2425 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über den Antrag 2102/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entschließung 1487/2007 des slowakischen Nationalrats über die Unangreifbarkeit der Beneš-Dekrete

Die Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 17. Oktober 2012 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die nach wie vor rechtskräftigen Beneš-Dekrete sind seit Jahrzehnten der Hauptstreitpunkt zwischen Vertriebenenverbänden in Deutschland und Österreich einerseits und der Tschechoslowakei beziehungsweise deren Nachfolgestaaten Tschechien und Slowakei andererseits.

Im Vorfeld des EU-Beitritts der Slowakischen Republik wurden die Dekrete vom slowakischen Nationalrat mit Entschließung 1487/2007, vom 20. September 2007, für weiterhin gültig erklärt, was besonders von der ungarischen Minderheit in der Slowakei negativ aufgenommen wurde.

Nunmehr hat sich auch das Europäische Parlament mit dieser Entschließung des slowakischen Nationalrates zu beschäftigen, da eine entsprechende Petition zu deren Aufhebung eingebracht und für zulässig erklärt wurde:

Mit der Petition 0070/2012, eingereicht von Imre Juhasz, ungarischer Staatsangehörigkeit, zur Aufhebung der Entschließung 1487/2007 des slowakischen Nationalrats über die Unangreifbarkeit der Beneš-Dekrete, wird auf die Entschließung 1487/2007 des slowakischen Nationalrats, in der festgelegt wird, dass die zwischen 1944 und 1948 erlassenen Beneš-Dekrete unangreifbar und unbestreitbar sind, verwiesen. Der Petent weist darauf hin, dass die damit verbundene Ungleichbehandlung der ungarischen und deutschen Minderheit in der Slowakei einen eklatanten Verstoß gegen Artikel 2 und Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union sowie gegen die Europäische Menschenrechts¬konvention und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union darstellt, und ersucht daher das Europäische Parlament, dahingehend einzugreifen, dass die oben genannte Entschließung aufgehoben wird, und fordert es auf, sofern die Slowakei ihre menschenrechtsverletzende Politik fortsetzt, deren Mitgliedschaft in der EU zu suspendieren.

Die genannte Petition wurde am 22. Mai 2012 für zulässig erklärt und die Kommission wurde um Auskünfte gebeten. In der Antwort der Kommission, eingegangen am 30. August 2012, wird darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission, nach Maßgabe des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, über keine allgemeine Befugnis verfügt, tätig zu werden. Sie kann nur eingreifen, wenn es um Fragen des Unionsrechts geht. Was die mögliche Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anbelangt, gilt gemäß ihrem Artikel 51 Absatz 1 die Charta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union.

Auf der Grundlage der übermittelten Informationen scheint die geschilderte Angelegenheit nicht mit der Durchführung des Rechts der Union zusammenzuhängen. Die Beneš-Dekrete stellen frühere, von den Behörden der ehemaligen Tschechoslowakei vor dem Beitritt zur Europäischen Union ergriffene Maßnahmen dar, die heutzutage keine gültige Rechtswirkung mehr haben, die gegen das Unionsrecht verstoßen würde. Im vorliegenden Fall ist es Sache des betreffenden Mitgliedstaates, dafür Sorge zu tragen, dass er seinen Verpflichtungen bezüglich der Grundrechte, die sich aus internationalen Übereinkünften und seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften ergeben, nachkommt.

Die Schlussfolgerung daraus: Der Petent kann seinen Fall den nationalen Behörden einschließlich der Justiz vorlegen und, sofern die angerufene Einrichtung eine Verletzung seiner Grundrechte feststellt, Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte des Europarates einlegen.

Diese Petition wurde auf europäischer Ebene auch vom Mitglied des Europäische Parlaments, Mag. Ewald Stadler (BZÖ) unterstützt.

In der 8. Sitzung des Menschenrechts-Ausschusses am 4. November 2010, wurde ein Entschließungs¬antrag betreffend Verurteilung durch die österreichische Bundesregierung der Unantastbar¬keits¬er¬klärung der Beneš-Dekrete durch das slowakische Parlament sowie die Aufhebung der Beneš-Dekrete durch die Slowakei von den Abgeordneten der SPÖ und ÖVP unter anderem mit der Begründung vertagt, dass es sich hier um ein außerordentlich heikles Thema handle und es sinnvoller sei, mit den Nach¬bar¬staaten in einen offenen Dialog zu treten. Es gebe eine Reihe von Möglichkeiten, dem Miss¬fallen Österreichs Ausdruck zu verleihen, man halte aber nichts von Auseinandersetzungen mittels parla¬men¬tarischer Anträge.

Dem konnten sich Abgeordnete der Opposition nicht anschließen, zumal es auch gegenüber anderen Ländern, etwa Bosnien und Herzegowina, eine Politik der Einmischung gebe.

Seitens des BZÖ wurde in diesem Zusammenhang auch an das Versprechen der österreichischen Regierung im Zuge des EU-Beitritts von Tschechien und der Slowakei erinnert, bilaterale Gespräche mit den beiden Staaten zur Aufhebung der Benes-Dekrete zu führen. Dies habe offenbar zu nichts geführt, nachdem die Slowakei nun eine Unantastbarkeitserklärung beschlossen hat. Das bedeute, es gibt EU-Länder, die nicht gewillt sind, Unrechtsbestimmungen abzuschaffen. Die Benes-Dekrete seien inakzeptabel, weshalb eine klare Haltung gefordert sei. Wenn ein EU-Land derartige Bestimmungen aufrecht erhalte und sie bekräftige, dann stehe die Haltung der anderen EU-Mitgliedstaaten zu den Menschenrechten auf dem Prüfstand.

Abschließend wurde auch auf die EU als eine Wertegemeinschaft hingewiesen: Wenn man es nicht wage, zu diesen Fragen einen Entschließungsantrag anzunehmen, dann verabschiede man sich von der Menschenrechtspolitik.

Bundesminister Michael Spindelegger hielt dieser Kritik damals entgegen, dass das Thema der Beneš-Dekrete bei jedem bilateralen Gespräch auf der Tagesordnung stehe. Man habe sogar im Jahr 2009 die Einsetzung einer Historiker-Kommission erreicht, die die Fragen der Beneš-Dekrete und die Entwicklung dazu aufarbeiten soll.

Da nunmehr wiederum annähernd zwei Jahre verstrichen sind, stellt sich aufgrund des einleitend geschilderten Anlassfalles die Frage, welche Ergebnisse zwischenzeitlich von der genannten Historiker Kommission erarbeitet wurden und welcher Stand in dieser Angelegenheit in den bilateralen Beziehungen mit der Slowakei erreicht werden konnte.“

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 05. Juni 2013 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Herbert Scheibner, Dr. Johannes Hübner und Mag.a Alev Korun sowie der Ausschussobmann Abgeordneter Dr. Josef Cap.

 

Bei der Abstimmung fand der Entschließungsantrag 2102/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, B, dagegen: S, V, G).

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2013 06 05

                                   Franz Glaser                                                                      Dr. Josef Cap

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann