2456 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend die Rechtspraxis des Ermittlungsverfahrens nach der Strafprozessreform aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 5. November 2009, 53/E XXIV. GP (III-272 der Beilagen)

Mit der Vorlage des Evaluierungsberichts zur Umsetzung des Strafprozessreformgesetzes (III-272 d.B) entspricht Justizministerin Beatrix Karl einer Entschließung des Nationalrats, in der um eine eingehende Analyse der Auswirkungen der Reform des strafgerichtlichen Ermittlungsverfahrens ersucht wurde. Die Evaluierung erfolgte sowohl in Form einer quantitativen und qualitativen Analyse als auch einer Untersuchung des rechtswissenschaftlichen Meinungsstandes („Die Rechtspraxis des Ermittlungsverfahrens nach der Strafprozessreform – Eine tatsächliche Untersuchung“, Birklbauer, Stangl, Soyer et al; Schriftenreihe des Bundesministeriums für Justiz – Band 149).

Kern der Strafprozessreform ist die Ablöse des Untersuchungsrichtermodells durch ein einheitliches Ermittlungsverfahren, das unter Leitung der Staatsanwaltschaft in Kooperation mit der Kriminalpolizei geführt wird. Eine diesbezügliche Veränderung war notwendig geworden, da das aus dem 19. Jahrhundert stammende Konzept des direkten Einschreitens des Untersuchungsrichters gescheitert war (tatsächlich wurde dieses niemals in der Intention des historischen Gesetzgebers realisiert).

Obgleich die Judikatur bald zu einem weiten Beweisbegriff fand und damit sämtliche Ermittlungen der Sicherheitsbehörden als Beweis im Strafverfahren zuließ, blieb ein "unerträgliches Regelungsdefizit" zurück: Die Art und Weise der Beweisermittlungen durch die Polizei wurden vor dem Hintergrund der Tatsache, dass diese Vorerhebungen kein Strafverfahren darstellen sollten, keiner gesetzlichen Regelung zugeführt. Dementsprechend waren in diesem Verfahrensstadium bis zur Reform im Jahre 2008 auch keine Verteidigungsrechte für Verdächtigte vorgesehen.

Mit der Strafprozessreform, die am 1.1.2008 in Kraft trat, schuf der Gesetzgeber nicht nur ein einheitliches Ermittlungsverfahren unter Leitung der Staatsanwaltschaft, sondern sorgte auch für eine klare Aufgabenverteilung zwischen Staatsanwaltschaft, Kriminalpolizei und Gerichten. Mit der Übertragung der Ermittlungsaufgabe an die Exekutive, der nun auch zeitgemäße Befugnisse zur Erfüllung dieser Aufgabe zur Verfügung stehen, trug man außerdem der Ermittlungsrealität Rechnung. Es erfolgte weiters eine Stärkung der rechtlichen Kompetenz der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die Steuerung von Ermittlungen sowie die Ausrichtung hinsichtlich des Verfahrensziels.

Zentrale Rechtsschutzaufgaben blieben auch nach Reform des Strafprozesses bei den Gerichten. Die Verteidigungsrechte wurden außerdem durch Schaffung des „materiellen Beschuldigtenbegriffs“ ausgebaut, der die Rechte ab dem Ermittlungsstadium wegen eines Verdachts zuspricht. Das Opfer einer Straftat erfuhr im Zuge der Reform eine Aufwertung zum Subjekt des Verfahrens mit eigenständigen Verfahrensrechten.

Wesentliche Ergebnisse der quantitativen Analyse:

Nimmt man die durch die Reform der Staatsanwaltschaft eingeräumte Leitungskompetenz ernst, muss die Staatsanwaltschaft, um diese Aufgabe entsprechend wahrnehmen zu können, von Straftaten, die Gegenstand eines strafprozessualen Ermittlungsverfahrens sind, auch Kenntnis erlangen. Daher bestehen für die Kriminalpolizei gewisse Berichtspflichten, die mit der Schwere der vorgeworfenen Tat korrelieren. In der Realität erfolgt die Berichterstattung jedoch relativ selten. So wurde bei den strafbaren Handlungen, deren Aburteilung den Landesgerichten obliegt, in 80% der Fälle keine Anlassberichterstattung verzeichnet, sodass der Staatsanwaltschaft die "Anzeige" erst im Abschlussbericht zur Kenntnis gebracht wurde. Dieser Umstand legt nahe, dass bis dahin für die StA keine Möglichkeit bestand, in das Verfahren gestaltend einzugreifen. Relativiert wird dieser Befund allein dadurch, dass diesbezügliche Informationen auch durch persönliche und telefonische Kontakte weitergegeben werden können: Geht man von einem derart weit gefassten Kommunikationsbegriff aus, gelangt man zum Ergebnis, dass in knapp 58 % dieser Fälle keine Kommunikation zwischen Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei bis zum Abschlussbericht stattfand. Bei den strafbaren Handlungen, deren Aburteilung den Bezirksgerichten obliegt, beträgt dieser Wert sogar 86 %, wodurch es nahe liegt, dass hier die faktische Ermittlungsmacht in noch größerem Umfang bei der Kriminalpolizei liegt. Dezidierte Kooperationsverletzungen zwischen Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei sind jedoch nur in etwa 4 % der Fälle, deren Aburteilung den Landesgerichten, und knapp einem Prozent der Fälle, deren Aburteilung den Bezirksgerichten obliegt, zu verzeichnen.

Der Anteil der von der Staatsanwaltschaft durchgeführten Vernehmungen ist mit 0,6 % "verschwindend gering". Dies entspricht durchaus der Intention des Gesetzes, da die Möglichkeit der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung nur als Ausnahme konzipiert ist. Die StA kann sich aber nicht nur passiv, sondern über die Erteilung konkreter Vernehmungsaufträge an die Kriminalpolizei auch aktiv in diesen Prozess einbringen: Allerdings sind in der Mehrzahl der Fälle keine konkreten diesbezüglichen Aufträge dokumentiert.

Was die Praxis der Verhängung von Zwangsmitteln anbelangt, dominiert in Hinblick auf die Maßnahme Festnahme die Rolle der Polizei: Bei den Fällen, in denen die Aburteilung den Landesgerichten oblag, verhängte die Exekutive dieses Zwangsmittel sogar vorwiegend autonom (78 %). Bei der Hausdurchsuchung spielt die autonome Durchführung durch die Kriminalpolizei hingegen nur eine geringe Rolle.

In Hinblick auf die Art der Beendigung der Ermittlungsverfahren ist festzustellen, dass die Staatsanwaltschaft überwiegend als "Einstellungsbehörde" fungiert: Mehr als die Hälfte der Ermittlungsverfahren wurde schließlich ohne Sanktionsalternativen eingestellt (52,5 %), weitere fünf Prozent fanden durch Diversion seitens der StA Erledigung. Im Bereich der Straftaten, deren Aburteilung den Landesgerichten obliegt, erfolgt die Einstellung in zwei Drittel der Fälle mangels hinreichender Beweise. Bei den Fällen, die vor dem Bezirksgericht abgeurteilt werden, kommt es am häufigsten mangels gerichtlicher Strafbarkeit des Verhaltens zu einer Einstellung.

Dem Gericht kommt im strafprozessualen Ermittlungsverfahren, wie vom Gesetzgeber intendiert, nur ausnahmsweise eine Funktion zu. Ermittlungsaufträge an die Polizei gab es aber immerhin bei vier Prozent aller untersuchten Verfahren, die vor dem Landesgericht abgeurteilt wurden: Dabei handelte es sich vorwiegend um Festnahmen, Verhängung einer U-Haft oder Hausdurchsuchungen.

Die neuen Rechtsschutzinstrumente Einspruch und Beschwerde werden in der Praxis kaum genutzt: Verschwindend gering ist außerdem auch die Bedeutung von Anträgen auf Verfahrenseinstellung.

In der weit überwiegenden Zahl der Fälle kommt es im Ermittlungsverfahren auch zu keiner Verteidigerbeziehung: Zumeist (70 % der Fälle) verzichteten die Beschuldigten auf die Namhaftmachung eines Verteidigers, wobei sich freilich aus der Aktenanalyse nicht ergibt, ob bzw. inwieweit den Beschuldigten die Tragweite dieses Verzichts auch bewusst war. Informationen hinsichtlich des anwaltlichen Notdienstes und der Voraussetzungen der Verfahrenshilfe erhalten die Beschuldigten überwiegend durch das Aushändigen eines Formblattes.

Akteneinsicht wird im Zuge des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens von den Beschuldigten nur äußerst selten genommen. Wurde sie aber beantragt, gewährte man sie fast immer. Die Vornahme einer Akteneinsicht korreliert dabei meist mit dem Umstand des Bestehens einer anwaltlichen Vertretung: Ohne derartige Unterstützung werde diese Möglichkeit fast nie in Anspruch genommen.

Eine Vertretung von Opfern durch einen Rechtsbeistand kommt in knapp über sieben Prozent der untersuchten Fälle vor. Juristische und/oder psychosoziale Prozessbegleitung wird jedoch relativ selten in Anspruch genommen. Akteneinsicht beantragten drei Prozent aller Opfer: Sie wurde durchgehend gewährt und erfolgte fast ausschließlich durch einen Rechtsbeistand. Die Untergruppe der Privatbeteiligten bringt jedoch häufiger Beweisanträge ein, als dies bei den Beschuldigten der Fall ist. In etwa drei Viertel der Fälle wird diesen auch entsprochen.

Anträge auf Fortführung eines eingestellten Ermittlungsverfahrens sind laut Bericht überaus selten.

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 5. Oktober 2011 in Verhandlung genommen und im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Mag. Michael Hammer und nach einer Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim einstimmig beschlossen, zur Vorbehandlung dieses Gegenstandes einen Unterausschuss einzusetzen.

 

Dem Unterausschuss gehörten

von der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion die Abgeordneten Hannes Fazekas, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Johann Maier, Otto Pendl, Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher,

vom Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei die Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Heribert Donnerbauer, Franz Glaser, Mag. Michael Hammer, Mag. Bernd Schönegger,

vom Freiheitlichen Parlamentsklub die Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Dr. Johannes Hübner, Dr. Walter Rosenkranz,

vom Grünen Klub die Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl

sowie vom Parlamentsklubs des BZÖ der Abgeordnete Herbert Scheibner an.

 

Der Unterausschuss hat den Gegenstand in seiner konstituierenden Sitzung am 22. November 2013 und in weiteren Sitzungen am 17. April 2012, am 11. Dezember 2012 und am 6. März 2013.beraten.

Zum Obmann wurde der Abgeordnete Mag. Heribert Donnerbauer gewählt. Nach dessen Ausscheiden aus dem Nationalrat wurde der Abgeordnete Dr. Johannes Jarolim zum Obmann und der Abgeordnete Mag. Peter Michael Ikrath zum Mitglied und stellvertretendem Obmann gewählt.

Diesen Beratungen wurden auch Sachverständige und Auskunftspersonen beigezogen. An den Unterausschussberatungen nahm auch die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl teil.

 

In der Sitzung des Justizausschusses am 19. Juni 2013 erstattete der Unterausschussobmann Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim einen zusammenfassenden mündlichen Bericht über den Stand der Verhandlungen.

An der sich daran anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Christoph Hagen, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Albert Steinhauser, Gerald Grosz, sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl.

Vor Schluss der Debatte beschloss der Ausschuss gemäß § 28b Abs. 4 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates einstimmig, den vorliegenden Bericht aus wichtigen Gründen nicht endzuerledigen.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Peter Michael Ikrath und Mag. Albert Steinhauser einen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Schlussfolgerungen aus den Beratungen des zur Vorbehandlung des Berichts der Bundesministerin für Justiz betreffend die die Rechtspraxis des Ermittlungsverfahrens nach der Strafprozessreform auf Grund der Entschließung des Nationalrates vom 5. November 2009, 53/E XXIV. GP (III-272 d.B.) und des Antrags 150/A(E) der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung des Untersuchungsrichters eingesetzten Unterausschusses des Justizausschusses eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (dafür: S,V,F,G, dagegen: B ) beschlossen wurde.

 

Dieser Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Mit 1. Jänner 2008 trat das Strafprozessreformgesetz 2004 in Kraft. Die Struktur des noch auf das Jahr 1873 beruhenden Vorverfahrens wurde im Sinne „heutiger Auffassungen und Anforderungen sowohl auf dem Gebiet kriminalpolizeilicher Effizienz als auch im Bereich des grundrechtlichen Schutzes“ in Richtung eines einheitlichen Ermittlungsverfahrens grundlegend verändert (vgl. dazu EBRV StPRG, 1 sowie JAB, 1). Kriminalpolizeiliche Aufgaben und Befugnisse, jegliche Art von Zwangsmaßnahmen sowie die Rechte der von der Ausübung dieser Befugnisse betroffenen Personen wurden eindeutig geregelt. Gleiches gilt für die Rollenverteilung zwischen Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, welchem nun primär Kontroll- und Rechtsschutzbefugnisse zukommen. Ferner wurde langjährigen Forderungen nach der Berücksichtigung der besonderen Interessenslage von Opfern strafbarer Handlungen durch Aufwertung ihrer rechtlichen Stellung im Verfahren entsprochen.

Die Reform des Strafprozesses, die eine Kodifikation des Ermittlungsverfahrens beinhaltete, wurde begleitend wissenschaftlich evaluiert, medial und politisch diskutiert und zuletzt auch im Rahmen eines eigenen Unterausschusses des Justizausschusses unter Beiziehung namhafter Experten aus allen am Strafprozess beteiligten Berufsgruppen beleuchtet.

Die Staatsanwaltschaft hat eine völlige Veränderung ihres Rollenbildes erfahren, die – auch wegen der Rahmenbedingungen - nicht leicht zu bewältigen war. Sie ist in den Mittelpunkt des Verfahrens und damit auch in den Mittelpunkt der Kritik geraten. Das Spannungsverhältnis zwischen hoher Personalfluktuation und unverhältnismäßig gestiegenen Anfall an großen Verfahren mit komplexen wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen hat zunächst die unbestreitbaren Vorzüge der Reform, vor allem im Bereich der verstärkten Rechte von Beschuldigten und Opfern in den Hintergrund gedrängt. Schon während der begleitenden Evaluation ab dem Jahr 2008 wurde jedoch die Rechtsentwicklung genau beobachtet und auch auf einige Kritikpunkte reagiert. So wurden im Bereich des Rechtsschutzes im Zuge des strafrechtlichen Kompetenzpakets (BGBl. I Nr. 108/2010) die Kontrollrechte des Rechtsschutzbeauftragten verstärkt und auch die Transparenz durch die neu geschaffene Möglichkeit der Veröffentlichung von Begründungen der Staatsanwaltschaft über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens erhöht.

Aus Sicht der Antragsteller haben die Beratungen im Unterausschuss und die Stellungnahmen der angehörten Experten gezeigt, dass das Ziel der Reform, nämlich der an den Gesetzgeber immer wieder herangetragene Wunsch der Verrechtlichung der Ermittlungsrealität durch die Schaffung einer klaren Aufgaben- und Rollenverteilung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei grundsätzlich nicht in Frage zu stellen ist und auch erreicht wurde. Einer Rückkehr zum System des die Ermittlungen leitenden und gleichzeitig über Grundrechtseingriffe entscheidenden Untersuchungsrichters hat keiner der angehörten Experten befürwortet.

Die Zusammenarbeit zwischen der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft hat sich - nach einer naturgemäß notwendigen Umstellungsphase – bewährt. Die in den Bundesländern eingerichteten „Gesprächsplattformen StPO“, deren Ergebnisse regelmäßig bundesweit in einem zwischen Bundesministerium für Inneres und Bundesministerium für Justiz eingerichteten Qualitätszirkel „StPO“ erörtert werden, tragen zu einer Qualitätssicherung und einer laufenden Optimierung der Abläufe bei.

Trotz dieser grundsätzlich positiven Bewertung des Ist-Zustandes ist nicht zu leugnen, dass es bei jeder Reform vergleichbaren Ausmaßes stets Bedarf an Verbesserungen und Nachschärfungen gibt. Ebenso wenig lässt sich in Abrede stellen, dass – wie bei allen Behörden und Gerichten – auch bei der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei Fehler passiert sind und passieren. Sohin besteht in einzelnen Bereichen auch weiterhin ein Verbesserungs- und Optimierungsbedarf, der erst durch den Echtbetrieb des Systems und die angesprochenen Evaluationsmechanismen deutlich sichtbar wurde. In diesen – im Folgenden darzustellenden Bereichen – ist nun aus Sicht der Antragsteller eine Überprüfung und sodann eine Anpassung durch den Gesetzgeber erforderlich:

Nachdem den Forderungen nach einem einheitlichen Rechtsschutz gemäß § 106 StPO durch die ordentlichen Gericht in Bezug auf sämtliche Eingriffe der Kriminalpolizei in subjektive Rechte während des Ermittlungsverfahrens nunmehr im vorliegenden Ministerialentwurf zum Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013 weitgehend nachgekommen wurde, müssen in gleicher Weise auch Überlegungen zur Belebung des Instituts des Antrags auf Einstellung gemäß § 108 StPO angestellt werden. Gerade vor dem Hintergrund der oftmals geäußerten Kritik in Bezug auf die Verfahrensdauer bestimmter Ermittlungsverfahren scheint es geboten, die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften nach Ablauf bestimmter Fristen einer Art Zweckmäßigkeits- oder Verhältnismäßigkeitskontrolle durch die ordentlichen Gerichte zu unterstellen.

Auch der von der Kriminalpolizei wiederholt geäußerten Kritik an der Begründung staatsanwaltschaftlicher Einstellungsentscheidungen sollte ernst genommen und die Möglichkeit der Befassung des Rechtsschutzbeautragten bei Auffassungsunterschieden erwogen werden.

Zu dem bereits breit diskutierten Themenkreis der Bestellung und der Unabhängigkeit von Sachverständigen im Ermittlungs- bzw. im Hauptverfahren sollen in einer objektiven Betrachtung die geäußerten Kritikpunkte und zu deren Lösung diskutierten Modelle einer Bewertung unterzogen werden, die zu einer Objektivität des Bestellungsvorganges und zur laufenden Qualitätsverbesserung führen. Dabei wird den Aspekten der Verfahrensdauer und der Qualität der Gutachten, der Transparenz ihrer Erstellung sowie angemessener und die Verteidigungsrechte sichernde Kontrollmöglichkeiten Rechnung zu tragen sein, weshalb eine tragfähige und zukunftsweisende Lösung nur im Austausch mit Wissenschaft und Praxis und unter Einbeziehung der Rechtsanwaltschaft und der Berufsverbände der SVs gefunden werden kann.

Wenngleich mit dem Strafprozessreformgesetz ein besonderes Augenmerk auf die verstärkte Berücksichtigung der Interessen von Opfern und Geschädigten gelegt wurde, deren Rechte institutionalisiert und mit den Gewaltschutzpaketen zusätzlich erweitert wurden, besteht in diesem Bereich dennoch Bedarf nach Fortentwicklung. Zu nennen sind an dieser Stelle der weitere Ausbau des Zugangs zur Prozessbegleitung, aber auch die Erweiterung der Rechtsmittelmöglichkeiten für Opfer und Privatbeteiligte. Gerade von Seiten der Opferschutzeinrichtungen wird immer wieder kritisiert, dass dem Aspekt der Wiedergutmachung und damit der Vermeidung nachfolgender Zivilverfahren nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Diese Forderungen sollten aus Sicht der Antragsteller im Rahmen der bevorstehenden Umsetzung der Richtlinie Opferschutz insofern aufgegriffen werden, als ein Schwerpunkt auf die Durchsetzung der Ansprüche von Opfern gelegt wird.

Letztlich scheint es den Antragstellern auch dringend erforderlich zu sein, den Zeitpunkt, ab wann eine angezeigte Person nun tatsächlich Beschuldigter eines Strafverfahrens ist, und die damit einhergehende mediale Kommunikation der Strafverfolgungsbehörden genau zu determinieren, um zu vermeiden, dass jedwede Anzeige ausreicht, um den Betroffenen in der Öffentlichkeit als „Beschuldigten“ zu „brandmarken“.“

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      den Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend die Rechtspraxis des Ermittlungsverfahrens nach der Strafprozessreform aufgrund der Entschließung des Nationalrats vom 5. November 2009, 53/E XXIV. GP (III-272 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2013 06 19

                            Dr. Johannes Jarolim                                                  Mag. Peter Michael Ikrath

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann