Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Die Schaffung eines Einheitlichen Patentgerichts ist neben der Einführung eines einheitlichen Patentschutzes ein zentrales Element einer weitreichenden Reform des europäischen Patentsystems.

Hintergrund ist, dass sich der derzeit fragmentierte Patentmarkt und die beträchtlichen Unterschiede zwischen den nationalen Gerichtssystemen nachteilig auf die Innovation auswirken, insbesondere im Falle von Klein- und Mittelbetrieben (KMU), für die es schwierig ist, ihre Patente durchzusetzen und sich gegen unberechtigte Klagen und Klagen im Zusammenhang mit Patenten, die für nichtig erklärt werden sollten, zu wehren.

Über die Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes mitsamt einem dazugehörigen Streitregelungssystem für das Gebiet der Europäischen Union wird seit Ende der 1950er Jahre diskutiert. Ein Zwischenergebnis war das Gemeinschaftspatentübereinkommen (GPÜ) und ein begleitendes Streitregelungsübereinkommen, wobei das letztere jedoch mangels der notwendigen Anzahl an Ratifikationen nie in Kraft getreten ist.

Auf diese für den Europäischen Binnenmarkt unbefriedigende Situation reagierte die Europäische Kommission im Jahr 2000 mit einem Entwurf für eine Gemeinschaftspatentverordnung. Demgemäß hätte die EU dem Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente (EPÜ) beitreten sollen und das Europäische Patentamt (EPA) hätte neben europäischen Patenten („Patentbündel“, das nach Erteilung in einzelne, nationale Patente zerfällt und in jenen Ländern, in denen es Wirkung entfalten soll, erst unter zumeist hohen Kosten validiert und in der Folge durchgesetzt werden muss) auch Gemeinschaftspatente erteilen sollen. Im Hinblick auf die seit Anbeginn umstrittene Frage, in welche Sprachen ein Patent zu übersetzen sein soll, wurde die Anwendung des Dreisprachenregimes des EPA (Deutsch, Englisch, Französisch) vorgeschlagen. Die parallel dazu geführten Diskussionen betreffend ein Streitregelungssystem sahen die Schaffung eines Gemeinschaftsgerichts für geistiges Eigentum vor. Am 3. März 2003 kam es schließlich zu einer gemeinsamen politischen Ausrichtung, jedoch konnte in der Folge keine Einigung über die Gemeinschaftspatentverordnung erzielt werden, da sich vor allem die darin enthaltenen Übersetzungsregelungen als Stolperstein erwiesen.

Im Jahr 2004 wurde ein Entwurf eines Übereinkommens über die Schaffung eines Streitregelungssystems für europäische Patente (EPLA – „European Patent Litigation Agreement“) vorgelegt. Das EPLA wurde als Ergänzung zum zu schaffenden Gemeinschaftspatentsystem angesehen und das Patentgericht sollte eine erste und zweite Instanz samt Gerichtskanzlei umfassen und alleinige Zuständigkeit für Streitigkeiten im Hinblick auf die Verletzung und Rechtsgültigkeit europäischer Patente haben. Als Gründe für die Errichtung eines gemeinsamen Gerichts wurden unter anderen die Beseitigung der Rechtsunsicherheit, Kostenreduktion und Zeitersparnis genannt. Im Hinblick auf die Sprachenregelung sah der Vorschlag des Streitregelungsübereinkommens – gleich dem Vorschlag über das Gemeinschaftspatent – die drei Amtssprachen des EPA als Verfahrenssprachen vor, von denen gewöhnlich diejenige des Streitpatents für das Verfahren gewählt werden sollte.

Die Projekte EPLA und Gemeinschaftspatent bestanden also vorerst nebeneinander. Die Arbeiten am EPLA wurden jedoch in der Folge zugunsten der Arbeiten am Gemeinschaftspatentübereinkommen unterbrochen.

Anfang Januar 2006 startete der damalige Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy eine weitere Initiative, um das Interesse der Mitgliedstaaten am Gemeinschaftspatent auf der Grundlage der politischen Ausrichtung vom 3. März 2003 zu hinterfragen. Es wurde eine öffentliche Konsultation der Nutzer des Systems zur weiteren Vorgangsweise bei der Harmonisierung des Patentsystems durchgeführt. Der Großteil der Mitgliedstaaten bekannte sich darin zum Projekt Gemeinschaftspatent sowie zur gemeinsamen politischen Ausrichtung vom 3. März 2003. Unzufriedenheit wurde insbesondere in Bezug auf zwei Themenbereiche geäußert: die Patentgerichtsbarkeit und die Sprachenregelung (mit der damit zusammenhängenden Problematik hoher Übersetzungskosten).

Anfang April 2007 legte die Europäische Kommission – basierend auf den Ergebnissen der Konsultation – eine Mitteilung zur Vertiefung des Patentsystems in Europa vor. Zur Sprachenfrage wären einige Mitgliedstaaten sogar bereit gewesen, ein Ein-Sprachen-Regime („English only“) zu akzeptieren, während andere wiederum das Drei-Sprachen-Regime bevorzugten. Betreffend die Gerichtsbarkeit kristallisierten sich drei Optionen heraus. Erstens die Schaffung eines Gerichts im Rahmen des EPLA unter den Auspizien der EPO mit Zuständigkeit nur für europäische Patente. Zweitens die Schaffung eines Gerichts im Gemeinschaftsrahmen, das neben dem Gemeinschaftspatent auch für europäische Patente zuständig ist oder drittens die Schaffung eines unabhängigen Gerichts für Gemeinschafts- und europäische Patente, z. B. im Rahmen des EPLA mit dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) als letztinstanzliche Stelle betreffend die Auslegung des Vertrages.

Durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Dezember 2009 erfolgte eine Umbenennung des Gemeinschaftspatents in „EU-Patent“ (Unionspatent) bzw. in weiterer Folge in „Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung“. Zudem erwirkte der Vertrag von Lissabon eine Änderung im Gesetzgebungsverfahren. Während Entscheidungen über die Sprachenregelung zu Unionstiteln gemäß Art. 118 Abs. 2 AEUV nach Anhörung des Europäischen Parlaments nach wie vor einstimmig durch den Rat der EU getroffen werden, werden alle anderen Aspekte mit Bezug auf die Schaffung von einheitlichen Titeln zum Schutz von geistigem Eigentum in der EU gem. Art. 118 Abs. 1 AEUV nunmehr mit qualifizierter Mehrheit gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zwischen Rat und Europäischem Parlament beschlossen. Der Rat schlug daraufhin in seinen Schlussfolgerungen Anfang Dezember 2009 vor, die Übersetzungsregelungen im Zusammenhang mit dem EU-Patent zum Gegenstand einer gesonderten Verordnung zu machen. Seither besteht die Reform des Patentsystems aus drei Rechtsakten: einer Verordnung über die Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes, einer Verordnung über die anzuwendenden Übersetzungsregelungen und einem völkerrechtlichen Übereinkommen über ein einheitliches Streitregelungssystem. Alle drei Akte werden als Gesamtpaket angesehen und sollen aufeinander abgestimmt in Kraft treten.

Der Verordnungsvorschlag betreffend die Übersetzungsregelungen schlug vor, dass sich das Sprachenregime für das EU-Patent im Wesentlichen nach dem Drei-Sprachen-Regime des EPA richten soll. Dieses eingeschränkte Sprachensystem war jedoch insbesondere für Italien und Spanien unakzeptabel, weil sie eine Diskriminierung ihrer Sprachen befürchteten. Ende des Jahres 2010 stellte daher der Rat fest, dass eine erforderliche Einstimmigkeit zur Sprachenfrage nicht erreicht werden könne. Daraufhin schlugen die übrigen 25 Mitgliedstaaten den Weg der „Verstärkten Zusammenarbeit“ ein. Die Verstärkte Zusammenarbeit (VZ) ist ein politischer Mechanismus der EU, der erlaubt, dass einzelne Mitgliedstaaten untereinander enger zusammenarbeiten („Europa der zwei Geschwindigkeiten“). Italien und Spanien erhoben daraufhin Klage beim EuGH gegen den Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit. Diese Klagen wurden jedoch am 16. April 2013 abgewiesen und damit die Frage, ob das Vorgehen der VZ rechtmäßig ist, vom EuGH positiv beantwortet (verb. Rs. C-274/11 und C-295/11, Spanien und Italien gegen Rat, 16. April 2013, noch nicht in amtlicher Slg. veröffentlicht).

Damit ist zu erwarten, dass – zumindest vorerst – innerhalb der Union kein Patent geschaffen wird, das von Anfang an das gesamte Territorium des Europäischen Binnenmarktes umfasst. Vielmehr wird das neu-geschaffene europäische Patent in den an der VZ beteiligten Mitgliedstaaten einheitliche Wirkung entfalten.

Die parallel dazu stattgefundenen Arbeiten am einheitlichen Patentgerichtssystem mündeten zunächst in einem Entwurf eines gemischten Übereinkommens zwischen der EU, ihren Mitgliedstaaten und auch Drittstaaten. Ein solcherart errichtetes Gericht sollte sowohl für künftige EU-Patente, als auch für bereits bestehende, nach dem EPÜ erteilte europäische Patente rechtsprechungsbefugt sein und aus einer Zentralkammer (zuständig u.a. für Patentnichtigkeitsklagen) und mehreren lokalen und regionalen Kammern in den Mitgliedstaaten (zuständig u.a. für Patentverletzungsklagen) bestehen.

Im Jahr 2009 wurde der EuGH um ein Gutachten zur Frage der Vereinbarkeit eines solchen Übereinkommens mit den EU-Verträgen ersucht. Dieses Gutachten Nr. 1/09, Slg. 2011, I-1137 wurde am 8. März 2011 vorgelegt und darin das geplante Übereinkommen als unionsrechtswidrig erklärt. Aus dem Gutachten folgt, dass durch ein internationales Abkommen keine Gerichtsbarkeit geschaffen werden kann, der ausschließliche Zuständigkeit zur Anwendung und Auslegung des Unionsrechts übertragen würde und die somit die Zuständigkeiten der nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten einschränkt. Die Vorabentscheidungsbefugnis der nationalen Gerichte bzw. des EuGH bezüglich der Verordnung über das EU-Patent müsse erhalten bleiben. Eine Beteiligung von Drittstaaten an diesem System sei nicht möglich.

In Einklang mit dem EuGH-Gutachten wurde daraufhin im Jahr 2011 ein überarbeiteter Übereinkommensentwurf vorgelegt, der die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts im Rahmen eines völkerrechtlichen Abkommens zwischen den an der VZ beteiligten Mitgliedstaaten vorsieht (Vertragsmitgliedstaaten), wobei eine Beteiligung jener Mitgliedstaaten, die sich nicht an der VZ beteiligen (also Spanien und Italien) hinsichtlich der auf ihrem Territorium validierten europäischen Patente nach dem EPÜ, nicht jedoch eine Beteiligung von Drittstaaten (wie etwa der Schweiz oder Liechtenstein) möglich sein soll. Das Übereinkommen ist mit den Verordnungen im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes, ABl Nr. L 361 vom 31.12.2012 S. 1, sowie Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen, ABl Nr. L 361 vom 31.12.2012 S. 89) Teil eines Gesamtpakets und steht in Einklang mit dem Unionsrecht. Das mit diesem Übereinkommen zu schaffende Gerichtssystem der Vertragsmitgliedstaaten unterliegt im vollen Umfang dem Unionsrecht und ist für dessen Anwendung und Auslegung zuständig.

In inhaltlicher Hinsicht orientiert sich dieser neue Übereinkommensentwurf an jenen Grundsätzen, die bereits in den vorangehenden Diskussionen der letzten Jahre breite Zustimmung seitens der Mitgliedstaaten fanden, wie etwa die Zuständigkeit des Gerichts sowohl für künftige EU-Patente als auch für bestehende europäische Patente und die Struktur des Patentgerichts in Form einer Zentralkammer, sowie mehreren lokalen und regionalen Kammern und einer zentralen Berufungsinstanz. Für Streitigkeiten aus nationalen Patenten sollen weiterhin die nationalen Rechtsprechungsorgane der Vertragsmitgliedstaaten zuständig sein.

Im Jahr 2011 schließlich präsentierte die Europäische Kommission zwei Verordnungsentwürfe zur Umsetzung der VZ im Patentbereich (EU-Patent-Verordnung und Verordnung über die Übersetzungsregelungen), welche im Wesentlichen jenen Kompromissvorschlägen entsprachen, die außer für Italien und Spanien für alle Mitgliedstaaten akzeptabel gewesen waren. Im Juni 2011 einigte man sich in einer allgemeinen Ausrichtung des Rates auf diese beiden Verordnungsentwürfe. Zu diesem Zeitpunkt entbrannte jedoch ein Streit um die Frage über die Zuteilung des Sitzes der Zentralkammer des Gerichts erster Instanz des Einheitlichen Patentgerichts, woraufhin das Europäische Parlament seine Abstimmung über die Verordnungsvorschläge im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes vorerst auf Eis legte (Stichwort „Gesamtpaket“).

Im Juni 2012 fanden die Staats- und Regierungschefs im Rahmen des Europäischen Rates zu einer Einigung in der Streitfrage des Sitzes der Zentralkammer des Einheitlichen Patentgerichts. Der „Haupt“-Sitz wurde Frankreich (Paris) zugesprochen, daneben sollen allerdings auch in Deutschland (München) und dem Vereinigten Königreich (London) Niederlassungen errichtet werden. Die Rechtsprechung soll nach technischen Gebieten auf alle drei Stellen aufgeteilt werden.

Im Dezember 2012 erfolgte schließlich die formelle Annahme der beiden Verordnungen zum einheitlichen Patentschutz durch das Europäische Parlament und den Rat. Am 19. Februar 2013 erfolgte am Rande des Rates für Wettbewerbsfähigkeit die Unterzeichnung des vorliegenden Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht („Unified Patent Court“ – UPC) durch 24 der derzeit 27 Mitgliedstaaten. Bulgarien folgte kurz darauf als 25. Unterzeichnerstaat. Polen erwägt die Unterzeichnung zu einem späteren Zeitpunkt. Das Übereinkommen soll am 1. Jänner 2014 oder vier Monate nach jenem Tag in Kraft treten, an dem mindestens 13 der Unterzeichnerstaaten die Ratifikations- oder Beitrittsurkunde hinterlegt haben werden, wozu die drei Unterzeichnerstaaten mit der höchsten Anzahl von europäischen Patenten im Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung gehören müssen, also Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich. Das Inkrafttreten ist darüber hinaus an die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl Nr. L 351 vom 20.12.2012 S. 1, sowie an die Geltung der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 gekoppelt.

Das Übereinkommen wurde am 19. Februar 2013 von Österreich unterzeichnet.

Das Übereinkommen hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Das Übereinkommen hat keinen politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Übereinkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieses Übereinkommen durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Übereinkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Dieses Übereinkommen ist in einer Urschrift in deutscher, englischer und französischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Dem Nationalrat wurden gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG die authentische deutsche und englische Sprachfassung zur Genehmigung vorgelegt.


Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Art. 1 definiert den Zweck des Übereinkommens, nämlich die Errichtung des Einheitlichen Patentgerichts für die Regelung von Streitigkeiten über europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung. Weiters wird darin festgelegt, dass es sich bei dem Gericht um ein gemeinsames Gericht der Vertragsmitgliedstaaten handelt, das – wie jedes nationale Gericht – denselben Verpflichtungen nach dem Unionsrecht unterliegt. Damit wird klargestellt, dass das Gericht Teil des Gerichtssystems der Europäischen Union ist und insbesondere die Möglichkeit zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gegeben ist. Dies entspricht etwa jenen Grundsätzen, die im Gutachten des EuGH Nr. 1/09 vom 8. März 2011 statuiert wurden (s. auch Art. 20 f).

Zu Art. 2:

Dieser Artikel enthält die Definitionen der im Übereinkommen verwendeten Begriffe („Gericht“, „Mitgliedstaat“, „Vertragsmitgliedstaat“, „EPÜ“, „europäisches Patent“, „europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung“, „Patent“, „ergänzendes Schutzzertifikat“, „Satzung“, „Verfahrensordnung“).

Zu Art. 3:

Diese Bestimmung regelt den Geltungsbereich des Übereinkommens. Demnach gilt das Übereinkommen für alle europäischen Patente mit einheitlicher Wirkung, für alle ergänzenden Schutzzertifikate, die zu einem durch ein Patent geschützten Erzeugnis erteilt worden sind, für alle europäische Patente, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens noch nicht erloschen sind oder die nach diesem Zeitpunkt erteilt werden und für alle europäischen Patentanmeldungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens anhängig sind oder die nach diesem Zeitpunkt eingereicht werden.

Zu Art. 4:

In diesem Artikel wird festgestellt, dass das Gericht in jedem Vertragsmitgliedstaat Rechtspersönlichkeit sowie weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit besitzt und vom Präsidenten des Berufungsgerichts vertreten wird.

Zu Art. 5:

Abs. 1 bestimmt die vertragliche Haftung des Gerichts, die – sofern anwendbar – den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. Nr. L 177 vom 04.07.2008 S. 6, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 309 vom 24.11.2009 S. 87 unterliegt, andernfalls dem Recht des Vertragsmitgliedstaats des befassten Gerichts.

Abs. 2 und 3 statuieren die außervertragliche Haftung des Gerichts für Schäden, die durch das Gericht oder sein Personal in Ausübung seiner Amtstätigkeit verursacht werden, sofern es sich nicht um eine Zivil- und Handelssache im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), ABl. Nr. L 199 vom 31.07.2007 S. 40, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 310 vom 09.11.2012 S. 52 handelt. Demnach richtet sich die außervertragliche Haftung nach dem Recht des Vertragsmitgliedstaats, in dem der Schaden eingetreten ist.

Zu Art. 6:

Art. 6 beschreibt den Aufbau bzw. die Struktur des Gerichts. So besteht das Gericht aus einem Gericht erster Instanz, einem Berufungsgericht und einer Kanzlei. Dies entspricht grundsätzlich jener Struktur, die von Anbeginn der Arbeit an diskutiert wurde und seit jeher breite Unterstützung seitens der teilnehmenden Mitgliedstaaten fand.

Zu Art. 7:

Art. 7 befasst sich mit dem Aufbau des Gerichts erster Instanz. Demnach gliedert sich das Gericht erster Instanz in eine Zentralkammer sowie (mehrere) Lokal- und Regionalkammern.

Die Zentralkammer hat ihren Sitz in Paris (Frankreich) und Abteilungen in London (Vereinigtes Königreich) und München (Deutschland).

Eine Lokalkammer wird auf Antrag in einem Vertragsmitgliedstaat errichtet, der dann auch ihren Sitz benennt.

Abs. 4 bestimmt, dass in einem Vertragsmitgliedstaat – gestaffelt nach der Anzahl der Patentverfahren in einem bestimmten Zeitraum – auf Antrag zusätzliche, höchstens jedoch 4 Lokalkammern errichtet werden können.

Laut Abs. 5 wird für zwei oder mehrere Vertragsmitgliedstaaten auf deren Antrag eine Regionalkammer errichtet. Die betroffenen Vertragsmitgliedstaaten benennen den Sitz der Regionalkammer, wobei diese an unterschiedlichen Orten tagen kann.

Zu Art. 8:

In diesem Artikel wird die Zusammensetzung der Spruchkörper des Gerichts erster Instanz festgelegt.

Gemäß Abs. 1 sind alle Spruchkörper des Gerichts erster Instanz multinational besetzt und bestehen grundsätzlich aus drei Richtern (Ausnahme siehe Abs. 7).

Die Abs. 2 und 3 regeln die Zusammensetzung der Spruchkörper einer Lokalkammer. Demnach richtet sich die Zusammensetzung nach der durchschnittlichen Anzahl an Patentverfahren pro Kalenderjahr. Beträgt diese Anzahl in drei aufeinanderfolgenden Jahren durchschnittlich weniger als 50, so besteht der Spruchkörper aus einem rechtlich qualifizierten Richter, der Staatsangehöriger des Vertragsmitgliedstaats ist, in dessen Gebiet die betreffende Lokalkammer errichtet worden ist, und zwei rechtlich qualifizierten Richtern, die nicht Staatsangehörige dieses Vertragsmitgliedstaats sind (Abs. 2).

Beträgt die Anzahl an Patentverfahren pro Jahr 50 oder mehr, so setzt sich der Spruchkörper zusammen aus zwei rechtlich qualifizierten Richtern, die Staatsangehörige des Vertragsmitgliedstaats sind, in dessen Gebiet die betreffende Lokalkammer errichtet worden ist, und einem rechtlich qualifizierten Richter, der nicht Staatsangehöriger dieses Vertragsmitgliedstaats ist, wobei dieser dritte Richter langfristig in der Lokalkammer tätig sein kann (Abs. 3).

Gemäß Abs. 4 setzen sich die Spruchkörper einer Regionalkammer zusammen aus zwei rechtlich qualifizierten Richtern, die aus einer regionalen Liste mit Richtern ausgewählt werden und Staatsangehörige eines der betreffenden Vertragsmitgliedstaaten sind, und einem rechtlich qualifizierten Richter, der nicht Staatsangehöriger eines der betreffenden Vertragsmitgliedstaaten ist.

Abs. 5 regelt die Möglichkeit der Zuweisung (auf Antrag) eines zusätzlichen technisch qualifizierten Richters mit Qualifikation und Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet der Technik zu einer Lokal- oder Regionalkammer.

Bei der Zentralkammer dagegen ist ein solcher technisch qualifizierter Richter grundsätzlich bei jedem Verfahren – außer bei Verfahren gegen Entscheidungen, die das EPA in Ausübung seiner Aufgaben getroffen hat - Bestandteil des Spruchkörpers (Abs. 6). Dies wird allgemein als sehr wichtig erachtet, da bei den vor der Zentralkammer durchzuführenden Verfahren, wie etwa Nichtigkeitsverfahren, technischer Sachverstand auf dem jeweils betroffenen Gebiet der Technik als essentiell angesehen wird. Auch Österreich hat sich stets für die Beiziehung von technischem Sachverstand in Verfahren vor den lokalen bzw. regionalen Kammern zur Erzielung qualitativ hochwertiger Entscheidungen ausgesprochen.

Neben dem technisch qualifizierten Richter besteht der Spruchkörper der Zentralkammer aus zwei rechtlich qualifizierten Richtern, die Staatsangehörige unterschiedlicher Vertragsmitgliedstaaten sind.

Abs. 7 enthält die Möglichkeit, dass ein Verfahren von einem rechtlich qualifizierten Einzelrichter entschieden wird, wenn die Parteien dies vereinbaren.

In jedem Fall und in jedem Spruchkörper führt den Vorsitz ein rechtlich qualifizierter Richter (Abs. 8).

Zu Art. 9:

Dieser Artikel regelt die Zusammensetzung der Spruchkörper des Berufungsgerichts. Hier besteht die multinationale Zusammensetzung aus fünf Richtern, nämlich drei rechtlich qualifizierten Richtern, die Staatsangehörige unterschiedlicher Vertragsmitgliedstaaten sind, und zwei technisch qualifizierten Richtern, die über eine entsprechende Qualifikation und Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet der Technik verfügen (Abs. 1).

Bei Klagen gegen Entscheidungen, die das EPA in Ausübung seiner Aufgaben getroffen hat, umfasst der Senat drei rechtlich qualifizierte Richter aus unterschiedlichen Vertragsmitgliedstaaten (Abs. 2).

Auch vor dem Berufungsgericht, das seinen Sitz in Luxemburg hat (Abs. 5), führt den Vorsitz in jedem Verfahren ein rechtlich qualifizierter Richter (Abs. 3).

Zu Art. 10:

Wie bereits zu Art. 6 ausgeführt, wird neben dem Gericht erster Instanz und dem Berufungsgericht eine Kanzlei errichtet.

Geleitet wird die Kanzlei von einem Kanzler; das von der Kanzlei geführte Register ist öffentlich (Abs. 1).

Die Kanzlei hat ihren Sitz am Sitz des Berufungsgerichts, wobei an allen Kammern des Gerichts erster Instanz Nebenstellen der Kanzlei eingerichtet werden (Abs. 2).

Abs. 3 regelt die Aufgaben der Kanzlei, nämlich das Führen von Aufzeichnungen über alle vor dem Gericht verhandelten Verfahren. Die Nebenstellen unterrichten die Kanzlei jeweils über die Einreichung eines Verfahrens.

Zu Art. 11:

Art. 11 enthält die Bestimmung, dass zur Sicherstellung einer effektiven Durchführung und Funktionsweise des Übereinkommens Ausschüsse gebildet werden. Und zwar werden ein Verwaltungsausschuss, ein Haushaltsausschuss und ein Beratender Ausschuss eingesetzt. Die Aufgaben dieser Ausschüsse werden an verschiedenen Stellen des Übereinkommens und der Satzung festgelegt.

So obliegt dem Verwaltungsausschuss etwa die Ernennung der Richter des Gerichts.

Der Beratende Ausschuss ist beispielsweise zuständig für die Erstellung einer Liste mit Kandidaten für das Amt eines Richters des Gerichts.

Zu Art. 12:

Dieser Artikel bestimmt den Rahmen, in dem der Verwaltungsausschuss tätig wird. Er setzt sich aus je einem Vertreter der Vertragsmitgliedstaaten zusammen (Abs. 1), wobei jeder Vertragsmitgliedstaat über eine Stimme verfügt (Abs. 2). Seine Beschlüsse fasst der Verwaltungsausschuss mit Dreiviertelmehrheit der vertretenen Vertragsmitgliedstaaten, die eine Stimme abgeben (Abs. 3). Der Ausschuss wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden (Amtszeit 3 Jahre, Abs. 5). Die Europäische Kommission ist bei den Ausschusssitzungen als Beobachter vertreten (Abs. 1).

Zu Art. 13:

In diesem Artikel wird der Rahmen für die Tätigkeit des Haushaltsausschusses bestimmt. Bezüglich Zusammensetzung, Stimmrecht und Vorsitz gelten dieselben Bestimmungen wie beim Verwaltungsausschuss (siehe Art. 12), jedoch fasst der Haushaltsausschuss seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit, außer zur Feststellung des Haushaltsplans, wo Dreiviertelmehrheit erforderlich ist (Abs. 3).

Zu Art. 14:

Art. 14 legt Rahmen und Aufgaben des Beratenden Ausschusses fest. So unterstützt dieser den Verwaltungsausschuss bei der Vorbereitung der Ernennung der Richter (Abs. 1 lit. a), unterbreitet Vorschläge betreffen den Schulungsrahmen für Richter (Abs. 1 lit. b) und übermittelt Stellungnahmen zu den Anforderungen an die Qualifikation (Abs. 1 lit. c).

Dem Beratenden Ausschuss gehören Patentrichter und auf dem Gebiet der Patentstreitigkeiten tätige Angehörige der Rechtsberufe mit höchster Qualifikation an, jeweils für eine Amtszeit von 6 Jahren. (Abs. 2).

In Abs. 3 wird klargestellt, dass die Mitglieder dieses Ausschusses völlig unabhängig und weisungsungebunden sind. Weiters muss die Vertretung eines jeden Vertragsmitgliedstaats gewährleistet sein.

Gemäß Abs. 5 wird der Vorsitz im Beratenden Ausschuss – wie im Haushalts- und Verwaltungsausschuss – aus seiner Mitte für eine Amtszeit von drei Jahren gewählt.

Zu Art. 15:

Art. 15 legt die Auswahlkriterien für die Ernennung der Richter des Gerichts fest.

Wie bereits in den Erläuterungen zu den Art. 8 und 9 ausgeführt, setzt sich das Gericht sowohl aus rechtlich, als auch technisch qualifizierten Richtern zusammen und war dies seit Anbeginn der Diskussionen über ein einheitliches Patentgerichtssystem ein allgemein unterstützter Ansatz. Nicht zuletzt aus der Erfahrung im Bereich der bisher national geführten Patentstreitigkeiten zeigt sich, dass die Beiziehung von technischem Sachverstand bei einem großen Teil der Verfahrensarten, wie etwa Nichtigkeitsverfahren, Feststellungsverfahren etc., essentiell ist.

In Abs. 1 des Art. 15 ist nun festgelegt, dass die Richter des Gerichts höchste fachliche Qualifikation und Erfahrung auf dem Gebiet der Patentstreitigkeiten aufweisen müssen. Um als rechtlich qualifizierter Richter tätig sein zu können, muss der Betroffene die für die Berufung in ein richterliches Amt in einem Vertragsmitgliedstaat erforderliche Qualifikation haben (Abs. 2).


 

 

Technisch qualifizierte Richter müssen über einen Hochschulabschluss und nachgewiesenen Sachverstand auf einem Gebiet der Technik sowie über nachgewiesene Kenntnisse des für Patentstreitigkeiten relevanten Zivil(verfahrens)rechts verfügen (Abs. 3).

Zu Art. 16:

In diesem Artikel wird der Rahmen für das Ernennungsverfahren von Richtern abgesteckt.

So erstellt zunächst der Beratende Ausschuss eine Liste der am besten geeigneten Kandidaten (Abs. 1). Auf Grundlage dieser Liste ernennt dann der Verwaltungsausschuss einvernehmlich die Richter (Abs. 2).

Zu Art. 17:

Im Einklang mit dem allgemein gültigen Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Weisungsungebundenheit wird dies auch betreffend die Richter sowie den Kanzler des Einheitlichen Patentgerichts in Abs. 1 festgehalten.

Die Abs. 2, 3 und 4 beschäftigen sich mit der Frage, ob bzw. gegebenenfalls in welchem Umfang die Ausübung einer anderen entgeltlichen oder unentgeltlichen Berufstätigkeit durch einen Richter zulässig ist.

So dürfen Vollzeitrichter des Patentgerichts (rechtlich oder technisch qualifizierte) grundsätzlich keine andere entgeltliche oder unentgeltliche Berufstätigkeit ausüben, wobei dadurch die Ausübung einer anderen richterlichen Tätigkeit auf nationaler Ebene nicht ausgeschlossen ist (Abs. 3).

Technisch qualifizierte Teilzeitrichter dürfen andere Aufgaben ausüben, sofern kein Interessenkonflikt besteht (Abs. 4) – widrigenfalls der Richter am Verfahren nicht teilnimmt (Abs. 5).

Zu Art. 18:

Um eine hohe Qualität der Arbeiten und ein hohes Niveau an rechtlichem und technischem Sachverstand zu gewährleisten, ist die Einrichtung eines Richterpools erforderlich. Dies wird in Art. 18 festgelegt.

Diesem Richterpool gehören alle rechtlich und alle technisch qualifizierten Vollzeit- und Teilzeitrichter des Gerichts erster Instanz an. Es muss für jedes Gebiet der Technik mindestens ein technisch qualifizierter Richter mit einschlägiger Qualifikation und Erfahrung im Pool vertreten sein. Die technisch qualifizierten Richter des Richterpools stehen auch dem Berufungsgericht zur Verfügung (Abs. 2).

Die Richter aus dem Richterpool werden - auf der Grundlage ihres jeweiligen rechtlichen oder technischen Sachverstands, ihrer Sprachkenntnisse und ihrer einschlägigen Erfahrung - vom Präsidenten des Gerichts erster Instanz der betreffenden Kammer zugewiesen (Abs. 3).

Zu Art. 19:

In diesem Artikel wird ein Schulungsrahmen für Richter abgesteckt, um den verfügbaren Sachverstand auf dem Gebiet der Patentstreitigkeiten zu verbessern und zu vermehren und eine geografisch breite Streuung dieser speziellen Kenntnisse und Erfahrungen sicherzustellen.

Abs. 2 legt die Schwerpunkt des Schulungsrahmens fest, insbesondere geht es um Praktika bei nationalen Patentgerichten oder Kammern mit hohem Aufkommen an Patentstreitigkeiten, Verbesserung der Sprachkenntnisse und technischer Aspekte sowie die Weitergabe von Kenntnissen und Erfahrungen betreffend das Zivil(verfahrens)recht zur Vorbereitung von Richteramtsbewerbern.

Zur Gewährleistung einer kontinuierlichen Schulung und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung werden regelmäßige Sitzungen aller Richter veranstaltet und die Entwicklungen im Patentrecht erörtert (Abs. 3).

Gemäß Abs. 1 befindet sich die Einrichtung für den Schulungsrahmen in Budapest.

Zu Art. 20:

Der EuGH nahm in dem Gutachten Nr. 1/09 zur Vereinbarkeit der Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems mit dem Unionsrecht Stellung. Der damals geprüfte Entwurf eines Übereinkommens entsprach aus mehreren Gründen nicht dem Unionsrecht. Die vom EuGH aufgeworfenen Kritikpunkte wurden im vorliegenden Übereinkommen insbesondere n den Art. 1 sowie 20 bis 23 berücksichtigt.

Im Gutachten Nr. 1/09 betonte der EuGH die grundlegenden Charakteristika des Unionsrechts - wie die Vorrangwirkung – (Rn. 65). Da das Einheitliche Patentgericht ein gemeinsames Gericht der beteiligten Vertragsmitgliedstaaten ist und im Anwendungsbereich des Übereinkommens an Stelle der nationalen Gerichte tritt, muss es auch deren Aufgabe zur Wahrung des Unionsrechts übernehmen (Rn. 68). Diese Anforderung des EuGH wurde nun explizit in das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht übernommen, um die Unionsrechtskonformität zu sichern.

Zu Art. 21:

Neben der Anwendung des Unionsrechts unter Beachtung der Vorrangwirkung stellte der EuGH in dem Gutachten Nr. 1/09 auch weitere Anforderungen an ein Einheitliches Patentgerichtssystem, damit dieses dem Unionsrecht entspricht. So wurde festgehalten, dass das in Art. 267 AEUV enthaltene Vorabentscheidungsverfahren, welches eine Kooperation zwischen EuGH und den nationalen Gerichten darstellt, wesentlich für die einheitliche Auslegung des Unionsrechts ist (Rn. 83). Der Gerichtshof und die nationalen Gerichte sind Teil des Gerichtssystems der Union, ihnen ist die einheitliche Auslegung und Anwendung des Unionsrechts übertragen. Befugnisse der nationalen Gerichte können daher nicht an ein internationales Gericht übertragen werden, das nicht in das unionale System der Vorabentscheidung eingebunden bzw. nicht voll an das Unionsrecht gebunden ist. Um die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts zu wahren, wird daher die Möglichkeit der Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV auch für das Einheitliche Patentgericht übernommen und klargestellt, dass Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union für das Gericht bindend sind.

Zu Art. 22:

Ein weiteres Charakteristikum des Unionsrechts ist der Grundsatz, dass ein Mitgliedstaat zum Ersatz der Schäden verpflichtet ist, die dem Einzelnen durch diesem Mitgliedstaat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen. Dies gilt unabhängig davon, welches Organ den Schaden verursacht hat; auch unionsrechtswidrige Entscheidungen der Justiz können daher diese Staatshaftung zur Folge haben (siehe Gutachten Nr. 1/09, Rn. 86). Dieser Grundsatz soll auch für das Patentgericht übernommen werden, damit der unionsrechtlich gewährte Rechtsschutz bei Schadenszufügung gewahrt bleibt. Die beteiligten Vertragsmitgliedstaaten haften somit gesamtschuldnerisch für Schäden, die durch Verstöße des Einheitlichen Patentgerichts gegen das Unionsrecht entstanden sind. Um die Zurechnung einer Entscheidung des Einheitlichen Patentgerichts zu einem Vertragsmitgliedstaat zu ermöglichen und die Einklagbarkeit von Schadenersatzforderungen zu erleichtern, wurde in Art. 22 Abs. 2 die internationale bzw. örtliche Zuständigkeit sowie in UAbs. 2 das anwendbare Recht geregelt. Dabei müssen die Bedingungen, die der EuGH für die Staatshaftung aufgestellt hat – so der vollständige Ersatz des Schadens – unabhängig vom Schadenersatzumfang des nationalen Rechts - jedenfalls berücksichtigt werden (EuGH, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93, Brasserie du Pecheur, Slg. 1996, I-1029, Rn. 85 ff.). Dies ist in Art. 22 Abs. 2, UAbs. 2 letzter Satz geregelt. Art. 22 Abs. 3 erhält eine Regressmöglichkeit für den Vertragsmitgliedstaat, der für die Schäden aufgekommen ist.

Zu Art. 23:

Um die effektive Durchsetzung des Unionsrechts zu gewährleisten, kann die Europäische Kommission oder ein anderer Mitgliedstaat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat einleiten (Art. 258, 259 AEUV). Wird ein EuGH-Urteil, das die Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats feststellt, nicht umgesetzt, droht zudem die Verhängung von Pauschalbetrag und/oder Zwangsgeld (Art. 260 AEUV). Entsprechend der Vorgabe des EuGH in seinem Gutachten Nr. 1/09, Rn. 87 ff. gilt, dass die Entscheidungen des Einheitlichen Patentgerichts ebenso anfechtbar sein sollten, um dem Unionsrecht zu entsprechen, da dieses Gericht die Befugnis zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts, insbesondere der Verordnungen zum einheitlichen Patent, besitzt. Daher wurde in Art. 23 eine entsprechende Möglichkeit geschaffen und auch die Zurechenbarkeit der Entscheidungen normiert, indem festgehalten wird, dass Handlungen des Gerichts jedem Vertragsmitgliedstaat einzeln und allen Vertragsmitgliedstaaten gemeinsam unmittelbar zuzurechnen sind.

Zu Art. 24:

Neben der vorrangigen Anwendung von Unionsrecht in vollem Umfang sowie diesem Übereinkommen hat das Gericht auch das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ), BGBl. Nr. 350/1979, sämtliche für Patente geltende und alle Vertragsmitgliedstaaten bindenden internationalen Übereinkünfte wie beispielsweise die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ), BGBl. Nr. 399/1973, das Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO-Abkommen), BGBl. Nr. 539/1995, oder etwa den Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT), BGBl. Nr. 348/1979, sowie nationales Recht anzuwenden (Abs. 1).

Abs.2 legt den Vorrang der anwendbaren Rechtsquellen fest, wobei nationales Recht zum internationalen Privatrecht – gegebenenfalls auch aus Nichtvertragsstaaten – nur in Ermangelung anderer vorrangiger Vorschriften zur Anwendung kommen kann.

Das Recht von Nichtvertragsstaaten gilt insbesondere in Bezug auf das Recht auf Verbot der Benutzung, die Beschränkung der Wirkungen, die Vorbenutzung, die Beweislast, Abhilfemaßnahmen, den Schadenersatz und die Verjährungsfrist.

Zu Art. 25 bis 27:

Die Wirkung des Patentes, sowohl hinsichtlich der unmittelbaren als auch der mittelbaren Benutzung der geschützten Erfindung, und der Beschränkung dieser Wirkung entsprechen Unionsrecht, internationalen Standards und auch österreichischem Recht.

Zu Art. 28 und 29:

Vorbenutzungsrechte und Besitzrechte, die in einem Vertragsmitgliedstaat an Erfindungen entstehen, gelten hinsichtlich dieses Staats auch hinsichtlich europäischer Patente mit gleichem Erfindungsgegenstand (Art. 28).

Im Art. 29 wird eindeutig festgestellt, unter welchen Umständen die Rechte aus einem europäischen Patent als erschöpft zu gelten haben.

Zu Art. 30:

Auf nationaler Ebene werden durch § 7 Schutzzertifikatsgesetz BGBl. I Nr. 11/1997 ergänzend zu den Bestimmungen von Verordnungen der Europäischen Union über die Schaffung ergänzender Schutzzertifikate auch die einschlägigen patentrechtlichen Bestimmungen als sinngemäß anwendbar erklärt. Auch im Bereich dieses Abkommens gewährt das ergänzende Schutzzertifikat die gleichen Rechte wie ein Patent und unterliegt den gleichen Beschränkungen und Verpflichtungen.

Zu Art. 31:

Dieser Artikel legt fest, wonach sich die internationale Zuständigkeit des Gerichts bestimmt, nämlich im Einklang mit der VO (EU) 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. Nr. L 351 vom 20.12.2012 S. 1 oder auf Grundlage des Lugano-Übereinkommens (Übereinkommen vom 30.10.2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen).

Zu Art. 32:

Eine der Grundideen eines vereinheitlichten Streitbeilegungssystems war es, eine Gerichtsbarkeit zu schaffen, die sowohl für bereits bestehende nach dem EPÜ erteilte Patente, als auch für EU-Patente (damals noch Gemeinschaftspatente genannt) alleinige Rechtsprechungsbefugnis besitzt. Derart wird die Möglichkeit einer unterschiedlichen Behandlung in der Rechtsprechung der verschiedenen Länder ausgeschlossen, die in der Praxis bisher zu Rechtsunsicherheit führte.

In Art. 32 werden nun all jene Klagsarten definiert, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts fallen. Zur Frage, welche Kammer des Gerichts für welche Klage zuständig ist, siehe Art. 33.

Das Gericht besitzt demnach gemäß Abs. 1 die ausschließliche Zuständigkeit für

           1) Klagen wegen (drohender) Verletzung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten (lit. a)

           2) Klagen auf Erlass von einstweiligen (Sicherungs-)Maßnahmen und Verfügungen (lit. c)

           3) Klagen auf Schadenersatz (lit. f)

           4) Klagen im Zusammenhang mit der Benutzung einer Erfindung vor der Erteilung eines Patents (lit. g)

           5) Klagen auf Zahlung einer Lizenzvergütung (lit. h)

           6) Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten (lit. b)

           7) Klagen auf Nichtigerklärung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten (lit. d)

           8) Widerklagen auf Nichtigerklärung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten (lit. e)

           9) Klagen gegen Entscheidungen, die das EPA in Ausübung der ihm durch die EU-Patent-Verordnung zugewiesenen Aufgaben getroffen hat (lit. i)

Als Auffangtatbestand für all jene Klagen, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts fallen, dient Abs. 2. Demnach sind für diese Klagen weiterhin die nationalen Gerichte der Vertragsmitgliedstaaten zuständig.

Zu Art. 33:

Diese Bestimmung legt die Zuteilung der Klagsarten auf die Kammern des Gerichts erster Instanz (lokale/regionale bzw. Zentralkammer) fest.

Demnach sind die in den Erläuterungen zu Art. 32 unter 1) bis 5) angeführten Klagen bei der Lokalkammer in dem Vertragsmitgliedstaat, in dessen Gebiet die Verletzung erfolgt ist bzw. bei der Regionalkammer, an der dieser Vertragsmitgliedstaat beteiligt ist, zu erheben. Subsidiär bei der Lokalkammer in dem Vertragsmitgliedstaat, in dessen Gebiet der Beklagte bzw. einer der Beklagten seinen Wohnsitz, Sitz seiner Hauptniederlassung oder seinen Geschäftssitz hat, oder bei der Regionalkammer, an der dieser Vertragsmitgliedstaat beteiligt ist (Abs. 1).

Hat ein Beklagter keinen Wohnsitz/Sitz der Hauptniederlassung/Geschäftssitz im Gebiet der Vertragsmitgliedstaaten, so ist die Klage bei der Lokal- oder Regionalkammer des Ortes der Verletzung oder bei der Zentralkammer zu erheben. Dieser Bestimmung liegt die Annahme zugrunde, dass es für Nutzer aus außereuropäischen Wirtschaftsräumen, wie etwa den USA oder Japan, stetig interessanter wird, Patentschutz in Europa zu erlangen.

Für den Fall, dass in einem Vertragsmitgliedstaat keine Lokalkammer errichtet wurde und dieser Vertragsmitgliedstaat auch nicht an einer Regionalkammer beteiligt ist, sind die Klagen generell bei der Zentralkammer zu erheben (Abs. 1 Unterabsatz 4). Es war zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Übereinkommens noch nicht klar, welcher Vertragsmitgliedstaat eine (oder mehrere) Lokalkammern bzw. welche Vertragsmitgliedstaaten gemeinsam eine Regionalkammer errichten werden. Auch in Österreich war zum Zeitpunkt der Unterzeichnung eine diesbezügliche Entscheidung noch nicht gefällt.

Abs. 2 und seine Unterabsätze regeln das Vorgehen im Falle mehrerer Klagen zwischen denselben Parteien oder betreffend dasselbe Patent sowie den Fall, dass eine Verletzung im Gebiet von mehreren Regionalkammern erfolgt ist.

Die Klagsarten, für die die Zentralkammer zuständig ist, legt Abs. 4 fest, und zwar sind dies die in den Erläuterungen zu Art. 32 unter 6) bis 9) angeführten Klagen.

In Abs. 3 wird das Vorgehen festgelegt, wenn im Fall einer Verletzungsklage eine Widerklage auf Nichtigerklärung erhoben wird. In diesem Fall kann die Lokal- bzw. Regionalkammer nach Anhörung der Parteien beschließen, sowohl die Verletzungsklage, als auch die Widerklage auf Nichtigerklärung – unter Beiziehung eines technisch qualifizierten Richters – zu verhandeln, oder die Widerklage auf Nichtigerklärung (unter Aussetzung oder Fortführung des Verletzungsverfahrens) an die Zentralkammer zu verweisen oder den gesamten Fall an die Zentralkammer zu verweisen. Dieselbe Wahlmöglichkeit hat eine Lokal- oder Regionalkammer auch dann, wenn eine Klage auf Nichtigerklärung bei der Zentralkammer bereits anhängig ist und zwischen denselben Parteien betreffend dasselbe Patent eine Verletzungsklage erhoben wird (Abs. 5).

Die von einigen Vertragsmitgliedstaaten im Zuge der Diskussionen stets als essentiell bezeichnete größtmögliche Wahlmöglichkeit für die Parteien findet in Abs. 7 ihren Niederschlag. Demnach können die Parteien in Bezug auf alle Klagen (mit Ausnahme von Klagen gegen Entscheidungen, die das EPA in Ausübung der ihm durch die EU-Patent-Verordnung zugewiesenen Aufgaben getroffen hat) übereinkommen, die Klage bei der Kammer ihrer Wahl, einschließlich der Zentralkammer, zu erheben.

Zu Art. 34:

Diese Bestimmung über den räumlichen Geltungsbereich von Entscheidungen hat ihren Ursprung darin, dass nicht alle vor dem Gericht verhandelten Verfahren Patente betreffen, deren Wirkung einheitlich ist. Daher legt Art. 34 fest, dass Entscheidungen betreffend ein Europäisches Patent (ohne einheitliche Wirkung) für das Hoheitsgebiet jener Vertragsmitgliedstaaten gelten, für die das Patent Wirkung hat.

Zu Art. 35:

Für Patentstreitigkeiten wird ein Mediations- und Schiedszentrum für Patentsachen mit Sitz in Ljubljana (Laibach) und Lissabon errichtet, mit dem Ziel eines Vergleichs zwischen beiden Streitparteien, der wie Entscheidungen und Anordnungen des Gerichts in allen Vertragsmitgliedstaaten vollstreckbar sein soll. Die Nichtigerklärung oder Beschränkung von Patenten obliegt allerdings nur dem Gericht.

Zu Art. 36 bis 39:

Die Art. 36 bis 39 betreffen den Haushalt und die Finanzierung des Gerichtes inklusive des Schulungsrahmens der Richter und der Einrichtung des Mediations- und Schiedszentrums.

Gemäß Art. 36 soll der Haushaltsplan des Gerichtes ausgeglichen sein, d.h. die anfallenden (Betriebs-) Kosten von den Einnahmen des Gerichtes gedeckt sein. Die Haupteinnahmequelle des Gerichtes sind Gerichtsgebühren, die ab einer gewissen Schwelle streitwertabhängig sein sollen. Die Gebühren werden laut Art. 36 vom Verwaltungsausschuss so zu bestimmen sein, dass eine Balance zwischen einer angemessenen Beteiligung der Parteien und dem fairen Zugang zum Recht besonders für finanziell schwache Personen und KMUs erreicht wird. Gezielte Unterstützungsmaßnahmen für KMUs und Kleinstunternehmen können in Betracht gezogen werden.

Art. 36 Abs. 4 sieht vor, dass die Vertragsmitgliedstaaten dem Gericht Finanzmittel zur Verfügung stellen, sofern es nicht aus seinen Eigenmitteln einen ausgeglichenen Haushalt erzielen kann.

In Art. 37 wird hierzu ausgeführt, dass die Vertragsmitgliedstaaten die Einrichtungen der lokalen bzw. regionalen Kammern zu Verfügung zu stellen haben, während die Betriebskosten vom Haushalt des Gerichtes gedeckt sein sollen.

Die ersten finanziellen Beiträge sind am Tage des Inkrafttretens von den Vertragsmitgliedstaaten zu entrichten. Art. 37 definiert einen Übergangszeitraum von sieben Jahren für die Anschubfinanzierung. Nach diesem Zeitraum soll die Eigenfinanzierung des Gerichtes gegeben sein, andernfalls weitere Beiträge fällig würden.

Der finanzielle Beitrag der Vertragsmitgliedstaaten bemisst sich nach der Zahl der gültigen europäischen Patente auf seinem Hoheitsgebiet zum Zeitpunkt des Inkrafttretens, bzw. Beitretens des Abkommens, sowie der jährlichen Anzahl streitverfangener europäischer Patente. Besonders letzteres ist für Österreich wegen der sehr geringen Anzahl strittiger Patente günstig.

Sollte nach sieben Jahren die Eigenfinanzierung nicht erreicht sein, richtet sich der weitere Beitrag nach dem Verteilerschlüssel der Jahresgebühren für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung.

Art. 38 und 39 halten fest, dass sowohl die Kosten des Schulungsrahmens der Richter als auch die Betriebskosten des Mediations- und Schiedszentrums vom Haushalt des Gerichtes finanziert werden.

Nach einem Modell der Europäischen Kommission beträgt der Anteil Österreichs 61.440 Euro im Jahr 2015 linear ansteigend auf 232.320 Euro im Jahr 2020.

Zu Art. 40:

Dieser Artikel bestimmt, dass die Einzelheiten der Organisation und Arbeitsweise des Gerichts in der Satzung geregelt werden, die dem Übereinkommen als Anhang 1 beigefügt ist.

In Abs. 2 wird festgelegt, unter welchen Umständen die Satzung geändert werden kann.

Zu Art. 41 bis 43:

In diesen Artikeln geht es um den Rahmen der Verfahrensordnung. Die Verfahrensordnung dient dazu, das Verfahren vor dem Gericht im Einzelnen zu regeln. Entsprechend hat ihre Anwendung und Auslegung in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen und dem Statut des Gerichts zu erfolgen. Dies bedeutet, dass im Falle eines Widerspruchs die Regelungen des Übereinkommens und des Statuts jenen der Verfahrensordnung vorgehen.

Die Verfahrensordnung soll gewährleisten, dass die Entscheidungen des Gerichts von höchster Qualität sind und die Verfahren in der effizientesten und kostengünstigsten Weise geführt werden. Angestrebt wird ein faires Gleichgewicht zwischen den Interessen der Parteien. Dabei sollen die Richter das erforderliche Maß an Beurteilungsspielraum haben, ohne dass die Vorhersehbarkeit der Verfahren beeinträchtigt wird (Art. 41 Abs. 3). Die Verfahren sollen auf eine ihrer Bedeutung und Komplexität angemessene Art und Weise durchgeführt werden. Dabei soll das Gericht gewährleisten, dass die im Übereinkommen vorgesehenen Vorschriften, Verfahren und Rechtsbehelfe auf faire und ausgewogene Weise angewandt werden und der Wettbewerb nicht verzerrt wird (Art. 42).

Die Verfahrensordnung gibt den Rahmen für die Fallbearbeitung vor, ohne jedoch das Recht der Parteien zu beeinträchtigen, Gegenstand und Beweismittel zu bestimmen (Art. 43).

Zu Art. 44 und 45:

Während Art. 44 den bestmöglichen Gebrauch von elektronischen Verfahren vorgibt, regelt Art. 45 den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen.

Zu Art. 46:

Diese Bestimmung regelt, wer Parteistellung vor dem Gericht haben kann, nämlich jede natürliche und juristische Personen sowie juristischen Personen gleichgestellte Gesellschaften, die auch nach dem jeweiligen nationalen Recht berechtigt sind, ein Verfahren anzustrengen.

Zu Art. 47:

Neben der Berechtigung des Patentinhabers, das Gericht anzurufen, regelt dieser Artikel auch, unter welchen Umständen der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz berechtigt ist, das Gericht anzurufen. Weiters regelt diese Bestimmung die Klageberichtung anderer von einem Patent betroffenen (natürlicher oder juristischer) Personen oder Vereinigungen.

Zu Art. 48:

Dieser Artikel regelt das Thema Vertretung vor dem Gericht und beinhaltet ein selbständiges Vertretungsrecht für Rechtsanwälte („Anwälte, die bei einem Gericht eines Vertragsmitgliedstaats zugelassen sind“) und unter gewissen Voraussetzungen auch für Patentanwälte. Diese müssen neben der Zulassung als Vertreter vor dem Europäischen Patentamt (EPA) zusätzlich bestimmte Qualifikationen aufweisen. Angedacht ist die Erlangung eines – noch zu schaffenden – „European Litigation Certificates“, also eines Zertifikates zur Führung europäischer Patentstreitverfahren (Abs. 2). Österreich hat die selbständige Vertretungsmöglichkeit auch für Patentanwälte stets unterstützt.

Abs. 7 bestimmt, dass eine Vertretung in Verfahren gegen Entscheidungen, die das EPA in Ausübung seiner Aufgaben getroffen hat, nicht erforderlich ist.

Zu Art. 49 bis 51:

In diesen Artikeln wird festgelegt, in welchen Sprachen die Verfahren vor dem Gericht erster Instanz (Art. 49) bzw. vor dem Berufungsgericht (Art. 50) zu führen sind.

In der Diskussion dazu stimmten die Vertragsmitgliedstaaten im Wesentlichen darin überein, dass ein eingeschränktes Verfahrensregime für die Parteien und den Verfahrensablauf am effizientesten und kostengünstigsten ist, wobei die drei Sprachen, in denen Patente beim EPA erteilt werden können (Deutsch, Englisch, Französisch), jedenfalls umfasst sein sollen. Die ursprüngliche Forderung der österreichischen Industrie, ein System der geringsten Kostenbelastung zu etablieren („English only“), war nicht mehrheitsfähig.

Als Grundsatz gilt daher – ungeachtet anderslautender, zulässiger Parteienvereinbarungen:

Verfahrenssprache vor einer Lokalkammer ist die (bzw. eine) Amtssprache des Vertragsmitgliedstaats, auf dessen Gebiet sich die Lokalkammer befindet (Art. 49).

Verfahrenssprache vor einer Regionalkammer ist die Amtssprache, die von den an der Kammer beteiligten Vertragsmitgliedstaaten bestimmt wird (Art. 49).

Verfahrenssprache vor der Zentralkammer ist die Sprache, in der das Patent erteilt wurde (Art. 49 Abs. 6).

Verfahrenssprache vor dem Berufungsgericht ist die Sprache, in der schon das Verfahren erster Instanz geführt wurde (Art. 50).

Art. 51 legt die Möglichkeit einer Verdolmetschung (Abs. 2) sowie des Verzichts auf Übersetzungen (Abs. 1) fest. Abs. 3 regelt die Voraussetzungen für den Anspruch eines Beklagten auf Übersetzung der relevanten Dokumente.

Zu Art. 52:

Das Verfahren vor dem Gericht besteht gemäß Abs. 1 aus dem schriftlichen Verfahren, dem Zwischenverfahren und dem mündlichen Verfahren, wobei das Gericht – mit Zustimmung der Parteien – auch ohne mündliche Anhörung entscheiden kann (Abs. 3). Im Rahmen des Zwischenverfahrens prüft der als Berichterstatter tätige Richter die Möglichkeit eines Vergleichs, gegebenenfalls im Wege einer Mediation oder eines Schiedsverfahrens (Abs. 2).

Zu Art. 53:

Art. 53 enthält eine nicht abschließende Aufzählung der zulässigen Beweismittel.

Zu Art. 54 und 55:

Diese Artikel regeln die Beweislast bzw. Umkehr der Beweislast. So ist grundsätzlich derjenige für Tatsachen beweispflichtig, der sich auf diese Tatsachen beruft (Art. 54), außer, wenn Streitgegenstand ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses ist, bei dem bis zum Beweis des Gegenteils jedes identische Erzeugnis als nach dem patentierten Verfahren hergestellt gilt (Art. 55 Abs. 1).

Zu Art. 56:

In dieser Bestimmung werden die allgemeinen Befugnisse des Gerichts dargelegt, wie etwa die Anordnung von Verfahren und (Abhilfe-)Maßnahmen, auch mit der Möglichkeit, die Anordnungen von Bedingungen abhängig zu machen (Abs. 1). Das Gericht hat dabei jedoch die Interessen der Parteien zu berücksichtigen und den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren (Abs. 2).

Zu Art. 57:

Art. 57 regelt den Rahmen für die Beiziehung von Gerichtssachverständigen. Diese Sachverständigen werden aus einem vom Gericht zu erstellenden, nicht verbindlichen Verzeichnis ausgewählt (Abs. 2) und müssen Gewähr für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bieten (Abs. 3).

Zu Art. 58:

In dieser Bestimmung wird der Schutz vertraulicher Informationen wie Geschäftsgeheimnissen oder personenbezogener Daten festgelegt.

Zu Art. 59:

Gemäß dieser Bestimmung kommt die Anordnung einer Beweisvorlage auf Antrag einer Partei in Betracht, wenn diese Partei alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt und die in der Verfügungsgewalt der gegnerischen oder einer dritten Partei befindlichen Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche bezeichnet hat. Eine solche Anordnung darf insbesondere nicht dazu führen, dass sich die andere oder die dritte Partei selbst belastet (Abs. 1).

Entsprechend den Voraussetzungen für die Anordnung einer Beweisvorlage kann auf Antrag einer Partei auch die Übermittlung von in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befindlichen Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen angeordnet werden (Abs. 2).

Zu Art. 60:

Die Maßnahmen der Anordnung der Beweissicherung und der Inspektion von Räumlichkeiten kann das Gericht gemäß dieser Bestimmung auf Ansuchen des Antragstellers selbst vor Verfahrenseinleitung vornehmen, sofern der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet ist (Abs. 1).

Die Entscheidung kann die Sicherung von Beweis durch eine ausführliche Beschreibung mit oder ohne Einbehaltung von Mustern oder die dingliche Beschlagnahmung der (mutmaßlich) patentverletzenden Erzeugnisse sowie gegebenenfalls der für die Herstellung und/oder den Vertrieb notwendigen Werkstoffe und Geräte und der zugehörigen Unterlagen umfassen (Abs. 2).

Auch die Besichtigung durch eine vom Gericht bestellte Person, etwa durch einen vom Gericht ernannten Sachverständigen, kann angeordnet werden (Abs. 3). Zum Schutz vertraulicher Informationen ist der Antragsteller bei der Inspektion der Räumlichkeiten nicht zugegen, kann sich aber von einem unabhängigen Fachmann – etwa seinem Patent- oder Rechtsanwalt – vertreten lassen (Abs. 4).

Nötigenfalls werden die Maßnahmen ohne Anhörung der anderen Partei angeordnet (Abs. 5).

Zu Art. 61:

Gemäß dieser Bestimmung kann das Gericht auf Ansuchen des Antragstellers einer Partei untersagen, Vermögensgegenstände aus ihrem Zuständigkeitsbereich zu verbringen oder über diese zu verfügen.

Zu Art. 62:

Dieser Artikel regelt die Möglichkeit des Gerichts zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen. In diesem Zusammenhang kann das Gericht auch Zwangsgelder androhen (Abs. 1) oder eine vorsorgliche Beschlagnahme oder einer Sperre der Bankkonten anordnen (Abs. 3).

Zu Art. 63:

In dieser Bestimmung ist die Möglichkeit des Gerichts zum Erlass endgültiger Verfügungen enthalten, wenn eine Patentverletzung festgestellt wird.

Zu Art. 64:

Dieser Artikel regelt die Möglichkeit des Gerichts zur Anordnung von Abhilfemaßnahmen im Rahmen von Verletzungsverfahren. Eine nicht abschließende Aufzählung solcher Maßnahmen enthält Abs. 2.

Zu Art. 65:

In dieser Bestimmung wird festgehalten, dass das Gericht aufgrund einer Klage oder einer Widerklage auf Nichtigkeit ein Patent ausschließlich aus den in den Art. 138 Abs. 1 und 139 Abs. 2 EPÜ genannten Gründen ganz oder teilweise für nichtig erklären kann.

Im Falle einer Nichtigerklärung gelten die in den Art. 64 und 67 EPÜ genannten Wirkungen als von Anfang an nicht eingetreten (Abs. 4).

Zu Art. 66:

Gemäß dieser Bestimmung kann das Gericht bei Klagen gegen Entscheidungen, die das EPA in Ausübung der ihm übertragenen Aufgaben getroffen hat, ebendiese Befugnisse ausüben, die dem EPA übertragen wurden. Diese Befugnisse sind in Art. 9 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes, ABl. Nr. L 361 vom 31.12.2012 S. 1 (im Folgenden: EU-Patent-Verordnung) festgelegt.

Zu Art. 67:

Dieser Artikel regelt die Befugnis des Gerichts, die Erteilung von Auskünften zu bestimmten, prozessrelevanten Fragen anzuordnen.

Zu Art. 68:

In diesem Artikel ist die Zuerkennung und Festsetzung von Schadenersatz geregelt, die jedoch laut Abs. 2 ausdrücklich keinen Strafcharakter hat.

Zu Art. 69:

Art. 69 regelt die Tragung der Kosten des Rechtsstreits. Der Grundsatz in Abs. 1, wonach die unterlegene Partei der obsiegenden Partei die Kosten zu ersetzen hat, wurde in der Abschlussphase der Entstehung des Übereinkommens dahingehend modifiziert, dass eine Obergrenze für die Kostenerstattung eingeführt wurde, die in der Verfahrensordnung festzusetzen ist. Dies entspricht einem zentralen Anliegen (u.a. auch des Europäischen Parlaments im Zuge der Verhandlungen zum EU-Patent), finanzschwächere Parteien, etwa KMUs, nicht über Gebühr zu belasten.

Zu Art. 70 und 71:

Art. 70 enthält die grundlegende Bestimmung, dass die Verfahrensparteien Gerichtsgebühren – im Voraus - zu entrichten haben.

Art. 71 regelt die Möglichkeit der Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Partei, die eine natürliche Person und außerstande ist, die Kosten des Verfahrens (ganz oder teilweise) zu bestreiten.

Zu Art. 72:

Dieser Artikel enthält für Klagen im Zusammenhang mit finanziellen Entschädigungen eine Verjährungsfrist von 5 Jahren nach Kenntnis (bzw. Kennenmüssens) des Antragstellers vom letzten Ereignis, das Veranlassung zur Klage bietet.

Zu Art. 73:

Art. 73 regelt Rahmen und Fristen für die Einlegung der Berufung.

Gemäß Abs. 4 besteht im Berufungsverfahren Neuerungsverbot.

Zu Art. 74:

Diese Bestimmung regelt, unter welchen Umständen die Berufung aufschiebende (Abs. 2) oder nicht aufschiebende (Abs. 1) Wirkung hat.

Zu Art. 75:

Gemäß Abs. 1 kann das Berufungsgericht eine Endentscheidung fällen oder die Sache an das Gericht erster Instanz zurückverweisen. Im Falle einer Zurückverweisung ist das Gericht erster Instanz an die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts gebunden (Abs. 2).

Zu Art. 76:

Diese Bestimmung besagt, dass sich das Gericht bei seinen Entscheidungen im Rahmen des Beantragten zu halten hat (Abs. 1), Sachentscheidungen nur auf Gründe, Tatsachen und Beweise gestützt werden dürfen, zu denen die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme hatten (Abs. 2) und die Beweiswürdigung frei und unabhängig ist (Abs. 3).

Zu Art. 77:

Art. 77 regelt die Formerfordernisse für Entscheidungen und Anordnungen des Gerichts, die demnach schriftlich, begründet und in der Verfahrenssprache abgefasst sein müssen.

Zu Art. 78:

Der Spruchkörper trifft gemäß Abs. 1 seine Entscheidungen mit Mehrheit, wobei bei Stimmengleichheit die Stimme des vorsitzenden Richters ausschlaggebend ist.

Abweichende Meinungen können gemäß Abs. 2 in Ausnahmefällen getrennt zum Ausdruck gebracht werden.

Zu Art. 79:

Gemäß dieser Bestimmung ist ein Vergleich zwischen den Parteien im Laufe des Verfahrens jederzeit möglich. Durch einen Vergleich kann jedoch ein Patent weder für nichtig erklärt noch beschränkt werden.

Zu Art. 80:

Eine Bekanntmachung der Entscheidung sowie eine Veröffentlichung der Entscheidung in den Medien kann das Gericht gemäß dieser Bestimmung auf Antrag des Antragstellers und auf Kosten des Verletzers anordnen.

Zu Art. 81:

In Abs. 1 ist die Möglichkeit des Berufungsgerichts auf ausnahmsweise Wiederaufnahme des Verfahrens sowie die Gründe dafür geregelt.

Abs. 2 regelt die subjektive und objektive Frist für die Wiederaufnahme, die grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat.

Abs. 4 schützt die gutgläubigen Benutzer eines Patents, das Gegenstand der Überprüfung ist. Diese Personen dürfen das Patent auch weiterhin nutzen.

Zu Art. 82:

Gemäß Art. 82 sind die Entscheidungen und Anordnungen des Gerichts in allen Vertragsmitgliedsstaaten unmittelbar vollstreckbar (Abs. 1), wobei das Vollstreckungsverfahren dem Recht des Vertragsmitgliedstaates unterliegt, in dem die Vollstreckung erfolgt (Abs. 3).

Abs. 4 sieht die Möglichkeit der Anordnung von Zwangsgeldern vor.

Zu Art. 83:

Die in Abs. 1 enthaltene „opt-out“-Möglichkeit, also die Möglichkeit, während einer Übergangszeit von sieben Jahren ab Inkrafttreten, Klagen auf Verletzung bzw. Nichtigkeit betreffend europäische Patente bzw. dazugehörige Schutzzertifikate weiterhin bei den bisher rechtsprechungsbefugten nationalen Stellen einzubringen, hat für kontroverse Meinungen gesorgt. So waren einige Vertragsmitgliedstaaten der Meinung, die opt-out-Möglichkeit untergrabe den zentralisierenden Charakter des Gerichts; andere Vertragsmitgliedstaaten wiederum begrüßten diese Möglichkeit mit dem Argument, sie würde einen sanften Umstieg auf das neue System ermöglichen.

Dasselbe gilt für die in Abs. 3 enthaltene Möglichkeit, die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts für europäische Patente bzw. dazugehörige Schutzzertifikate, die vor Ablauf der siebenjährigen Übergangszeit erteilt oder beantragt wurden, auszuschließen. Ein Rücktritt von diesem Ausschluss ist möglich (Abs. 4). Während einerseits Argumente für einen solchen Ausschluss vorgebracht wurden, wie etwa die Wahrung von Flexibilität für Rechtsuchende, die für ihre bestehenden Patente weiterhin gewohnte Wege einschlagen wollen, sahen andere Vertragsmitgliedstaaten wiederum ein Unterlaufen der ursprünglich intendierten Exklusivität des Gerichts.

Als Kompromisslösung wurde schließlich in Abs. 5 festgelegt, dass 5 Jahre nach Inkrafttreten eine Nutzerkonsultation durchzuführen und somit zu erheben ist, wie viele Rechtsuchende aus welchen Gründen weiterhin die nationalen Wege beschreiten und welche Auswirkungen damit verbunden sind. Je nach Ausgang der Konsultation kann die Übergangsfrist sogar verlängert werden.

Zu Art. 84:

Diese Bestimmung regelt die Unterzeichnung sowie die Vorgangsweise bei Ratifikation des Übereinkommens, das allen Mitgliedstaaten zum Beitritt offen steht (Abs. 4).

Zu Art. 85:

Art. 85 regelt die Aufgaben des Verwahrers. Verwahrer ist das Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union (siehe Art. 84 Abs. 2).

Zu Art. 86:

Dieser Artikel statuiert die unbegrenzte Geltungsdauer des Übereinkommens.

Zu Art. 87:

Diese Bestimmung sieht vor, dass entweder nach sieben Jahren ab Inkrafttreten oder sobald 2000 Verletzungsverfahren (Nichtigkeitsverfahren bleiben hierfür unberücksichtigt) entschieden wurden, eine (mögliche) Revision auf Grundlage einer Nutzerkonsultation durchgeführt wird, die insbesondere den Aspekten Arbeitsweise, Effizienz, Kostenwirksamkeit oder Vertrauen der Nutzer in die Qualität der Entscheidungen gewidmet ist. Sofern erforderlich, ist eine solche Konsultation daraufhin in regelmäßigen Abständen durchzuführen.

Abs. 3 sieht die Möglichkeit eines Vertragsmitgliedstaats vor, zu erklären, von einem dieses Übereinkommen abändernden Beschluss nicht gebunden sein zu wollen, was eine Überprüfungskonferenz der Vertragsmitgliedstaaten auslöst.

Zu Art. 88:

Abs. 1 legt fest, dass das Übereinkommen in einer Urschrift in deutscher, englischer und französischer Sprache abgefasst ist, die alle gleichermaßen verbindlich sind.

In andere Amtssprachen erstellte Übersetzungen müssen gem. Abs. 2 erst vom Verwaltungsausschuss genehmigt werden, um als amtliche Fassungen angesehen zu werden.

Zu Art. 89:

Art. 89 regelt das Inkrafttreten.

Gemäß Abs. 1 tritt das Übereinkommen in Kraft entweder

             - am 1. Jänner 2014 oder

             - am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der 13. Ratifizierungsurkunde - darunter müssen Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich als jene Vertragsmitgliedstaaten mit den meisten geltenden europäischen Patenten sein oder

             - am ersten Tag des vierten Monats nach Inkrafttreten der Bezug habenden Änderungen der europäischen Vollstreckungstitel-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012),

je nachdem, welcher dieser drei Zeitpunkte der späteste ist.

Abs. 2 besagt, dass jede Ratifikation bzw. jeder Beitritt nach Inkrafttreten des Übereinkommens am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der jeweiligen Ratifikations- oder Beitrittsurkunde wirksam wird.


Anhang I – Satzung des Einheitlichen Patentgerichts

Zu Anhang I Art. 1:

Diese Bestimmung regelt den Geltungsbereich der Satzung. Demgemäß enthält die Satzung institutionelle und finanzielle Regelungen für das Gericht.

Zu Anhang I Art. 2:

Art. 2 legt Auswahlkriterien für die Richter fest. Neben den in Art. 15 des Übereinkommens angeführten Qualifikationen müssen Richter insbesondere Staatsangehörige eines Vertragsmitgliedstaats sein (Abs. 1) und mindestens eine Amtssprache des EPA gut beherrschen (Abs. 2).

Zu Anhang I Art. 3:

Dieser Artikel gibt den Rahmen für die Ernennung der Richter vor. So erfolgt zunächst eine öffentliche Ausschreibung offener Stellen. Der Beratende Ausschuss gibt dann eine Stellungnahme mitsamt einer Liste der geeignetsten Bewerber ab. Die Ernennung erfolgt dann durch den Verwaltungsausschuss, der das Niveau an rechtlichem und technischem Sachverstand sowie eine möglichst breite geografische Streuung berücksichtigt. Gemäß Abs. 5 obliegt auch die Ernennung zu Vollzeit- oder Teilzeitrichtern dem Beschluss des Verwaltungsausschusses.

Zu Anhang I Art. 4:

Gemäß dieser Bestimmung beträgt die Amtszeit eines Richters sechs Jahre. Wiederernennung ist zulässig.

Zu Anhang I Art. 5:

Art. 5 besagt, dass jeder Vertragsmitgliedstaat ein Mitglied des Beratenden Ausschusses vorschlägt, das vom Verwaltungsausschuss im gegenseitigen Einvernehmen ernannt wird.

Zu Anhang I Art. 6:

Dieser Artikel regelt das Leisten des Amtseids, der die Richter verpflichtet, unparteiisch und gewissenhaft ihr Amt auszuüben und das Beratungsgeheimnis zu wahren.

Zu Anhang I Art. 7:

In dieser Bestimmung wird das Erfordernis der Unparteilichkeit der Richter festgelegt und geregelt, unter welchen Umständen ein Richter nicht an Verhandlungen teilnehmen darf (Abs. 2). Abs. 3 regelt die Vorgehensweise, wenn ein Richter selbst der Auffassung ist, nicht mitwirken zu können, während Abs. 4 die Möglichkeit der Ablehnung eines Richters durch eine Prozesspartei wegen begründeter Besorgnis der Befangenheit enthält.

Zu Anhang I Art. 8:

Gemäß Art. 8 der Satzung sind die Richter immun, also keiner Gerichtsbarkeit unterworfen, und zwar bezüglich der Handlungen, die sie im Zusammenhang mit ihrer amtlichen Eigenschaft vorgenommen haben, auch dann, wenn sie keine Amtstätigkeit mehr ausüben.

Das Präsidium kann die Immunität aufheben (Abs. 2) und ein danach allenfalls eingeleitetes Strafverfahren gegen einen Richter hat vor dem jeweils zuständigen nationalen Gericht zu erfolgen, das für Verfahren gegen Richter der höchsten nationalen Gerichte zuständig ist (Abs. 3).

Gemäß Abs. 4 sind die Bestimmungen des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union auf die Richter des Gerichts anwendbar.

Zu Anhang I Art. 9:

Art. 9 regelt das Ende der Amtszeit. So endet das Amt – abgesehen von einer Neubesetzung nach Ablauf der Amtszeit oder einem Todesfall – durch Rücktritt des Richters.

Die Abs. 2 bis 4 regeln das Prozedere im Falle eines Rücktritts.

Zu Anhang I Art. 10:

Diese Bestimmung regelt die Vorgehensweise bei der Entlassung eines Richters aus dem Amt.

Zu Anhang I Art. 11:

Ergänzend zu Art. 19 des Übereinkommens enthält diese Bestimmung Regelungen betreffend den Schulungsrahmen.

Gemäß Abs. 3 werden jährlich ein Arbeitsprogramm und Schulungsleitlinien erstellt, die für jeden Richter einen jährlichen Schulungsplan enthalten.

Zu Anhang I Art. 12:

Art. 12 legt fest, dass der Verwaltungsausschuss die Vergütung der Präsidenten des Berufungsgerichtes und des Gerichtes erster Instanz, sowie der Richter, des Kanzlers, des Hilfskanzlers und des Personals festlegt.

Zu Anhang I Art. 13:

Diese Bestimmung enthält Regelungen betreffend den Präsidenten des Berufungsgerichts. Dieser wird von allen Richtern des Berufungsgerichts aus ihrer Mitte für eine Amtszeit von drei Jahren gewählt, wobei zweimalige Wiederwahl zulässig ist (Abs. 1).

Abs. 2 regelt den Wahlvorgang; Abs. 3 regelt die Aufgaben des Präsidenten des Berufungsgerichts.

Zu Anhang I Art. 14:

Diese Bestimmung enthält Regelungen betreffend den Präsidenten des Gerichts erster Instanz. Dieser wird von allen Vollzeitrichtern des Gerichts erster Instanz aus ihrer Mitte für eine Amtszeit von drei Jahren gewählt, wobei zweimalige Wiederwahl zulässig ist (Abs. 1).

Gemäß Abs. 2 ist der erste Präsident des Gerichts erster Instanz Staatsangehöriger des Vertragsmitgliedstaats, in dessen Gebiet die Zentralkammer ihren Sitz hat.

Zu Anhang I Art. 15:

Dieser Artikel regelt Zusammensetzung (Abs. 1), Aufgaben (Abs. 2 und 3) und Beschlussfähigkeit sowie Mehrheitserfordernisse (Abs. 4 und 5) des Präsidiums.

Zu Anhang I Art. 16:

In diesem Artikel wird festgehalten, dass das Personal – also die Beamten und sonstigen Bediensteten des Gerichts – unterstützungspflichtig sind.

Zu Anhang I Art. 17:

Diese Bestimmung behandelt Festlegung und Regelung der Gerichtsferien.

Gemäß Abs. 3 können der Präsident des Berufungsgerichts bzw. der Präsident des Gerichts erster Instanz den Richtern in begründeten Fällen Urlaub gewähren.

Zu Anhang I Art. 18:

Art. 18 befasst sich mit der Einrichtung und Auflösung von Lokal- oder Regionalkammern. Einer Errichtung einer Lokal- oder Regionalkammer hat demgemäß ein Antrag an den Verwaltungsausschuss voranzugehen (dieser Antrag hat anzugeben, wo die Kammer angesiedelt werden soll), der dann mit Beschluss die Anzahl der an die betreffende Kammer zu berufenden Richter angibt (Abs. 1 und 2).

Ebenso obliegt dem Verwaltungsausschuss der Beschluss über die Auflösung einer Lokal- oder Regionalkammer (Abs. 3). Die an die betreffende Kammer berufenen Richter sowie die dort noch anhängigen Fälle werden auf die Zentralkammer übertragen (Abs. 4).

Zu Anhang I Art. 19:

Die Zuweisung von Richtern sowie die Fallzuweisung innerhalb einer Kammer an ihre Spruchkörper obliegen genauso der Verfahrensordnung wie etwa die Bestimmung eines ständigen Richters für jede Kammer zur Entscheidung in dringenden Rechtsstreitigkeiten.

Zu Anhang I Art. 20:

Diese Bestimmung befasst sich mit dem Richterpool, etwa mit der Erstellung einer Liste der dem Richterpool angehörenden Richter, in der von jedem Richter Name, Sprachkenntnisse, technisches Fachgebiet und Erfahrung angeführt ist.

Zu Anhang I Art. 21:

Art. 21 enthält Regelungen betreffend die Spruchkörper des Berufungsgerichts.

Zu Anhang I Art. 22 bis 25:

Die Art. 22 bis 25 betreffen die Kanzlei.

Art. 22 regelt Ernennung und Entlassung des Kanzlers, während Art. 23 eine nicht abschließende Aufzählung der Aufgaben des Kanzlers enthält. Die Aufgabe der Registerführung wird in Art. 24 präzisiert.

Art. 25 regelt Ernennung und Verantwortlichkeit eines Hilfskanzlers.

Zu Anhang I Art. 26:

Art. 26 befasst sich mit der Erstellung des Haushaltsplanes. Dieser wird vom Haushaltsausschuss auf Vorschlag des Präsidenten nach Maßgabe des Art. 33 aufgestellt. Das Präsidium kann gemäß der Finanzordnung innerhalb des Haushaltsplanes Mittelübertragungen zwischen den einzelnen Kapiteln oder Unterkapiteln vornehmen. Für die Ausführung des Haushaltsplanes ist der Kanzler verantwortlich. Die vom Kanzler jährlich vorzulegende Haushaltsrechnung ist vom Präsidium zu genehmigen.

Zu Anhang I Art. 27:

Art. 27 regelt die Genehmigung von Ausgaben. Sofern in der Finanzordnung nicht anders bestimmt, werden diese für den Rechnungslegungszeitraum (ein Jahr vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember gemäß Anhang I Art. 29) genehmigt. Es dürfen nicht verwendete Mittel für Personalausgaben nicht über diesen Zeitraum übertragen werden. Die Mittel werden auf die verschiedenen Kapitel aufgeteilt und sofern erforderlich weiter unterteilt.

Zu Anhang I Art. 28:

Gemäß Art. 28 können nach Zustimmung des Haushaltsausschusses Mittel für unvorhergesehene Ausgaben veranschlagt werden.

Zu Anhang I Art. 29 und 30:

Art. 29 bestimmt den Rechnungslegungszeitraum, Art. 30 bestimmt, dass der Präsident dem Haushaltsausschuss den Haushaltsplanentwurf spätestens zum in der Finanzordnung bestimmten Termin vorzulegen hat.

Zu Anhang I Art. 31:

Art. 31 regelt die Fortschreibung des bisherigen Haushaltsplanes (pro Monat je ein Zwölftel des Jahresbudgets) für den Fall, dass ein gültiger Haushaltsplan zu Beginn des Rechnungszeitraums noch nicht vorliegt. Gegebenenfalls können darüber hinausgehende Mittel unter Beachtung der sonstigen Vorschriften vom Haushaltsausschuss bewilligt werden.

Zu Anhang I Art. 32:

Art. 32 regelt, dass der Präsident dem Haushaltsausschuss einen von unabhängigen Rechnungsprüfern erstellten Jahresabschluss vorzulegen hat, den dieser zu genehmigen hat, um dem Präsidium die Entlastung zu erteilen.

Zu Anhang I Art. 33:

Art. 33 sieht vor, dass die Finanzordnung vom Verwaltungsausschuss zu erlassen ist.

Die Finanzordnung regelt u.a. die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplanes, der Rechnungslegung und der Rechnungsprüfung, die Zurverfügungstellung der Mittel gemäß Art. 37 (Anschubfinanzierung) sowie das Verfahren hinsichtlich der Zahlungen und Beiträge, die Verantwortung der Anweisungsbefugten, Aufsichtsmaßnahmen und die allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätze.

Zu Anhang I Art. 34:

Art. 34 legt fest, dass die Beratungen des Gerichts geheim sind und bleiben.

Zu Anhang I Art. 35:

Dieser Artikel regelt die Mehrheitserfordernisse innerhalb der Spruchkörper beim Treffen von Entscheidungen.

Zu Anhang I Art. 36:

Ergänzend zu Art. 78 des Übereinkommens enthält diese Bestimmung Regelungen im Falle von abweichenden Meinungen.

Zu Anhang I Art. 37:

Diese Bestimmung regelt das Vorgehen sowie die Voraussetzungen für Versäumnisentscheidungen.

Zu Anhang I Art. 38:

In dieser Bestimmung wird klargestellt, dass das Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) berechtigt ist, und zwar unter Wahrung der vom EuGH für Vorabentscheidungsersuchen innerhalb der EU eingerichteten Verfahren (Abs. 1).

Dies steht im Einklang mit dem Gutachten des EuGH Nr. 1/09 vom 8. März 2011. Die Möglichkeit der Vorabentscheidung wie bei nationalen Gerichten ist damit gewahrt; funktionell handelt das Gericht wie ein ordentliches Unionsgericht.

Die Befassung des EuGH bewirkt, dass das Gericht erster Instanz oder das Berufungsgericht sein Verfahren aussetzt (Abs. 2).

Zu Anhang II:

Anhang II regelt die Verteilung von Rechtsstreitigkeiten innerhalb der Zentralkammer, die durch die Dreiteilung des Sitzes der Zentralkammer auf die Standorte Paris, München und London notwendig wurde.

Die Einteilung in acht Sektionen technischer Fachbereiche beruht auf der Internationalen Patentklassifikation der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO).