive Kriterien zu berücksichtigen, wie die Dauer, die Art und die Bedingungen des Verweilens des Betroffenen im Inland sowie dessen familiäre und wirtschaftliche Verbindungen zu Österreich. Zwecks Verifizierung von deren Vorliegen kann die zuständige Behörde des Anordnungsstaats jederzeit konsultiert werden (s. § 103 Abs. 5).

Der Unzulässigkeitsgrund nach Z 3 basiert auf dem Verbot der Doppelbestrafung und –verfolgung (vgl. Artikel 15 Abs. 1 lit. c des RB). Die Überwachung soll dem – im Sinne der Rechtsprechung des EuGH auszulegenden – Grundsatz „ne bis in idem“ nicht zuwiderlaufen. Vergleichbare Regelungen finden sich in §§ 40 Z 4, 52a Abs. 1 Z 2 und 53a Z 3.

Der Unzulässigkeitsgrund nach Abs. 1 Z 4 (mangelnde beiderseitige Strafbarkeit im Falle eines Nicht-Listendelikts) folgt aus Artikel 15 Abs. 1 lit. d des RB.

Die in Z 2, 5, 6 und 7 vorgeschlagenen Unzulässigkeitsgründe (Nichtvorliegen eines der in § 100 Abs. 2 angeführten gelinderen Mittel, Verjährung der Strafbarkeit, Immunität und mangelnde Strafmündigkeit) gründen sich auf Artikel 15 Abs. 1 lit. b, e, f und g des RB.

Nach Z 8 ist die Überwachung in Umsetzung von Art. 15 Abs. 1 lit. h des RB unzulässig, wenn im Falle eines Verstoßes des Betroffenen gegen das angewandte gelindere Mittel die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls abgelehnt werden müsste. Im Einklang mit Art. 15 Abs. 3 wird allerdings in Abs. 3 klargestellt, dass die Überwachung in derartigen Fällen dennoch übernommen werden kann, allerdings unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass im Falle eines Verstoßes des Betroffenen gegen das angewandte gelindere Mittel die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls abgelehnt werden müsste. Nach Erhalt einer derartigen Mitteilung hat der Anordnungsstaat die Möglichkeit zur Zurückziehung der die Bescheinigung (§ 116).

Wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Entscheidung unter Verletzung von Grundrechten oder wesentlicher Rechtsgrundsätze im Sinne von Artikel 6 EUV zustande gekommen ist (vgl. Artikel 5 des RB), so ist die Überwachung nach Z 9 nur dann abzulehnen, wenn der Betroffene keine Möglichkeit hatte, die betreffenden Einwände vor einer zuständigen Behörde des Anordnungsstaats oder einem der beiden Europäischen Gerichtshöfe vorzubringen. Zur Verifizierung dieses Umstandes wird die zuständige Behörde des Anordnungsstaats nach § 103 Abs. 2 um ergänzende Informationen zu ersuchen sein. Dieser Unzulässigkeitsgrund wird nach dem Vorbild der §§ 40 Z 12, 52a Abs. 1 Z 10 und 53a Z 11 vorgeschlagen. Die Voraussetzung der „objektiven Anhaltspunkte“ bedeutet, dass eine bloße Behauptung des Betroffenen, die nicht durch entsprechende Beweismittel belegt wird, in der Regel unzulässig sein wird.

In Abs. 4 wird klargestellt, dass die Überwachung nicht mit der Begründung abgelehnt werden darf, dass das österreichische Recht keine gleichartigen Abgaben oder Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des Ausstellungsstaats (vgl. Artikel 15 Abs. 1 lit. d des RB).

Zu § 102 (Zuständigkeit):

Für die Überwachung eines in einem anderen Mitgliedstaat angewandten gelinderen Mittels soll entsprechend § 67 Abs. 1 ARHG und § 31 Abs. 1 Z 2 StPO das Landesgericht sachlich zuständig sein (Abs. 1).

Die vorgeschlagene Regelung der örtlichen Zuständigkeit (Abs. 2) orientiert sich ebenfalls an der Bestimmung des § 67 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 ARHG.

Die Abtretung bei Unzuständigkeit (Abs. 3) setzt Artikel 10 Abs. 8 des RB um. Beim unzuständigen Gericht eingelangte Entscheidungen sollen an das zuständige Gericht abgetreten werden.

Zu § 103 (Verfahren):

§ 103 enthält Regelungen über die einem Ersuchen um Überwachung anzuschließenden Unterlagen, den vorgesehenen Geschäftsweg, das Erfordernis des Anschlusses von Übersetzungen und das rechtliche Gehör (formelle Voraussetzungen).

Wesentlich ist, dass die Überwachung grundsätzlich auf der Grundlage der Angaben erfolgt, die in dem Formblatt, der sogenannten Bescheinigung (s. Anhang XII zu diesem Entwurf), enthalten sind (Abs. 1 Z 2). Diesem muss eine Übersetzung in die deutsche Sprache angeschlossen sein, sofern keine Gegenseitigkeit besteht, das heißt sofern der Anordnungsstaat nicht die Erklärung abgegeben hat, als Vollstreckungsstaat Bescheinigungen auch in deutscher Sprache zu akzeptieren (vgl. § 115 Abs. 3 Z 2).

Neben der Bescheinigung muss eine Ausfertigung oder Abschrift der zu überwachenden Entscheidung übermittelt werden (Abs. 1 Z 1). Dabei ist die Originalsprache immer ausreichend. Der Anschluss einer Übersetzung kann nicht begehrt werden.

Die für den Europäischen Haftbefehl bestehenden Regelungen über den Geschäftsweg – grundsätzlich unmittelbarer Verkehr; Übermittlung auch per Fax oder E-Mail; Zuhilfenahme von EUROJUST und des Europäischen Justiziellen Netzes (EJN); Vermittlung durch das Bundesministerium für Justiz (§ 14 Abs. 1 bis 5) – können auf die Überwachung von Entscheidungen über die Anwendung gelinderer Mittel sinngemäß angewendet werden (Abs. 3), zumal der RB keine abweichenden Bestimmungen enthält.

Ohne dass dies im RB ausdrücklich vorgesehen ist, sieht Abs. 4 die Gewährung des rechtlichen Gehörs für den Betroffenen zu den Voraussetzungen der Überwachung (§ 100) und zu den im Inland anzuordnenden Maßnahmen vor der Entscheidung über die Übernahme der Überwachung vor (vgl. § 64 Abs. 5 ARHG). Eine eigenhändige Zustellung der Ladung ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 83 StPO nicht erforderlich. Wenn der Betroffene der Ladung keine Folge leistet, ist im Hinblick auf die ohnehin bestehende Rechtsmittelmöglichkeit (s. § 104 Abs. 2) ohne seine Anhörung zu entscheiden.

Abs. 5 statuiert in Umsetzung von Art. 22 des RB die Möglichkeit zur jederzeitigen Durchführung von Konsultationen mit der zuständigen Behörde des Anordnungsstaats. Es handelt sich dabei um eine fakultative Regelung. Verpflichtende Konsultationen sind hingegen in den Fällen der §§ 103 Abs. 2 und 120 Abs. 2 durchzuführen.

Zu § 104 (Entscheidung):

§ 104 regelt die inländische Entscheidung über die Überwachung. Darüber soll nach Abs. 1 mit Beschluss zu entscheiden sein. In der Entscheidung wird auch auszusprechen sein, welche Maßnahmen im Inland zu treffen sind. Letzteres wird sich im Falle von Weisungen idR auf die Wiederholung der erteilten Weisung beschränken, wobei allenfalls eine Konkretisierung nötig sein kann (z. B. im Fall von Betretungsverboten). Im Falle vorläufiger Bewährungshilfe wird diese im Inland anzuordnen sein.

Gegen den Beschluss soll der Staatsanwaltschaft und dem Betroffenen ein Rechtsmittelrecht zustehen (Abs. 2).

Zu § 105 (Wirkung der Übernahme der Überwachung):

Die Durchführung der Überwachung richtet sich grundsätzlich nach österreichischem Recht (s. allerdings die Ausführungen zu § 109). Dabei wird klargestellt, dass die Überwachung der Anordnung nach § 100 Abs. 2 Z 7 (Leitung einer Sicherheit) in der Weise erfolgt, dass dem Betroffenen aufgetragen wird, einen Nachweis über die Entsprechung der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung zu erbringen.

Zu § 106 (Anpassung der Überwachungsmaßnahmen):

Wird die Überwachung übernommen, so soll das angewandte gelindere Mittel grundsätzlich in der im Anordnungsstaat festgelegten Art zu überwachen sein.

Abs. 1 und 2 sehen jedoch in Umsetzung von Art. 13 Abs. 1 und 2 des RB die Möglichkeit einer Anpassung des gelinderen Mittels an das österreichische Recht vor, wenn dieses nach seiner Art nicht mit dem österreichischen Recht vereinbar ist. Das angepasste gelindere Mittel muss dabei soweit wie möglich dem im Anordnungsstaat angewandten gelinderen Mittel entsprechen. Allerdings darf die Situation des Betroffenen durch die Anpassung nicht verschlechtert werden (Abs. 2).

Die zuständige Behörde des Anordnungsstaats ist von der erfolgten Anpassung in Kenntnis zu setzen (s. § 111 Z 6). Sie hat in der Folge entsprechend Art. 13 Abs. 3 des RB die Möglichkeit zur Zurückziehung der Bescheinigung, das heißt zum Widerruf des Ersuchens, solange mit der Überwachung im Inland noch nicht begonnen wurde (s. § 116).

Zu § 107 (Fristen):

§ 107 Abs. 1 legt in Umsetzung von Artikel 12 des RB grundsätzlich eine Frist von 20 Arbeitstagen ab Einlangen der erforderlichen Unterlagen beim zuständigen österreichischen Gericht fest, innerhalb derer die Entscheidung über die Überwachung zu treffen ist, sofern kein Aufschubsgrund (§ 108) vorliegt. Diese Frist verlängert sich im Falle der Einlegung einer Beschwerde gegen den Beschluss über die Überwachung (§ 104 Abs. 2) um weitere 20 Arbeitstage.

Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Höchstfrist. Für den Fall, dass die bestehende Frist im Einzelfall nicht eingehalten werden kann, ist die zuständige Behörde des Anordnungsstaats lediglich unter Angabe der Gründe und der voraussichtlichen Entscheidungsdauer von diesem Umstand in Kenntnis zu setzen (Abs. 2).

Zu § 108 (Aufschub der Entscheidung):

§ 108 führt in Umsetzung von Artikel 12 Abs. 4 des RB die Gründe an, aus denen die Entscheidung über die Überwachung aufzuschieben ist. Ein obligatorischer Aufschub ist dabei bis zur Nachreichung der dem ursprünglichen Ersuchen nicht angeschlossenen Bescheinigung oder bis zur deren Vervollständigung sowie bis zum Einlangen der vom Gericht begehrten ergänzenden Informationen vorgesehen (vgl. § 103 Abs. 2).

Die Entscheidung über den Aufschub steht dem Gericht zu, das für die Entscheidung über die Überwachung zuständig ist.

Zu § 109 (Zuständigkeit für Folgeentscheidungen):

In Abs. 1 dieser Bestimmung wird im Einklang mit dem RB (Art. 18 Abs. 1) festgelegt, dass die zuständige Behörde des Anordnungsstaats als „Herrin des Verfahrens“ für alle Folgeentscheidungen infolge Verstoßes gegen das angewandte gelindere Mittel zuständig bleibt.

Diese Folgeentscheidungen umfassen insbesondere die Überprüfung, Aufhebung, Erneuerung oder Änderung der Entscheidung, die Änderung der gelinderen Mittel, und die Erlassung eines Haftbefehls. Wenn die geänderten gelinderen Mittel nicht unter die in § 100 Abs. 2 angeführten gelinderen Mittel fallen, so ist die Überwachung abzulehnen (Abs. 2).

Zu § 110 (Auskunftsersuchen):

Diese Bestimmung stellt in Umsetzung von Art. 19 Abs. 1 des RB klar, dass das Gericht die zuständige Behörde des Anordnungsstaats während der Überwachung jederzeit um eine Mitteilung ersuchen kann, ob die Überwachung fortgesetzt werden soll, wenn es eine solche Mitteilung im Hinblick auf die Umstände des Falles für erforderlich erachtet. Ein derartiges Ersuchen ist von der zuständigen Behörde des Anordnungsstaats umgehend zu beantworten, gegebenenfalls durch Fällung einer Entscheidung nach § 109 Abs. 1 (vgl. § 118).

Zu § 111 (Verständigung des Anordnungsstaats):

Diese Bestimmung führt im Einklang mit Art. 19 Abs. 3, 20 und 23 Abs. 2 und 3 des RB jene Maßnahmen oder Entscheidungen an, von denen die zuständige Behörde des Anordnungsstaats in Kenntnis zu setzen ist.

Festzuhalten ist, dass für den Fall, dass der Betroffene nach Einlangen der für die Überwachung erforderlichen Unterlagen in Österreich nicht (mehr) auffindbar ist, keine Verpflichtung zur Überwachung der Entscheidung durch Österreich besteht. Dies wird in Z 2 klargestellt.

Die Mitteilung der Entscheidung über die Unzulässigkeit der Überwachung (Z 5) und über die Anpassung der gelinderen Mittel (Z 6) hat jedenfalls eine Angabe der maßgeblichen Gründe zu enthalten; damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass die zuständige Behörde des Anordnungsstaats auch in den anderen Fällen über alle maßgeblichen Umstände in Kenntnis gesetzt werden sollte.

Die Verständigung über den Verstoß gegen das angewandte gelindere Mittel und über sonstige Umstände, die eine Folgeentscheidung (s. § 109 Abs. 1) erforderlich machen könnten (Z 8), hat unter Verwendung des Formblattes nach Anhang XIII zu erfolgen.

Zu § 112 (Unbeantwortete Verständigungen und Beendigung der Überwachung):

Die zuständige Behörde des Anordnungsstaats ist – wie erwähnt – u.a. von jedem Verstoß gegen das angewandte gelindere Mittelungsmaßnahme und über sonstige Umstände, die eine Folgeentscheidung (s. § 109 Abs. 1) erforderlich machen könnten, in Kenntnis zu setzen (§ 111 Z 8).

Abs. 1 und 2 regeln entsprechend Art. 23 Abs. 1 und 2 des RB die Konsequenzen für den Fall, dass die zuständige Behörde des Anordnungsstaats auf mehrfache, das sind mindestens zwei, derartige Verständigungen nicht reagiert und insbesondere ungeachtet eines entsprechenden Ersuchens des Gerichts keine Folgeentscheidung trifft. In einem solchen Fall ist die Überwachung zu beenden, von welchem Umstand die zuständige Behörde des Anordnungsstaats in Kenntnis zu setzen ist (§ 111 Z 9).

Abs. 4 sieht darüber hinaus entsprechend Art. 23 Abs. 3 des RB die Beendigung der Überwachung auch für den Fall vor, dass seitens der zuständigen Behörde des Anordnungsstaats nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten nach erfolgter Übernahme der Überwachung ungeachtet wiederholter entsprechender Ersuchen des Gerichts unter Hinweis auf die Folgen weiterer Untätigkeit keine Bestätigung der Notwendigkeit der Fortsetzung der Überwachung erfolgt. Entsprechendes gilt für den Fall der Zurückziehung der Bescheinigung durch die zuständige Behörde des Anordnungsstaats (s. § 116). Festzuhalten ist, dass die Überwachung nach Ablauf einer Frist von zwei Jahren nach erfolgter Übernahme der Überwachung jedenfalls zu beenden ist (Abs. 3).

Zu § 113 (Übergabe des Betroffenen):

§ 113 stellt im Umsetzung von Art. 21 des RB klar, dass die Übergabe des Betroffenen an den Anordnungsstaat nach Erlassung eines Europäischen Haftbefehls oder einer sonstigen vollstreckbaren Entscheidung mit gleicher Rechtswirkung durch die zuständige Behörde des Anordnungsstaats infolge Verstoßes des Betroffenen gegen das angewandte gelindere Mittel im Einklang mit den, den Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl umsetzenden Bestimmungen des Zweiten und Dritten Abschnitts des II. Hauptstücks erfolgt.

Art. 21 Abs. 2 des RB sieht vor, dass die Übergabe des Betroffenen an den Anordnungsstaat nicht aus den in Art. 2 Abs. 1 des RB über den Europäischen Haftbefehl angeführten Gründen (betreffend die erforderliche Strafdrohung bzw. den erforderlichen Strafrest; in Österreich umgesetzt durch § 4 Abs. 1 und 2 EU-JZG) verweigert werden kann. Allerdings kann jeder Mitgliedstaat nach Art. 21 Abs. 3 des RB erklären, dass bei der Entscheidung über die Übergabe des Betroffenen an den Anordnungsstaat Art. 2 Abs. 1 des RB über den Europäischen Haftbefehl anwenden wird. Es wird vorgeschlagen, dass Österreich von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, da die Ungleichbehandlung zu jenen Fällen, in denen gegen den Betroffenen von vorne herein ein Europäischer Haftbefehl erlassen wird, sachlich nicht zu rechtfertigen ist.

Zu § 114 (Kosten):

Durch die in § 114 vorgeschlagene Bestimmung soll in Umsetzung von Artikel 25 des RB klargestellt werden, dass eine Erstattung der Überwachungskosten vom Anordnungsstaat nicht begehrt werden kann. Jene Kosten, die ausschließlich im Hoheitsgebiet des Anordnungsstaats entstanden sind, sind allerdings von diesem Staat zu tragen.

Zu § 115 (Befassung eines anderen Mitgliedstaats):

§ 115 regelt das Verfahren zur Erwirkung der Überwachung einer Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel eines österreichischen Gerichts durch einen anderen Mitgliedstaat und stellt klar, unter welchen Voraussetzungen die Befassung eines anderen Mitgliedstaats mit der Überwachung möglich ist.

Der Entscheidung muss eines der in § 100 Abs. 2 angeführten gelinderen Mittel gemäß § 175 Abs. 3 StPO zugrunde liegen, sofern der Vollstreckungsstaat nicht die Überwachung auch sonstiger gelinderer Mittel akzeptiert hat (Abs. 1).

Festzuhalten ist, dass ein Ersuchen nur in Betracht kommt, wenn der Betroffene im Vollstreckungsstaat seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat und der Rückkehr in diesen Staat zugestimmt hat, nachdem er von den angewandten gelinderen Mitteln in Kenntnis gesetzt wurde, es sei denn, der Vollstreckungsstaat hat sich ungeachtet des Nichtvorliegens eines derartigen Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts zur Überwachung bereit erklärt (Abs. 2). Dabei handelt es sich um die korrespondierende Regelung zu § 101 Abs. 2, mit der Art. 9 Abs. 2 und 3 des RB umgesetzt werden. In die in Abs. 2 Z 1 angeführte Verordnung der Bundesministerin für Justiz werden die entsprechenden Mitteilungen der übrigen Mitgliedstaaten nach Art. 9 Abs. 4 des RB aufgenommen werden.

Vor der Befassung eines anderen Mitgliedstaats soll der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Äußerung gegeben und dem Betroffenen rechtliches Gehör gewährt werden (Abs. 1).

Der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats ist die zu überwachende Entscheidung samt Bescheinigung (Anhang XII) zu übermitteln, wobei letzterer eine Übersetzung in eine der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats anzuschließen ist, sofern dieser Staat nicht erklärt hat, Bescheinigungen auch in deutscher Sprache zu akzeptieren. Die Bundesministerin für Justiz hat eine Liste jener Staaten zu verlautbaren, die gegenüber dem Generalsekretariat des Rates die Erklärung abgegeben haben, die deutsche Amtssprache zu akzeptieren. Es wird in Aussicht genommen, dass Österreich gegenüber dem Ratssekretariat einen Übersetzungsverzicht auf der Grundlage der Gegenseitigkeit erklären wird.

Der Anschluss einer Übersetzung auch der Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel ist hingegen grundsätzlich nicht erforderlich. Für den Fall, dass eine solche allerdings im Inlandsverfahren für den ausländischen Beschuldigten bereits angefertigt wurde, ist sie dennoch anzuschließen.

Zum Geschäftsweg genügt auch hier ein Verweis auf § 14 Abs. 1 bis 5 (Abs. 4). Erfolgte die Übermittlung allerdings nicht auf dem Postweg, sondern per Telefax oder E-Mail (§ 14 Abs. 3), so kann die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats zwecks Verifizierung der Echtheit der übermittelten Unterlagen um Nachreichung einer Ausfertigung oder beglaubigten Ablichtung der Entscheidung sowie des Originals der Bescheinigung auf dem Postweg ersuchen (vgl. Artikel 10 Abs. 2 des RB).

Abs. 5 stellt in Umsetzung von Artikel 10 Abs. 8 des RB klar, dass das Gericht jeweils nur einen anderen Mitgliedstaat mit der Vollstreckung befassen darf.

Zu § 116 (Zurückziehung der Bescheinigung):

Diese Bestimmung führt entsprechend Art. 13 Abs. 3 und 15 Abs. 3 des RB jene Fälle an, in welchen das zuständige österreichische Gericht zur Zurückziehung der Bescheinigung, das heißt zum Widerruf der Befassung der zuständigen Behörde des Anordnungsstellungsstaats, berechtigt ist, nämlich nach Erhalt der Mitteilungen nach §§ 101 Abs. 3 (Übernahme der Überwachung unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass im Falle eines Verstoßes gegen das angewandte gelindere Mittel die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls abgelehnt werden müsste) und 111 Z 6 (erfolgte Anpassung des gelinderen Mittels durch die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats) sowie nach erhaltener Information über die nach dem Recht des Vollstreckungsstaats höchstzulässige Dauer der Überwachung, sofern das zuständige inländische Gericht das angepasste gelindere Mittel oder den maximalen Zeitraum, während dessen die Überwachung durchgeführt werden kann, für unverhältnismäßig niedrig erachtet.

Festzuhalten ist, dass die Zurückziehung der Bescheinigung nur möglich ist, solange mit der Überwachung im Vollstreckungsstaat noch nicht begonnen wurde. Sie hat spätestens 10 Tage nach Einlangen der oben erwähnten Verständigungen zu erfolgen.

Zu § 117 (Ersuchen um Fortsetzung der Überwachung):

§ 117 stellt entsprechend Art. 17 des RB klar, dass das Gericht die zuständige Behörde des Anordnungsstaats nach Ablauf des von dieser bekannt gegebenen maximalen Zeitraums, während dessen die Überwachung durchgeführt werden kann, um Fortsetzung der Überwachung ersuchen kann, wenn es dies im Hinblick auf die Umstände des Falles für erforderlich erachtet. Über ein derartiges Ersuchen ist von der zuständigen Behörde des Anordnungsstaats im Einklang mit deren nationalem Recht zu entscheiden.

Zu § 118 (Entscheidung über Folgemaßnahmen):

Diese Bestimmung statuiert die Verpflichtung der zuständigen inländischen Behörde, nach Einlangen einer Mitteilung nach § 111 Z 8 (Verstoß gegen das angewandte gelindere Mittel) sowie eines Ersuchens entsprechend § 110 (Auskunftsersuchen zur Notwendigkeit der Fortsetzung der Überwachung) zu prüfen, ob Anlass zur Fällung einer Folgeentscheidung (§ 109 Abs. 1) besteht.

Zu § 119 (Wirkung der Übernahme der Überwachung):

Diese Bestimmung stellt in Umsetzung des Einleitungssatzes von Artikel 11 Abs. 2 des RB klar, dass sich die Überwachung des angewandten gelinderen Mittels nach erfolgter Übernahme der Überwachung durch den Vollstreckungsstaat grundsätzlich nach dessen Recht richtet (s. allerdings § 120).

Zu § 120 (Überwachung im Inland):

Abs. 1 führt entsprechend Art. 11 Abs. 2 des RB jene Fälle an, in denen die Zuständigkeit abweichend vom allgemeinen Grundsatz (s. § 119) wieder auf das zuständige inländische Gericht übergeht, nämlich nach erfolgter Zurückziehung der Bescheinigung (§ 116), nach Wegfall des Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts des Betroffenen im Vollstreckungsstaat, Ablehnung der Überwachung der geänderten gelinderen Mittel durch den Vollstreckungsstaat (§ 109 Abs. 2 Z 2), Ablauf des maximalen Zeitraums der Zulässigkeit der Überwachung durch den Vollstreckungsstaat, sofern einem Ersuchen um Fortsetzung der Überwachung von der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats nicht entsprochen wird, sowie im Falle der Beendigung der Überwachung durch den Vollstreckungsstaat gemäß § 112 Abs. 2 bis 4.

Um zu verhindern, dass es in den angeführten Fällen des Zuständigkeitsübergangs zu einer Unterbrechung der Überwachung kommt, wird in Abs. 2 entsprechend Art. 11 Abs. 3 des RB eine Konsultationspflicht zwischen den zuständigen Behörden festgelegt.

Zu § 121 (Verständigung des Vollstreckungsstaats):

Diese Bestimmung führt in Umsetzung von Art. 19 Abs. 2 und 5 des RB jene Umstände und Entscheidungen an, von denen das Gericht die zuständige Behörde des Anordnungsstaats in Kenntnis zu setzen hat.

Zu Z 52 bis 54 (§ 124 Abs. 1, 5 und 7 EU-JZG)

Diese Bestimmungen dienen der Klarstellung und der Berichtigung von Redaktionsversehen.

Der Verweis in Abs. 1 auf Abs. 6 und 7 ist anlässlich der Umgestaltung der Übergangs- und Schlussbestimmungen durch das EU-JZG-ÄndG 2011 unverändert aus § 77 Abs. 11 in der Fassung der Strafprozessnovelle 2005, BGBl. I Nr. 164/2005, übernommen worden (er bezog sich also auf die Abs. 6 und 7 des damaligen § 77; nunmehr § 82 Abs. 6 und 7. Da die Aufnahme zweier Staaten durch Strafprozessnovelle 2005 aber mittlerweile durch das EU-JZG-ÄndG 2011 rückgängig gemacht worden ist, kann der Verweis entfallen.

In Abs. 5 soll klargestellt werden, dass die angeführten völkerrechtlichen Instrumente im Bereich der Übertragung der Strafvollstreckung im Verhältnis zu jenen Mitgliedstaaten, die die Unionsregelungen zur Vollstreckung ausländischer Freiheitsstrafen und mit Freiheitsentziehung verbundener vorbeugender Maßnahmen erst nach dem 1. Jänner 2012 umsetzen, erst zu dem Zeitpunkt durch die anwendbaren Bestimmungen des EU-JZG (§§ 39 bis 42g) ersetzt werden, zu dem die jeweilige Umsetzungsgesetzgebung in Kraft tritt.

Zu Z 55 (§ 124 Abs. 11 EU-JZG)

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten. Es wird ein Inkrafttreten zum 1.8.2013 vorgeschlagen.

Zu Z 56 ( EU-JZG Anhänge X bis XIII)

Bei Anhang X handelt es sich um das Formblatt nach Artikel 6 des Rahmenbeschlusses 2008/947/JI des Rates über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen.

Anhang XI betrifft das Formblatt nach Artikel 17 des Rahmenbeschlusses 2008/947/JI des Rates vom 27. November2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen.

Bei Anhang XII handelt es sich um das Formblatt nach Artikel 10 des Rahmenbeschlusses 2009/829/JI des Rates vom 23. Oktober 2009 über die Anwendung – zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft.

Anhang XIII betrifft das Formblatt nach Artikel 19 des Rahmenbeschlusses 2009/829/JI des Rates vom 23. Oktober 2009 über die Anwendung – zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft.

Anhang XIV übernimmt aus dem Anhang zum Eurojust-Beschluss die Mindestinhalte, die eine Verständigung Eurojusts durch eine nationale Justizbehörde haben muss.

Zu Artikel 2 (Änderungen des ARHG)

Zu Z 1 (§ 29 Abs. 4 ARHG)

Hier soll ein Redaktionsversehen des Strafprozessreformbegleitgesetzes II, BGBl II Nr. 112/2007, bereinigt werden (Anpassung an Entfall des Instituts der Pflichtverteidigung).

Zu Z 2 bis 15 (§§ 64 Abs. 1 bis 8, 65 Abs. 1, 67 Abs. 1, 3 und 5 und 76 Abs. 1 bis 5 ARHG)

Zum Zweck der vorgeschlagenen Änderungen sei auf Pkt. 1. der Erläuterungen zu § 2 Z 2, 7 lit. d, 10 und 11, §§ 24 Abs. 4, 45 Abs. 2, 47 Abs. 1 Z 3, 52, 52a Abs. 1 Z 9, 52b Abs. 2, 52c Abs. 2 Z 4, 52c Abs. 4, 52e Abs. 1 Z 3 und Abs. 3, 52f Z 2, 52i Z 6, 52l Abs. 3, 52m und 53 Abs. 3 EU-JZG verwiesen.

Das ARHG verwendet bereits jetzt (in den §§ 64 bis 67 und 76) den Begriff der vermögensrechtlichen Anordnung als Überbegriff zu Abschöpfung der Bereicherung, Verfall und Einziehung, ohne ihn zu definieren. Es soll nun eine – zu § 2 Z 11 EU-JZG gleich lautende – Definition aufgenommen (§ 64 Abs. 8), um auch im ARHG den Begriff so weit wie möglich verwenden zu können.

Wie im EU-JZG ist der Verweis auf diese Definition dort nicht möglich, wo es sich um gegenstandsbezogene Begriffe (§ 64 Abs. 7) oder umgekehrt um vermögensbezogene Regelungen handelt (§ 64 Abs. 5).

Da die Einziehung nach der Systematik des StGB eine vorbeugende Maßnahme ist, aber im ARHG unter den Begriff der vermögensrechtlichen Anordnung fällt, soll die Bezugnahme auf vorbeugende Maßnahmen in §§ 64 Abs. 3, 65 Abs. 1, 67 Abs. 1, 3 und 5 und 76 Abs. 2, 3 und 5 dahin präzisiert werden, dass bloß mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahmen (im Sinn der §§ 21 bis 23 StGB) gemeint sind (in diesem Sinn Martetschläger, WK2, ARHG § 64 Rz 2).

3. Zur Klarstellung in § 76 Abs. 1, dass jenes Gericht zuständig sein soll, das zuletzt in erster Instanz entschieden hat, siehe schon oben bei § 42f EU-JZG.

Zu Artikel 3 (Änderung des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes)

Zu Z 1 (§§ 25, 26 Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz)

Bereits seit Jahrzehnten vergibt der Wohnhaus-Wiederaufbaufonds keine neuen Darlehen mehr; die meisten Darlehen sind bereits zurückgezahlt.

Die Strafbestimmungen in den §§ 25 und 26 sind daher obsolet; die zweckwidrige Verwendung gewährter Mittel (§ 25) könnte überdies nach § 153b StGB (Förderungsmissbrauch) strafbar sein.

Im Sinne der Rechtsbereinigung sollen die beiden Straftatbestände aufgehoben werden.