Gesamtbericht

über den

Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen

im Jahr 2009

 

 


I. Einleitung:

 

Am 1.1.1998 ist das Bundesgesetz, mit dem besondere Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung organisierter Kriminalität in die Strafprozessordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, BGBl I Nr. 105/1997, in Kraft getreten. Die Bestimmungen über den automationsunterstützten Datenabgleich sind bereits am 1.10.1997 in Kraft getreten, jene über die optische und akustische Überwachung nach § 149d Abs. 1 Z 3 StPO hingegen erst am 1.7.1998.

 

Durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2001, BGBl I Nr. 130/2001, das am 1. Jänner 2002 in Kraft getreten ist, wurden die Bestimmungen über die optische und akustische Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel und den automationsunterstützten Datenabgleich ohne weitere Befristung in den Rechtsbestand übernommen. Zugleich wurde der Anwendungsbereich des sogenannten kleinen Späh- und Lauschangriffes (§ 149d Abs. 1 Z 2) im Sinn einer Anregung des Rechtsschutzbeauftragten begrifflich klargestellt und der Schutz beruflicher Verschwiegenheitspflichten und des Redaktionsgeheimnisses im Bereich der optischen und akustischen Überwachung nach § 149d Abs. 1 Z 2 StPO durch Ausdehnung der Kontrollbefugnisse des Rechtsschutzbeauftragten (§§ 149e Abs. 2 und 149o Abs. 1) erweitert. Schließlich wurden noch die Bestimmungen über den automationsunterstützten Datenabgleich an jene des DSG 2000 angepasst.

 

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002 (BGBl. I Nr.134/2002) wurde die Zulässigkeit der sogenannten äußeren Rufdatenauswertung und der Standortfeststellung ausdrücklich gesetzlich geregelt. Darüber hinaus erfolgte eine Anpassung der Regelungen der Überwachung eines Fernmeldeverkehrs an die modernen Begriffe und Zitate – vor allem an den Begriff „Telekommunikation“ – des Telekommunikationsgesetzes und der Überwachungsverordnung. Zugleich wurde klargestellt, dass sich die Bestimmungen der Strafprozessordnung auf die Überwachung sämtlicher moderner Formen der Telekommunikation beziehen. Schließlich wurden die Kontrollbefugnisse des Rechtsschutzbeauftragten auf die Anordnung und Durchführung der Überwachung der Telekommunikation eines Teilnehmeranschlusses erweitert, dessen Inhaber ein „Berufsgeheimnisträger“ oder Medienunternehmer ist (§ 149o Abs. 1 Z 4 und Abs. 5). Die Bestimmungen sind am 1. Oktober 2002 in Kraft getreten.

 

Seit Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes (BGBl I Nr. 19/2005) sind die Bestimmungen über die optische und akustische Überwachung von Personen in § 136 StPO geregelt. Eine solche Überwachung ist grundsätzlich von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen. Lediglich im Fall einer Entführung oder Geiselnahme (§ 136 Abs. 1 Z 1 StPO) kann die Kriminalpolizei die Überwachung von sich aus ohne gerichtlich bewilligte Anordnung durchführen. Die Bestimmungen über den automationsunterstützten Datenabgleich sind nunmehr in den §§ 141 bis 143 StPO geregelt, welche im Wesentlichen den bisherigen Regelungen entsprechen. Die Überprüfung und Kontrolle der Anordnung, Genehmigung, Bewilligung und Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen nach §§ 136 Abs. 1 Z 3 und 141 StPO obliegen nach § 147 StPO wie bisher dem Rechtsschutzbeauftragten. Das Strafprozessreformgesetz erweiterte die Kontrollbefugnis des Rechtsschutzbeauftragten (§ 147 Abs 1 StPO) geringfügig auf verdeckte Ermittlungen nach § 131 Abs. 2 StPO und auf Abschluss eines Scheingeschäftes nach § 132 StPO.

 

Nach § 10a Abs. 2 StAG haben die Staatsanwaltschaften über Strafsachen, in denen eine optische oder akustische Überwachung von Personen nach § 136 StPO oder ein automationsunterstützter Datenabgleich nach § 141 StPO angeordnet wurde, den Oberstaatsanwaltschaften alljährlich einen Bericht vorzulegen, dem in den Fällen einer optischen und akustischen Überwachung nach § 136 Abs. 1 Z 2 StPO („kleiner Späh- und Lauschangriff“) und Z 3 („großer Späh- und Lauschangriff"“) die Ausfertigungen der betreffenden gerichtlichen Beschlüsse anzuschließen sind. Die Berichte haben insbesondere zu enthalten:

 

{      die Anzahl der Fälle, in denen die optische oder akustische Überwachung von Personen oder ein automationsunterstützter Datenabgleich angeordnet wurde, sowie die Anzahl der von einer Überwachung betroffenen und der durch einen Datenabgleich ausgeforschten Personen,

{      den Zeitraum der einzelnen Überwachungsmaßnahmen,

{      die Anzahl der Fälle, in denen besondere Ermittlungsmaßnahmen mit Erfolg durchgeführt wurden.

 

Diese Berichte haben die Oberstaatsanwaltschaften zu prüfen, sie gegebenenfalls richtigstellen zu lassen oder sonst die erforderlichen Verfügungen zu treffen. Sie haben dem Bundesministerium für Justiz einen Gesamtübersicht über besondere Ermittlungsmaßnahmen samt den Ausfertigungen der bewilligten Anordnungen zu übermitteln (§ 10a Abs. 3 StAG). Der Bundesminister für Justiz hat auf Grundlage der Berichte der Staatsanwaltschaften und des Berichtes des Rechtschutzbeauftragten alljährlich dem Nationalrat, dem Datenschutzrat und der Datenschutzkommission einen Gesamtbericht über den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen zu erstatten, soweit diese aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung durchgeführt wurden (§ 10a Abs. 4 StAG).

 

Gemäß § 147 Abs. 5 StPO hat der Rechtsschutzbeauftragte bis zum 31. März 2010 dem Bundesminister einen Bericht über seine Tätigkeit und seine Wahrnehmungen zur Anwendung der Bestimmungen über die in § 147 Abs. 1 StPO angeführten besonderen Ermittlungsmaßnahmen übergeben.

 

II. Optische und akustische Überwachung von Personen (§ 136 Abs. 1 Z 3 lit. a und b StPO):

1. Im Berichtszeitraum 2009 wurde in insgesamt drei Fällen eine optische und/oder akustische Überwachung nach § 136 Abs. 1 Z 3 StPO angeordnet und in zwei Fällen auch durchgeführt. Der Rechtsschutzbeauftragte wurde mit diesen Anordnungen gemäß § 147 Abs. 3 StPO auch befasst.

Zu den Durchgeführten Überwachungsmaßnahmen ist Folgendes zu bemerken:

Ermittlungsverfahren der StA Graz (1 St 49/09a):

In diesem Verfahren wurde von der StA Graz eine Anordnung der akustischen Überwachung von Personen (nach § 136 Abs. 1 Z 3 lit. a und b StPO) sowie der Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung und der Überwachung von Nachrichten samt gerichtlicher Bewilligung dem Rechtsschutzbeauftragten vorgelegt. Es bestand der dringende Verdacht einer Bestimmungstäterschaft zu einem Mord.

Zur Vorgeschichte ist kurz anzuführen, dass P*** im Verfahren 9 Hv 127/04 des LG für Strafsachen Graz mit Urteil vom 9. September 2004 rechtskräftig wegen des Verbrechens des Mordes für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt wurde, die er in der Folge in der Justizanstalt Karlau verbüßte. Bereits in einem im Dezember 2006 gestellten Wiederaufnahmeantrag hatte P*** behauptet, nicht er, sondern der Beschuldigte habe das Opfer getötet. Der Wiederaufnahmeantrag wurde jedoch abgewiesen und der dagegen erhobenen Beschwerde vom OLG Graz am 28. Juni 2007 nicht Folge gegeben.

In seiner polizeilichen Vernehmung im Mai 2009 wiederholte P*** jedoch seine Anschuldigung gegen den Beschuldigten und behauptete, dieser habe ihm insgesamt 300.000,-- Euro versprochen, falls er die Verantwortung für das Geschehene übernehme; der Beschuldigte soll auch gesagt haben, dass er P*** während der Haft betreuen werde. Durch Kontoaufzeichnungen ist dokumentiert, dass der Beschuldigte seit der Inhaftierung P*** monatlich 250,-- Euro insgesamt über 20.000,-- Euro auf dessen Konto überwiesen habe. Der Beschuldigte hat sich bei seinen überaus zahlreichen Besuchen des P*** gegenüber der Justizanstalt auf seine Eigenschaft als Seelsorger berufen (Seelsorger der Heilsgemeinde der Zeugen Jehovas). Angesichts der dokumentierten, regelmäßig fortgesetzten Geldüberweisungen auf das Konto des Inhaftierten und intensiver Besuchertätigkeit in der Justizanstalt wurde vom Rechtsschutzbeauftragten die Dringlichkeit des Tatverdachts und die Relevanz der Maßnahme für die Aufklärung unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit bejaht. Ermächtigungen für die Anordnung und Durchführung folgender Ermittlungsmaßnahmen wurden erteilt:

·         Die Übermittlung von Inhalten von Nachrichten nach §§ 134 Z 3, 135 Abs. 3 Z 3 lit. a und b StPO in Ansehung eines vom Beschuldigten angemeldeten und benutzten Festnetzanschlusses für die Zeit vom 20. Juli bis 30. August 2009

·         Einholung einer Auskunft über Verkehrs- und die Standortdaten in Ansehung dieses Festnetzanschlusses im Zeitraum 1. April bis 30. August 2009 und eines von P*** benutzten Wertkartentelefons im Zeitraum 1. April bis 30. Juni 2009

·         akustische Überwachung des Sprechzimmers im Parterre der Justizanstalt Karlau bei Besuchen des Beschuldigten für dessen Gespräche mit dem Insassen P*** im Zeitraum 20. Juli bis 30. August 2009.

Eine Installation der Abhöreinrichtungen war aber nicht (mehr) erforderlich, weil zwischenzeitig von P*** die Zustimmung der Abhörung und Aufzeichnung allfälliger Gespräche mit dem Beschuldigten eingeholt wurde (um Verzögerungen zu vermeiden). Deshalb beantragte die StA Graz am 23. Juli 2009 die Erteilung der Ermächtigung zur Anordnung eines sogenannten „kleinen Lauschangriffes“ (akustische Überwachung gemäß § 136 Abs. 1 Z 2 StPO). Auch diese Ermächtigung wurde erteilt.

Nach dem Bericht der StA Graz vom 24.11.2009 wurde der Lauschangriff jedoch nicht vollzogen, da es danach zu keinen persönlichen Kontakten zwischen dem Beschuldigten und P*** gekommen ist. Es wurden hingegen die Maßnahmen zur Überwachung von Nachrichten nach § 135 Abs. 2 und 3 StPO durchgeführt.

Der Beschuldigte wurde am 31.10.2009 festgenommen und befand sich wegen des Verdachtes des Verbrechens des Mordes in U-Haft. Weitere Ermittlungen haben ergeben, dass der Beschuldigte in den Jahren 2003 bis 2009 insgesamt 54.785,-- Euro teils an P*** selbst, teils an dessen Verwandte in der Türkei überwiesen hatte. Der Dauerauftrag für monatliche Überweisungen von 100,-- Euro vom Girokonto des Beschuldigten an P*** wurde durch ein Sparbuch bedient. Zwischenzeitig hat P*** in der Haft Selbstmord verübt.

Die Protokolle über die Überwachung von Nachrichten wurden dem Rechtsschutzbeauftragten übermittelt; die Erforderlichkeit eines Vernichtungsantrages haben sich bisher nicht ergeben.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beschuldigte im Verfahren wegen Bestimmung zum Mord nach § 12, 2. alt iVm § 75 StGB nach dem Wahrspruch der Geschworenen am 21. Mai 2010 für schuldigt erkannt (Bejahung der Hauptfrage mit 5:3), wobei mit Beschluss vom gleichen Tag diese Entscheidung der Geschworenen ausgesetzt und die Sache dem OGH vorgelegt wurde. Der Beschuldigte wurde, nachdem er einen Enthaftungsantrag gestellt hat, enthaftet. Dagegen erhob die Staatsanwaltschaft Graz Beschwerde, der vom Oberlandesgericht Graz auch Folge gegeben wurde. Daraufhin wurde der Beschuldigte wieder in Untersuchungshaft genommen. Das fortgesetzte Verfahren gegen den Beschuldigten ist bislang noch nicht abgeschlossen.

Rechtshilfeverfahren der StA Salzburg (32 HSt 135/09z):

Ausgangspunkt dieses Verfahrens bildete ein Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Trient vom 28.8.2009. Den beiliegenden Unterlagen zufolge bestand der dringende Tatverdacht, dass sich ein Beschuldigter (der sich in U-Haft in der Justizanstalt Salzburg befand) an einer internationalen Schlepperorganisation beteiligt habe, die sich mit der Überführung von Flüchtlingen, vor allem aus dem Nordirak durch die Türkei und Griechenland nach Deutschland, aber auch von illegalen Einwanderern von Italien nach Nordeuropa befasste. Aus einer Überwachung des Inhalts von Nachrichten ergab sich, dass der Beschuldigte in der Art einer Drohung gegenüber einem Gesprächspartner angab, Mitglied der PKK zu sein. Ein abgehörtes Gespräch zwischen dem Bruder des Beschuldigte wies auf den dringenden Tatverdacht nach §§ 278a und 278b StGB hin.

Aufgrund dieser Sachlage ordnete die StA Salzburg am 21. September 2009 (mit gerichtlicher Bewilligung) gemäß § 136 Abs. 1 Z 3 lit. a StPO die akustische Überwachung der Gespräche des in der U-Haft befindlichen Beschuldigten an (befristet bis zum 19. Oktober 2009). Der Beschuldigte saß damals aufgrund einer (noch) nicht rechtskräftigen Verurteilung wegen Schlepperei in Untersuchungshaft. Der Beschuldigte sollte im Besucherraum mit seinem Bruder und einem weiteren Zeugen Gespräche führen, weshalb eine Überwachung angeordnet wurde.

Diese Überwachung stellte eine Ultimo-Ratio-Maßnahme dar, weshalb der Rechtsschutzbeauftragte die Verhältnismäßigkeit bejahte. Die Abhör- und Aufzeichnungsgeräte wurden am 22.9.2009 in einer der fünf Sprechzellen im Besuchsraum installiert, wobei mit der Justizanstalt Salzburg vereinbart wurde, dass die Geräte nur dann eingeschaltet werden dürften, wenn der Untersuchungshäftling Besuch von einer der in der Ermittlungsanordnung bezeichneten Personen erhalte. Besuche des Beschuldigten von seinen Bruder fanden am 6. und 7. Oktober 2009 statt. Dabei wurden nur Gespräche zwischen diesen beiden und nicht auch mit Begleitern des Letztgenannten aufgezeichnet. Weitere Besuche erfolgten nicht mehr.

Die Ermittlungsmaßnahme wurde daher am 19. Oktober 2009 termingemäß beendet. Die Audioauswertung wurde auch dem Rechtsschutzbeauftragten zugemittelt und die Erhebung eines Vernichtungsantrages nach § 147 Abs. 4 StPO wurde vom Rechtsschutzbeauftragten als nicht notwendig erachtet. Nach dem Bericht der StA Salzburg wurde der Beschuldigte aufgrund der Vollziehung eines Europäischen Haftbefehls des Tribunals von Venedig am 10. Dezember 2009 den italienischen Behörden übergeben, ebenso wie die Audioaufzeichnungen.

Ermittlungsverfahren der StA Wien (706 St 25/08w):

Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens übermittelte die Staatsanwaltschaft Wien am 6. November 2009 die Anordnung der akustischen Überwachung mehrerer Beschuldigter und weiterer Personen im Bereich der als Büro verwendeten und als Zentrale bezeichneten „***Bar“ in Wien. In einem ebenerdig gelegenen Raum sollte die Überwachung für die Zeit von vier Wochen ab gerichtlicher Bewilligung gemäß § 136 Abs. 1 Z 3 lit. a und b StPO erfolgen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der dringende Verdacht von gewerbsmäßigen Schutzgelderpressungen über eine längere Zeit hindurch bestehe. Die in einschlägigen Kreisen als sog. „***-Club“ bezeichnete Gruppe von mindestens 10 Personen hätten im großen Umfang Personen mit dem Ziel einer Bereicherung in einem 50.000.- Euro übersteigenden Wert bedroht.

Die Annahmen hinsichtlich des dringenden Tatverdachts durch die StA und dem Gericht stützten sich auf die kriminalpolizeilichen Berichte und lag der dringende Tatverdacht wegen § 278a StGB zumindest mit Beziehung auf §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 2 Z 1 und 2 StGB vor.

Nach den vorliegenden Gegebenheiten des Sachverhaltes wäre die Aufklärung ohne die akustische Überwachung geradezu aussichtslos und konnte daher die Verhältnismäßigkeit vom Rechtsschutzbeauftragten nicht in Zweifel gezogen werden. Die Eingriffsmaßnahmen, von denen die akustische Überwachung am 11.11.2009 begann, wurden zunächst mit Anordnung vom 27.11.2009 bis 4.2.2010 und zuletzt mit Anordnung vom 2.2.2010 bis 31.3.2010 verlängert. Der zunächst festgelegte Überwachungszeitraum hatte sich vor allem angesichts der Abwesenheit des vermutlichen Kopfes der kriminellen Organisation im Ausland als zu kurz erwiesen. Andererseits habe der bisherige Überwachungsverlauf eine zunehmende Verdichtung der Indizien sowohl hinsichtlich des Grunddeliktes (Erpressung) als auch des Organisationsdeliktes ergeben, sodass auch die vom Gesetz geforderte Erfolgswahrscheinlichkeit der weiteren Anordnungen bejaht wurde.

Gegenwärtig sind etliche Beschuldigte in Haft genommen worden; die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

2. Im Jahr 2009 wurden im Bundesgebiet zwei optische und/oder akustische Überwachungen nach § 136 Abs. 1 Z 2 StPO („kleiner Späh- und Lauschangriff„) angeordnet.

Zu den durchgeführten Überwachungsmaßnahmen ist Folgendes zu bemerken:

Ermittlungsverfahren der StA Graz (1 St 49/09a):

Wie bereits oben angeführt wurden die optischen und/oder akustischen Überwachungen nach § 136 Abs. 1 Z 2 StPO im Zuge der Ermittlungsverfahren vor der StA Graz zu 1 St 49/09a angeordnet, weshalb auf die obige Darstellung (zu Punkt 1.) verwiesen werden kann.

Ermittlungsverfahren der StA Wien (706 St 25/08w):

Ein weiterer „kleiner Späh- oder Lauschangriff“ wurde im Verfahren 706 St 25/08w der StA Wien angeordnet. In diesem Verfahren, dass gegen mehrere Beschuldigte geführt wird, wurde eine Überwachung eines zu führenden Gespräches mit einem Beamten des Bundeskriminalamtes für die Zeit von 16.12. bis 17.12.2009 (24 Uhr) angeordnet. Nach den Berichten des Bundeskriminalamtes bestand der dringende Tatverdacht wegen § 278a StGB zumindest mit Beziehung auf §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 2 Z 1 und 2 StGB vor, und ein Beschuldigter wollte mit einem ihm persönlich bekannten Ermittler außerhalb einer Protokollierung sprechen. Die Verhältnismäßigkeit wurde im Hinblick auf die Schwere der Taten und wegen der zu erwartenden Aufklärung konspirativen Verhaltens bejaht. Der Erfolg dieser Ermittlungsmaßnahme kann bislang noch nicht beurteilt werden, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.

3. Eine optische Überwachung nach § 136 Abs. 3 Z 1 und 2 StPO („Videofalle“) wurde insgesamt in 117 Fällen angeordnet, wovon in 59 Fällen die Überwachung außerhalb von Räumen (§ 136 Abs. 3 Z 1 StPO) und in 58 Fällen innerhalb von Räumen mit Zustimmung deren Inhaber (§ 136 Abs. 2 Z 2 StPO) erfolgte.

4. Zur regionalen Verteilung ist zu bemerken, dass Überwachungen nach § 136 Abs. 1 Z 3 („großer Späh- und Lauschangriff“) im Sprengel der Staatsanwaltschaften Wien, Graz und Salzburg stattfanden; die Überwachung nach § 136 Abs. 1 Z 2 („kleiner Späh- und Lauschangriff“) wurden im Sprengel der Staatsanwaltschaft Wien und Graz angeordnet. Optische Überwachungen nach § 136 Abs. 2 Z 1 und 2 StPO („Videofalle“) wurden grundsätzlich in allen Sprengeln verzeichnet. Nur im Sprengel der Staatsanwaltschaften Ried im Innkreis wurden im Jahr 2009 (sowie bereits im Jahr 2008) überhaupt keine besonderen Ermittlungsmaßnahmen angewendet. Auffällig gegenüber dem Vorjahr ist, dass im Sprengel der Staatsanwaltschaft Wien in 41 Fällen eine Überwachung nach § 136 Abs. 3 Z 1 und 2 StPO angeordnet wurde, während im Sprengel der Staatsanwaltschaft Graz (im Verhältnis zur Größe des Sprengels) 43 Überwachungen angeordnet wurden, sodass diese Ermittlungsmethode in Graz deutlich häufiger zur Anwendung gelangt.

Einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung einer besonderen Ermittlungsmaßnahme wurde nur in einem Fall vom Gericht nicht bewilligt.

In insgesamt 35 Fällen erfolgte gemäß § 137 Abs. 3 StPO eine neuerliche Anordnung. In 50 Fällen wurden die Zeiträume für die durchgeführte Überwachung mit über einem Monat festgelegt; hingegen wurde eine sehr kurze Überwachungsdauer, nämlich bis zu 24 Stunden, nur in einem Fall angeordnet.

5. In 44 Fällen (= Ermittlungsverfahren) war die Überwachung erfolgreich; Kriterium des Erfolgs ist, ob eine durchgeführte Überwachung zur Aufklärung bzw. Verhinderung der dem Antrag zugrunde liegenden strafbaren Handlung beigetragen hat, indem sie etwa einen bestehenden Verdacht erhärtet oder zur Ausforschung eines Verdächtigen führt. In 57 Fällen hingegen war die Überwachung erfolglos. Eine Überwachung war dann erfolglos, wenn sie keine verwertbaren Ergebnisse erbringt. In insgesamt 20 Fällen liegt ein Ergebnis nicht vor bzw. kann der Erfolg der durchgeführten Maßnahme noch nicht beurteilt werden.

Die angeordneten optischen und/oder akustischen Überwachungen richteten sich gegen insgesamt 357 Verdächtige. Dieser sehr hohe Wert ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass im Sprengel der StA Wien ein sehr umfangreiches Ermittlungsverfahren gegen sehr viele Beschuldigte geführt wird, weshalb die sehr hohe Anzahl vom Vorjahr ebenfalls erreicht wird. Eine geringe Steigerung gegenüber dem Vorjahr (10 Fälle) ist bei den Anordnungen nach § 136 Abs. 3 Z 2 StPO zu verzeichnen.

Gegen weitere 3 Personen wurde auf Grund der Ergebnisse der Überwachung ein Verfahren eingeleitet (§ 140 Abs. 2 StPO).

Die den Überwachungen zu Grunde liegenden Delikte betrafen vorwiegend solche gegen fremdes Vermögen (86); in 10 Fällen wurde die Überwachung zur Aufklärung von strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben angeordnet, in 4 Fällen diente die Überwachung der Aufklärung und Verhinderung von im Rahmen einer kriminelle Organisation geplanten strafbaren Handlungen. In 12 Fällen diente die Überwachung der Aufklärung eines Verbrechens nach dem SMG und 8 weitere Fälle betrafen sonstige Delikte nach dem StGB.

6. Gegen durchgeführte Überwachungen wurden keine Beschwerden von Beschuldigten bzw. Inhaber der Räumlichkeiten erhoben; ebenso wurden keine Anträge auf Vernichtung von Bildern und Teilen der schriftlichen Aufzeichnungen gestellt.

III. Zum automationsunterstützten Datenabgleich nach §§ 141 ff StPO:

Die Durchführung eines automationsunterstützten Datenabgleichs („Rasterfahndung“ - § 141 StPO) wurde im Berichtsjahr im Bundesgebiet von den Staatsanwaltschaften in keinem Fall angeordnet.

IV. Rechtspolitische Bewertung:

Die Zunahme schwerer und organisierter Kriminalität im Bereich des Terrorismus, der Korruption, des Suchtgifthandels und der sexuellen Ausbeutung sowie der schweren Vermögensdelinquenz, deren Besonderheit u.a. in der internen Abschottung der Tätergruppen und -pyramiden sowie im häufigen Fehlen individueller Opfer besteht, hat den Gesetzgeber 1997 veranlasst, wirkungsvolle Instrumente zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität einzuführen, die gleichwohl auf einen besonders sorgfältigen Ausgleich zwischen der Effizienz der Strafverfolgung und der weitest möglichen Wahrung der Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger bedacht sind (vgl. Bericht des Justizausschusses 812 BlgNR XX. GP, 2 f.). Auch in Anbetracht des zuletzt im Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich 2008 dargestellten Erscheinungsbildes der organisierten Kriminalität (vgl. Sicherheitsbericht 2009, Pkt. 7, 119 ff) haben sich aus Sicht des Bundesministers für Justiz die Formen der akustischen und optischen Überwachung als effizientes und notwendiges Instrumentarium erwiesen, um diesen Formen der Kriminalität im Sinne der Schutzfunktion eines Rechtsstaates wirksam entgegentreten zu können (siehe auch die Gesamtberichte des Bundesministers für Justiz über den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen aus den Vorjahren).

An Hand der Übersicht der besonderen Ermittlungsmaßnahmen in diesem Berichtsjahr lässt sich schließlich die schon in den Vorjahren vertretene Einschätzung bestätigen, wonach Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte trotz eines sich zumindest der Qualität nach verändernden Kriminalitätsbildes mit den erweiterten Befugnissen zur Kriminalitätsbekämpfung grundsätzlich maßhaltend und verhältnismäßig umgegangen sind. Dadurch wird auch die Wirksamkeit der strengen Einsatzvoraussetzungen belegt. Es zeigt sich, dass von der Befugniserweiterung für die Strafverfolgungsbehörden mit einer für das Strafverfahren typischen Selbstbegrenzung staatlicher Macht Gebrauch gemacht wurde und fundamentale Grundrechtspositionen (Privatsphäre, faires Strafverfahren) weitgehend unangetastet blieben (die Anwendungsfälle des - gerichtlich angeordneten – „kleinen Lausch- und Spähangriffs“ haben in keinem Anwendungsjahr auch nur annähernd die prognostizierte Zahl von 20 erreicht). Die weitgehend erfolgreichen Ergebnisse der Anwendungsfälle des „kleinen und großen Lausch- und Spähangriffs“ zeigen auch, dass diese Maßnahmen nur in notwendigen Fällen zur Anwendung gelangten, wenn auf Grund vorhergehender Ermittlungen ausreichende Erfolgsaussichten anzunehmen waren. Durch die veränderte Aufgabenverteilung nach dem Strafprozessreformgesetz, wonach die Gerichte die Anordnungen der Staatsanwaltschaften zu prüfen und zu bewilligen bzw. abzulehnen haben, hat sich an der Effektivität und Verhältnismäßigkeit der getroffenen Anordnungen keine Abschwächung ergeben.

 

Aus der weiterhin geringen Zahl der Anwendungsfälle darf natürlich auch nicht der Schluss gezogen werden, dass die neuen Ermittlungsmaßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung nicht erforderlich wären. Damit würde nämlich insbesondere die Präventivwirkung des Gesetzes übersehen, mit dessen erweiterten Befugnissen Österreich signalisiert, entschlossen gegen organisierte und andere schwere Formen der Kriminalität vorzugehen. Darüber hinaus hat die relativ geringe Zahl der Anwendungsfälle besonderer Ermittlungsmaßnahmen ihre Ursache in ihrer maßhaltenden, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtenden Anwendung der einschlägigen Bestimmungen, deren Notwendigkeit keinesfalls lediglich an ihrem Erfolg gemessen werden kann. Vielmehr stellen sich die besonderer Ermittlungsmaßnahmen im Hinblick auf die auch von der Kriminalität genützte technische Entwicklung mehr denn je als unabdingbare Mittel zur Aufklärung insbesondere mittlerer und schwerer Delikte dar und bieten ungeachtet der restriktiven Handhabung gerade bei der Bekämpfung der schweren Suchtmittelkriminalität, der organisierten Kriminalität und der Korruption effektive Erhebungsmöglichkeit.

In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, dass neben der Strafprozessordnung auch das Sicherheitspolizeigesetz die Möglichkeit der (verdeckten) Ermittlung personenbezogener Daten mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten (also ebenfalls den "kleinen Lausch- und Spähangriff" und die "Videofalle", nicht aber einen "großen Lausch- und Spähangriff" oder eine Überwachung von Nachrichten[1]) für Zwecke der Abwehr eines "gefährlichen Angriffs" (§ 16 Abs. 2 und 3 SPG in der durch das Bundesgesetz BGBl I 100/2005 geänderten Fassung – Fremdenrechtspaket 2005) oder einer kriminellen Verbindung vorsieht (vg. § 54 Abs. 4 und 4a SPG in der durch das Bundesgesetz BGBl I 158/2005 geänderten Fassung – Sicherheitspolizeigesetz-Novelle 2006).

Der vorliegende Gesamtbericht zeigt auch im zweiten Berichtsjahr nach Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes, dass die Verschiebung der Leitungsbefugnis des Ermittlungsverfahrens an die Staatsanwaltschaft an dem maßvollen Umgang mit diesen Maßnahmen nichts geändert hat. Die Anzahl der Anordnungen des großen und kleinen Lausch- und Spähangriff sind im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen (von 6 auf 7 Fälle, wobei diese im Zuge von lediglich drei Ermittlungsverfahren angeordnet wurden). Anträge auf Bewilligung dieser Ermittlungsmaßnahmen (großen und kleinen Lausch- und Spähangriff) wurden vom Gericht nicht abgelehnt. Dies lässt erkennen, dass die Prüfung durch die Staatsanwaltschaften, was die Verhältnismäßigkeit und die Einschätzung des Tatverdachtes anbelangt, sehr genau vorgenommen wird. Die Erfolgsquote von 44/57 (Vorjahr 40/59) konnte sogar leicht verbessert werden, sodass neben einem maßvollen Umgang auch die Qualität  der Ermittlungsarbeit als positiv beurteilt werden kann.

Abschließend ist hervorzuheben, dass auch der Rechnungshof in seinem Bericht über ausgewählte Ermittlungsmaßnahmen (Reihe Bund 2008/10) festgestellt hat, dass sich der „große Späh– und Lauschangriff“ aus ermittlungstaktischer Sicht zur wirksamen Kriminalitätsbekämpfung bewährte. Die Gerichte und die Staatsanwaltschaften gingen auch aus Sicht des RH mit diesem Ermittlungsinstrument, das tiefe Eingriffe in Grund– und Freiheitsrechte der Betroffenen ermöglichte, maßhaltend und verhältnismäßig um. Der Funktion des Rechtsschutzbeauftragten des Bundesministeriums für Justiz wurde eine unabhängige und objektive Wahrnehmung seiner Prüf- und Kontrollrechte bescheinigt. Der vorliegende Bericht und das diesem Bericht zugrundeliegende Zahlenmaterial belegen eindeutig, dass diese Einschätzung nach wie vor zutreffend ist.

V. Anhang:

Tabellarische Auswertung der von den Staatsanwaltschaften übermittelten Berichtsbögen (Beilagen ./A bis ./G).



[1] Unter den Voraussetzungen der § 53 Abs 3b SPG (idF BGBl. I. Nr. 114/2007) können von den Sicherheitsbehörden Standortdaten iSd TKG angefordert werden.