2521 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Finanzausschusses

über die Regierungsvorlage (2437 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Besatzungsschädengesetz, das Entschädigungsgesetz ČSSR und das Verteilungsgesetz Bulgarien geändert werden

Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, wird die zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich verankert (Verwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshof). Mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33, wird deren Einführung zum Jahr 2014 einfachgesetzlich vorbereitet. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden Regelungen im Besatzungsschädengesetz, im Entschädigungsgesetz ČSSR sowie im Verteilungsgesetz Bulgarien vorgeschlagen, um – zusammen mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Bundesministerium für Finanzen, BGBl. I Nr. 70/2013 – die Materiengesetze im Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Finanzen an das ab 1. Jänner 2014 geltende System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vollständig anzupassen.

Nach der derzeit geltenden Rechtslage ist die Bundesentschädigungskommission nach dem Besatzungsschädengesetz, BGBl. Nr. 126/1958, zur Entscheidung über Ansprüche nach folgenden Bundesgesetzen berufen:

-       Entschädigungsgesetz ČSSR, BGBl. Nr. 452/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 9/2010,

-       Kriegs- und Verfolgungssachschädengesetz, BGBl. Nr. 127/1958, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 305/1959,

-       Umsiedler- und Vertriebenenentschädigungsgesetz, BGBl. Nr. 177/1962,

-       Anmeldegesetz, BGBl. Nr. 12/1962, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 375/1979, sowie

-       Aushilfegesetz, BGBl. Nr. 712/1976.

Den praktisch bedeutsamsten Anwendungsfall stellt das Entschädigungsgesetz ČSSR dar, da noch nicht alle Verfahren nach diesem Bundesgesetz wegen der schwierigen Erbensuche im Ausland abgeschlossenen sind.

Der (erstinstanzlichen) Zuständigkeit der Bundesentschädigungskommission nach den genannten Bundesgesetzen ist ein bei den Finanzämtern angesiedeltes Vergleichsverfahren, in der Praxis als Anbotsverfahren oder Prüfungsverfahren bezeichnet, vorgelagert.

Die Bundesentschädigungskommission ist eine gemäß § 20 Abs. 1 des Besatzungsschädengesetzes eingerichtete weisungsfreie Kollegialbehörde nach Art. 133 Z 4 B-VG. Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG in Verbindung mit der Anlage Abschnitt A Z 9 wird die Bundesentschädigungskommission nach § 20 Abs. 1 des Besatzungsschädengesetzes mit 1. Jänner 2014 aufgelöst. Ab 1. Jänner 2014 ist daher eine Ersatzregelung erforderlich, da – wie erwähnt – derzeit noch nicht alle Verfahren abgeschlossen sind und eine förmliche Aufhebung der genannten Gesetze wegen Gegenstandslosigkeit somit erst mittelfristig angezeigt erscheint.

Bereits im Begutachtungsentwurf eines Verwaltungsgerichtsbarkeitsanpassungsgesetzes – Bundesministerium für Finanzen vom 29. Jänner 2013 war ein Vorschlag für eine Anpassung des Entschädigungsgesetzes ČSSR an die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 enthalten (467/ME-XXIV. GP, 4): Es wurde vorgeschlagen, die Zuständigkeiten der Bundesentschädigungskommission nach dem Entschädigungsgesetz ČSSR unter Beibehaltung des vorgeschalteten Vergleichsverfahrens vor dem Finanzamt auf das Bundesverwaltungsgericht zu übertragen. Gegen diese Konstruktion wurden im Begutachtungsverfahren jedoch verfassungsrechtliche Bedenken dahingehend geäußert, dass eine derartige Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichts von Art. 130 B-VG nicht vorgesehen sei.

Aufgrund der Komplexität der Angelegenheit wurde die Materie daher einer neuerlichen umfassenden rechtlichen Überprüfung unterzogen, in die auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eingebunden wurde.

Basierend auf den Ergebnissen dieser rechtlichen Überprüfung schlägt der Gesetzentwurf nunmehr folgende Nachfolgeregelung ab dem 1. Jänner 2014 vor:

-       Die Bundesentschädigungskommission nach dem Besatzungsschädengesetz soll in ihrer bisherigen Zusammensetzung und nach den bisherigen Verfahrensregeln wieder errichtet werden.

-       Das Vergleichsverfahren vor dem Finanzamt soll beibehalten werden.

-       Über Beschwerden gegen Bescheide der Bundesentschädigungskommission erkennt das Bundesverwaltungsgericht.

Dieser Konstruktion liegen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (ErlRV 1618 d.B.-XXIV. GP, 21) enthalten im Zusammenhang mit der Weiterführung der bei den unabhängigen Verwaltungsbehörden, die mit 1. Jänner 2014 aufgelöst werden, anhängigen Verfahren folgende Ausführungen: „[Der Übergang dieser Zuständigkeit auf die Verwaltungsgerichte] gilt nur für Verfahren, die nach der neuen Rechtslage […] in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte fallen oder diesen zugewiesen werden können. Soweit den sonstigen unabhängigen Behörden auch Zuständigkeiten zukommen, die nicht gemäß Art. 130 Abs. 1 auf die Verwaltungsgerichte übergehen und diesen auch nicht gemäß Art. 130 Abs. 2 übertragen werden können, ist durch Gesetz zu regeln, von welchen Behörden diese Aufgaben künftig – allenfalls weisungsfrei (vgl. Art. 20 Abs. 2 B-VG […]) – besorgt werden sollen; in diesem Zusammenhang können aufgelöste Behörden auch wieder errichtet werden.“ Auch Richter sollen weiterhin einer kollegialen Verwaltungsbehörde angehören können, wenn diese die Kategorien des Art. 20 Abs. 2 B-VG erfüllt (ErlRV 1618 d.B.-XXIV. GP, 9).

Die Bundesentschädigungskommission ist eine seit Jahrzehnten bewährte Einrichtung. Daher soll diese in der bestehenden Form wieder errichtet werden.

Bei der Zuständigkeit der Bundesentschädigungskommission nach dem Besatzungsschädengesetz handelt es sich um eine Schiedsaufgabe im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Z 4 (Z 3 neu) B-VG, zu deren Besorgung ein Verwaltungsorgan durch Bundesgesetz weisungsfrei gestellt werden kann (vgl. in diesem Sinne bereits die Typisierung der Bundesentschädigungskommission als „Schiedsinstanz“ bei Grabenwarter/Holoubek, Demokratie, Rechtsstaat und Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag, ZfV 2000 194 [199]). Damit kann sich die Weisungsfreistellung der Entschädigungskommission auf Art. 20 Abs. 2 Z 3 B-VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 stützen.

Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wird auch die Bundesverteilungskommission nach § 17 des Verteilungsgesetzes Bulgarien, BGBl. Nr. 129/1964, mit 1. Jänner 2014 aufgelöst (siehe Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG in Verbindung mit der Anlage Abschnitt A Z 11). Auch hier ist eine Ersatzregelung erforderlich.

Der Zuständigkeitsbereich der Bundesverteilungskommission erstreckt sich – neben dem Verteilungsgesetz Bulgarien – auf folgende gesetzliche Regelungen:

-       Verteilungsgesetz DDR, BGBl. Nr. 189/1988, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/1997,

-       Verteilungsgesetz Polen, BGBl. Nr. 75/1974, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 155/1976, sowie das

-       Verteilungsgesetz Rumänien, BGBl. Nr. 71/1965 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 78/1966.

Dem Verfahren vor der Bundesverteilungskommission ist ein Verfahren vor dem Finanzamt, vergleichbar mit dem der Bundesentschädigungskommission vorgeschalteten Verfahren, vorgelagert. Aus den gleichen Erwägungen soll daher die Bundesverteilungskommission als weisungsfreie Kollegialbehörde, der auch richterliche Mitglieder angehören, wieder errichtet werden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass verspätete Anträge oder Wiederaufnahmeanträge ab dem 1. Jänner 2014 nicht mehr behandelt werden könnten, da eine Entscheidung durch ein Verwaltungsgericht nicht vorgesehen ist. Eine förmliche Aufhebung der genannten Gesetze wegen Gegenstandslosigkeit erscheint derzeit noch nicht angezeigt.

Kompetenzgrundlage:

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10. Abs. 1 Z 15 B-VG („Kriegsschadenangelegenheiten“).

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Die Kundmachung des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes bedarf der Zustimmung der Länder gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG.

Der Finanzausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 25. Juni 2013 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters, des Abgeordneten Ing. Erwin Kaipel, der Abgeordnete Ing. Peter Westenthaler sowie der Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, G, T, dagegen: B) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (2437 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2013 06 25

                                Ing. Erwin Kaipel                                                    Dkfm. Dr. Günter Stummvoll

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann